Julie Burchill

Fast so klebrig süß wie die zerlaufene Schlagsahne auf dem Baiser, das unbeachtet in Susans Suite liegengeblieben war, wehte die laue Abendbrise vom Atlantik über die Strände von Lerne und Leblon, über den Hotelpatio und durch Tobias Popes hohe Schlafzimmerfenster; wie verträumt hinterdreinziehende Brautjungfern brachte sie ein Gemisch sanft gedämpfter Klänge mit - das weiche Wellenplätschern am Strand von Copacabana, das ferne Summen des Sambawettbewerbs im Stadion der Rua Maquis Sapucai, mit dem alljährlich die Karnevalssaison eröffnet wurde.

Pope saß mit dem Rücken zum Fenster in einem tiefen Ledersessel. Er blickte von der Zeitschrift auf, in der er gerade einen Artikel über sich las, und sah zu Susan Street hinüber, die in einem hellgrünen, schulterfreien Rifat-Ozbek-Strickensemble bäuchlings auf seinem Bett lag und einen Kathy-Acker-Roman las.

»Lauter Lügen«, bemerkte er.

»Wie bitte?«

»Ach, unwichtig. Sie waren also nicht sonderlich angetan von Rio?«

»Nicht von dem, was ich bisher davon gesehen habe.«

»Aber vielleicht würde der Karneval Ihnen gefallen?«

»Vielleicht.«

»Oder brauchen Sie nicht doch einen stärkeren Anreiz als die Sinnlosigkeitsrituale all dieser armen Schweine, die sich da auf

Teufel komm raus für die voyeuristischen Polaroids der Touristen aufdonnern?«

»Kann sein.«

»Wie wär’s mit einem wohlsortierten Aufgebot an Mösen und Schwänzen?«

Sie drehte sich herum und setzte sich langsam auf. »Was?«

»Sie haben mich schon richtig verstanden.«

Es klopfte. Pope lächelte sie breit an. »Ah, sehr gut. Die Vorstellung kann gleich losgehen.«

Er öffnete die Tür. Sechs junge Brasilianer, drei Männer und drei Mädchen, kamen nacheinander herein. Obwohl keiner von ihnen über zwanzig war, schienen sie von der luxuriösen Umgebung nicht im geringsten eingeschüchtert. Sie lehnten sich lässig an die Wand und blickten abwartend zwischen Pope und Susan hin und her. Einer der Jungen flüsterte seinem Nachbarn etwas ins Ohr, worauf der sie kurz ansah und zustimmend nickte.

Tobias Pope klatschte gebieterisch in die Hände. »Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Danke. Also, was ich wünsche, ist folgendes: Jeder von Ihnen möchte bitte der Reihe nach vortreten und in nicht mehr als drei - ich sagte drei, tres - Sätzen klipp und klar erklären, warum er oder sie eine Hure ist. Jawohl, HURE. Ich will keine hasenherzigen Beschönigungen hören wie Freudenmädchen, Gigolo oder armes ausgebeutetes Opfer des Systems.« Er klatsche wieder in die Hände. »Die Damen haben den Vortritt.«

Ein zierliches Mädchen im weißen Bikini trat vor. »Ich heiße Maria. Ich bin eine Hure, weil ich keine Ausbildung habe.« Sie sah ihn unsicher an.

»Der übliche Vorwand, aber immerhin überzeugend. Vielleicht lernen Sie ja noch was draus. Die nächste.«

Ein hochgewachsenes Mädchen im weißen Strandkleid trat vor. »Ich heiße Rosana, und ich bin eine... Hure, weil ich eine kranke Mutter und viele kleine Geschwister habe.«

Tobias Pope pfiff sie gellend aus.

Das dritte Mädchen trat vor. Sie trug hochhackige schwarze Pumps, enge schwarze Radfahrerhosen, ein weitausgeschnittenes schwarzes T-Shirt und sah finster drein. »Wie ich heiße, geht niemanden was an, und ich bin eine Hure, weil es sich auszahlt. Genau wie die anderen, die nur Schiß haben, es zuzugeben, damit man sie nicht wegschickt.«

Pope warf den Kopf zurück und brach in beifälliges Lachen aus. »Bravo, senhorita! Das lasse ich mir gefallen! Zufällig weiß ich von Ihrem ehrenwerten Vermittler, daß Sie Thalia heißen, aber das will ich Ihnen noch mal durchgehen lassen.«

Thalias Miene verfinsterte sich noch mehr.

Er grinste immer noch über ihren Auftritt, während er mit einer abwinkenden Geste zu den Jungen hin fortfuhr: »Ihr Kerle seid alle gleich und könnt meinetwegen anonym bleiben. Ich werde euch Eins, Zwei und Drei nennen, das genügt. Und weshalb ihr Huren seid, ist sowieso klar: aus Faulheit und Dummheit, wie all eure compadres

Die Jungen stießen sich feixend mit den Ellbogen an.

Susan beobachtete Thalia fasziniert. Wenn sie das Pech gehabt hätte, als arme Brasilianerin auf die Welt zu kommen, wäre es ihr wahrscheinlich nicht anders ergangen als diesem Mädchen; Thalia hatte nicht nur eindrucksvolle Kurven, sondern auch Charakter, und ihre mürrischen Züge zeugten von beachtlicher Intelligenz. Ihr Blick schweifte abschätzend durch den Raum und registrierte blitzschnell alle tragbaren Wertgegenstände -Lampen, Radios, Vasen -, um sich dann plötzlich auf Susan zu heften und sie wie mit drei Messerstichen in Gesicht, Brust und Unterleib zu durchbohren. Susan errötete. Thalia verzog höhnisch das Gesicht.

»Dies ist meine Freundin Susan, die von Ihnen gefickt zu werden wünscht. Nacheinander, versteht sich, und dann vielleicht uma tortilla als grandioses Finale. Bilden Sie jetzt eine Schlange, ohne zu drängeln, wenn ich bitten darf.«

Die Brasilianer stellten sich unbeholfen hintereinander auf. An ihrem albernen Gekicher und Geschubse merkte man gleich, daß sie keine Übung im Schlangestehen hatten. Die Jungen standen vorne, voller Eifer und Ungeduld, und die Mädchen dahinter. Maria und Rosana verglichen unbekümmert ihren billigen Modeschmuck und ihren Nagellack, gerade so, als warteten sie an einer Bushaltestelle.

Thalia bildete das Schlußlicht. Schweigend, mit unbewegter, verächtlicher Miene starrte sie vor sich hin. Bei ihrem Anblick wurde Susan plötzlich angst und bange zumute.

Pope ging die Reihe entlang und händigte den Jungen Kondome aus. »Jeder kommt nur einmal dran, also macht das Beste draus. Nächste Woche müßt ihr wieder die alten Schachteln aus Florida bedienen. Die große Lover-Show könnte ihr euch allerdings schenken. Hier gibt’s keine versteckte Kamera - no maquina-, also wird auch kein Regisseur heute abend euer verborgenes Talent entdecken.« Er warf einen Blick auf seine Patek Phillipe. »Es ist jetzt kurz nach sieben. Um acht will ich zu Abend essen. Ich bin ein alter Mann und brauche meinen Schlaf.« Er setzte sich in den Ledersessel und sah noch einmal auf die Uhr. »Achtung, fertig, los!«

Der erste Junge kam auf sie zu und zog eilig den Reißverschluß seiner Jeans auf. Erleichtert stellte sie fest, daß er bereits eine Erektion hatte, die zum Glück keine beängstigenden Ausmaße aufwies. Die Vorstellung, einen dieser Fremden erst noch stimulieren zu müssen und dann womöglich mit einem Riesenpenis konfrontiert zu sein, hatte sie insgeheim schon mit Gruseln erfüllt. Der Junge war hübsch, aber nicht auf die Art, die ihr gefiel; zu glatt, zu jung.

Er stieg auf das Bett, kniete sich über sie und beugte sich hinunter, um sie zu küssen. Ihre Zähne stießen mit peinlichem Klicken aneinander, und sie wandte verlegen den Kopf zur Seite. Pope war an die Bettkante getreten und blickte mit verschränkten Armen auf sie hinab. »Schluß mit dem Kitsch!

Zur Sache!« bellte er ungehalten, wie ein gestrenger Schiedsrichter.

Der Junge richtete sich auf und streifte sich das Kondom über. Susan ließ ergeben den Kopf auf die Kissen sinken und schloß die Augen. Er schob ihr die Schenkel auseinander und rutschte auf den Knien weiter vor, faßte unter ihren Rock und zog ihr mit schnellem Griff die Unterhose aus. Als er ihr den Rock hochschob, schienen alle Anwesenden sich wie auf Kommando neugierig vorzubeugen: wie Fachleute beim Begutachten einer neuen Ware, aber auch wie geile Gaffer bei einem Unfall.

Sieben Augenpaare waren auf ihre entblößte Vagina gerichtet. Vor lauter Peinlichkeit wäre sie am liebsten unters Bett gekrochen, doch gleichzeitig machte es sie auch mordsmäßig scharf.

Der Junge fummelte prüfend an ihrer Öffnung, brachte sich in die richtige Stellung und stieß in sie hinein. Instinktiv spannte sie die Muskeln an, und er stöhnte lustvoll auf. Ein leiser Seufzer der Erregung ging durch die Warteschlange, und Susan öffnete die Augen. Pope hatte ihr den Rücken zugekehrt und blickte ihr direkt zwischen die Beine hinab. Maria stand auf den Zehenspitzen und hatte die Hände auf Rosanas Schultern gestützt. Die Jungen starrten gebannt auf das Bett und spannten in ihren Levis um die Wette. Nur Thalia hatte ein abfälliges Grinsen aufgesetzt und klopfte gelangweilt mit ihrem Stilettoabsatz auf den Boden. Susan legte die Arme fest um den schmalen Jungenrücken, der sich rhythmisch auf und ab bewegte. Er war so jung und eifrig, roch nicht unangenehm, erdrückte sie nicht mit seinem Gewicht und war der Macht der Yankee-Dollar ebenso wehrlos ausgeliefert wie ein Mädchen: Mochte er also ruhig seinen Spaß haben. Wie leicht es im Grunde doch war, mit einem Fremden zu vögeln. Viel leichter, als ihn zu küssen oder gar mit ihm zu reden. Sie fing gerade an, die ersten pulsierenden Lustempfindungen zu spüren, als er sich plötzlich aufbäumte und schwer atmend wie ein erschöpfter Sprinter auf ihr zusammensank.

Tobias Pope machte seinem Unmut mit einem schrillen Pfeifen Luft. »Jämmerlich! Der nächste!«

Nummer zwei kletterte auf das Bett und wälzte seinen Freund gutmütig zur Seite. Er hatte das Kondom schon im Gehen übergestreift und glitt wie ein gut geölter Bolzen in sie hinein. Er war etwas älter und viel größer als sein Vorgänger; sie war gefährlich nah daran, auf den Geschmack zu kommen, genauer gesagt, nah dran zu kommen. Sie schloß die Augen und schlang ihm die Arme um den Hals.

Er lachte ihr leise ins Ohr - Ola! - und begann, sanft und kraftvoll zuzustoßen. Jeder neue Stoß fühlte sich an wie ein fleischgewordenes Fragezeichen.

»LAHM!« entschied Pope laut und ungeduldig. Sie hätte ihn erschlagen können. »Mach doch mal was, Junge! Mach irgendwas mit ihr! Würg sie, beiß sie, schlag sie, pfeif meinetwegen ein Lied, wenn’s sein muß - aber sorg endlich für Abwechslung!« Der Junge setzte sich auf, faßte sie bei den Knöcheln und legte sich ihre Beine über die Schultern. Sie schob sich dichter an ihn heran und ächzte, als er noch tiefer in sie eindrang. Sie kam sich vor wie ein weiches rotes Plüschsofa, das den Jungen für immer und ewig in seinen schwelgerischen, samtenen Tiefen begrub. Die dunkle Mähne über das Kopfkissen gebreitet, bog sie den schlanken Körper zu ihm hoch und klammerte sich an seinen Hüften fest. Ihre Lippen spannten sich in einem lautlosen Schrei über die Zähne und befleckten sie mit Lancôme-Brun-Majeur-Lippenstift.

Durch die ungewohnte Stellung und die rückhaltlose Hingabe seiner Klientin aufgepeitscht, ergoß der Junge sich innerhalb weniger Sekunden.

Im Raum blieb es vollkommen still.

»Como se chama?« wisperte er ihr zu.

»Ich kann kein Portugiesisch«, antwortete sie und hob sich noch ein wenig an, um ihre Klitoris gegen seinen hageren Körper zu pressen, nur noch von dem verzweifelten Verlangen erfüllt, endlich den Höhepunkt zu erreichen. Der Druck verfehlte nicht seine Wirkung; sie war beinah am Ziel, als Tobias Pope unvermittelt der Kragen platzte.

»Herrgottnoch mal!« Erhob einen überraschend zierlichen Fuß in einem Schuh, der mehr gekostet hatte, als der brasilianische Junge in einem Jahr verdiente, und verpaßte ihm einen wohlgezielten Tritt. Der heftige Stoß ließ sie auseinanderfahren und vor Schreck aufschreien. »Ich habe ja sogar Karnickel schon länger durchhalten sehen! Und zwar Karnickel mit Präcox-Problemen! Macht, daß ihr rauskommt, ihr Versager! RAUS!« Er riß die Tür auf und schubste die beiden Jungen in den Flur. »Die Rechnung begleiche ich morgen bei Rodriguez - mehr als zehn centavos war das nicht wert! Los, verduftet!« Er schlug die Tür zu und tupfte sich mit dem Taschentuch über die Stirn. »Heutzutage kriegt man einfach kein ordentliches Personal mehr, das ist ja nicht zum Aushalten!« Er schnippte mit den Fingern. »Maria, Rosana, ich wette, ihr habt mehr Mumm in den Knochen als diese Hampelmänner. Seht zu, was ihr mit ihr anfangen könnt.« Die beiden Mädchen sprangen auf das Bett und musterten Susan voller Neugier und Unternehmungslust.

»Que quer?« fragte Maria höflich.

»Sie will wissen, wie Sie’s gern hätten«, übersetzte das größere Mädchen.

»Wie?« Susan richtete sich auf dem Ellbogen auf und sah die beiden hungrig an. »Ach, irgendwie, ich weiß auch nicht so genau. Was würdet ihr denn gerne machen?«

»Himmel Herrgott Donnerwetter noch einmal!« brüllte Pope dazwischen. Maria und Rosana bekreuzigten sich. »Nun fangt schon an, sonst kann ich’s ja gleich vom Zimmerkellner erledigen lassen!«

Rosana ergriff die Initiative und schob Susan ein Kissen unter. »Beine hoch, por favor.« Blitzschnell drehte sie sich herum und kniete sich rittlings über Susan, mit dem Unterleib über ihrem Gesicht.

Maria rutschte ans Fußende hinunter. »Bitte Beine auseinander.«

Mit V-förmig gespreizten Schenkeln - wahrlich ein seltsamer Sieg - überließ Susan sich den heißen, gierigen Mündern der beiden Mädchen. Rosana zupfte und saugte mit den Zähnen und Lippen an ihrer Klitoris, bis sie zur dreifachen Größe angeschwollen war, während Maria ihre lange, geschickte Zunge rhythmisch ein und aus schnellen ließ. Schwitzend und unerträglich erregt schlang Susan die Arme um Rosanas Taille. »Bitte, bitte«, keuchte sie, »zieht euch aus!«

Wie perfekt eingespielte Formationsstripperinnen richteten die drei sich kurz auf und streiften hastig die Kleidungsstücke ab -Maria ihren Bikini, Rosana ihr Strandkleid und Susan ihr Ozbek-Top -, um sogleich wieder in den saugenden, züngelnden Sumpf einzutauchen. Susan fühlte sich haltlos in einen weichen, vielmündigen Treibsandstrudel hinabgezogen. Die beiden Mädchen waren jetzt richtig in Fahrt und gingen mit einer Begeisterung zu Werk, die das Niveau rein professioneller Anforderungen weit überstieg, in vollkommenem Einklang, wie ein Körper mit zwei Köpfen. Die schmatzenden Geräusche der drei feuchten Öffnungen hallten in dem großen Zimmer wider wie über eine aufgedrehte Stereoanlage.

Der blasierte Überdruß des Publikums war mittlerweile einer atemlosen Spannung gewichen. Pope stand immer noch am Bettrand, doch er hatte sich jetzt vornübergebeugt, die Handflächen auf die Daunendecke gestützt, und beobachtete hingerissen das einträchtige Zusammenspiel der Münder. Thalia und der dritte Junge waren vorgetreten und spähten interessiert über seine Schultern, wie in der grotesken Perversion eines biederen Familienbildes.

»Bitte«, stöhnte Susan und verbarg das Gesicht in Rosanas Bauch. »Bitte laßt mich - bitte helft mir - ich komme...« Erschöpft und blind vom Schweiß, der ihnen in die Augen rann, blieben die Mädchen regungslos liegen, zwei braune und ein weißer Körper ineinander verschlungen. An Tobias Popes Schläfe machte sich ein unheilverkündendes Zucken bemerkbar.

»Runter da, wird’s bald, ihr Hurenpack! Ich bin noch nicht auf meine Kosten gekommen.« Er wandte sich zu dem Jungen um. »He, du, besorg es der Lesbe da noch mal richtig!«

Der Junge sah aus wie Marlon Brando mit einem Anflug von Aknenarben im Gesicht, die seine Schönheit nur noch mehr hervorhoben. Er drehte Tobias Pope und Thalia den Rücken zu und stieg aus seinen Jeans. Dann sprang er auf das Bett und versetzte Rosana und Maria ein paar wohlwollende Klapse, wie eine Löwin, die ihre lästigen Jungen mit sanften Prankenhieben vertreibt. Er beugte sich über Susan, die schnaufend auf dem Bauch lag, hob sie an den Hüften hoch und zog ihr den Rock aus. »Desculpe«, murmelte er und stopfte ihr ein, zwei, drei Kissen vom Kopfende unter den Körper.

»Was soll das?«

Statt einer Antwort kniete er sich hinter sie, legte ihr die Hände auf die Hinterbacken und stieß heftig in sie hinein. »Nicht sprechen Ingles«, entschuldigte er sich höflich.

»Bitte, aufhören!« schrie sie mit schmerzerstickter Stimme. Er machte unverdrossen weiter. Sie blickte sich über die Schulter zu ihm um. Er schaute so zufrieden und unschuldig drein wie ein Dreijähriger bei einer Kindersendung. Unaufhaltsam bewegten seine Hüften sich vor und zurück, unerbittlich durchbohrte sein überdimensionaler Rammbock sie bis zum Anschlag.

»He, ihr beiden, keine Müdigkeit vorschützen!« scheuchte Pope die wie betäubt daliegenden Mädchen auf. »Los, saugt ihr die Titten! PRONTO!«

Schwerfällig krochen sie zu dem kopulierenden Paar hin und schoben sich unter Susans ausgestreckten Armen durch, legten sich auf den Rücken und fummelten an ihren Brüsten, um sich dann fast gleichzeitig daran festzusaugen.

Susan blickte auf die beiden hinab, während der Junge sie mit unverminderter Härte fickte. Die Mädchen hatten die Augen geschlossen und sahen beinahe glücklich aus. Sie fühlte auf einmal eine Welle von Zärtlichkeit für diese Fremden, von denen die eine noch im selben Jahr an Aids sterben sollte, während die andere einen häßlichen, menschenfreundlichen kanadischen Chiropraktiker heiraten, viele Kinder bekommen und bis ans Ende ihrer Tage ein sorgloses Leben führen würde.

Das Kitzeln in den Brustwarzen strahlte in kribbelnden Schauern bis in ihre Vagina aus. Sie sah noch einmal über die Schulter und lächelte dem Jungen zu. Er lächelte mit bescheidenem Stolz zurück, ein echter Profi. Sie berührte ihre Klitoris, und kurz darauf entlud der Junge hinter ihr sich in einem letzten ekstatischen Stoß, während die Mädchen unter ihr gleichzeitig aufseufzten. Sie warf den Kopf zurück und brüllte.

Als sie sich voneinander lösten, glänzten ihre Körper vor Schweiß. Sie lächelten verlegen und vermieden es, sich anzusehen.

»O. K.«, ließ Pope sich in sachlichem Ton vernehmen. »Bestellt euch Champagner oder was ihr wollt, wascht euch und verschwindet. Ich bin in zehn Minuten zurück, und dann will ich keinen Eingeborenen mehr hier vorfinden.«

Rosana, Maria und der Junge sahen Susan fragend an. »Bitte, wo ist das Bad?«

»Da hinten.«

Als die Tür sich hinter den dreien geschlossen hatte, trat Thalia an die Bettkante. Sie verschränkte die Arme und klopfte unwirsch mit dem Fuß auf den Boden. »Desculpe - Entschuldigung. Haben Sie nicht was vergessen?«

»Wie bitte?« In ihrem wehrlosen Zustand jagte das schöne, düstere Mädchen in Schwarz Susan Angst ein.

»Na, mich. Sie haben mich vergessen.« In Thalias niedergeschlagenem Tonfall schwang eine unverhohlene Drohung mit. »Die anderen haben Sie alle gefickt, aber die arme kleine Thalia, die haben Sie vergessen.« Sie seufzte. »So geht’s immer.«

»Entschuldigen Sie, aber ich blicke im Moment nicht ganz durch. Ich weiß nicht, was Sie wollen, aber wenn es ums Geld geht, da brauchen Sie sich sicher...«

»Geld!« Das Mädchen war aufs Bett gestiegen; sie beugte sich dicht über Susans nackten Körper und hielt ihr die Faust vors Gesicht. Susan wich erschrocken zurück. »Siehst du das hier?« Sie lachte kurz auf. »Keine Angst, Baby, ich will dir nicht weh tun. Ich will dich lieben. Und zwar so.«

Später überlegte sich Susan, daß ein Mann, der als Fliege an der Wand hätte miterleben können, was sich dann in dem Hotelzimmer an der Avenida Atlantica abspielte, nie wieder dummdreist zu spekulieren brauchte, was Lesbierinnen eigentlich im Bett trieben. Das überhebliche Grinsen wäre ihm da nämlich gründlich vergangen. Zwischen Marias und Rosanas zartem Gezüngel und Thalias unbändiger Wildheit lagen Welten.

Von den drei Jungen schon wundgerieben, bog und wand sie sich, zwischen Schmerz und Lust hin- und hergerissen, drückte das Mädchen eng an sich und küßte sie leidenschaftlich -Thalia spie ihr aus Bosheit in den Mund - und stammelte abgerissene Liebesworte hervor, bis Thalia sich angewidert zurückzog.

»Du! Du bist hier die Hure, nicht ich! Weißt du auch, warum? Weil du es gern machst. Du mußt es ja nicht tun. Ich schon. Mit deinen Möglichkeiten hätte ich - alles hätte ich da werden können! Du ekelst mich an. Du Hure! « Sie stand breitbeinig über Susan und spuckte sie an. »Und das Schlimmste ist - ich könnte mich glatt in so eine Hure wie dich verlieben.«

Sie lag immer noch ganz genommen auf dem Bett, als Pope zurückkam. Es war noch vor neun; draußen auf den Straßen schwoll der ausgelassene Karnevalslärm immer mehr an. »Hat’s Ihnen Spaß gemacht?«

»Danke, ja.« Sie fühlte sich vollkommen zerschlagen, aber sie

hätte sich eher vom Balkon gestürzt, als es ihm gegenüber zuzugeben.

»Um so besser für Sie.« Er öffnete die Schranktür.

»Gehen wir uns den Karneval ansehen?«

»Was gibt’s denn da zu sehen?« lachte er. »Massenbesäufnis, Drogenmißbrauch, Straßenkriminalität, lächerlich aufgeputzte Proleten - wenn ich will, kann ich das jederzeit in der Bronx oder in Brixton haben.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Nein, wir haben unser Touristensoll schon erfüllt - wir haben die Eingeborenen gefickt und die Wirtschaft unterstützt. Ziehen Sie sich an, wir fliegen nach Hause.«

Sie saß im Flugzeug über London und fühlte sich schäbig und ausgenutzt, als sie an das Wochenende zurückdachte. Da hatte sie nun also mit verschiedenen dunkelhäutigen Exemplaren beider Geschlechter geschlafen und war dabei ziemlich brutal durchgewalkt worden - na und? Eigentlich war es doch bloß ein lateinamerikanischer Aufguß ihrer düsteren Vergangenheit. Wie konnte es ihr dann trotzdem soviel ausmachen?

Sie ließ sich ein Glas Sekt bringen und bemühte sich, das bedrückende Gefühl abzuschütteln. Wirklich bemerkenswert war nur die Montes-Episode; was hatte die wohl zu bedeuten? Zur Sicherheit übertrug sie schnell die Telefonnummer von seiner Visitenkarte in ihr Adreßbuch und schrieb LOUISA MOUNT dazu. Dann zerriß sie die Karte und ließ die Schnipsel unter ihren Sitz verschwinden. Sie wußte, daß Pope in ihren Privatsachen herumschnüffelte, während sie schlief, und mißtrauisch, wie er war, würde der Name Louis Montes ihn sicher auf irgendein Verwandtschaftsverhältnis zu Cristina schließen lassen.

Sie war sich selbst nicht recht darüber im klaren, warum sie die Nummer aufbewahrte. Aber nach all dem, was sie in Rio erlebt hatte, war ein Mann mit dem Wunsch, Tobias Pope den Garaus zu machen, vielleicht genau das Accessoire, das ein aufgewecktes Mädchen dieses Jahr am besten brauchen konnte.