Emanuelle Arsan
Da Emmanuelle in den Club geht, um zu schwimmen, und nicht, um sich Klatsch anzuhören, beschließt sie, ihre Besuche dort auf morgens zu verlegen. Zehnmal durchschwimmt sie geschmeidig die ganze Länge des Beckens, und sie kümmert sich ebensowenig darum, wieviel Zeit sie dafür braucht, wie um die Blicke der Männer, die sich um diese Stunde hier aufhalten. Durch das ständig wiederholte Anheben der Arme über ihren Kopf haben sich ihre Brüste aus ihrem trägerlosen Badeanzug geschoben, und wenn sie sich auf die Seite legt, hebt das darüber hinrieselnde Wasser ihre wölbenden Linien hervor und verleiht ihnen einen seidigen Glanz. Um die Brustspitzen hat sich eine feine, kreisförmige Brille gebildet, und so scheinen die Ränder des Warzenhofes ein Miniaturatoll zu bilden. Ohne dieses Detail, das zeigt, wie verletzlich sie sind, und zugleich ihren fruchtigen Geschmack erahnen läßt, schiene ihre Rundung vielleicht zu vollkommen, um noch erregen zu können, glichen sie zu sehr den Brüsten einer Statue.
Als Emmanuelle keuchend vor Anstrengung mit beiden Händen das verchromte Geländer der Leiter ergriff, sah sie, daß ihr der Weg verstellt war. Ariane de Saynes stand auf dem Rand des Beckens und beugte sich, aus vollem Halse lachend, zu ihr hinab.
»Durchgang gesperrt!« rief sie. »Ihren Ausweis, bitte!«
Obwohl es Emmanuelle gern vermieden hätte, einer der »dummen Gänse« zu begegnen, machte sie gute Miene zum bösen Spiel und lächelte.
Ariane insistierte: »Während die ehrbaren Hausfrauen ihre Einkäufe machen, spielen wir hier also die Najade? Warum so ungesellig?«
»Nun, Sie sind doch auch hier«, wandte Emmanuelle ein und versuchte, aus dem Wasser zu steigen.
Ariane machte keine Anstalten, ihr den Weg freizugeben.
»Ah! Bei mir ist das was anderes«, sagte sie geheimnistuerisch. Aber Emmanuelle tat ihr nicht den Gefallen, neugierige Fragen zu stellen.
Die Gräfin betrachtete gelassen und ungeniert die Reize ihrer Gefangenen.
»Sie haben eine herrliche Figur!« rief sie bewundernd.
Sie sagte das mit ehrlicher Überzeugung, und Emmanuelle fand, daß sie ja eigentlich auch gar nicht so boshaft aussah, wie sie sie von ihrer ersten Begegnung in Erinnerung hatte. Vielleicht war sie ein bißchen verrückt, aber man mußte auch zugeben, daß sie anregend, stimulierend war. Emmanuelle brauchte sich keinen großen Zwang mehr anzutun, um liebenswürdig zu sein.
Endlich gab Ariane den Weg frei. Die Schwimmerin schwang sich auf den Beckenrand. Gelassen schob sie mit den Fingerspitzen ihre Brüste oder vielmehr die untere Hälfte ihrer Brüste in den Badeanzug zurück (die Spitzen blieben noch deutlich sichtbar) und setzte sich neben Ariane. Zwei große, nordisch aussehende junge Männer kamen auf sie zu und begannen eine Unterhaltung auf englisch. Die Gräfin antwortete gutgelaunt. Daß Emmanuelle kein Wort von dem Geplauder verstand, machte ihr wenig aus. Plötzlich wandte sich Ariane ihr zu und fragte: »Interessieren Sie die beiden?«
Emmanuelle verzog den Mund, und Ariane ließ die beiden Kavaliere abblitzen. Die beiden lachten, waren aber offenbar nicht gekränkt und keinesfalls gewillt, zu gehen. Emmanuelle fand sie unsagbar albern. Nach einer Weile erhob sich Ariane entschlossen und zog Emmanuelle mit sich.
»Die beiden sind langweilig«, erklärte sie. »Kommen Sie mit mir auf das Sprungbrett.«
Die beiden jungen Frauen kletterten auf den Acht-Meter-Turm und ließen sich bäuchlings nebeneinander auf der mit einer Sisalmatte bedeckten Plattform nieder. Ariane entledigte sich im Handumdrehen ihres Bikinioberteils und dann des Slips.
»Sie können sich hier ganz auspellen«, verkündete sie. »Von hier aus sieht man früh genug, wenn jemand kommt.«
Emmanuelle hatte jedoch keine Lust, sich vor Ariane nackt auszuziehen. Wenig überzeugend erklärte sie, es sei ihr zu umständlich, den enganliegenden Badeanzug aus- und wieder anzuziehen, und außerdem sei ihr die Sonne zu stark...
»Da haben Sie recht«, räumte Ariane ein. »Es ist besser, Sie gewöhnen sich erst langsam daran.«
Still lagen sie da und dösten in der Sonne. Emmanuelle fand die Gräfin gar nicht so übel. Sie mochte Menschen gern, mit denen sie zusammen sein konnte, ohne sprechen zu müssen. Aber dann war sie es selber, die das Schweigen nach einer Weile brach: »Mit was vertreibt man sich hier eigentlich die Zeit? Immer nur schwimmen, Cocktailparties und Diners, langweilt man sich da nicht zu Tode?«
Ariane pfiff durch die Zähne, als habe sie eine Ungeheuerlichkeit vernommen.
»Na, na! An Zeitvertreib fehlt es hier wirklich nicht. Von Kinos, Nachtlokalen und dem ganzen Amüsierbetrieb einmal abgesehen, kann man hier reiten, Golf, Tennis oder Squash spielen, auf dem Fluß Wasserski laufen oder auf den Kanälen romantisch dahinschaukeln. Man kann die Pagoden besichtigen. Immerhin sind sie sehenswert, und es gibt fast tausend davon: besuchen Sie eine pro Tag, und Sie sind für drei Jahre beschäftigt. Schade, daß das Meer ich meine das richtige Meer, wo man baden kann so weit weg ist. Hundertfünfzig Kilometer. Aber die Reise lohnt sich. Die Strände sind herrlich, endlos lang und breit, von Kokospalmen gesäumt, menschenleer und übersät mit Muscheln. Nachts phosphoresziert das Wasser märchenhaft: es wimmelt von Myriaden kleiner leuchtender Lebewesen. Die Korallen kitzeln einem die Fußsohlen, und die Haifische kommen und fressen einem aus der Hand.«
»Das würde ich ja gern mal sehen!« lachte Emmanuelle heraus. »Sie singen einem sogar Serenaden, sage ich Ihnen, wenn man an diesen Gestaden in den Armen eines Liebhabers liegt. Tagsüber sonnt man sich auf dem Sand, der einen massiert, oder sucht den Schatten der Zuckerpalmen auf. Sie finden immer einen kleinen Jungen, der Ihnen für einen Tikal gern Luft zufächelt, während Ihr Kavalier sich Ihnen widmet. Und wenn man nachts am Strand liegt, dicht am Wasser, liebkosen die Wellen einem züngelnd den Rücken, und wenn ein verliebtes Gesicht einem den Blick auf die Sterne verdeckt, ach!, dann ist man glücklich, eine Frau zu sein!«
»Das scheint also doch noch immer der beliebteste Sport in diesem Land zu sein«, sagte Emmanuelle, aber fern aller moralischer Entrüstung.
Ariane musterte sie mit einem unergründlichen Lächeln. Eine ganze Weile schwieg sie. Dann sagte sie: »Sagen Sie mal, mein Schatz...«
Sie unterbrach sich, als hemme sie plötzlich ein heimlicher Gedanke.
Emmanuelle drehte sich ihr lachend zu: »Ja? Was soll ich Ihnen denn sagen?«
Ariane überlegte schweigend und entschied dann, in welchem Ausmaß sie der Neuen vertrauen konnte. Der Unterton mondäner Ironie schwand aus ihrer Stimme. Sie schnitt eine lustige Grimasse.
»Ich bin sicher«, sagte sie, »Sie sind temperamentvoll. Sie sind nicht das Unschuldslamm, das Sie zu sein vorgeben. Gott sei
Dank, übrigens. Um Ihnen die Wahrheit zu sagen, Sie haben mich vom ersten Augenblick an interessiert.«
Emmanuelle wußte nicht recht, was sie von dieser Erklärung halten sollte. Fast gegen ihren Willen blieb sie in der Defensive; eher etwas verärgert als geschmeichelt, denn sie mochte es nicht, wenn man ihre Aufrichtigkeit in Zweifel zog. Und was hatten diese Frauen eigentlich, daß sie sie alle für prüde hielten? Anfangs hatte sie darüber gelacht, aber allmählich ging es ihr auf die Nerven.
»Vielleicht wollen Sie nicht, daß es Ihnen hier gefällt?« fuhr Ariane fort, in einem Ton, der mehr sagte als alle Worte. »Doch«, sagte Emmanuelle. Sie war sich darüber klar, daß sie sich auf ein gefährliches Terrain begab, aber noch mehr fürchtete sie, als tugendhaft verdächtigt zu werden.
Arianes anerkennendes Lächeln entschädigte sie nur halb. »Also, Sie süßer kleiner Fratz, kommen Sie abends einmal mit mir. Sie können Ihrem Mann ja sagen, Sie hätten ein Damenessen. Sie werden schon sehen, was für ein Betätigungsfeld ich für Sie habe. Fünfzig Lichtjahre in der Runde gibt es keine galanteren und munteren Kavaliere als Arianes Freunde. Geistvoll, jung, stramm, immer auf Eroberungen aus. Sie werden sich bestimmt nicht langweilen. Einverstanden?«
»Aber Sie kennen mich doch kaum«, sagte Emmanuelle, nach Ausflüchten suchend. »Sind Sie denn nicht...«
Ariane zuckte die Achseln: »Ich kenne Sie gut genug! Ich brauche Sie nicht erst lange zu beobachten, um zu erkennen, daß Ihre Schönheit Frauen wie Männer betört. Und die Freunde, von denen ich sprach, verstehen sich auf Schönheit. Ich käme gar nicht auf die Idee, Sie mit ihnen bekannt zu machen, wenn ich nicht wüßte, wen ich vor mir habe. So stehen die Dinge.«
»Und...« fragte Emmanuelle zögernd, »Ihr Mann?«
Ariane lachte hellauf. »Ein guter Ehemann weiß es zu schätzen, wenn seine Frau zufrieden ist«, sagte sie.
»Ich weiß nicht, ob Jean das auch so selbstverständlich findet.«
»Dann ziehen Sie ihn eben nicht ins Vertrauen«, sagte Ariane leichthin. Sie rückte dicht an Emmanuelle heran, legte spontan den Arm um ihre Taille und drückte sie an sich: »Schwören Sie mir, daß Sie mir die Wahrheit sagen?«
Emmanuelle blinzelte. Sie ließ sich nicht gerade gern auf so etwas ein. Die festen, warmen Brüste, die sich an ihre Schulter preßten, brachten sie ein wenig aus der Fassung.
»Sie werden mir nun nicht mehr weiszumachen versuchen, daß Sie diesen berauschenden Körper noch niemals einem anderen hingegeben haben als Ihrem Mann, nicht wahr? Gut; haben Sie es ihm etwa gebeichtet?«
Emmanuelles Wangen brannten. Da wollte man schon wieder Geständnisse von ihr erpressen! Aber was nützte es, sich zu wehren? Und sollte man sie denn für naiver halten, als sie in Wirklichkeit war? Sie schüttelte auf Arianes Frage verneinend den Kopf. Und erhielt dafür einen vergnügten Kuß aufs Ohr. »Siehst du«, sagte Ariane triumphierend und musterte sie stolz. »Ich verspreche dir, daß du es nicht bereuen wirst, nach Bangkok gekommen zu sein!«
Der Ton, in dem sie das sagte, ließ erkennen, daß sie der Meinung war, Emmanuelle habe soeben einen Pakt unterzeichnet.
Emmanuelle versuchte sich den Konsequenzen, die ihr bedrohlich erschienen, zu entziehen: »Nein, bitte! Sie bringen mich in Verlegenheit.« Plötzlich kühner, versicherte sie: »Sie müssen nicht glauben, daß ich prüde wäre oder moralische Bedenken hätte. Absolut nicht. Aber... lassen Sie mir wenigstens etwas Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen.«
»Natürlich, alles hat Zeit«, sagte Ariane. »Halten Sie es wie mit dem Sonnen...« Ihr schien plötzlich eine Eingebung zu kommen. Sie ließ ein flüchtiges Lächeln über ihre Lippen huschen und setzte sich auf.
»Komm«, befahl sie. »Wir gehen und lassen uns massieren.« Sie zog ihren Bikini wieder an und fügte mit leicht herablassendem Ton hinzu, als spräche sie mit einem Kind: »Keine Angst, mein Kleines, da gibt’s nur Frauen.«
Emmanuelle ließ ihren Wagen im Club stehen und setzte sich zu Ariane in deren offenes Kabriolett. Eine halbe Stunde lang fuhren sie durch das Gewühl der Fahrrad-Rikschas und Motorrad-Taxis. Sie hielten vor einem neuen, einstöckigen Gebäude, das zwischen den Geschäften von Seidenhändlern, Restaurants und Reisebüros lag. Eine Inschrift in Buchstaben, die Emmanuelle nicht lesen konnte, zierte die Fassade. Sie stießen eine dicke Glastür auf und befanden sich im Empfangsraum eines Badehauses, wie man es ähnlich auch in Europa hätte finden können. Eine in einem blumigen Kimono gekleidete Japanerin empfing sie höflich, verbeugte sich mit auf der Brust gekreuzten Händen mehrmals vor ihnen, bevor sie sie durch Gänge, die von Dampf und dem Duft nach Eau de Cologne erfüllt waren, führte. Dann blieb sie vor einer Tür stehen und verbeugte sich erneut ganz tief.
»Du kannst hier hineingehen«, sagte Ariane, »alle Masseusen sind gleich gut. Ich nehme die Kabine nebenan. Wir treffen uns in einer Stunde wieder.«
Emmanuelle war nicht darauf gefaßt gewesen, von Ariane allein gelassen zu werden. Sie fühlte sich etwas hilflos. Die Tür, die die Japanerin halb geöffnet hatte, führte in ein kleines, sauberes Badezimmer mit sehr niedriger Decke, wo eine junge, schmächtige Asiatin im weißen Schwesternkittel zwischen einer Badewanne und einem Massagetisch stand. Sie hatte ein Vogelgesicht, das Erfahrung verriet. Auch sie machte eine Verbeugung, sagte in paar Worte, ohne daß es ihr darauf anzukommen schien, ob sie verstanden wurde oder nicht, ging auf Emmanuelle zu und machte sich daran, ihr die Bluse aufzuknöpfen.
Als sie Emmanuelle entkleidet hatte, bedeutete sie ihr, in die mit bläulichem, duftendem heißem Wasser gefüllte Wanne zu steigen. Sie klopfte das Gesicht der Kundin mit einem feuchten Tuch und seifte ihr dann gründlich Schultern, Rücken, Brust und Unterleib ein. Emmanuelle überlief ein Beben, als der mit Schaum vollgesogene Schwamm zwischen ihren Beinen kreiste.
Nach dem Bad rieb die Siamesin sie mit einem großen, lauwarmen Badetuch trocken und forderte Emmanuelle auf, sich auf den gepolsterten Tisch zu legen. Zuerst klopfte sie ihren Körper mit kleinen, hastigen Schlägen mit der Handkante, zwickte dann ihre Muskeln, stemmte mit kräftigem Druck die Handflächen auf Waden und Kreuz, zog die Fußzehen in die Länge, knetete lange ihren Nacken und versetzte ihr kleine Klapse auf den Kopf. Emmanuelle, halb betäubt, fühlte sich dennoch entspannt und zufrieden.
Dann holte die Masseuse aus einem Schrank zwei Apparate von der Größe einer Zigarettenschachtel, die sie an ihren beiden Handrücken befestigte und die zu summen anfingen. Langsam bewegten sich ihre vibrierenden Handflächen nun über die Oberfläche von Emmanuelles nacktem Körper, drangen in jede sich ihnen bietende Höhlung oder Hautfalte ein, glitten mit unwiderstehlicher Sachkenntnis in die Halsmulde, unter die Achseln, zwischen die Brüste, in die Spalte zwischen den Hinterbacken. Dann suchten sie auf der Innenseite der Schenkel die sensibelsten Stellen. Emmanuelle, die bis in die Tiefe ihres Fleisches erzitterte, spreizte die Beine, hob ihren Schamhügel etwas an, und mit einer unnachahmlich anmutigen Bewegung, bei der sich ihre Schamlippen wie zu einem kindlichen Kuß öffneten, bot sie sich dar. Aber schon zogen sich die Hände wieder zurück, glitten am Oberkörper hinauf, kamen und gingen mit fachmännischer Routine, fuhren immer wieder über die gleichen Stellen wie ein Bügeleisen. Als Emmanuelle kaum hörbar zu stöhnen begann, stiegen die Hände bis zu den Brustwarzen hinauf und kreisten auf ihnen, wobei sie bald die Spitzen nur streiften, bald die Warzen zusammenpreßten und sich in die schwellende Fülle der Brüste senkten. Wellen der Erregung durchströmten Emmanuelle bis hinab zu den Lenden. Sie bäumte sich auf, brach in ein langanhaltendes Klagen aus. Die Hände bearbeiteten die empfindlichen Brustwarzen so lange, bis der Orgasmus schließlich abklang und Emmanuelle leblos und ermattet freigab.
Sie hatte die Augen geschlossen und fühlte ihr Herz in einem Rhythmus klopfen wie eine afrikanische Trommel, deren straff gespanntes Fell Kuß um Kuß zurückgab. »Wieso eigentlich Küsse?« dachte sie ein wenig ungehalten. »Mein ganzer Körper ist behandelt worden wie eine Vulva, nur nicht meine Vulva selbst! Wozu ist es dann gut, daß sie so schön geformt und so seidig sein soll? Was nützt es dann, daß sie anschwillt bis in die Tiefen? Warum berührt mich dieses Mädchen niemals weiter unten als bis zu meinem Schamhaar? Meine Schamlippen sind genauso groß und schön und gut für eine Zunge wie die Lippen meines Mundes, und trotzdem scheint der festgeschlossene Mund dieser Stummen nicht nach diesen Küssen zu verlangen! Nun gut, wenn sie die Gelegenheit nicht nutzt, werde ich es eben selbst machen. Vor ihren Augen! Ich werde ihr zeigen, was eine Frau erwartet, wenn sie die Augen schließt!«
Bevor sie ihre Absicht noch ausführen kann, wird sie abgelenkt von einer seltsamen Wahrnehmung, die ihr erst allmählich ins Bewußtsein dringt: Der Rhythmus ihres Herzens scheint von einer Art Echo jenseits einer der Trennwände beantwortet zu werden. Es ist kein Klopfen, eher so etwas wie eine Stimme, ein schweres Atmen, ein dumpfes Stöhnen oder Röcheln. Nicht von Ariane, sondern von einem Mann, einem Mann, der eben in diesem Augenblick aufschreit, so laut, daß man es sogar durch die schallisolierten Trennwände hören kann, mit denen die Insassen der einzelnen Kabinen vor unliebsamen Störungen geschützt werden sollen.
Emmanuelle spitzt die Ohren, ist sich jetzt aber nicht mehr sicher, ob es sich wirklich um ein Schreien handelt. Als kundige Autofahrerin erinnert es sie eher an das Hämmern einer Pleuelstange oder an einen schlecht geölten, quietschenden Kolben.
Unsinn! ermahnt sie sich, da drüben wird ja wohl kaum gerade ein Motor heißlaufen; es wird wohl eher ein Mensch sein, der zu ersticken droht.
Ob da jemand erwürgt wird? Wer ist der Täter? Und das Opfer? Ob es ein Kunde dieses Salons ist? Oder ist es womöglich umgekehrt, daß der Kunde - oder die Kundin - gerade einen Masseur vergewaltigt? Ob es hier überhaupt Masseure gibt? Ariane hat doch behauptet, daß hier nur Frauen beschäftigt sind. Aber muß man alles glauben, was sie sagt?
Emmanuelle versuchte, die Siamesin nach diesen Dingen auszufragen, ohne besondere Hoffnung, daß das Mädchen, das sich unterdessen von den Brüsten zu den Schultern und von den Oberschenkeln zu den Knöcheln vorgearbeitet hatte, sie verstehen würde. Tatsächlich beantwortete die Masseuse die Fragen ihrer Kundin nur mit einem etwas einfältigen Lächeln, bis sie schließlich in der Landessprache etwas sagte, das wie eine Frage klang. Gleichzeitig glitten ihre schmalen langen Finger an Emmanuelle herunter, auf ihren Unterleib zu, während sie selbst sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, als warte sie auf Erlaubnis. Beglückt und erleichtert stimmte Emmanuelle eilends zu und nickte mit dem Kopf. Die von dem Vibro-Massagegerät beschwerte Hand führte auf der Oberfläche und in den Falten ihres Schoßes mit peinlicher Genauigkeit die vielerprobten Bewegungen aus, genau wissend, was zu tun war, um das Höchstmaß an Lust zu schenken. Sie gönnte ihr, des Erfolgs sicher, nicht die kleinste Atempause, während sie die Wirkung der elektrischen Vibratoren mit der Virtuosität ihrer klopfenden und reibenden Hände unterstützte.
Obwohl Emmanuelle sich zu beherrschen suchte, konnte sie nur kurze Zeit widerstehen. Diesmal überkam es sie mit solcher Heftigkeit, daß sich sogar im Gesicht der Masseuse ein leichtes Erschrecken spiegelte. Noch lange danach, als die Hände schon von ihr abgelassen hatten, wand sich Emmanuelle keuchend und krallte ihre Finger in die weiße Tischkante.
»Die Wände sind zwar schalldicht«, sagte Ariane, als sie sich am Ausgang wiedertrafen, »aber deine Stimme dringt trotzdem durch. Jetzt wirst du mir nicht mehr erzählen wollen, daß dir Mathematik lieber ist.«
Marie-Anne kam an vier aufeinanderfolgenden Nachmittagen zu Emmanuelle. Mit jedem Tag wurde ihr Verhör schärfer; sie verlangte und erfuhr auch genauere Einzelheiten darüber, was sich zwischen ihrer Freundin und deren Mann abspielte und alles über ihre ausschweifenden täglichen Wachträume.
»Wenn du dich all den Männern wirklich hingegeben hättest, die deine Gedanken beschäftigt haben«, bemerkte sie eines Tages, »wärst du eine vollkommene Frau.«
»Dann wäre ich tot«, erwiderte lachend Emmanuelle.
»Wieso?«
»Glaubst du, man kann mit Männern genauso oft Zusammensein, wie man sich selbst Lust verschafft?«
»Warum nicht?«
»Aber mit einem Mann zusammenzusein kostet doch Kräfte!«
»Strengt es dich denn nie an, wenn du dich selbst streichelst?«
»Nein.«
»Wie oft tust du es eigentlich?«
Emmanuelle lächelte verlegen: »Gestern sehr oft. Ich glaube, mindestens fünfzehnmal.«
»Es gibt Frauen, die tun es genauso oft mit Männern.« Emmanuelle nickte. »Ich weiß«, sagte sie. Aber es klang, als hätte sie kein Verlangen danach.
»Weißt du«, erklärte sie, »mit den Männern ist es gar nicht immer so aufregend. Sie tun einem mit ihrer Härte manchmal sogar weh und wissen mitunter nicht einmal, wie sie es anstellen müssen, um uns die höchste Lust zu verschaffen...«
So paradox es war, es gab nur eine Art von Geständnissen, zu denen sich Emmanuelle dem jungen Mädchen gegenüber nicht überwinden konnte. Sie spielte höchstens gelegentlich ungeschickt darauf an, ohne sich darüber im klaren zu sein, ob Marie-Anne überhaupt verstand. Sie wußte selbst keine Erklärung für ihre Schüchternheit und Zurückhaltung, wozu das Verhalten ihrer Besucherin doch keinerlei Anlaß zu geben schien. Sobald Marie-Anne da war, zog sie sich aus: und als Emmanuelle vorschlug, sie solle doch auch ihre Bluse ausziehen, hatte sie nicht einmal dagegen etwas einzuwenden gehabt, und von nun an verbrachten die beiden Mädchen ihre Rendezvous völlig nackt auf der von Laubwerk umrankten Terrasse. Die Erregung, die Emmanuelle in diesen Stunden empfand, führte jedoch nur dazu, daß sie sich selbst noch häufiger streichelte: denn weder traute sie sich, ihre Freundin zu berühren noch diese aufzufordern, sie zu berühren, und dabei sehnte sie sich so sehr danach, daß es ihr den Schlaf raubte. Seltsame Gefühle, keusche und dann wieder ganz schamlose, stritten in ihr. Schließlich fragte sie sich verwirrt und nicht gewillt, darüber nachzudenken, ob diese ihr ungewohnte Zurückhaltung nicht sogar eine höhere Form der Raffinesse war, die ihre Sinne unbewußt entwickelt hatten, und ob nicht vielleicht der Verzicht auf Marie-Annes Körper, zu dem sie sich gegen jeden Instinkt unsinnigerweise zwang, am Ende einen subtileren und perverseren Reiz besaß als eine körperliche Umarmung, so daß für Emmanuelle eine Situation, unter der sie eigentlich hätte leiden müssen - ein kleines Mädchen verfügte über sie nach Lust und Laune, ohne den Gelüsten ihrer Partnerin auch nur im geringsten entgegenzukommen -, zu einem unerwarteten Quell sinnlicher Lust wurde.
So wie ihr aus der versagten Befriedigung eines sinnlichen Begehrens, das ihr von jeher ganz natürlich erschienen war, eine bisher unbekannte Wollust erwuchs, offenbarte sich ihr durch das tiefe Schweigen ihrer kleinen Freundin über ihr eigenes sexuelles Erleben ein neues Element der Erotik. Als Emmanuelle merkte, wie gelassen sie es hinnahm, nichts - oder fast nichts - von Marie-Anne zu wissen, wurde ihr bewußt, daß ihr Geist und ihr Körper mehr Lustgewinn daraus zogen, einer andern den Anblick der Unzucht darzubieten, als wenn sie selbst die Zuschauerin gewesen wäre. Und wenn sie mit jedem Tag ungeduldiger auf ihre Freundin wartete, so weniger wegen der Erregung, die sie bei der Betrachtung ihrer Nacktheit oder als Augenzeugin ihrer lasziven Spiele empfand, als wegen der viel köstlicheren, weil obszöneren Erregung, die ihr zuteil wurde, wenn sie sich, unter den aufmerksamen Blicken Marie-Annes, in ihrem Liegestuhl selbst liebkoste. Auch wenn Marie-Anne schon gegangen war, blieb der Zauber ungebrochen: Emmanuelle sah die grünen Augen vor sich, die auf ihr Geschlecht starrten, und so blieb sie, in ihr Spiel mit sich selbst versunken, bis zum Abend liegen.
In der darauffolgenden Woche wurde Emmanuelle von Marie-Annes Mutter zum Tee eingeladen. In dem prätentiösen Salon fand sie ungefähr zehn Damen vor, die ihr alle gleich nichtssagend erschienen. Schon bedauerte sie, mit ihrer Vertrauten nicht allein sein zu können, die auf dem Teppich saß und sich ganz als die wohlerzogene Tochter des Hauses gab, als ihr Interesse durch die Ankunft einer sehr eleganten jungen Frau geweckt wurde, die in dieser Gesellschaft auf den ersten Blick ebenso deplaciert schien wie sie selbst.
Die Hereintretende erinnerte Emmanuelle an die Pariser Mannequins, die sie immer bewundert hatte. Sie war hochgewachsen wie diese. Ihre steinernen Züge zeigten den gleichen undefinierbaren Überdruß, die gleiche gespielte Distanziertheit gegenüber Vertraulichkeiten. Der »gleich einer Rose« halboffene Mund, die bernsteinfarbenen Augenbrauen, die sich über den großen Augen wölbten, die zärtlich geschwungenen Wimpern verliehen diesem Gesicht eine so unwahrscheinliche Arglosigkeit, daß es einer Herausforderung gleichkam. Mit einem gewissen Hochmut sagte sich Emmanuelle, daß sie hier vermutlich die einzige war, die dank ihrer »Erfahrung«, wie sie es nannte, zu begreifen vermochte, welche Bescheidenheit im Grunde einem so absoluten Streben nach Vollkommenheit innewohnte, wie verdienstvoll eine so anspruchsvolle Auffassung von der Pflicht zur Schönheit, wie bestrickend eine so große, unter dem gleichgültigen Perlmuttblick verborgene Leidenschaft war. Und sie erinnerte sich, auch auf den Masken ihrer Freundinnen, die »den stolzesten Denkmälern nachgebildet« waren, das gesehen zu haben, was Baudelaire mit der Verdammung »der Bewegung, welche die Linien verschiebt«, hatte sagen wollen. Die alabasterhaften Göttinnen sind Fleisch geworden, aber des Menschen Sehnsucht nach Statuen lebt fort - der Mensch glaubt nur an die unerreichbaren Paradiese und an die unbeseelten Götter, und so ist das angebetete Fleisch wieder Stein geworden.
Die Erregung, die sich Emmanuelles bei der Beschwörung dieser Bilder bemächtigte, hatte zwiefachen Ursprung: teil hatten an ihr sowohl die noch nahe Erinnerung an die aufregenden Schwärmereien ihrer Schulzeit als auch die Sinnestaumel später in den Anprobesalons. Sie dachte, daß sie sich selbst gern in ein Kunstwerk verwandeln würde und daß es gut wäre, wenn sie, die bei ihrer Ankunft in Bangkok noch ungeformter Ton war, hier ihre Form finden könnte (sie dachte dabei weniger an die Form eines Körpers - den ändern zu wollen sie keinen Anlaß sah - als an die Formen des Geistes). Und obgleich sie sich nicht konkret vorstellte, worin diese Vollendung bestehen sollte, wünschte sie sich doch, ihr Leben möge eines Tages etwas so Kostbares und Wohlgelungenes werden, wie es die raffinierte Frisur dieser bronzefarbenen Haare war, etwas so Triumphierendes wie diese perlmuttgrau schimmernden Augen, etwas das Urteil der Menge so Geringschätzendes wie dieses Kostüm, dessen Schnitt eine einzige Herausforderung der Linien des Körpers war und das am Hals nur um den Preis einer schwierigen Armbewegung geschlossen bleiben zu können schien, ein Kunstwerk, dessen einzige reizvolle Aufgabe darin gesehen werden mußte, die Niederlage der Elemente und das Scheitern der Konventionen an der selbstherrlichen Phantasie der weiblichen Launen durch eine fröstelnde Bewegung in diesem sengend heißen Klima zu bezeugen.
Bevor Marie-Annes Mutter Zeit gefunden hatte, die Neuangekommene vorzustellen, erhob sich Marie-Anne und zog Emmanuelle in eine Ecke des Salons, wo man sie nicht hören konnte.
»Ich habe einen Mann für dich«, sagte sie mit der befriedigten Miene dessen, der einen Auftrag erfüllt hat.
Emmanuelle lachte hellauf. »Das nenne ich aber eine Neuigkeit! Und du hast eine Art, sie zu verkünden! Was soll ich mir darunter vorstellen - >ein Mann für mich<?«
»Er ist Italiener und sehr schön. Ich kenne ihn seit langem, aber ich war mir bisher nicht sicher, ob er das ist, was du brauchst. Ich habe nachgedacht. Er ist genau das richtige für dich. Du mußt ihn so bald wie möglich kennenlernen.«
Die Dringlichkeit, mit der Marie-Anne das vorbrachte, belustigte Emmanuelle von neuem. Sie war sich keineswegs sicher, ob der Kandidat, wer immer er war, wirklich das war, was sie »brauchte«, aber sie wollte ihren kleinen Vormund nicht enttäuschen. Wenn sie schon keine Dankbarkeit für diesen Vorschlag empfand, so wollte sie doch wenigstens ihr Interesse bekunden: »Wie ist er denn, dein schöner Mann?« fragte sie.
»Ein florentinischer Marquis vom Scheitel bis zur Sohle. Bestimmt hast du noch nie einen so gut aussehenden Mann getroffen. Schmal, groß, Adlernase, schwarze, durchdringende und tiefgründige Augen, dunkler Teint, ein markantes Gesicht...«
»Na, na!«
»Du brauchst mir ja nicht zu glauben, aber warte nur, bis du ihn gesehen hast, dann wirst du nicht mehr so dumm lachen. Er ist auch im Zeichen des Löwen geboren.«
»Wer denn sonst noch?«
»Ariane und ich.«
»Ah! Und...«
»Aber er hat schwarzes, glänzendes Haar wie du. Mit leicht silbergrauen Schläfen, sehr schick.«
»Graues Haar! Aber dann ist er ja zu alt für mich!«
»Keineswegs. Er hat genau das richtige Alter für dich: er ist doppelt so alt wie du, achtunddreißig. Deshalb sage ich dir ja, du mußt dich beeilen: nächstes Jahr bist du zu alt. Außerdem ist er nächstes Jahr nicht mehr hier.«
»Was macht er denn in Bangkok?«
»Nichts. Er ist sehr intelligent. Er reist viel, er kennt das ganze Land. Er macht Ausgrabungen in den Ruinen, interessiert sich für das Alter der Buddhastatuen. Im Museum hat er sogar Sachen gefunden, die der gute Mann, der es leitet, noch nie gesehen hatte. Ich glaube, er schreibt ein Buch darüber. Aber, wie ich dir schon sagte, eigentlich tut er nichts.«
Unvermittelt unterbrach Emmanuelle Marie-Anne: »Sag mal, wer ist eigentlich diese tolle Person da?«
»Tolle Person?«
»Die, die gerade gekommen ist.«
»Gekommen, wo?«
»Hierher, Marie-Anne! Bist du von allen guten Geistern verlassen? Da, sieh doch, direkt vor dir...«
»Ach, du meinst Bi.«
»Wie heißt sie?«
»Bi! Was findest du daran so ungewöhnlich?«
»Sie heißt wirklich Bi? Komischer Name!«
»Oh, das ist gar kein Name. Auf englisch bedeutet es Biene. Es schreibt sich mit einem b und zwei e. Ich schreibe es lieber mit einem b und einem i, das ist klarer.«
»Aber sie, wie schreibt sie es denn?«
»Ganz wie ich es verlange.«
»Hör mal, alles was recht ist, Marie-Anne!«
»Du kannst dir doch selbst denken, daß das nicht ihr richtiger Name ist. Ich habe ihn ihr gegeben, und wie sie richtig heißt, haben jetzt alle vergessen.«
»Aber ich würde es gern wissen.«
»Was hast du schon davon? Du würdest ihn ja doch nicht aussprechen können. Es ist einer dieser verrückten, skurrilen englischen Namen.«
»Aber ich kann sie doch nicht mit Bi anreden!«
»Du brauchst sie ja gar nicht anzureden.«
Emmanuelle sah Marie-Anne erstaunt an. Sie zögerte einen Augenblick und begnügte sich dann mit der Frage: »Ist sie Engländerin?«
»Nein, Amerikanerin. Aber sei ganz beruhigt, sie spricht Französisch wie du und ich. Sie hat nicht einmal einen Akzent, gar nichts Exotisches.«
»Du scheinst sie ja nicht besonders zu mögen.«
»Bi? Sie ist meine beste Freundin!«
»Sieh einer an! Warum hast du mir dann nie von ihr erzählt?«
»Ich kann dir doch nicht von allen Mädchen erzählen, die ich kenne.«
»Aber wenn du sie so sehr liebst, wundert es mich, daß du sie nie erwähnt hast.«
»Wie kommst du darauf, daß ich sie liebe? Sie ist meine Freundin, das ist alles. Damit ist nicht gesagt, daß ich sie liebe.«
»Marie-Anne!... Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Du erzählst mir nie etwas von dir. Und du willst auch nicht, daß ich deine Freundinnen kennenlerne. Bist du etwa eifersüchtig? Hast du Angst, ich könnte sie dir ausspannen?«
»Warum willst du unbedingt deine Zeit an eine Mädchenclique verschwenden?«
»Jetzt muß ich aber lachen! So kostbar ist meine Zeit ja nun wirklich nicht. Wenn man dich so hört, möchte man meinen, meine Tage seien gezählt!«
»Naja.«
Marie-Anne machte ein so ernstes Gesicht dabei, daß Emmanuelle wirklich etwas aus der Fassung geriet. Protestierend sagte sie: »Ich fühle mich allerdings noch nicht gerade dem Greisen-alter nahe.«
»Ach, weißt du, das kommt schnell.«
»Und diese Bi, diese Bee - ich finde übrigens die englische Schreibweise hübscher, das bedeutet wenigstens was -, steht sie nach den Maßstäben, die du anlegst, auch schon mit einem Fuß im Grab?«
»Sie ist zweiundzwanzig Jahre und acht Monate alt.«
»Ist sie verheiratet?«
»Nicht einmal das.«
»Dann ist sie ja wirklich eine alte Jungfer. Was wird sie sich da wohl alles von dir anhören müssen!«
Marie-Anne schwieg.
»Wenn ich recht verstehe, bist du nicht geneigt, sie mir vorzustellen?« begann Emmanuelle wieder.
»Statt so blöd daherzureden, brauchtest du ja nur mit mir zu kommen!«
Marie-Anne machte ein Zeichen, und Bee kam auf sie zu.
»Das ist Emmanuelle«, sagte Marie-Anne, so als stelle sie eine Missetäterin vor.
Aus der Nähe vermittelten die großen perlgrauen Augen den Eindruck von Intelligenz und Souveränität. Augenscheinlich wollte Bee weder andere beherrschen noch duldete sie es, daß andere sie beherrschten. Emmanuelle war sicher, daß sie Marie-Anne allerlei zu schaffen machte. Sie fühlte sich gerächt.
Sie wechselten ein paar belanglose Worte. Bees Stimme paßte zu ihren Augen. Sie drückte sich besonnen aus und zögerte nie. Eine innere Heiterkeit verlieh ihr Wärme. Emmanuelle fand, daß dem Gesicht und der Stimme nach diese junge Frau eine glückliche Natur besitzen mußte.
Sie hätte gern gewußt, womit Bee ihre Tage verbrachte. Anscheinend tat sie nichts weiter, als in der Stadt herumzubummeln. Ob sie allein in Bangkok lebe? Nein, sie sei vor einem Jahr hierhergekommen, um ihren Bruder zu besuchen; er sei Marineattaché bei der amerikanischen Botschaft. Anfangs habe sie nur einen Monat bleiben wollen, aber nun sei sie immer noch da. Es eilt ihr gar nicht, wieder abzureisen.
»Wenn ich von diesen verlängerten Ferien genug habe«, sagte sie, »dann werde ich heiraten und in die Vereinigten Staaten zurückkehren. Zum Arbeiten habe ich keine Lust; ich finde es einfach herrlich, nichts zu tun.«
»Sind Sie verlobt?« fragte Emmanuelle.
Bei dieser Frage sah sie Bee zum erstenmal lachen. Es war ein sehr offenes und sehr hübsches Lachen.
»Wissen Sie, in meinem Land verlobt man sich erst am Tag vor der Hochzeit und zwei Tage vorher weiß man noch nicht, mit wem. Und da ich weder morgen noch übermorgen die Absicht habe, mich zurückzuziehen, wäre ich in großer Verlegenheit, wenn ich Ihnen sagen sollte, wie meine Wahl ausfallen wird.«
»Aber sich verheiraten heißt doch nicht unbedingt, sich zurückzuziehen«, protestierte Emmanuelle.
Bee lächelte nachsichtig. Sie sagte nur: »Oh!« Es klang nach leichtem Zweifel. Dann fügte sie hinzu: »Es ist ja nichts Schlimmes, wenn man sich zurückzieht.«
Emmanuelle war versucht zu fragen: wovon? Aber sie wollte nicht indiskret sein. Und jetzt erkundigte sich Bee: »Sind Sie glücklich, daß Sie so jung geheiratet haben?«
»Oh!« sagte Emmanuelle. »Ich bin überzeugt, es war das Beste, was ich bisher in meinem Leben getan habe.«
Wieder lächelte Bee. Emmanuelle war erstaunt über die Güte, die sie ausstrahlte. Die emailleglatte Schönheit des Gesichts (das völlig ungeschminkt wirkte - aber Emmanuelle wußte, welche Sorgfalt, welche Geduld und wie viele Stunden sachkundiger Handhabung von Pinseln und Cremes es bedurft hatte, um mit solcher Vollkommenheit Natur vorzutäuschen) und alles, was durch ein Übermaß an Perfektion an ihr fast störend wirkte, war vergessen, sobald bei ihr die Heiterkeit durchbrach wie Sonne durch ein Buntglasfenster. Dann fühlte man sich nicht mehr versucht, zu sagen: Wie schön ist diese Frau!, sondern: Wie sympathisch sieht sie aus! Emmanuelle sagte sich jedoch lieber: Wie glücklich scheint sie zu sein! Da sie selber glücklich war, schien dieser Gedanke sie ihr näherzubringen. Das Unglück erschreckte sie derart, daß sie unfähig war, jemanden ernsthaft zu lieben, der seinen Kummer ausbreitete und sich beklagte. Manchmal schämte sie sich dieser Eigenschaft, obwohl sie nicht Ausdruck von Herzenskälte, sondern von einer scheuen, fast quälenden Liebe zur Schönheit war.
Während Marie-Anne mit den Damen plauderte, wich Emmanuelle keinen Schritt von Bees Seite. Sie sprachen zwar nichts Wichtiges, aber sie hatten beide offensichtliches Vergnügen aneinander. Emmanuelle hatte gar nichts dagegen, daß ihre kleine Freundin sie vernachlässigte. Als Jean sie abholte, bedauerte sie es, schon aufbrechen zu müssen. Beim Abschied flüsterte ihr Marie-Anne zu: »Ich rufe dich an!« Emmanuelle dachte zu spät daran, daß sie vergessen hatte, sich Bees Telefonnummer geben zu lassen. Sie war so betroffen darüber, daß sie unfähig war, auf die Fragen ihres Mannes zu antworten. Unerklärlicherweise fürchtete sich Emmanuelle davor, Ariane wiederzusehen. Lieber verzichtete sie auf ihr morgendliches Schwimmen, als daß sie es riskieren wollte, mit ihr zusammenzutreffen. Sie hatte Jean nach seiner Meinung über die junge Gräfin gefragt, und er hatte geantwortet, daß sie seiner Ansicht nach eine sehr schöne Frau sei, daß er ihre ungestüme Leidenschaftlichkeit und ihre bezwingende Natürlichkeit schätze. Ob er mit ihr geschlafen habe, wollte Emmanuelle wissen. Nein, wenn sich jedoch eine Gelegenheit dazu ergeben hätte, so hätte er nichts lieber getan. Emmanuelle, die sonst eigentlich eher stolz darauf war, wenn ihr Mann bei anderen Frauen Erfolg hatte, empfand diesmal - aller Logik zuwider - eine bohrende Eifersucht; zwar bemühte sie sich, Jean nichts davon merken zu lassen, aber sie war den ganzen Tag über verstimmt.
Kurz nach diesem Gespräch ruft Ariane bei ihr an und sagt, der Regen in den letzten beiden Tagen habe sie schon ganz stumpfsinnig gemacht, aber eben sei ihr eine »geniale Idee« gekommen. Sie wolle Emmanuelle das Squash-Spiel beibringen. Was das sei? Nun, eine Art Tennis, die man eben gerade dann spielen könne, wenn es regne, weil sie nicht im Freien gespielt werde. Emmanuelle wäre bestimmt begeistert davon. Schläger und Bälle bringe sie selbst mit; Emmanuelle brauche nichts weiter zu tun, als sich Shorts und ein Paar Leinenschuhe anzuziehen und sich in einer halben Stunde mit ihr im Club zu treffen.
Die Gräfin hatte wieder eingehängt, ohne daß Emmanuelle Zeit gehabt hätte, sich eine Entschuldigung auszudenken. Dann aber sagte sie sich, daß dieser Sport, von dem sie bisher noch nichts gehört hatte, vielleicht doch ganz amüsant sei, und sie machte sich bereitwillig fertig.
Als sie sich im Club trafen, stellten die beiden Frauen fest, daß sie gleich angezogen waren: gelbe Baumwollpullover über schwarzen Shorts. Sie mußten beide lachen.
»Tragen Sie einen Büstenhalter?« erkundigte sich Ariane. »Nie«, erklärte Emmanuelle. »Ich besitze gar keinen.«
»Bravo«, rief die andere begeistert aus, packte die verdutzte Emmanuelle mit beiden Händen um die Taille und hob sie ein paar Zentimenter hoch: daß Ariane so kräftig war, hätte sie nicht gedacht.
Diese verkündete: »Glauben Sie kein Wort von diesem ganzen Geschwätz, daß man von Tennis und Reiten Hängebrüste bekäme, wenn man sich nicht in diese Zaubertüten schnürt. Ganz im Gegenteil, der Sport kräftigt die Brüste, und je mehr man ihnen zumutet, um so fester werden sie. Sehen Sie mich an.«
Mitten auf der erhöhten Terrasse, wo andere Spieler an ihnen vorbeikamen, hob sie ihren Pullover hoch, so daß nicht nur Emmanuelle diese Diana-Brüste bewundern konnte.
Auf den ersten Blick kam ihr der Squash-Platz höchst simpel vor: ein Fußboden, vier Holzwände und ein Dach. Von der Galerie aus, von der sie ihn zuerst sah, glich er einer Grube.
Über eine Leiter, die drehbar an der obersten Sprosse befestigt war und automatisch, durch Federn bewegt, an das Dach hochklappte, sobald sie nicht mehr belastet war, kletterten sie hinunter. Wollte man aus der Grube wieder hinaufsteigen, wurde sie mit einem Strick herabgezogen. Ariane erklärte ihr, bei diesem Spiel käme es darauf an, mit einem langstieligen Schläger geringen Durchmessers abwechselnd einen Ball aus Hartgummi gegen die Wand zu schlagen.
Unter Arianes Schmetterschlägen sauste der kleine schwarze Ball so schnell dahin, daß Emmanuelle von einer Wand zur anderen gehetzt wurde und schallend lachte, während ihr das aufgelöste Haar übers Gesicht wehte. Nach einer halben Stunde schlug sie die Bälle schon sehr gekonnt zurück, aber die Beine versagten ihr den Dienst, und sie bekam keine Luft mehr. Der Schweiß rann ihr am ganzen Körper herab. Ariane gab das Zeichen zur Pause und holte die Leiter wieder herunter. Einer Tasche, die sie an die Sprossen gebunden hatte, entnahm sie zwei Handtücher. Sie zog sich ihr Trikot aus und rieb sich kräftig ab, dann trat sie auf Emmanuelle zu und frottierte ihrer Freundin, die es keuchend geschehen ließ, Brust und Rücken. Emmanuelle hatte dabei den durchnäßten Pullover bis unter die Achseln hochgerollt; die Arme zu heben, um ihn auszuziehen, hatte sie jedoch keine Kraft mehr. Ariane stellte sie gegen die schräg stehende Leiter, an der Emmanuelle in ihrer Ausgelassenheit mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Beinen lehnte, als ließe sie sich kreuzigen.
Ihre Partnerin rieb ihr behutsam die Brüste, und sie rieb auch dann noch, als sie längst trocken waren. Zu der Atemlosigkeit, der allgemeinen Erschöpfung und dem Durst, der in Emmanuelles Kehle brannte, kam jetzt ein Blutandrang, der eher ein Wohlgefühl vermittelte. Plötzlich ließ Ariane das Frottiertuch fallen, schob ihre Arme unter die ihrer Schülerin und schmiegte sich mit der ganzen Länge ihres Körpers an sie. Emmanuelle spürte Brustspitzen, die nach den ihren suchten (und als sie sie gefunden hatten, überließ sie sich der unwiderstehlichen Lust), und fühlte, wie sich ein drängender Schamhügel durch den Stoff der Shorts an sie preßte. Sie stand leicht nach hinten gelehnt da, und so wurden die wenigen Zentimeter, die sie kleiner war als Ariane, ausgeglichen, und ihre Münder fanden sich auf gleicher Höhe. Ariane küßte sie, wie sie noch nie geküßt worden war: abwechselnd wurden ihre Lippen, ihre Zunge, alle Höhlungen ihres Mundes, ihr Gaumen, ihre Zähne, jede kleinste Stelle erkundet. Der Kuß dauerte so lange, daß sie nie erfuhr, ob es Minuten oder Sekunden gewesen waren. Sie empfand den Durst nicht mehr, der eben noch ihre Kehle ausgetrocknet hatte. Sie machte leise Bewegungen, damit ihre Klitoris schwellen, hart werden und in der Festigkeit des anderen Schoßes Zuflucht suchen konnte. Als ihre Erregung so stark war, daß Emmanuelle nur noch eine einzige riesige Knospe kurz vor dem Bersten war, preßte sie, ohne daß es ihr bewußt wurde, einen von Arianes Schenkeln zwischen ihre Beine und begann mit einem geschmeidigen Kreisen ihres ganzen Beckens ihr Geschlecht daran zu reiben. Ariane ließ sie einige Zeit gewähren, da sie wußte, daß Emmanuelle bei der übermäßigen Anspannung ihrer Sinne dieses Ventils bedurfte. Dann ließen ihre Lippen von der Jüngeren ab, und sie betrachtete sie mit jenem Lachen, das so oft von ihr zu hören war und das die Freude über einen gelungenen Streich zu verraten schien. Zwar machte dieser Blick Emmanuelle verlegen, aber er beruhigte sie auch, denn er verriet, wie unsentimental Arianes Umarmungen waren. Emmanuelle wollte gern noch einmal geküßt werden und sehnte sich noch immer nach Arianes Brüsten. Ariane aber packte sie plötzlich oberhalb der Taille wie schon vorher einmal und hob sie mit einem Schwung ihrer Lenden die Leiter hinauf. Emmanuelle klammerte sich mit den Fersen an einer Sprosse fest. Sie glaubte, Ariane wolle ihre Brüste küssen, aber sie kam mit ihrem Kopf nicht näher, und ihre spöttischen Augen blieben unverwandt auf die ihres Opfers gerichtet. Bevor Emmanuelle noch ahnte, was ihr geschehen sollte, war Arianes Hand schon durch ein Bein ihrer Shorts geschlüpft und hatte sich ihres feuchten Geschlechts bemächtigt.
Arianes Finger bewegten sich ebenso geschickt und geübt wie ihre Zunge. Sie strichen erst leicht über die Klitoris, dann drangen zwei von ihnen eng aneinandergepreßt kraftvoll in die Tiefe des Schoßes ein, dehnten die Wände ihrer Scheide, massierten den festen Wulst der Gebärmutter und entfalteten eine bewundernswert kundige Aktivität. Emmanuelle ließ sich widerstandslos in den Orgasmus reißen, suchte mit aller Kraft ihre Lust so hoch wie möglich zu treiben, öffnete sich und drängte sich der Hand, die in ihrem Innern wühlte, entgegen. Sie hatte das Gefühl, als quelle ein Lavastrom aus ihr hervor und fließe heiß und schwer an Ariane herab. Als sie schließlich bewußtlos die Leiter hinunterglitt, fing ihre Freundin sie in ihren Armen auf und drückte sie an sich. Hätte Emmanuelle in diesem Augenblick Arianes Augen sehen können, es hätte sie vielleicht überrascht, daß darin keine Spur von Spott mehr zu entdecken war. Doch als Emmanuelle wieder zu sich kam, hatte ihre Partnerin schon wieder zu ihrem heiteren Gleichmut zurückgefunden. Sie hielt sie mit ausgestreckten Armen an den Schultern und fragte übermütig: »Stehst du noch fest genug auf den Beinen, um hinaufklettern zu können?«
Emmanuelle ergriff eine heftige Verwirrung, und sie senkte den Kopf wie ein schmollendes Kind. Die andere legte ihr die Hand unter das Kinn und hob es hoch.
»Du«, murmelte sie mit ernster, fast erstickter Stimme, so wie Emmanuelle es noch nie bei ihr erlebt hatte, »haben das andere Frauen auch schon mit dir getan?«
Äußerlich bewahrte Emmanuelle ihren Gleichmut, aber in Wirklichkeit hatte sich ihrer eine Bestürzung bemächtigt, die ihr unerklärlich war. Sie beschloß, sich taub zu stellen. Ariane insistierte gebieterisch und schmeichlerisch zugleich. »Antworte! Hast du es noch nie mit Frauen getan?«
Emmanuelle, ganz Würde und Ablehnung, hüllte sich in beharrliches Schweigen. Ariane kam näher, und ihre Lippen bewegten sich dicht an Emmanuelles Mund.
»Komm zu mir«, hauchte sie. »Möchtest du?«
Aber Emmanuelle schüttelte verneinend den Kopf.
Noch immer hielt Ariane das widerspenstige Kinn in ihrer Hand, sagte aber nichts mehr. Als sie schließlich zurücktrat, ließen ihr heiterer Blick und ihr lausbübisches Lächeln nicht erkennen, ob sie enttäuscht und Emmanuelle deshalb gram war.
»Klettere hinauf«, sagte sie, nachdem sie sie ein bißchen an der Nasenspitze gekitzelt hatte.
Emmanuelle wandte sich ab und kletterte die Sprossen hinauf. Ariane folgte ihr. Emmanuelle zog ihr immer noch durchnäßtes Trikot wieder bis zur Taille herunter.
»O Ariane, du hast deinen Pullover unten gelassen!« bemerkte sie, und sogleich bot sie an: »Soll ich ihn dir holen?«
(Erst nachträglich merkte sie, daß sie Ariane zum erstenmal geduzt hatte.)
Ariane aber winkte ab: »Laß nur! Ist nicht der Mühe wert, er ist sowieso hin.«
Sie warf ein Handtuch über ihre Schultern, ohne darauf zu achten, daß es auch ihre Brust bedeckte. Während sie beide zur Garage gingen, schwang sie mit der einen Hand den bunten Leinensack mit den Schlägern hin und her, mit der anderen hielt sie Emmanuelle bei der Hand. Vorbeigehende winkten ihnen zu, Ariane grüßte fröhlich zurück, wobei sich die Nacktheit ihrer Brüste noch deutlicher zeigte. Emmanuelle hatte plötzlich den Eindruck, als starre alle Welt sie beide an; Scham und Bestürzung überkamen sie. Rasch wollte sie sich von Ariane trennen, wieder einmal entschlossen, sie nie wiederzusehen.
Auf dem Parkplatz ließ Ariane die Hand ihrer Begleiterin los und wandte sich ihr zu, während sie zugleich die Enden ihres Handtuchs vom zusammenknotete. Der fragende und abwartende Ausdruck, mit dem sie Emmanuelle ansah, war so vielsagend, daß es keiner Worte bedurfte. Wieder senkte Emmanuelle den Kopf, ihre Verlegenheit, die Verwirrung ihrer Gedanken war nicht geheuchelt. Ariane beugte sich nur vor und küßte ihre Freundin leicht auf die Wange.
»Bis bald, mein Lämmchen«, sagte sie ungezwungen.
Sie sprang ins Auto und winkte Emmanuelle, als sie losfuhr, noch einmal zu.
Emmanuelle bedauerte, daß sie nichts unternommen hatte, sie zurückzuhalten. Sie hätte ihre Brüste gern noch einmal gesehen. Vor allem hätte sie gern wieder gespürt, wie sie sich an sie preßten. Plötzlich sehnte sie sich danach, nackt zu sein, und Ariane sollte nackt sein und auf ihr liegen, beide ganz nackt, nackter, als sie je gewesen waren. Sie sehnte sich danach, Arianes Brüste an ihren Brüsten, ihr Geschlecht an ihrem Geschlecht zu fühlen. Und sie sehnte sich danach, von Frauenhänden liebkost zu werden, von Frauenbeinen, Frauenlippen, einem Frauenleib... Wenn Ariane jetzt zurückgekehrt wäre, wie hätte sich Emmanuelle ihr hingegeben!
Am gleichen Tag kam Christopher an. Er sah viel besser aus als auf den Fotos und hatte den Gang und das offene Lächeln eines angelsächsischen Rugby-Spielers; seine straff nach hinten gekämmten blonden Haare schienen mit einem ständigen Sturm zu kämpfen. Emmanuelle hatte sofort Vertrauen zu ihm wie zu jemandem, den sie schon lange kannte. Während sie ihrem Gast den Garten zeigte, hakte sie sich bei ihrem Mann und bei Christopher ein. Gleich zu Anfang stritt sie mit Jean darum, wem von ihnen der Neuankömmling Gesellschaft leisten sollte. »Du wirst Christopher doch nicht etwa die ganze Zeit für dich mit Beschlag belegen! Ich will ihn auf die khlongs mitnehmen, ihm den Markt der Diebe zeigen...«
»Hören Sie, ich bin hier aber nicht nur auf Urlaub«, wehrte Christopher lächelnd ab.
Es bereitete ihm Vergnügen, Jean wiederzusehen und festzustellen, daß er so glücklich verheiratet war. Unverhohlen zeigte er die Bewunderung, die er für Emmanuelle empfand: »Jean, dieser Gauner, hat wirklich mehr als Glück!« rief er, während er einen hingerissenen Blick auf seine Gastgeberin warf. »Welche Tugend hat ihm das verschafft?«
»Keine, Gott sei Dank«, scherzte sie. »Ein tugendhafter Ehemann, wie entsetzlich!«
Sie blieben bis spät in die Nacht hinein auf, fröhlich und lärmend, und gingen erst zu Bett, als Emmanuelle der Schlaf übermannte in dem Sessel, in den sie sich gekuschelt hatte, unter der Bougainvillea, die sich über die Terrasse des Erdgeschosses spannte. Es regnete nicht. Die Frösche waren verstummt. Die Sterne glänzten hell wie in der trockenen Jahreszeit. Mitte August gibt es in Thailand häufig solche trügerischen Atempausen.
Emmanuelle pflegt nackt zu schlafen. Aber wenn sie mit Jean auf dem breiten Balkon ihres Schlafzimmers frühstückt, zieht sie sich eines der kurzen Nachthemden über, von denen sie sich vor ihrer Abreise aus Paris eine große Anzahl gekauft hatte (besonders weil sie gern anprobieren ging). Heute morgen trägt sie ein durchsichtiges und plissiertes von der Farbe ihrer Haut. Der Saum reicht nicht weiter hinunter als bis zu den Leisten. An der Taille wird es durch drei Knöpfe geschlossen. Der leiseste Windhauch lüftet es sanft. Plötzlich fängt Emmanuelle an zu lachen.
»Ach, ich habe ja ganz vergessen, daß wir einen Gast haben. Ich glaube, es ist besser, ich ziehe mir etwas über.«
Sie steht schon auf, aber Jean protestiert. »Kommt nicht in Frage«, entschied er. »So siehst du viel besser aus.«
Im Grunde hat sie gar nichts dagegen, sich in diesem Aufzug zu zeigen; sie ist seit langem daran gewöhnt, daß alle möglichen Leute sie nackt sehen. Es ist ihr von ihrer Kindheit her vertraut. Die Vorstellung, sich der Eltern wegen einen Morgenrock überziehen zu müssen, wäre diesen ebenso albern vorgekommen wie ihr selbst. Daß sie sich nach ihrer Hochzeit eine Anzahl Nachthemden gekauft hatte, war aus Koketterie und nicht aus Schamhaftigkeit geschehen.
Christopher ist dabei allerdings nicht so wohl zumute wie seinen Gastgebern. Er sitzt Emmanuelle gegenüber und kann seinen Blick nicht von ihren Brüsten lösen, die die Sonne durch den plissierten Stoff hindurch belebt: blutvoll drängen sich die Spitzen nach vorn - zwei blaßrosa Tupfen unter dem Gewebe.
Als sie aufsteht, um ihm Zwieback, Früchte, Honig zu reichen, schlägt die morgendliche Brise den leichten Stoff bis zum Nabel auseinander, und das Astrachandreieck nähert sich ihm, kommt seinem Gesicht so nahe, daß er seinen Maiglöckchenduft atmet. Er wagt kaum, die Tasse an die Lippen zu heben, da er fürchtet, daß seine Hände zittern könnten. Panik überkommt ihn: Was soll ich tun, wenn ich aufstehen muß?
Zu seiner Erleichterung geht Emmanuelle wieder in ihr Schlafzimmer zurück, bevor die Männer ihr Frühstück beendet haben. So bleibt Christopher Zeit, sich wieder in die Gewalt zu bekommen.
Erst zum Abendessen wollten Jean und Christopher wieder zurück sein. Emmanuelle hatte keine Lust, den ganzen Tag allein zu Hause zu verbringen. Sie nahm den Wagen und fuhr in die Stadt. Eine Stunde lang fuhr sie ziellos herum, verirrte sich, hielt zuweilen an, um ein Geschäft zu betreten, oder starrte abwesend und von Grauen geschüttelt einen Leprakranken an, der auf dem Bürgersteig saß und sich rückwärts bewegte, wobei er sich auf seine zerfressenen Handgelenke stützte und die Stümpfe seiner Schenkel über den schmutzigen Boden schleifte. Emmanuelle war von diesem Anblick so erschüttert, daß es ihr nicht gelingen wollte, den Motor wieder anzulassen. Sie saß wie gelähmt da, hatte vergessen, wohin sie fahren wollte, vergessen, welche Bewegungen sie mit ihren unversehrten Füßen, ihren gesunden und zarten Händen ausführen mußte... Gleichzeitig schämte sie sich ihrer plötzlichen Verwirrung.
»Wenn mir dieser Mann angst macht«, fuhr es ihr durch den Sinn, »dann heißt das, daß ich ihn ablehne und daß ich mich genauso grausam aufführe wie meine Landsleute in früheren Zeiten, wenn sie die Leprakranken verbannten, sie behandelten, als ob sie schon tot wären, und ihnen befahlen, sich in entehrender Weise als Kranke zu kennzeichnen. Diese Siamesen sind da weniger ungerecht; sie behandeln einen Kranken nicht wie einen Verbrecher. Sie ergreifen nicht die Flucht oder zeigen mit dem Finger auf ihn. Sie machen kein Aufhebens davon, wenn sie ihm auf der Straße begegnen. Sie geben ihm zu essen und zu trinken und lassen ihn weiterziehen, wohin es ihm beliebt und wo immer er den kurzen Rest seiner Tage zu verbringen gedenkt.«
Aber diese Selbstvorwürfe halfen nichts. In diesem Augenblick tauchte ganz in ihrer Nähe, aus einem chinesischen Laden heraustretend, eine Silhouette auf.
Sie stieß einen spitzen Schrei aus, der wie ein Hilferuf klang: »Bee!«
Die junge Frau wandte sich um und trat mit einer Geste freudiger Überraschung an den Wagen heran.
»Ich habe Sie gesucht«, sagte Emmanuelle.
Im gleichen Augenblick erkannte sie, daß sie die Wahrheit gesagt hatte.
»Nun, dann haben Sie ja Glück gehabt, daß Sie mich gefunden haben«, scherzte Bee. »Denn in diese Gegend komme ich nicht sehr häufig.«
Natürlich, sie glaubt mir nicht, dachte Emmanuelle betrübt. »Möchten Sie mit mir zusammen zu Mittag essen?« schlug sie so inständig bittend vor, daß Bee einen Augenblick lang nicht wußte, was sie antworten sollte.
Doch Emmanuelle fuhr fort: »Ich habe eine Idee! Kommen Sie mit zu mir. Es ist reichlich zu essen da. Und Sie kennen mein Haus noch nicht.«
»Möchten Sie nicht lieber mal hiesige Spezialitäten kennenlernen?« fragte Bee. »Ganz in der Nähe ist ein sehr pittoreskes kleines siamesisches Restaurant. Ich lade Sie ein.«
»Nein«, antwortete Emmanuelle beharrlich. »Ein anderes Mal. Jetzt möchte ich Sie mit zu mir nach Hause nehmen.«
»Wenn Sie meinen!«
Bee öffnete die Wagentür und setzte sich neben sie. Emmanuelle blühte auf. Sie hatte plötzlich das Gefühl, als habe sie wieder zu sich selbst gefunden; sie wußte nun, was sie wollte, war stolz, daß sie liebte, und konnte sich weder verstellen noch warten. Es fehlte wenig, und sie hätte ihre Freude laut hinausgeschrien, während sie alle Vorsicht außer acht lassend ihren Wagen durch das Ameisengetümmel der Stadt lenkte. Ohne jeden Grund lachte sie hin und wieder. Sie strahlte geradezu. Worte formten sich in ihrem Kopf zu einer hoffnungsfrohen Melodie. O meine terra firma! O meine Schöne mit dem geflügelten Namen! O du meine Schöne, meine sanfte Schöne! O du Land mit dem geflügelten Namen! O meine Schöne, meine sanfte Schöne! O mir verheißene Bucht mit dem geflügelten Namen, meine Schöne, o meine sanfte Schöne! Du Schöne, meine terra firma, meine Bucht, meine Flügel!
Mit der Geste einer Schiffbrüchigen streckte sie zärtlich die Arme aus, schüttelte ihre schweren Haare, küßte schluchzend vor Glück das schöne, liebreiche Gestade. Endlich, endlich! Oh, so lieblich war das Gestade, an das die Welle sie trug, sie, im feuchtschimmernden Haar, so gastlich ihrem dürstenden Leib, ihren nackten Beinen, ihrem hingegebenen Körper. In der Verzauberung der Augustnacht war alles vergessen, was sie gelernt und wieder verlernt hatte, seit sie von der einen in die andere Welt verschlagen worden war. Ihre Lippen leuchteten in immerwährender Morgenröte.
Bee betrachtete sie voller Bewunderung, aber auch ein wenig befremdet.
Das elegante und modern eingerichtete Haus gefiel der Besucherin. Sie lobte die Blumenarrangements; Emmanuelle hatte die Kunst des Ikebana in Paris gelernt; die Keramik; die Schalen aus durchsichtigem Stein, die mit Korallen und Seemuscheln verziert waren; das große, schmiedeeiserne Mobile, das sich mitten im Zimmer sperrig und herausfordernd erhob und mit seinem ganzen seltsamen metallenen Laub klirrte.
Sie aßen rasch zu Mittag. Emmanuelle hatte die Sprache verloren. Ihr jubilierender Blick ließ nicht ab von Bee.
Dann besichtigten sie trotz der sengenden Sonne den Garten. Emmanuelle hatte die Hand ihrer Freundin ergriffen, und sie gingen zwischen den Beeten mit den gepflanzten Ablegern und Setzlingen entlang. Sie wies darauf hin, wie schön der Garten erst sein würde, wenn das alles zu Sträuchern erblüht war.
Emmanuelle brach eine langstielige Rose und reicht sie Bee, die die rote Blütenkrone mit ihren Fingern umfaßte und an ihre Wange hielt. Emmanuelle kam mit ihren Lippen näher und drückte einen Kuß auf die Rose.
Der Gang durch den Garten hatte sie erhitzt. Sie kehrten ins Haus zurück.
»Wollen wir uns nicht rasch duschen?« schlug Emmanuelle vor. Bee fand das eine gute Idee.
Oben im Schlafzimmer riß sich Emmanuelle die Kleider so hastig vom Leibe, als stünden sie in Flammen. Erst als Emmanuelle ihr letztes Kleidungsstück abgelegt hatte, begann auch Bee, sich zu entkleiden.
Sie hatte nur gesagt: »Was haben Sie für einen schönen Körper!« Und dann hatte sie langsam ihren Kragen geöffnet. Als sie ihre Hemdbluse, die sie genau wie Emmanuelle auf dem bloßen Körper trug, halb aufgeknöpft hatte, konnte Emmanuelle einen Ausruf des Staunens nicht unterdrücken: Bees Brust glich der eines Knaben.
»Sie sehen ja, wie flach ich bin«, sagte das Mädchen.
Sie schien sich dessen aber überhaupt nicht zu schämen, vielmehr genoß sie Emmanuelles Überraschung, die sich die rosigen Spitzen, die so klein und blaß waren, daß es aussah, als seien sie noch nicht voll entwickelt, genau betrachtete.
»Finden Sie sie häßlich?« erkundigte sich Bee, ohne diese Frage ernst zu meinen.
»O nein! Ganz im Gegenteil, sie sind wunderschön!« rief Emmanuelle in so inbrünstigem Ton, daß die andere gerührt lächelte. »Dabei hätten Sie alles Recht, kritisch zu sein, bei den herrlich schönen Brüsten, die Sie haben«, bemerkte Bee. »Ein starker Gegensatz zwischen uns beiden, nicht wahr?«
Emmanuelle erwiderte mit dem Fanatismus einer Konvertierten: »Was ist schon Besonderes an großen Brüsten? Die Illustrierten sind voll davon. Aber bei Ihnen ist es so ganz anders als bei den anderen Frauen, und das ist hübsch!« Ihre Stimme verdunkelte sich ein wenig: »Sie müssen wissen, noch nie habe ich etwas gesehen, das mich so erregt hat. Und das sage ich in vollem Ernst.«
»Ich gebe zu, auch ich habe Freude an ihnen«, sagte Bee, die ihren Rock auf den Boden gleiten ließ. »Sicher wäre es mir nicht recht, wenn ich eine zu kleine Brust hätte, aber überhaupt keine Brust, das hat Esprit, finden Sie nicht auch?« (Plötzlich schien sie gesprächiger zu werden. So lange hatte Emmanuelle sie noch nicht reden hören.) »Ich habe sogar lange gefürchtet, meine Brüste könnten zu wachsen anfangen. Dann wäre ich mir vorgekommen, als verlöre ich meine Persönlichkeit. Und ich habe damals jeden Abend gebetet: >Mein Gott, mach, daß ich niemals richtige Brüste bekommet Ich bin offenbar so brav gewesen, daß der liebe Gott mich erhört hat!«
»Welch ein Glück!« rief Emmanuelle. »Wie schrecklich, wenn Ihre Brüste größer geworden wären. Ich mag sie so, wie sie jetzt sind!«
Auch Bees Beine fand sie bewundernswürdig, sie waren so lang und ihre Linien so vollendet, daß sie fast unwirklich schienen, so als entstammten sie den Modellzeichnungen eines Modeschöpfers. Zu diesem Eindruck von Eleganz und Rasse trugen auch die schmalen Hüften bei und die biegsame Schlankheit der Taille.
Was aber Emmanuelle am meisten auffiel, als Bee ihr Höschen ausgezogen hatte, war der ungewöhnlich stark vorgewölbte, glattrasierte Venusberg. Noch nie hatte sie gesehen, daß er sich derartig von der flachen Ebene des Bauches abhob und vor Geschlechtlichkeit förmlich zu bersten schien. Sie meinte, nie etwas Edleres und zugleich Aufregenderes gesehen zu haben. Durch das Fehlen der Haare lag der hoch hinauf reichende Einschnitt des Geschlechts, das sich tief und scharf umrissen furchte, bloß und war dem Blick ganz offen preisgegeben. Der Kontrast zwischen dieser einladenden Weiblichkeit und der ephebenhaften Gestalt, verbunden mit der gleichmäßigen Bräunung von Bees Körper (es drängte sich der Gedanke auf, daß er der Sonne ganz ausgesetzt gewesen war und andere sich an dieser hermaphroditischen Nacktheit hatten erfreuen können) wirkten wie eine Herausforderung. Und die glatte und gespaltene Schwellung von Bees Schoß war ihrer unnahbaren Anmut zum Trotz von solcher Sinnlichkeit, warf sich mit einer derart einladenden Bewegung nach vorn, daß es Emmanuelle war, als wühle eine Hand in ihrem eigenen Schoß. Sie wußte plötzlich, daß Bee ihr auf der Stelle gehören, daß sich ihr diese Furche, diese Spalte der Wollust öffnen müsse... diese Spalte, bei deren Anblick sie erbebte. Dieser Rosenmund von unvergleichlicher Schönheit! Diese schönste Stelle an dem herrlichsten Körper, der je erschaffen worden war! Dieses Meisterwerk, vom Leben selbst geformt. Nichts, nirgendwo auf Erden, war es mehr wert, geliebt zu werden!... Sie öffnete den Mund, um Bee zu sagen, wonach sie verlangte, aber im gleichen Augenblick drehte sich die junge Frau nach dem Badezimmer um: »Und wie steht’s mit dem Duschen?« fragte sie.
Jetzt schien Emmanuelle jede List überflüssig. Um Bee daran zu hindern, weiterzugehen, befahl sie: »Kommen Sie aufs Bett.«
Die Besucherin, die mit zögernder Miene an der Tür stehengeblieben war, entschied sich zu lachen.
»Ich möchte mich aber frisch machen und nicht schlafen«, sagte sie.
Emmanuelle fragte sich, ob Bee wirklich glaubte, daß sie sie zur Siesta hatte auffordern wollen, oder ob sie nur so unschuldig tat. Ihr Blick traf sich mit dem ihrer nackten Freundin, und sie war verzweifelt, in ihm nicht die Andeutung eines Versprechens entdecken zu können.
Sie ging auf Bee zu und öffnete die Tür. »Dann tun wir es eben unter der Dusche«, sagte sie entschlossen.