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Sie betrachteten sich als Veteranen, denn sie hatten in ihrer Heimat und im Ausland in der endlosen Reihe kriegerischer Auseinandersetzungen gedient, unter denen Malemba wie viele afrikanische Staaten zu leiden gehabt hatte. Sie trugen die seelischen Narben ihrer Erfahrungen, waren voller Zorn und völlig überzeugt von ihrem Recht auf das Land und das Geld, um sich für ihre Dienste an dem Staat zu entschädigen.
Nachdem sie ihr tödliches Werk verrichtet hatten, zogen sie den Hilux aus dem Fluss, ließen den Motor an und fuhren zurück zu dem Akazien-Gehölz. Dort teilte sich die Gruppe auf. Vier Männer nahmen den Landrover der Strattens und machten sich damit auf den Weg zum Gutshaus. Unterwegs hielten sie einmal an, um auf weitere Bewaffnete zu warten, dann fuhren sie mit der eingetroffenen Verstärkung ihrem Ziel entgegen.
Zalika Stratten hatte aufbegehrt, als ihr Vater ihr befahl, in das unterirdische Versteck der Familie zu gehen, das ein Stück vom Haupthaus entfernt unter einer Werkstatt lag. Die Verbindung zu Andy und seinem Trupp war abgerissen. Von einem abgelegenen Dorf war die Nachricht gekommen, dass ein voll besetzter Kleinlaster mit Bewaffneten unterwegs sei. In einem Land, das an bewaffneten Aufruhr gewöhnt war, machte sich immer jeder auf das Schlimmste gefasst. Wie viele weiße Frauen im Süden Afrikas hatte Zalika jede mögliche Schulung an der Waffe und zur Selbstverteidigung genutzt. In ihren Kreisen war es eine selbstverständliche Erkenntnis, dass sie ebenfalls eine gefährdete Spezies waren.
»Ich weiß, wie man mit einem Gewehr umgeht«, beharrte sie. »Lass mich auch kämpfen!«
Ihr Vater wollte nichts davon hören. »Dieses eine Mal in deinem Leben, Zalika, tu, was man dir sagt!«, schrie er, packte sie beim Arm und schleppte sie zu dem Versteck, ihrer einzigen Hoffnung auf Sicherheit.
»Komm, mein Liebling, du weißt, dass es das Beste für dich ist«, sagte Jacqui. »Daddy möchte sich nicht um uns ängstigen müssen.«
Das Versteck war mit dem Notwendigsten zum Überleben ausgestattet: Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Verbandzeug und ein paar Gewehren. Die Frauen stiegen durch eine Bodenluke und eine Leiter hinunter in einen unterirdischen Raum, dann blickten sie zu Stratten hoch.
»Ihr wisst, worauf es ankommt«, sagte er. »Bleibt hier drinnen. Macht kein Geräusch. Macht kein Licht an. Wenn alles gut geht, komme ich euch wieder rausholen. Wenn nicht, dann wartet, bis es dunkel ist, und versucht im Schutz der Dunkelheit zu fliehen.«
»Oh Dick!«, weinte Jacqui, die nun doch noch die Fassung verlor.
»Schon gut, meine Liebe«, sagte Stratten, der selbst versuchte, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. »Mach dir keine Gedanken. Alles wird gut.« Einen Moment lang schwieg er und drängte seine Gefühle zurück. Dann sagte er: »Ich liebe euch so sehr«, und schloss die Luke.
»Daddy!«, rief Zalika in die Dunkelheit, doch ihr Vater war schon weg.
Unten im Versteck hörten die Frauen die fremden Fahrzeuge ankommen. Sie hörten die Schüsse, die Schreie der Ängstlichen und Verletzten, die verzweifelten Rufe der Verteidiger. Dann, so schnell wie ein durchziehender Sturm, flaute das Gewehrfeuer ab, und statt der Schreie hörten sie vereinzeltes qualvolles Stöhnen, das nach einzelnen Schüssen verstummte. Schließlich flog oben die Werkstatttür auf, und schnelle, zielstrebige Schritte näherten sich der Bodenluke.
Eine Sekunde lang flammte in den beiden Frauen Hoffnung auf, die jede mit einem Gewehr in der Hand im Dunkeln standen. Wer dort oben kam, kannte sich aus, wusste genau, wohin er wollte. Das konnte nur bedeuten, dass es Dick Stratten war oder einer der wenigen Angestellten, die so viel Vertrauen genossen, dass sie das Versteck kannten.
Dann wurde die Bodenklappe aufgerissen und eine Stimme – eine kultivierte Stimme – befahl ihnen: »Lasst die Waffen fallen. Sie nützen euch nichts mehr. Meine Männer haben Handgranaten. Wenn ihr den Schutzraum nicht innerhalb von zehn Sekunden verlasst, unbewaffnet, mit beiden Händen an der Leiter, dann reißen sie euch in Stücke. Zehn … neun …«
»Du heuchlerisches kleines Arschloch«, fauchte Jacqui Stratten. Dann griff sie an die Leiter und rief: »Wir kommen!« Sie stieg hinauf in den Lichtkegel und verschwand durch die Öffnung.
Zalika Stratten folgte ihrer Mutter. Noch ehe sie an die oberste Sprosse fasste, wurde sie von starken Händen gepackt, herausgezogen und auf den Boden geworfen. Sie landete vor den Füßen eines Mannes, die in teuren, kaum getragenen Safaristiefeln steckten.
Sie hörte ihn barsch befehlen: »Bringt die Mutter weg.«
Zalika hob den Kopf und schaute in die Augen von Moses Mabeki, der sagte: »Dein Bruder ist tot. Dein Vater ist tot. Deine Mutter wird auch bald tot sein. Aber du kommst mit mir.«