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WASHINGTON D.C. 8 UHR 05

 

Der dunkelhäutige, gepflegt aussehende Mann wurde in das eichenholzgetäfelte Büro des Vorsitzenden des Democratic National Committee geführt. Russ Piper, beleibt und gut gelaunt, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und trat hervor, um seinen Besucher zu begrüßen. »Prinz Kalib«, sagte er mit ausgestreckter Hand, »es freut mich sehr, Sie endlich kennen zu lernen.«

Rafik Aziz reagierte mit der angemessenen Reserviertheit und schüttelte Piper flüchtig die Hand.

»Wie war Ihr Flug?«, fragte Piper.

Aziz blickte sich in dem Zimmer um und betrachtete die gerahmten Bilder, die an den getäfelten Wänden hingen. »Angenehm.« Aziz beabsichtigte die Konversation auf ein Minimum zu beschränken. Der wirkliche Prinz Kalib lebte sehr zurückgezogen – eine Eigenschaft, die Aziz durchaus entgegenkam.

»Ich habe gehört, dass Sie in die Mayo-Klinik wollen, um Ihren Vater zu besuchen.«

»Das stimmt«, sagte Aziz und nickte.

»Wie geht es dem Sultan?«

»Es geht ihm gut«, antwortete Aziz und holte ein goldenes Zigarettenetui aus seiner Jacketttasche hervor. »Die Ärzte in der Mayo-Klinik sind die besten der Welt.« Aziz zündete sich mit einem goldenen Feuerzeug eine Zigarette an, stieß den Rauch aus und trat ans Fenster.

Piper verfolgte mit offenem Mund, wie sein Gast sich die Zigarette anzündete. Er wollte den Prinzen schon darauf aufmerksam machen, dass Rauchen in diesem Haus strikt verboten war – doch nach kurzem Überlegen ließ er es doch sein. Piper fuhr sich mit der Hand über die Krawatte, um sicherzugehen, dass sie korrekt saß. »Ja, es sind schon viele unserer Präsidenten dort behandelt worden«, sagte er, an das Gespräch anknüpfend.

Aziz blickte auf die leuchtend weiße Kuppel des Kapitols hinaus. Dann drehte er sich langsam um und sagte: »Ich nehme an, Sie hatten keine Schwierigkeiten, unser Treffen zu arrangieren?«

»Das war überhaupt kein Problem«, sagte Piper stolz. »Der Präsident und ich sind gut befreundet.«

»Schön.« Die Zigarette in einer Hand haltend, griff Aziz in seine Jacketttasche und zog einen langen blauen Scheck hervor. »Wie wir vereinbart haben, geht das hier über eine meiner amerikanischen Firmen an Ihre Partei.«

Piper nahm den Scheck mit beiden Händen entgegen und blickte sogleich auf das Feld auf der rechten Seite.

Der Vorsitzende des Democratic National Committee lächelte angesichts des hohen Betrages. »Ich weiß das sehr zu schätzen, Eure Hoheit.«

Aziz nickte wohlwollend.

»Ich verspreche Ihnen, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, damit Ihr Land die Verteidigungswaffen bekommt, die Sie brauchen.«

»Unser Sultanat«, korrigierte Aziz.

»Ja, natürlich, Ihr Sultanat«, sagte Piper und rieb sich nervös die Hände. »Verzeihung.« Er blickte auf seine Uhr und fügte hinzu: »Nun, wir sollten uns dann wohl auf den Weg machen. Unten wartet eine Limousine, die uns zum Weißen Haus bringt. Wir wollen schließlich nicht zu spät beim Präsidenten erscheinen.«

»Nein, das wollen wir nicht«, sagte Aziz lächelnd. »Ich habe mich lange auf diesen Tag gefreut.«

 

 

 

IM WEISSEN HAUS

 

Präsident Hayes saß an seinem Schreibtisch im Oval Office. Sein Anzugjackett hing über der hohen Stuhllehne, und vor ihm lag eine Fotokopie seines Terminplans für den heutigen Tag. Der Plan war maschinegeschrieben, doch der Termin um neun Uhr vormittags war durchgestrichen, und seine Stabschefin hatte etwas an den Rand geschrieben. Der Präsident bemühte sich vergeblich, die kleinen Buchstaben zu entziffern, und kam zu dem Schluss, dass es nicht an seinen Augen lag, sondern an der Handschrift seiner Stabschefin.

Ohne anzuklopfen, trat Valerie Jones vom Flur her in sein Büro ein. Sie trug einen Stoß Aktenmappen unter dem linken Arm und hielt in der Rechten einen ledernen Terminplaner. »Guten Morgen, Robert«, sagte sie und durchquerte das Zimmer, um die Akten auf die linke Seite des Schreibtisches zu legen.

Hayes zeigte ihr den Terminplan. »Was haben Sie da an den Rand geschrieben?«

Ohne einen Blick auf das Papier zu werfen, erwiderte Valerie Jones: »Eine kurzfristige Änderung. Prinz Kalib aus Oman hält sich gerade in der Stadt auf. Er ist auf dem Weg zu seinem Vater, der in der Mayo-Klinik liegt.«

»Und?«, fragte Hayes stirnrunzelnd.

»Und… « Valerie Jones legte die Hände an die Hüften und lächelte. »Das wollen Sie bestimmt nicht wissen. Glauben Sie’s mir einfach, wenn ich Ihnen sage, dass sich das Treffen lohnt.«

Präsident Hayes nickte langsam. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete seine Stabschefin für einen kurzen Augenblick. Sie trug eine gelbe, nahezu goldfarbene Seidenbluse und dazu einen schwarzen Rock und Schal, was ihr in Hayes’ Augen das Aussehen einer Hummel verlieh. Als Ehemann und Vater zweier erwachsener Töchter war Hayes jedoch klug genug, diesen Gedanken für sich zu behalten. »Was haben Sie sonst noch für mich?«, fragte er.

»Die First Lady hat Andrews vor fünfzehn Minuten verlassen und wird kurz vor zehn in Columbus sein. Da fällt mir ein … « Valerie Jones legte beide Hände auf den Schreibtisch und fügte hinzu: »Ich finde immer noch, dass Sie nach Columbus fliegen sollten. Sie könnten morgen Nachmittag abfliegen und würden rechtzeitig zur Party kommen.« Das fünfte Enkelkind des Präsidenten, das noch dazu nach ihm auf den Namen Robert Xavier Hayes getauft war, feierte morgen seinen ersten Geburtstag.

Hayes schüttelte den Kopf. »Ich werde den kleinen Robert ja in zwei Wochen sehen, und da feiere ich dann seinen Geburtstag.«

»Trotzdem finde ich, dass Sie morgen dabei sein sollten«, beharrte seine Stabschefin.

»Nein. Es ist eine ziemliche Geldverschwendung, einfach nur so für einen Abend durch die Gegend zu fliegen.«

»Na schön.« Auf Betreiben der First Lady hatte Valerie Jones noch einmal versucht, ihn zu überreden. Die Stabschefin nahm eine der Aktenmappen, die sie mitgebracht hatte, und öffnete sie. »Ich brauche Ihre Unterschrift auf ungefähr dreißig Dokumenten. Einige davon werden Sie sich ansehen wollen, die anderen können Sie einfach unterschreiben.«

Mit einem Seufzer begann Hayes sich durch den Stapel zu arbeiten.