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In einem Keller unter einem Regierungsgebäude in der Hauptstadt Sindele betrachtete Moses Mabeki mit gieriger Erregung, was sich seinem Blick darbot.

Der Mann, der mit Armen und Beinen an ein langes Brett gefesselt war, war ein hoher Funktionär in Tshongas Partei. Er war nicht nur dessen politischer Verbündeter, sondern auch ein enger Freund. Er war darum unter den Ersten gewesen, die man als Staatsfeinde verhaftet hatte, als Mabeki den Gegenschlag zu Tshongas Machtergreifung befahl. Vierundzwanzig Stunden lang hatte man ihm Wasser, Nahrung und Schlaf entzogen. Er war nackt ausgezogen und wiederholt in eiskaltes Wasser getaucht worden. Man hatte ihn ohne Anlass und in unregelmäßigen Abständen heftig geschlagen, sodass er in der permanenten Angst vor dem nächsten Mal schwebte. Jetzt machten sich seine Vernehmer, die seit zwanzig Jahren auf dem Gebiet für einen psychopathischen Diktator arbeiteten, zum Todesstoß bereit.

Dies war ein Moment für Connaisseurs, eine vollendete Darbietung, die garantiert das gewünschte Ergebnis brachte. Mabeki würde das um nichts in der Welt verpassen wollen.

Das Brett mit dem Mann wurde um zwanzig Grad geneigt, sodass er mit dem Kopf tiefer lag als mit den Füßen und vor allem mit dem Herzen. Sein Mund war mit schwarzem Klebeband verklebt, damit er nicht schreien konnte. Doch sein Entsetzen war ihm an den weit aufgerissenen Augen anzusehen. Der Schweiß glänzte auf seiner Stirn und lief zwischen den Adern entlang, die unter der Haut hervorgetreten waren, und der unwillkürliche Urinstrahl, den alle sehen konnten, war eine zusätzliche Demütigung.

Bei seinem Anblick dachte Mabeki, dass das Folgende wahrscheinlich überflüssig war. Der Mann war jetzt schon bereit zu reden. Aber es lohnte sich immer, die kleine zusätzliche Mühe auf sich zu nehmen, nur um sicherzugehen. Besonders wenn die Mühe solches Vergnügen machte.

Mabeki nickte einem der Vernehmer neben dem Brett zu. Der wiederum schnippte mit den Fingern, worauf ihm ein Untergebener ein weißes Handtuch reichte. Es war klitschnass. Es sah beinahe fürsorglich aus, wie er dem Mann das Handtuch übers Gesicht legte.

Ein Fingerschnippen und ein zweites, ebenfalls nasses Handtuch wurde angereicht und auf das erste gelegt.

Der Mann auf dem Brett begann sich verzweifelt gegen seine Fesseln zu stemmen, er bog den Rücken durch und verzerrte das Gesicht, versuchte, die Handtücher abzuschütteln, doch die wurden von starken Händen an Ort und Stelle gehalten.

Mabeki faszinierte die simple, aber perfekte Methode der Wasserfolter. Ein Brett, zwei Handtücher und ein Eimer Wasser, mehr brauchte es nicht, um jeden Menschen zum hilflosen Wrack zu machen. Der dumpfe Druck der Handtücher und das in die Nase eindringende Wasser erzeugten bei jedem Einatmen das Gefühl des Ertrinkens. Und wenn man die Handtücher lange genug so liegen ließe, würde der Mann tatsächlich ertrinken. Selbst wenn er die Luft anhielte – und nur die ganz Hartgesottenen hatten dazu die nötige Selbstbeherrschung –, würde er irgendwann wieder atmen müssen, und die Wassertropfen würden unausweichlich in die Lunge eindringen.

Eine Minute verging. Der Mann zuckte nur noch leicht.

Neunzig Sekunden.

Mabeki nickte erneut.

Die Handtücher wurden weggenommen und das Klebeband vom Mund gerissen. Rasselnd holte er Luft, pumpte verzweifelt seine Lungen voll.

»Noch mal«, befahl Mabeki.

Dem Mann wurde der Mund neu verklebt, zwei frisch getränkte Handtücher über das Gesicht gelegt. Anderthalb Minuten vergingen, ehe Mabeki Zufriedenheit signalisierte. Diesmal wurden nur die Handtücher entfernt, das Klebeband blieb auf dem Mund und zwang den Mann, durch die Nase zu atmen.

Erst dann trat Mabeki neben das Brett. Einen Moment lang betrachtete er sein Opfer. Dann zog er nachdenklich die Stirn kraus, als dächte er über das Ergebnis eines wissenschaftlichen Experiments nach, und drückte dem Mann mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu.

Ohne loszulassen, ging Mabeki in die Hocke, sodass er dem Mann direkt ins Ohr sprechen konnte.

»So, du flennender, verräterischer Schakal, weißt du, wo Patrick Tshonga sich versteckt?«

Der Mann nickte heftig.

»Und wirst du meinen Kollegen alles sagen, was sie wissen wollen?«

Erneutes Nicken.

Mabeki ließ die Nase los und tätschelte dem Mann die Wange.

»Ausgezeichnet«, sagte er und kam aus der Hocke hoch. »Trösten Sie sich mit dem Gedanken, dass Sie mit Ihrer letzten Tat Ihrem Land einen Dienst erwiesen haben.«

Mabeki wandte sich dem Vernehmer zu, der die Handtücher aufgelegt hatte. »Finden Sie heraus, was er weiß. Informieren Sie General Zawanda. Sagen Sie ihm, ich wünsche schnellstmöglich einen detaillierten Plan für die Festnahme. Sie soll noch heute Nacht erfolgen. Aber niemand soll einen Finger rühren, bevor ich das Signal gebe. Haben Sie mich verstanden? Niemand!«

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