Kapitel 19.
Der Hypocaust hat schon lange versagt«, erklärte Tiberius. Sein Dialekt war grauenvoll; man musste sich direkt schämen, die gleiche Sprache zu sprechen wie er. Diese Apulier verwandelten sie in eine ungenießbare Mischung derber Urlaute, das phonetische Äquivalent zu ihren ekelhaften Wasserteigbroten, auf die sie alles streuten, was sich seit der letzten Überschwemmung auf dem Fußboden ihrer Hütten angesammelt hatte, um das Ganze dann in den Ofen zu schieben, bis es blubberte und zischte und große Blasen warf, um es dann zu verzehren. Rinaldo machte ein aufmerksames Gesicht. Er würde den Teufel tun und sich anmerken lassen, wie enttäuscht er nach der ersten überraschenden Feststellung gewesen war, dass Tiberius wie er von jenseits der Alpen kam, als er gemerkt hatte, woher Tiberius stammte.
»Ablagerungen in den Leitungen«, sagte Rinaldo. »Vielleicht sind irgendwo ein paar Tonröhren zerbrochen, und ihre Trümmer verstopfen den Durchlauf. Es müsste einen Zulauf vom Rhein her geben, der dieses Becken immer wieder füllt, und der wahrscheinlich ebenfalls halb verschüttet ist.«
Tiberius zuckte mit den Schultern. »Ja, frisches Wasser kommt nach, aber nur in kleinen Mengen. Was soll’s!« Er trat einen kleinen, lockeren Steinbrocken aus der Umfassung des gewaltigen Wasserbeckens, welches das Reservoir der früheren Therme darstellte. Der Stein hüpfte in weitem Bogen ins Wasser. Katerina, die mit unbeholfenen Bewegungen darin herumpaddelte und mehr das Wasser aufspritzte, als dass sie sich darin fortbewegt hätte, warf ihnen einen empörten Blick zu. Sie zog eine unregelmäßige Kurve wie eine Galeere mit schweren Ausfällen unter den Rudersklaven und rettete sich an den Randbereich des Beckens, wo das Wasser ihr nur bis zur Hüfte ging. Rinaldo fragte sich, wie tief das Becken wohl in der Mitte sein mochte. Es war ein ungeheurer Wasservorrat hier – die Zeit musste die Zuführungen, die die Römer zur nächsten natürlichen Zisterne geschaffen hatten, ausgefressen und vergrößert haben, sodass sich beinahe so etwas wie ein unterirdischer See gebildet hatte, gigantisch, einzigartig … und dieser apulische Trottel hatte sich angestellt wie ein Maultier, als Rinaldo ihn bat, ihm die unterirdischen Anlagen zu zeigen.
Katerina streckte ihre Brüste heraus und ließ das Wasser von sich abtropfen, dessen Kälte ihre Brustwarzen hart und steif hatte werden lassen. In Rinaldos Handflächen juckte es unwillkürlich. Mit dem Betrag, mit dem er sie an diesem Tag hatte beglücken dürfen, war es ihm erlaubt gewesen, sie anzufassen. Er fragte sich, wie diese harten Dinger sich wohl in der Hand angefühlt hätten … es war ihm nämlich trotz aller Bemühungen nicht gelungen, sie zu irgendeiner Reaktion zu bewegen, und er hatte jede Alternative zwischen Zärtlichkeit und Grobheit angewendet, die ihm bekannt gewesen war. Tatsächlich fragte er sich, wieso er wieder zu Katerina gegangen war; auch die anderen Mädchen bei Tiberius hatten hübsche Gesichter, und dass ihr Stöhnen noch künstlicher gewirkt hätte als das Katerinas, war kaum vorstellbar. Immerhin, diesmal hatte er mehr bekommen als ihre Hand … es musste wohl so sein, dass dieses lustlose, herablassende Biest, dessen Gesicht von der Sünde und dessen Körper von der Wollust geschaffen worden sein musste, irgendetwas in ihm herausforderte, eine Art innere Überzeugung, dass er in der Lage war, mehr in ihr zu wecken als nur abgrundtief gelangweilte Abneigung.
»Wenn du schwimmen willst, das ist im Preis mit drin«, brummte Tiberius. »Wenn du sie noch mal vögeln willst …«
»Hör mal, Tiberius, du hast hier einen Schatz, weißt du das?«
»… musst du noch mal zahlen«, sagte Tiberius, kniff die Augen zusammen und musterte Katerina, die unbeholfen versuchte, aus dem Wasser zu gelangen. Dann warf er Rinaldo einen Blick zu, der deutlich besagte, dass er an seinem Geschmack zweifelte.
Rinaldo grinste und zuckte mit den Schultern. »Nicht die Kleine ist der Schatz«, sagte Rinaldo. »Das hier.« Er machte eine weit ausholende Armbewegung über den See.
»Das ist doch bloß ’ne Menge Wasser, die mich zwingt, die Vorräte im Erdgeschoss zu lagern«, murrte Tiberius. »Wenn ich eine Idee hätte, wie ich den Mist ablaufen lassen könnte, würde ich’s tun.«
»Nein«, rief Rinaldo. »Damit kannst du ein Vermögen machen. Du musst nur zusehen, dass du den Hypocaust wieder zum Leben erweckst.«
»Vergiss es«, sagte Tiberius. »Willst du nun schwimmen oder willst du nicht?«
»Tiberius, ich habe dich nicht gebeten, mir das hier zu zeigen, um danach ins Wasser zu hüpfen.«
»Nein?«
»Nein, ich möchte dir etwas zeigen!«
Katerina stemmte sich auf den Rand des künstlichen Beckens und blieb darauf sitzen, direkt zwischen Rinaldo und Tiberius. Sie schenkte Rinaldo einen Blick und ein kühles Lächeln.
»Kaltes Wasser macht mich heiß«, sagte sie. »Du gehst noch mal mit mir?«
»Bedaure, mein Täubchen, aber ich habe Wichtiges mit deinem Meister zu bereden.«
Tiberius winkte großzügig. »Geh nur mit ihr, wenn’s dich juckt.«
»Ich glaube, man könnte den Hypocaust reparieren«, sagte Rinaldo, bemüht, nicht zu viel von seinen Ideen zu verraten, bevor er sich Tiberius nicht verpflichtet hatte.
»Schwachsinn«, sagte Tiberius. »Die Anlage ist hin, außerdem braucht sie sowieso keiner.«
»Da hast du natürlich Recht.« Auch auf diese Weise ließ sich vorankommen. Tiberius hatte wirklich keine Ahnung, was sich hieraus machen ließ. Nun, eine Einschränkung galt: Tiberius’ Pessimismus hinsichtlich des Zerstörungsgrades der Heizungsanlage durfte nicht fundiert sein. Rinaldo traute sich zu, einem Steinmetz die richtigen Anweisungen zu geben, wenn die Anlage nur geringe Beschädigungen aufwies … eine Ruine wiederherzustellen, dazu fehlte ihm die nötige Kenntnis. Er glaubte nicht, dass Tiberius’ Beurteilung stimmte; wahrscheinlich hatte der Esel sich noch nie die Mühe gemacht, den Hypocaust näher zu betrachten.
»Wenn er aber noch funktioniert, könnte ich dir helfen, eine Menge Geld damit zu verdienen.«
Tiberius schnippte mit den Fingern. Katerina stand auf, und Tiberius ließ sich dort nieder, wo sie gesessen hatte. Katerina trat mit mürrischem Gesicht beiseite und begann, sich in ihr Kleidchen zu winden.
»Ich habe Sehnsucht nach dir, Renardo«, säuselte sie.
Rinaldo verdrehte die Augen.
»Worüber reden wir jetzt eigentlich?«, fragte Tiberius. »Über den Vorteil, den es mir bringen soll, dich als Sänger zu engagieren, oder über das Geld, das du aus dem Wasser hier zaubern willst?«
»Über beides!«, rief Rinaldo. »Heute ist dein Glückstag, Tiberius.«
Tiberius grinste freudlos. »Jeder Tag ist mein Glückstag. Dazu brauche ich keinen Klugscheißer aus Mailand.«
Rinaldos Lächeln ließ keinen Moment nach. »Lass uns den Hypocaust anschauen«, sagte er. »Ich würde gern wissen, ob man ihn nicht wieder herstellen kann.«
»Lass uns den Hypocaust nicht anschauen«, erwiderte Tiberius. »Erzähl mir lieber, wie du dir das mit der Singerei vorgestellt hast.«
»Du würdest nicht bereuen, mich zu dir zu nehmen.«
»Ich will offen sagen, dass mir ein Sänger fehlt.«
»Siehst du!«
»Ich will auch offen sagen, dass ich nur auf den Heumarkt zu gehen und eine Hand voll Münzen auf den Boden zu werfen brauche. Die Burschen, die sich dann darum prügeln, sind entweder abgebrannte Pilgerfahrer oder abgebrannte Sänger. Die lassen sich leicht auseinander sortieren.«
»Irgendeinen Sänger du bekommst an jeder Ecke.«
»Wer sagt mir, dass du nicht direkt von so einer Ecke zu mir gekommen bist?«
Rinaldo beugte sich näher zu Tiberius’ Ohr. »Die Tatsache, dass ich eigentlich hergekommen bin, um mir mit der Schönsten von deinen Mägdelein den Reisestaub von der Haut zu strampeln.«
»Stimmt ja«, sagte Tiberius. »Auf den Gedanken, mir deine Dienste anzubieten, bist du erst gekommen, als dir in der Badestube die Musik fehlte.«
»Genau«, sagte Rinaldo.
»Eigentlich warst du gestern auch nur da, um dir den Stachel polieren zu lassen, und bist dann so nebenher auf den Gedanken gekommen, mich sprechen zu wollen, oder?«
Rinaldo warf einen Blick zu Katerina, die an ihrem Kleidchen zupfte und sich um sich selbst drehte, um zu prüfen, ob es nicht irgendwo eine unliebsame Falte warf. Tiberius lächelte ihn ohne Wärme an. Rinaldo erkannte besorgt, dass er den Mann wegen seines groben Dialektes unterschätzt hatte.
»Nun …«, begann er.
»Und dann hast du tatsächlich vergessen, dass du schon mal hier warst, kamst zufällig noch mal vorbei, und der Gedanke, dass du die Lösung meiner Sorgen bist, krabbelte erneut in deinem Hirn hoch, oder wie?«
Rinaldo setzte sich schwer auf die Umrandung neben den Bordellwirt. Er drehte die Handflächen nach oben und versuchte ein Grinsen. »Hör mal, Tiberius …«
»Nein, jetzt hörst du zu. Ich habe deine neunmalkluge mailändische Scheiße bis hier. Wenn die Kerle zu mir kommen, dann fragen sie mich direkt: Tiberius, hast du eine Dalmatinerin? Tiberius, ist die Süße vom letzten Osterfest noch da? Tiberius, hast du eine, die sich wie ein Knabe nehmen lässt? Und ich sage: habe ich! Oder: habe ich nicht. Da kommt keiner und sagt, he, Tiberius, heute ist dein Glückstag, rein zufällig bin ich auf den Gedanken gekommen, dass der Himmel blau und das Wasser nass ist! Und ich sage nicht: Oh, messere Milano, wie mich das freut, ich ahne, dass es mir Wohlstand und Freude bringen wird, dich unter meinem Dach zu haben, und darf ich dir anbieten, wonach ich dich lechzen gesehen zu haben glaube?«
Rinaldo seufzte. »Also gut, Tiberius …«
»Nichts da. Was willst du von mir, Milano? Möchtest du für mich arbeiten oder nicht? Bist du ein so guter Sänger, dass ich dich nicht gleich achtkantig hinauswerfe, sobald du den Mund auftust?«
»Ja«, sagte Rinaldo und reckte sich. »Und ja.«
»Hast du schon mal in einem Haus wie diesem gearbeitet?«
»Ja.«
»Dann weißt du, dass die Gäste hier keine gedrechselten Sirventen hören wollen und die Weiber keine fin amor?«
»Sicher, sicher. Tiberius, es ist nicht nur der Gesang, ich kann dir auch …«
»Worum es hier geht, ist Geld«, sagte Tiberius. »Wenn die Kerle aus der Kammer kommen, fällt ihnen als Erstes ein, dass sie beim nächsten Kirchgang dem Pfaffen beichten müssen, was sie gerade getan haben. Und dann schauen sie sich um und sehen die anderen Kerle, die gerade das Gleiche denken und die Köpfe genauso tief hängen lassen. Wenn sie aus diesem Zustand nicht mehr rauskommen, gehen sie. Ich brauche jemanden, der sie diesen Zustand überwinden lässt.«
»Jemand, der ihnen ein Lied singt oder eine Geschichte erzählt.«
»Dann kaufen sie einen Krug Wein, der Stachel regt sich erneut, die Weiber gefallen ihnen wieder, und sie bleiben auf eine neue Runde. Das ist es, was ich brauche«, sagte Tiberius. »Einen Haufen, der die Fliegen anzieht. Wenn du dich lieber als Honigtopf siehst, der die Bienen anlockt, ist es mir auch recht. Wichtig ist, dass denen, die um dich kreisen, das Geld aus den Taschen fällt. Verstehst du, Milano?«
»Wenn wir uns den Hypocaust anschauen, könnte ich dir noch eine weitere Möglichkeit …«
»Ich würde dich auf Probe nehmen«, sagte Tiberius. »Willst du die Bedingungen hören oder nicht?«
Katerina warf Rinaldo noch einen letzten, langen Blick zu, ließ die Zungenspitze über die Lippen kreisen (ein Versprechen, das sich höchstens erfüllen würde, wenn man ihre Titten mit Gold aufwog) und stolzierte davon, auf dem festen Boden deutlich graziöser als im Wasser. Langsam sickerte in Rinaldos Hirn, was Tiberius gesagt hatte.
»Auf Probe?«, echote er. »Ich bin doch kein Rossknecht!«
»Ich will erst mal sehen, ob ich dir trauen kann.«
Rinaldo starrte ihn an. Er bemühte sich, Tiberius nicht merken zu lassen, dass er ihn getroffen hatte. »Ich beweise dir, dass ich dein Glücksbringer bin«, sagte er mit verzerrtem Lächeln. »Führ mich nur zum Hypocaust, und ich zeig dir …«
»Verdammte Pest!«, brüllte Tiberius plötzlich. »Scheiß auf den Hypocaust! Was ist jetzt, du Wichser? Nimmst du mein Angebot an oder nicht? Was glaubst du, wie viel Zeit ich für dich übrig habe?«
Rinaldo blinzelte. Irgendetwas in ihm sagte laut und deutlich: Steh auf und geh, das hast du nicht nötig. Etwas anderes sagte ebenso laut: Ganz ruhig, alter Junge, mach dich erst mal unentbehrlich, dann sehen wir weiter. »Wie stellst du dir das vor?«, hörte er sich fragen.
Tiberius öffnete die Hände und hielt ihm zehn Finger vor die Nase. »Zehn Pfennige«, sagte er. »Dafür kannst du einen ganzen Monat hier schlafen und spielen. Essen kostet extra, vögeln auch. Am Ende des Monats rechne ich zusammen, was ich eingenommen habe. Übersteigt es die Einnahme des letzten Monats um mehr als zehn Pfennig, gehört dir der Überschuss, und du kannst bleiben. Ist es weniger, kannst du wieder gehen.«
»Aber das ist ungerecht …«
»So ist das Leben, Milano«, sagte Tiberius, »ob ungerecht oder nicht. Fünf Pfennig im Monat verlangt der Blutvogt dafür, dass ich hier einen Sänger auftreten lassen darf. Fünf Pfennig will ich für das Risiko, dass einem der Schöffen, die sich bei mir verlustieren, dein Gegröle nicht gefällt oder er die Musik für Gotteslästerung hält und ich den Drecksack bestechen muss, damit er mich nicht vor die Schöffenstube bringt. Unter fünf macht’s der Blutvogt nicht, und warum soll ich es für weniger tun als dieser Halsabschneider? Deshalb die zehn Pfennig, und deshalb sollst du sie für den ersten Monat auslegen. Du willst die Arbeit, also trägst du auch das Risiko. Immer noch ungerecht, Milano?«
»Woher soll ich so viel Geld nehmen?«
»Was interessiert mich das? Leih es dir von den Juden. Überfall einen Pfaffen. Stiehl es einem Bettler aus der Tasche.«
»Tiberius, wenn du dir meinen Vorschlag wegen der Heizung anhören würdest, denn würdest du sehen, dass ich dir ein Vermögen …«
Tiberius stand auf und putzte sich mit der flachen Hand den Hintern von Geröll und Steinstaub ab. »Sobald du das Geld bringst, kannst du anfangen. Warte nicht zu lange. Wenn morgen einer kommt und sagt, er kann singen, und die zehn Pfennig auf die Hand zählen kann, nehm ich ihn und nicht dich.« Er zog ein kleines Glöckchen aus einer Tasche und läutete. Der Klang hörte sich dünn in der weiten Kammer an und wollte nicht zu Tiberius’ kalten Worten passen. Sekunden später vernahm Rinaldo Schritte, die die Treppe heruntersprangen.
Tiberius drehte sich um und wies auf die Wasserfläche. »Wenn du noch baden willst, das ist im Preis mit drin. Noch mal vögeln, noch mal zahlen.« Er rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander. Einer der kleinen Jungs hüpfte die letzten Stufen herunter und rannte zu Tiberius, wo er keuchend stehen blieb. Tiberius gab ihm eine freundlich gemeinte Kopfnuss und schob ihn dann in Rinaldos Arme. »Bis demnächst, Milano. Wenn du weder baden noch vögeln willst, führt der Junge dich raus.«