MITTAG. ESSENSZEIT.
Der Beruf des Coach umfasst zahlreiche Verpflichtungen: Er muss die Sicherheit der Gruppe gewährleisten, muss bei einem Notfall Erste Hilfe leisten, muss Fragen über Flora und Fauna der durchwanderten Landschaft beantworten können, er muss Plätze in den Herbergen buchen, bestätigen und rückbestätigen (denn selbst wenn man gebucht hat, ist kein Verlass darauf, dass man in den Herbergen auch tatsächlich einen Platz bekommt), er muss ein Tempo vorgeben, das den Leuten entspricht, die mehr oder weniger geübte Wanderer sind, er muss dafür sorgen, dass es in der Gruppe keine größeren Konflikte gibt, er muss sich zu helfen wissen und in den Dörfern, durch die sie kommen, fürs Mittagessen einkaufen, dann muss er die Einkäufe zusätzlich zu seinem eigenen Gepäck im Rucksack tragen, abends, wenn alle anderen schlafen, muss er das Picknick vorbereiten, und dann muss er auch noch Kontakt zu seiner fernen Familie halten und schöne Plätze für die Rast und die Mittagsruhe finden...
Nachdem Guy also einen schönen Platz am Ufer eines Weihers gefunden hat, umgeben von einem weiten Kranz purpurner Berge, packt er das Essen aus, das er am Abend zuvor mit seinen eigenen schwarzen Händen vorbereitet hat: Plastikschüsseln, Brot und eine Flasche Wein.
Claude gefällt die Flasche, die Guy vor ihn hingestellt hat.
Pierre wühlt in seinem Arzneibeutel und hantiert hektisch mit seinen vielen Anti-Stress-Bonbons herum.
Alle holen das Essgeschirr und das Besteck aus dem Rucksack — außer Claude, der ja nichts bei sich hat, aus dem er etwas herausholen könnte.
Guy reicht den Reissalat herum, jeder bedient sich und isst mit Appetit. Aufs Essen könnte Claude leicht verzichten, aber die Flasche mit dem verlockend johannisbeerroten Inhalt hält ihn in Bann. Er beschließt, auf seinen Fall aufmerksam zu machen.
»Ich, äh, ich habe kein Essgeschirr.«
Schlagfertig versetzt Clara: »Na, dann isst du eben nichts.«
Guy leiht Claude seinen Becher, Mathilde gibt ihm einen Löffel. Claude bedankt sich herzlich und füllt den Becher. Mit kleinen Schlucken trinkt er das köstliche blutrote Tröpfchen, ein Genuss, der durch den langen Verzicht noch größer ist.
Pierre wendet sich an Guy: »Sagen Sie mal, mein Freund, wie lange marschieren wir nach dem Essen denn noch?«
»Ungefähr vier Stunden.«
»Vier Stunden? Wir gehen noch vier Stunden? Dann wandern wir heute insgesamt sieben Stunden?«
»Ja, das ist der Tagesdurchschnitt.«
»Der Tagesdurchschnitt! Der Tagesdurchschnitt!! Kommt drauf an, für wen, mein Alter... Und wie ist das Hotel?«
Wenn Pierre mit Guy spricht, schlägt er zwar immer einen Ton an wie ein Generaldirektor gegenüber seinem Unterhilfsbuchhalter, aber der Coach bleibt ruhig und höflich.
»Wie ich Ihnen bereits sagte — es ist kein Hotel, wir übernachten in einer Herberge.«
»Und was genau ist der Unterschied zwischen einem Hotel und einer Herberge?«
»Der Preis.«
Clara fügt hinzu: »Keine Sorge, du wirst den Unterschied bestimmt spüren.«
Für die Mittagspause hat Guy einen Buchenhain gefunden. Die kurzen, knotigen Stämme zeichnen sich vor dem grellen Licht der Sonne ab, die im Zenit steht; die unteren Zweige spenden dichten Schatten. Die Wanderer haben sich auf den Boden gelegt, mit Wurzeln als Kissen, Moos und Blättern als Streu.
Said hat es geschafft, sich neben Camille zu legen, er betrachtet ihre Taille und ihr glänzendes, zerzaustes Haar.
Ramzi lutscht im Schlaf am Daumen. Claude schläft mit weit ausgebreiteten Armen, er träumt von einem Fass, aus dem er sich den Bauch mit Wein füllen kann. Elsa, in Embryonalstellung und mit angestrengter Miene, scheint hart an ihrer Mittagsruhe zu arbeiten. Guy lehnt sich gegen einen Baumstamm und sieht Mathilde an, deren schönes Gesicht wie immer vom Kopftuch umrahmt und viel, viel zu blass ist.
Alle haben gesehen, dass sie unter dem Tuch keine Haare hat, aber keiner sagt etwas.
Nur Pierre steht aufrecht und hält sein Handy hoch wie eine Rettungsboje. Mitten im Wald vollführt er einen komischen Tanz, den Netzsuchertanz. Doch hier gibt es kein Netz, da kann der Wald noch so verwunschen sein. Pierre schimpft gotteslästerlich.
Später an diesem Tag, der anscheinend kein Ende nehmen will (die ersten Tage sind die schlimmsten), tut den Pilgern alles weh. Claude marschiert allein, hustend und rot im Gesicht. Elsa hat die Daumen unter die Träger ihres Rucksacks geschoben und will dadurch die Schultern entlasten. Camille neben ihr humpelt. »Ich glaube, ich habe eine Wasserblase.«
Clara und Mathilde schleppen sich gemeinsam weiter.
Clara: »Meine Puste. Ich habe einfach nicht mehr genug Puste.«
Mathilde: »Sie werden sehen, am zweiten Tag geht es schon besser.«
»Das würde mich wundern.«
Pierre, die Nachhut, kämpft. Mit jedem Augenblick wird die Entfernung größer, die ihn von den anderen trennt.
Allgemeine Übellaunigkeit.
Behände läuft Guy über einen Felshaufen.
»Kommen Sie, noch ein Stündchen, und wir sind in der Fier berge.«
Als Antwort hasserfüllte Blicke.
Pierre ist nicht mehr zu sehen, er ist zu weit hinten. Allein. Er weint vor Wut, sein superschicker, superschwerer Rucksack plagt ihn.
Im Abendlicht erreichen die Pilger schließlich völlig erschlagen die Herberge am Etappenziel. Guy begrüßt Raymonde; die Herbergsmutter ist eine alte Bekannte.
»Hallo, Guy! Wie geht’s?«
»Sehr gut, danke. Heute Abend sind wir vier Mädchen und fünf Jungs. Geht das?«
Raymonde ist ein wenig verlegen.
»Tja, fünf Jungs — das wird nicht gehen, ich habe im Männerschlafsaal nur noch vier freie Betten. Einer muss bei den Frauen oben im ersten Stock schlafen.«
»Aber ich habe doch reserviert...«
»Ja, schon, aber es sind ein paar Deutsche gekommen, die haben die letzten Betten bekommen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, oder?«
»Der Fünfte muss auch bald eintreffen, sagen Sie ihm Bescheid?«
Die Gruppe verteilt sich auf die Schlafsäle: Jungs unten, Mädchen oben.
Eine gute halbe Stunde später kommt Pierre an. Raymonde erklärt ihm die Situation und zeigt den Weg zum Frauenschlafsaal.
Pierre ist ganz und gar nicht einverstanden, aber zu erschöpft, um sich aufzuregen. Er steigt in den ersten Stock hinauf und steht vor einem großen Raum, wo zehn Frauen, darunter seine Schwester Clara, gerade dabei sind, ihre Sachen zu verstauen, die Kleider auszuziehen und ihre Wäsche sowie sich selbst zu waschen. Tödlich verlegen und wie angewurzelt steht Pierre an der Tür und wünscht mit vor Müdigkeit und Schüchternheit heiserer Stimme: »Bonsoir, meine Damen.«
Die neun Damen grüßen freundlich zurück, Clara wirft ihm einen tödlichen Blick zu.
Pierre geht durch den ganzen Raum zum letzten freien Bett und lässt sich fallen, wobei er nicht einmal den Rücksack absetzt. Wie eine Schildkröte auf dem Rücken.
Elsa und Camille haben ihr Waschzeug auf dem Bett ausgebreitet: Shampoos, Gesichts-, Körper-, Fuß-, Enthaarungscremes, Parfüms...
Mathilde hat sich hingelegt; sie, die früher immer wie eine Gämse im Gebirge herumgesprungen ist, denkt besorgt über ihre Müdigkeit nach.
Sie fragt sich, ob sie geheilt ist. Die Ärzte haben von einer vollständigen Besserung gesprochen. Doch wie kann eine Besserung vollständig sein? Eine Heilung ja, aber eine Besserung ist nur eine Beruhigung, ein Nachlassen des Leidens; das bedeutet dann, es ist nur vorübergehend... Es heißt ja, der Krebs kommt immer wieder. Aber wann? Sie verdrängt die düsteren Gedanken, mit denen sie allein ist unter all den anderen. Sie lässt das Desaster ihres Lebens noch einmal Revue passieren — ihre schmerzliche Scheidung, ihre heranwachsenden, gedankenlosen Kinder, die sie nur selten im Krankenhaus besucht haben, die unüberwindliche Einsamkeit, die Schwerkranke irgendwann umgibt wie Schwerverbrecher im Gefängnis, wenn sie von niemandem mehr Besuch bekommen außer von ihrer Mutter. Und Mathilde hat ihre Mutter schon vor langer Zeit verloren.
Doch dann denkt sie: Ich bin nicht im Gefängnis. Ich sehe wieder die Bäume in dem Wald, den ich heute Morgen durchquert habe. Und sie sagt sich: Heute war ein schöner Tag. Auch morgen werde ich leben. Und wandern.
Sie steht auf und wäscht ihre Wäsche.
Im Männerschlafsaal leeren Said und Ramzi den dürftigen Inhalt ihrer Rucksäcke auf dem Bett aus, darunter ein Stück Seife.
Ramzi nimmt es. »Ich geh duschen.«
»Aber lass die Seife nicht zu lange im Wasser liegen!«, ruft Said ihm nach.
Wie alle Pilger hatte auch Said die Liste mit den notwendigen Ausrüstungsgegenständen bekommen. Dabei war es ihm eiskalt über den Rücken gelaufen. Die Ersparnisse von Ramzis Mutter reichten schon kaum aus, um ihren Sohn nach Mekka zu schicken - das heißt, um die Rechnung von Chemin Faisant für die Pilgerreise zu begleichen — , und dann noch diese Liste... Said stopfte dann eben einfach ein paar Dinge, die zu Hause verfügbar waren, in die Rucksäcke, und damit basta. Von der Seife musste er ein Stück abschneiden, ein kleines Stück; seine Mutter war dagegen, dass er die ganze Seife mitnahm.
Draußen steht Claude, die Hände in den Taschen, und erfreut sich an der Landschaft. Es geht ein Wind, der Himmel ist dunkel außer an der Stelle, wo die Sonne gerade untergeht und orangerote Strahlen auf Berge und Wiesen wirft.
Mathilde, Camille und Elsa kommen nach draußen und wollen ihre Wäsche aufhängen, aber die Leine ist schon ganz voll, also legen sie ihre Sachen zum Trocknen auf die warmen Steine.
Camille und Elsa gehen gleich wieder hinein, sie sterben vor Hunger und reden nur übers Essen, über Nudeln, Soßen, Käse.
Mathilde stellt sich zu Claude, er lächelt sie an und fragt: »Alles klar?«
»Ja.«
»Schön hier, was?«
»Ja. Haben Sie keine Wäsche zu waschen?«
»Nein. Nein, nichts... Ach, Sie tragen ja nun ein grünes Kopftuch. Auch das steht Ihnen gut.«
Das Abendessen wird an zwei langen Tischen im Saal serviert. Ein offenes Feuer in einem Kamin, so hoch, dass man aufrecht darin stehen könnte, erleuchtet den Raum. Die Pilger lassen sich eine Gemüsesuppe schmecken. Raymonde wirft ein baumdickes Scheit ins Feuer. Clara, die sich in dieser spartanischen Umgebung ziemlich wohlfühlt, beobachtet spöttisch ihren Bruder Pierre, der sich wieder mit seinen Pillen herumschlägt.
»Und? Hat dich der Herbergsgedanke inspiriert?«
Pierre lässt sich zu keiner Antwort herab, er schluckt eine Tablette.
Raymonde bringt eine Platte Braten mit Soße und einen Krug Wein. Claude erkundigt sich, ob man in dieser Herberge tatsächlich so viel Wein trinken darf, wie man will. Ja, so viel man will, sagt Raymonde.
Freundlich sagt Clara zu ihrem Bruder: »Und Brot darfst du auch essen, so viel du willst. Popp dich also lieber mit Brot voll, als dich volllaufen zu lassen.«
»Du hast recht, ich sollte mich am besten mit Brot und mit Wein vollpoppen, denn im Schlafsaal dürfte es wohl nichts geben, um richtig zu poppen.«
»Haben Sie bemerkt, wie wortgewandt mein Bruder ist? Ein richtiger Poet!«
Guy will ablenken. »Hat jeder sein Plätzchen gefunden?«
Pierre schimpft. »Ja, nur ich bin im Frauenschlaf-saal gelandet! Sie hätten doch wohl Betten für alle reservieren können, mein Alter!«
»Entschuldigen Sie, aber in Herbergen kann man nicht reservieren, die Ersten können sich die Betten aussuchen.«
»Ja, ganz genau. Anarchische Zustände. Jeder macht, was er will.«
Clara erläutert: »Wenn mein Bruder nicht als Erster bedient wird, sind das für ihn schon anarchische Zustände.«
Pierre: »Schnauze!«
Clara: »Selber Schnauze!«
Wie bei einem Duo in einer gut eingespielten Kabarettnummer schießen »Schnauze« und »Selber Schnauze« immer wie geölt heraus. Bruder und Schwester finden in ihre alten Rollen, in ihre traditionellen Verhaltensmuster, sie finden wieder zu ihren Verunglimpfungen zurück.
Guy wendet sich an die jungen Leute: »Und? Wie geht’s den Füßen?«
Camilles Füße sind völlig zerschunden, Elsas Rücken ist gemartert. Guy fragt sie, wie viel ihr Rucksack wiegt. Elsa weiß es nicht, sie hat ihn nicht gewogen. Guy erklärt ihr, dass das Gewicht des Rucksacks ein Fünftel des Körpergewichts seines Trägers eigentlich nicht überschreiten darf, ideal sind acht Kilo. Das Gewicht ist Feind Nummer eins des Pilgers. Besorgt fragt Ramzi den Coach, ob sein Rucksack denn nicht zu schwer sei.
»O nein, Ihrer nicht.«
Im Frauenschlafsaal bereitet man sich auf die Nacht vor. Pierre kramt seine Sachen auf dem Bett aus, sein Essgeschirr und ein ganzes Sortiment an schicker, praktischer Campingausrüstung, die er systematisch ordnet. Eine Pilgerin ruft ihm zu: »Es würde Ihnen doch nichts ausmachen, kurz hinauszugehen, bis wir uns umgezogen haben, oder?«
»Nein, nein, kein Problem.«
Pierre geht und nimmt seinen Schlafanzug mit. Im Flur zieht er sich um.
Guy, endlich allein, bereitet in der Küche das Essen für den nächsten Tag vor und telefoniert währenddessen mit seiner Frau.
»Ja, alles klar... Jaja, jetzt kann ich reden, die anderen schlafen schon alle... Ich mache das Mittagessen für morgen... Es geht so — am ersten Tag fühlen sie sich immer total erledigt... In der Gruppe sind drei Geschwister, die sich nur zoffen, aber ansonsten ist es okay... Und du?... Was? Wie viel Grad? Hast du den Arzt gerufen?... Natürlich gibt es einen Nachtdienst... Warte, wir finden schon eine Lösung... Ich bin hier mitten auf dem Land, vierhundert Kilometer von dir entfernt, was also soll ich deiner Meinung nach tun?... Nein, ich lasse es nicht gut sein... Hör zu, Claudine, ruf Fred an, ich weiß, dass er im Moment keine Gruppe führt, bitte ihn, die Kleine in die Klinik zu bringen, wenn du dir solche Sorgen machst... Na, dann frag doch Freds Mutter, ob sie nicht auf Coralie und Pierrot aufpassen kann, solange du weg bist... Aber Claudine, ich kann von hier aus nichts unternehmen... Ja ja, du hast die drei Kids am Bein, aber ich muss schließlich arbeiten, damit ihr etwas zu essen habt... Nein, ich mache es dir doch nicht zum Vorwurf, dass du nicht arbeitest... Hör zu, ruf Fred an, er ist ein Superkumpel... Nein, ich will dich überhaupt nicht loswerden... Claudine?«
Claudine hat aufgelegt. Am Ende des Gesprächs ist Mathilde in die Küche gekommen, um ein Glas Wasser zu trinken.
»Entschuldigen Sie bitte.«
»Kein Problem. Meine Tochter ist krank.«
»Oh! Was hat sie denn?«
»Das weiß man nicht, sie hat neununddreißig fünf Fieber...«
»Ja, das ist schlimm, wenn die Kinder krank sind und man nicht zu Hause ist.«
Guy stimmt ihr schweigend zu. Ihre Blicke kreuzen sich, beide wenden die Augen ab.
Mathilde kehrt in den Schlafsaal zurück.
Guy denkt nach. Er sitzt in der Falle. Sein Leben entgleitet ihm. Was hat er sich da auch für einen beschissenen Job ausgesucht! Coach — acht Monate im Jahr unterwegs und den lieben Papi für die Touristen spielen, und seine Kinder wachsen ohne ihn auf. Aus der Traum seiner Jugend — der Traum von Freiheit und Abenteuer. Die Jugend ist vorüber, das Erwachsenenalter mit seinen Unannehmlichkeiten hat angeklopft: unbezahlte Rechnungen, vollgekackte Babywindeln, Reparaturen im Haus, eine Frau, die unleidlich geworden ist nach den Schwangerschaften und den schlaflosen Nächten und die die langen Monate der Einsamkeit nicht mehr erträgt, anspruchsvolle und schlimmere Mitreisende, Leute, die sich anmelden und nicht kommen, der Arbeitgeber in Schwierigkeiten, die Kumpel wollen einem die bildhübsche Frau ausspannen, man selbst will seinem Kumpel die Frau ausspannen, weil sie vielleicht ein bisschen weniger herummeckert als die eigene, zumindest in den ersten Wochen, vielleicht auch nur in den ersten Stunden... das Leben, das wirkliche Leben ist nicht lustig, es ist eine Sackgasse, in der man mit beiden Füßen in der Scheiße steckt.
Er denkt immer wieder an Fred, den guten Freund, immer hilfsbereit und jünger als Guy, ein richtiger Schrank von einem Mann ist dieser Fred, und dann sieht er auch noch verdammt gut aus. Fred wird ihm aus der Klemme helfen, er wird das Kind ins Krankenhaus bringen, alles wird gut.
Die Nacht ist hereingebrochen, noch ist es nicht ganz dunkel.
Guy sitzt allein in dieser Küche, allein in seinem Leben. Die Stille drückt plötzlich auf ihn. Durch das Fenster sieht er den Vollmond über dem noch sichtbaren Berggrat, ein paar Kühe liegen mit geschlossenen Augen ruhig auf der Wiese und käuen wieder.
Er sieht, wie schön die Welt ist.
Pierre sitzt im Schlafanzug auf einem wackligen Schemel im Flur und wartet. Eine Pilgerin ruft: »Wir sind so weit, Sie können wieder reinkommen.«
Er kehrt in den Schlafsaal zurück und ordnet weiter seine Utensilien auf dem Bett. Die Pilgerin fragt, ob sie das Licht ausschalten könne. Alle sagen Ja, außer Pierre.
»Nur noch ganz kurz, bis ich meine Sachen aufgeräumt habe...«
Doch die Frau hat das Licht schon gelöscht und wünscht allen eine gute Nacht.
Pierre sitzt im Dunkeln, er schiebt seinen Luxuspilgerkrempel zur Seite, so gut es geht, ein Teil des Essgeschirrs fällt scheppernd zu Boden. Die Frauen murren. Pierre schlüpft in seinen Schlafsack, weitere Sachen fallen vom Bett. Eine Frau spricht aus der Dunkelheit zu ihm wie zu einem kleinen Jungen, mit süßlicher, furchteinflößender Strenge: »Ruhe bitte, wir wollen jetzt schlafen!«
Pierre erstarrt und regt sich nicht mehr.