KAPITEL 16
Eine neue Welt
Fahles Dämmerlicht erhellte den Morgen, als Rijana die Augen aufschlug. Einen Augenblick lang war sie versucht, sich zurück in die warme weiche Decke sinken zu lassen. Doch dann erhob sie sich ruckartig. Um sie herum schliefen viele Männer, Elfen und Zwerge, die meisten von ihnen verletzt.
Erleichtert sah sie, dass Ariac neben ihr lag. Er trug einen dicken Verband um die Brust und um ein Bein, am ganzen Körper hatte er kleinere Verletzungen und Prellungen. Aber seine Hand fühlte sich wunderbar warm und lebendig an.
Als sie ihn berührte, schlug er die Augen auf.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie, »ich wollte dich nicht wecken.«
Mühsam richtete er sich auf und verzog das Gesicht.
»Tut es sehr weh?«
Ariac schüttelte den Kopf und dachte nach. Dann blickte er sie unsicher an. »Ich war tot, oder?«
Rijana biss sich auf die Lippe und nickte. Anschließend nahm sie ihn in den Arm und erzählte stockend, was geschehen war.
Nur wie an einen Traum konnte sich Ariac an den Kampf mit Scurr und die darauffolgenden Momente erinnern.
»Thalien hat das wirklich für mich getan?«
»Für dich und für mich.« Voller Liebe blickte sie ihn mit i hren großen blauen Augen an. »Ich wollte nicht ohne dich leben.«
»Oh, Rijana.« Er drückte sie fest an sich. Auf der einen Seite glücklich, hier bei ihr zu sein, auf der anderen Seite schuldbewusst, da der König vom Mondfluss nun nicht mehr lebte.
Die beiden saßen eine ganze Weile engumschlungen auf der Waldlichtung. Nur zögerlich brach die Sonne hervor und schien auf sie herab. Die Luft war klar und wirkte seltsam gereinigt.
»Ich möchte nach unseren Freunden sehen«, sagte Rijana und streichelte Ariac über die Wange. »Bleib ruhig liegen und ruh dich aus.«
»Nein, ich komme mit dir.« Ariac erhob sich etwas schwerfällig und humpelte auf Rijana gestützt auf die Bäume zu.
Viele grüßten sie leise, einige beglückwünschten Ariac, denn es hatte sich herumgesprochen, dass er König Scurr besiegt hatte. Als die beiden die weit auseinanderstehenden Eichen erreichten, sahen sie, dass Nebel zwischen den Bäumen hing. Plötzlich erschien ein weißer Wolf, und Rijana und Ariac blieben wie erstarrt stehen.
Es ist gut, so wie es ist. Helft dabei, diese Welt neu zu erschaffen. Und wenn die Zeit reif ist, werden wir uns wiedersehen, sprach eine durchdringende Stimme zu Ariac, die nur er hören konnte. Du hast auch mein Volk gerettet. Werdet glücklich. Ein Teil von mir wird immer in diesem Land sein. In den Bäumen, in den Blumen, dem Wasser und dem Wind.
Der Wolf verschwand, und Ariac hatte Tränen in den Augen.
»Was hast du?«, fragte Rijana vorsichtig.
»Thalien, er hat sich von mir verabschiedet.«
Rijana nickte, auch sie hatte den Wolf gesehen. Selbst wenn es eigentlich nicht sein konnte, sie spürte die Anwesenheit des alten Elfen noch immer.
»Komm jetzt.« Rijana zog Ariac mit sich.
Durch Büsche hindurch traten die beiden an den Rand von Tirman’oc. Auch ihre Freunde standen dort, ebenso wie viele ihrer Verbündeten. Doch was Rijana und Ariac sahen, ließ ihnen für einen Augenblick das Blut in den Adern gefrieren.
Sie standen auf einer Insel. Rings um sie herum sah man nur schimmernde, endlose Wassermassen. Weit im Norden, wo einmal der schmale Meeresarm gewesen war, erhob sich nun ein gewaltiges Gebirge.
»Unsere Welt hat sich komplett gewandelt.« Brogans Stimme klang noch immer so, als könne er das nicht glauben, obwohl er schon seit Anbruch des Tages auf das Wasser starrte.
Elli’vin trat zu ihm.
»Was die Menschen zerstört haben, hat sich das Wasser wiedergeholt. Das Elfenreich existiert noch ebenso wie Silversgaard. Ursann wurde von Lava verschüttet und auch Catharga. Errindale, Northfort und Gronsdale wurden zum Teil zerstört, aber dort weicht das Wasser zurück. Ebenso wie in der Steppe. Unseren Freunden im Donnergebirge geht es gut.«
»Woher weißt du das?«, fragte Rijana überrascht.
»Von Thalien.«
»Aber Thalien ist …«, begann Ariac verlegen. Er wusste nicht, wie er es erklären sollte, und fühlte sich erneut schuldig.
Doch die hübsche blonde Elfe legte ihm ihre schlanke Hand auf den Arm. »Ich weiß, aber er hat sich von uns allen verabschiedet, und sein Geist ist noch einmal über alle Länder geflogen, bevor er in die Hallen der Ahnen eingezogen ist.«
»Ich wollte das nicht«, keuchte Ariac heiser, doch Elli’vin schüttelte den Kopf.
»Es war sein freier Wille. Bitte quäl dich nicht. Du hast uns allen einen großen Dienst erwiesen. Kâârs Geist ist endgültig vernichtet.«
»Aber alles ist zerstört«, widersprach Ariac und deutete auf das Meer. »Ich habe mein Schwert zurückgelassen …«
Nun trat Tja’ris vor. »Wir wissen, wo dein Schwert liegt, und werden dieses Wissen bewahren.« Er blickte ernst in die Runde. »Ich hoffe, dass wir eine neue Welt des Friedens erschaffen können. Und falls trotz allem eines Tages das letzte Schwert der Sieben gebraucht wird, dann wird es gefunden werden.«
Nun umarmten sich Saliah, Rudrinn, Falkann, Leá, Broderick und Brogan Rijana und Ariac. Tovion konnte noch nicht aufstehen, und Nelja war bei ihm, aber auch die beiden wussten bereits, dass es Rijana und Ariac gut ging.
Auch Ariacs Vater kam bald hinzu. Er war so unglaublich erleichtert, dass sein Sohn lebte, dass er gar nichts sagen konnte.
»Ich bin ein alter Narr«, schnaubte er und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich heule hier herum wie ein Weib. Dabei sollten wir feiern.«
»Ganz meine Meinung«, grummelte Skengaar. »Ich bevorzuge zwar Bier, aber notfalls trinke ich auch Elfenwein.«
Daraufhin lachten alle und gingen langsam zur Lichtung.
Falkann hielt Leá zurück. An ihrer Stirn war ein Verband zu sehen, und sie wirkte noch immer ein wenig blass und müde, aber es ging ihr schon besser.
»Ich weiß nicht, ob dir das jetzt alles zu schnell geht, aber mir ist letzte Nacht etwas klar geworden.«
Sie blickte ihn auffordernd an, und Falkann räusperte sich.
»Du weißt, wir stammen von verschiedenen Völkern ab, und ich weiß auch nicht, wie es gehen soll, aber …« Er nahm ihre Hand und sah ihr in die Augen. »Ich möchte mein Leben mit dir verbringen. Wahrscheinlich werde ich dich niemals heiraten können. Ich besitze nichts und …«
Sie unterbrach ihn mit einem Kuss. »Das ist mir gleich. Wir werden einen Weg finden.«
»Wirklich?«
Sie lachte, und ein freches Grinsen überzog ihr Gesicht, als sie sagte: »Und jetzt komm, du bärtiges Ungetüm, ich möchte feiern.«
Die beiden liefen Hand in Hand zum Feuer, wo Broderick die beiden schon freudestrahlend erwartete.
Mit verlegenem Gesicht ging Falkann etwas später zu Leás Vater und begann stammelnd: »Also, Rudgarr, Ihr wisst, dass ich keiner von Euch bin …«
»Das ist nicht zu übersehen«, unterbrach ihn der Clanführer der Arrowann jedoch mit einem Lächeln in den Augen. Er schlug Falkann freundschaftlich auf die Schulter. »Ich muss zugeben, ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, dass Leá keinen Steppenmann liebt, aber unsere Welt hat sich grundlegend geändert. Ich werde euch nicht im Weg stehen. Und die Gesetze der Steppenleute werden auch überdacht werden.« Er lächelte Falkann und seine Tochter an. »Vielleicht könnt ihr eines Tages heiraten.«
Falkann drückte Leá an sich und war zum ersten Mal seit langer Zeit richtig glücklich. Als er später auch noch erfuhr, dass es sogar sein Vater geschafft hatte, Tirman’oc zu erreichen, war sein Glück perfekt. Falkann suchte den ehemaligen König von Catharga auf und erzählte ihm von Hyldor.
König Hylonn war sehr bestürzt, doch dann lächelte er Falkann an. »Er hatte den falschen Weg gewählt.«
»Ich werde ein Mädchen aus der Steppe heiraten«, sagte Falkann bestimmt und blickte seinen Vater ein wenig herausfordernd an.
König Hylonn konnte seine Überraschung nicht verbergen. Dann zuckte er die Achseln. »Es ist deine Entscheidung, außerdem haben sich die Steppenleute als guteVerbündete herausgestellt.« Er zögerte kurz, dann fragte er vorsichtig: »Hat sie etwa auch so viele Tätowierungen im Gesicht wie die Krieger?«
»Nein, nur am Arm. So wie Rijana«, erklärte er schmunzelnd.
»Gut.« König Hylonn wirkte erleichtert. Dann seufzte er. »Ich weiß gar nicht, wo ich hingehen soll. Catharga ist zerstört. Balmacann überflutet.«
»Wir werden sehen«, sagte Falkann beruhigend und ging zurück zu Leá und seinen Freunden.
Während die jungen Leute feierten und sich an ihrem neu gewonnenen Glück erfreuten, stand Rudgarr, der dunkle Steppenmann, in Gedanken versunken am Rande von Tirman’oc. Als er Schritte hörte, drehte er sich langsam um. Es war Brogan, der auf ihn zukam.
»Denkt Ihr an Eure Familie, Rudgarr? Ihnen geht es sicher gut.«
Der Steppenkrieger mit den Tätowierungen im Gesicht und an den Armen schüttelte den Kopf. Sein Blick wanderte über das endlose Meer.
»Nun hat sich das Böse gegen sich selbst gewendet.«
»Wie meint Ihr das?«
Rudgarr deutete dorthin, wo vor nicht allzu langer Zeit die grausame Schlacht stattgefunden hatte. »Hätte Scurr Ariac nicht so brutal und hart ausgebildet, hätte der ihn vielleicht nicht besiegen können.«
Mit einem Seufzen ließ sich Brogan ins weiche Gras sinken. »Er hat es Euch also erzählt.«
Rudgarr setzte sich ebenfalls, und seine Miene wirkte noch immer schockiert. »Es muss entsetzlich gewesen sein.«
Tröstend legte Brogan dem Steppenmann eine Hand auf die Schulter, dann sah er Rudgarr an. »Durch die gute Zeit in der Steppe, durch Eure liebevolle und gerechte Erziehung ist Ariac zu dem geworden, was er ist. Sicher, Scurr hat ihn zu einem brutalen Krieger gemacht, aber am Ende haben Freundschaft und Liebe den Sieg gebracht.« Dann lächelte er dem Steppenmann zu. »Aber sicher habt Ihr Recht, das Böse wendet sich früher oder später immer gegen sich selbst.«
Noch lange Zeit saßen die beiden Männer am Ufer und redeten über Ariac und seine Freunde, über Leben, Tod und Wiedergeburt. Damit begann eine Freundschaft, die bis zum Ende ihrer Tage bestehen sollte.
 
In den nächsten Tagen nahmen sich alle etwas Zeit, um sich auszuruhen, bevor sie aufbrachen, um zu ihren Freunden oder Familien ins Donnergebirge zurückzukehren. Menschen, Elfen und Zwerge, Letztere fühlten sich umgeben von so viel Wasser gar nicht wohl, hatten begonnen, Flöße zu bauen.
Eine unerwartete Überraschung bot ihnen Bali’an. Niemand hatte noch daran geglaubt, dass er und Zauberer Tomis noch lebten. Elli’vin und die anderen Elfen hatten bereits um ihn getrauert.
Doch dann stand er an einem sonnigen Morgen plötzlich vor ihnen. Er hatte dasselbe jungenhafte Lachen im Gesicht wie immer.
»Ich bin schon vorausgelaufen«, er verzog das Gesicht, »Menschen sind langsam.«
Elli’vin schloss ihn mit einem Aufschrei in ihre Arme. »Wo kommst du denn her? Wir dachten alle, du wärst ertrunken.«
Bali’an schüttelte den Kopf, und seine blonden Haare glänzten in der Sonne.
»Wir waren von Camasann auf dem Weg aufs Festland. Aber dann spürte ich, dass die Zeit knapp wurde. Wir sind mit der Strömung direkt an die Küste des Elfenreiches gesegelt.« Bali’ans Augen glänzten. »Noch niemals zuvor bin ich über das Wasser gesegelt. Es war faszinierend! Auch Camasann fand ich sehr schön. Bis die große Flut vorüber war, sind wir im Land der tausend Flüsse geblieben und dann hierhergesegelt. Aber die Menschenkinder waren ein wenig dumm. Sie haben gesagt, ich wäre kein richtiger Elf. Es würde keine Elfen geben.«
»Du bist unmöglich«, schimpfte Elli’vin liebevoll und zerstrubbelte ihm die Haare, »du wirst wohl niemals erwachsen werden.«
Nun näherte sich Bali’ans Vater. Dolevan, einer der älteren Elfen, wirkte normalerweise immer sehr streng und hatte wenig Verständnis für die Eskapaden seines Sohnes. Doch heute standen auch in seinen Augen Tränen. Das Donnerwetter, das er sich zurechtgelegt hatte, geriet in Vergessenheit, als er Bali’an in die Arme schloss.
Auch Rijana und ihre Freunde und alle, die ihn kannten, begrüßten den jungen Elfen herzlich. Er wurde sehr traurig, als er hörte, dass Thalien nicht mehr lebte. Dann blickte er jedoch zu den Bäumen hinauf und sagte: »Ein Teil von ihm wird immer hier sein.«
Erst gegen Abend trafen Zauberer Tomis und hundertfünfzig Kinder ein.
»Camasann existiert nicht mehr«, erzählte Tomis, der deutlich erschöpft wirkte.
Der kleine Zauberer, Brogan, Rittmeister Londov und einige andere Männer überlegten, wie es weitergehen sollte. Am Ende einigten sie sich darauf, eine neue Schule zu erbauen, irgendwo an der Grenze zum Donnergebirge oder vielleicht auch in Gronsdale.
König Algrim, der die Schlacht ebenfalls überlebt hatte, bot sein Schloss dafür an.
»Die Zeit der Könige ist wohl vorbei«, sagte er und verzog das Gesicht. »Es gibt nicht mehr sehr viele Menschen. Aber ich hoffe, dass wir fortan in Frieden miteinander leben werden. Ich weiß nicht, wie viel von Gronsdale noch bewohnbar ist. Aber alle, die ihre Heimat verloren haben, sind herzlich willkommen. Gerne würde ich Euch mein Schloss als neue Schule zur Verfügung stellen«, er zuckte die Achseln, »zumindest, sofern es noch steht.«
»Vielen Dank.« Brogan verneigte sich. Erwartungsvoll blickte er auf Zauberer Tomis und Rittmeister Londov.
Die beiden stimmten zu, und Londov fügte hinzu: »Und diesmal werden wir das richtige Oberhaupt für die Schule wählen.« Er verbeugte sich vor Brogan. »Sofern du das möchtest.«
»Sehr gerne.« Dann drehte sich Brogan um und rief: »Birrna, würdest du auch in Gronsdale als Köchin arbeiten?«
Gerade hatte sie den Kindern etwas zu essen zubereitet. Jetzt kam sie auf Brogan zu und stemmte die Hände in die Hüften. »Natürlich, was soll ich denn sonst tun?«
Brogan legte einen Arm um sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, woraufhin sie errötete. »Das freut mich sehr.«
Während noch angeregt über die neue Schule geredet wurde, hielt Zauberer Tomis plötzlich inne. »Sehe ich richtig?«
Aufgeregt deutete er auf eine Gruppe pelziger Wesen, die lange Baumstämme durch die Gegend schleppten.
»Ja, die Finstergnome haben auch mit uns gekämpft«, bestätigte Brogan.
»Ich muss auf der Stelle zu ihnen!« Auf seinen kurzen krummen Beinen eilte Zauberer Tomis davon, sodass alle über ihn schmunzeln mussten. Finstergnome waren von jeher seine Leidenschaft gewesen.
 
Alle arbeiteten unter Hochdruck an den Flößen, denn sie wollten die Insel bald verlassen. Nur einige Elfen wollten bleiben und das Schloss wieder bewohnbar machen. Fortan würde für alle Menschen und Zwerge die Elfeninsel und auch das Land der tausend Flüsse offen sein. Die Völker sollten sich gegenseitig besuchen und voneinander lernen.
Bocan und die anderen Zwerge beschlossen, im Donnergebirge zu leben, und versprachen, den Menschen Waffen und Gegenstände aus Eisen zu liefern.
»Ich hoffe, wir werden nicht so bald neue Waffen brauchen«, stöhnte Nelja.
»Das hoffe ich ebenfalls«, stimmte Brogan zu, »aber es wird wohl eines Tages wieder Menschen geben, die sich bekriegen.«
»Menschen«, seufzte Bali’an kopfschüttelnd und erntete einen Seitenhieb von Elli’vin.
Doch Brogan lachte nur. »Bali’an, du bist herzlich eingeladen, etwas über uns merkwürdige Menschen zu lernen.« Dann wurde er ein wenig nachdenklich. »Thalien hatte Recht. Du solltest ein Mittler zwischen den Völkern werden.«
Der junge Elf strahlte, nur sein Vater schien damit nicht ganz einverstanden zu sein. Nach langem Nachdenken stimmte Dolevan jedoch zu. Schließlich war es Thaliens Wille gewesen.
 
Abendnebel legte sich über die Elfeninsel Tirman’oc, als sich die meisten Überlebenden an den Feuern versammelten.
Noch immer war nicht ganz klar, wie viele die Schlacht überlebt hatten. Selbst jetzt noch, viele Tage nach der Schlacht, sah man Baumgeister umherschweben, die diejenigen betrauerten, denen selbst die Elfenmagie nicht mehr hatte helfen können. Die ganze Insel war von kleinen Lagern übersät, doch man wusste, dass viele Elfen, Menschen, Finstergnome und Zwerge gefallen waren, darunter auch leider Breor, wie die Sieben mit großer Bestürzung von Bocan erfuhren.
 
Saliah hatte Rudrinn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.
Auch Rijana wusste nicht, wo er war. »Vor einiger Zeit ist er zum Ufer gelaufen.« Sie verzog das Gesicht. »Ich kann noch immer nicht glauben, dass ganz Balmacann jetzt ein Meer ist.«
»Ich auch nicht«, seufzte Saliah. Sie machte sich auf den Weg durch die Bäume und fand Rudrinn tatsächlich, wie er über das Wasser blickte.
Leise setzte sie sich neben ihn und nahm seine Hand. Er sah traurig aus.
»Du denkst an deine Leute, oder?«
Rudrinn nickte und biss sich auf die Lippe. »Meinst du, sie haben überlebt?«
»Ich weiß es nicht«, gab sie zu und legte ihre Arme um ihn. »Aber ich denke, dein Vater ist ein erfahrener Seemann, und er wird sicher nach Silversgaard gesegelt sein.« Dann schlug sie einen lustigen Tonfall an. »Er und dieser kleine, stinkende Pirat werden sicher auf der Insel sitzen und sind nur zu betrunken, um hierherzukommen.«
Das zauberte ein Lächeln auf Rudrinns Gesicht. »Danke, Saliah, danke, dass du hier bist.«
Sie lachte leise und gab ihm einen Kuss.
 
Nach weiteren drei Tagen waren die Flöße fertig. Nicht alle Männer konnten gleichzeitig die Insel verlassen. So einigten sie sich darauf, dass die Zwerge, die immer unleidlicher wurden, Broderick, der unbedingt zu Kalina wollte, und auch Rudgarr die Ersten sein sollten, die die Insel verließen.
»Ich werde eure Mutter, eure Schwester und euren Bruder grüßen«, versprach Rudgarr und umarmte Leá und Ariac. »Kommt bald nach, dann können wir in die Steppe zurückkehren.« Da zögerte er und blickte Ariac und Rijana an. »Oder wollt ihr das nicht?«
»Doch, natürlich wollen wir das«, versicherte Rijana und meinte es auch so.
Tovion und Nelja einigten sich schnell darauf, nach Gronsdale zu gehen. Die beiden wollten als Lehrer an Brogans neuer Schule arbeiten. Broderick hatte beschlossen, mit Finn und Kalina ein neues Gasthaus zu eröffnen. Wo, das wusste er noch nicht. Auch Leá und Falkann waren unentschlossen. Falkann war kein Steppenmann, er konnte sich so ein Leben einfach nicht vorstellen. Genauso unsicher waren Rudrinn und Saliah. Zu ihrer eigenen Verwunderung hätte Saliah gar kein Problem mehr damit gehabt, mit Rudrinn auf einem Piratenschiff zu leben. Aber sie wussten nach wie vor nicht, ob die Piraten überhaupt noch lebten.
Dann, zwei Tage, nachdem die ersten Flöße fortgefahren waren, erblickte Rudrinn etwas am Horizont. Die ganzen letzten Tage hatte er ungewöhnlich ernst und nachdenklich gewirkt. Doch nun rannte er in das provisorische Lager und wirbelte die überraschte Saliah herum, die Birrna gerade beim Kochen geholfen hatte.
»Die Piraten, die Piraten kommen!«
»Wirklich?« Auch Saliah war erleichtert und folgte Rudrinn im Laufschritt ans Ufer.
Tatsächlich näherten sich bald etwa fünfzehn Schiffe, zum Teil mit Piratensegeln, zum Teil mit denen König Scurrs.
»Können Scurrs Männer überlebt haben?«, fragte Saliah erschrocken.
Rudrinn schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Sie wussten ja nicht, dass sie nach Silversgaard fliehen mussten.«
Bald erkannten sie Rudrinns Vater, der am Bug des ersten Piratenschiffes stand und in ein kleines Ruderboot sprang, das ihn an Land brachte.
Mit einem Freudenschrei sprang er auf Rudrinn zu.
»Rammatoch sei gelobt! Du verfluchter …« Bevor er ganz bei Rudrinn war, stellte sich Saliah vor ihn und funkelte den Piraten an.
»Wenn du ihn diesmal schlägst, werde ich dich mit deinem Bart an den nächsten Baum nageln. Das ist mein voller Ernst!«
Einen Augenblick zögerte Kapitän Norwinn, dann brach er in dröhnendes Gelächter aus und drückte Saliah einen dicken Kuss auf die Wange.
»Na, Mädchen, aus dir wird ja doch noch etwas! Rudrinn, deine Saliah wird eine prächtige Piratin werden.«
Glücklich lachend ließ Rudrinn die Umarmungen der anderen über sich ergehen.
»Fünfzig von uns sind tot«, sagte Kapitän Norwinn bedrückt, »aber wir haben es diesen roten Bastarden gezeigt.« Dann deutete er auf einen gefesselten und geknebelten Mann, den Blodwin und der alte Fizzgan gerade aus dem Ruderboot zerrten. »Zuerst habe ich ihn gar nicht erkannt.« Kapitän Norwinn lachte rau auf. »Mitten im Wasser hat er sich an die Krone eines Baumes geklammert und geflennt wie ein Weib.«
Der Mann zerrte an seinen Fesseln und wand sich. Doch Blodwin versetzte ihm mit seinem Haken einen Klaps am Hinterkopf.
»Wir haben ihn an Bord genommen«, fuhr Rudrinns Vater fort, dann spuckte er auf den Boden. »Und plötzlich denke ich mir, den kenne ich doch. Dieser dreimal verfluchte Bastard von einem Zauberer, der mir weismachen wollte, dass du tot bist, Rudrinn.«
»Ich wollte ihn schon auseinandernehmen und an die Fische verfüttern«, krächzte Fizzgan und entblößte seinen beinahe zahnlosen Mund. »Aber dein Vater hat gesagt, du wirst ihn sicher lieber selbst umbringen wollen.«
Rudrinn kam näher, und erst jetzt erkannte er Zauberer Hawionn. Er sah ausgemergelt und ungepflegt aus. Die grauen Haare hingen ihm vom Salzwasser verklebt am Kopf. Sein Gewand war schmutzig und zerrissen. Er schien etwas sagen zu wollen.
Mit einer wütenden Bewegung schnitt Rudrinn ihm den Knebel durch.
»Thondra sei Dank«, keuchte Hawionn. »Diese rüpelhaften Piraten haben mich beinahe umgebracht. Rudrinn, du bist bei uns ausgebildet worden. Sag ihnen, dass sie mich in Ruhe lassen sollen.«
»Warum sollte ich das?« Wütend blickte Rudrinn dem Zauberer ins Gesicht, und seine Stimme wurde immer lauter. »Du bist ein verfluchter, verräterischer Bastard. Du hast uns alle belogen. Du wolltest Ariac an Scurr verkaufen. Du hast dich mit Ursann verbündet.« Rudrinns Blick war eiskalt. »Nenne mir einen Grund, warum ich dich nicht hier auf der Stelle aufschlitzen sollte.«
Fizzgan kicherte erwartungsvoll.
»Saliah«, Hawionn nickte zitternd zu ihr hinüber, »sie wird es nicht wollen.«
»Tu, was du für richtig hältst«, erwiderte Saliah aber und wandte sich ab, »er ist nichts als Abschaum.«
»Saliah, du bist eine Edeldame«, schrie Hawionn in Todesangst, und Rudrinn verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.
»Lasst ihn uns an den Mast hängen«, kreischte Fizzgan und sprang von einem Bein aufs andere. Dann hielt er ihm ein schartiges Messer vor die Nase. »Oder wir spielen noch ein wenig Messerwerfen mit ihm.«
»Rudrinn«, brüllte Hawionn, »halt mir diesen stinkenden Gnom vom Leib!«
Rudrinn packte Hawionn jedoch nur am Kragen und zerrte ihn mit sich. »Soll Brogan entscheiden.«
Die Piraten sprangen grölend um Rudrinn und seinen Gefangenen herum. »Wir konnten sogar einige Fässer Rum retten«, erzählte Kapitän Norwinn begeistert. Dann verzog er das Gesicht. »Die Minen auf Silversgaard sind allerdings überflutet, schade um die vielen Edelsteine.«
Tja’ris, der in der Nähe an einem weiteren Floß gearbeitet hatte, war froh darüber. »Das ist gut. Die Menschen haben Silversgaard ausgebeutet, jetzt kann sich die Insel erholen.«
Der Kapitän schnaubte empört, allerdings wagte er nicht, dem Elfen zu widersprechen.
Brogan konnte nicht fassen, Hawionn vor sich stehen zu sehen. Er hatte nicht geglaubt, dass der Zauberer noch lebte.
»Brogan, ich bitte dich, um der alten Zeiten willen. Bitte halte diese ungehobelten Rüpel auf«, rief Hawionn verzweifelt. Der alte Fizzgan piekste ihn ständig mit der Spitze seines Messers in die Seite.
»Wie hast du überlebt?«, fragte Brogan ruhig, ohne auf seine Bitte einzugehen.
»Das Wasser kam, und ich bin auf eine Anhöhe gelaufen. Dann bin ich auf den Baum geklettert.« Hawionn schnaubte empört. »Zunächst glaubte ich, ich wäre gerettet, als diese Piraten kamen.«
»Du hast gedacht, es wären Scurrs Männer«, stellte Brogan das Ganze richtig, und Hawionns Gesicht verriet, dass er Recht hatte.
»Brogan, bitte, wir waren doch einmal Freunde!«
»Das waren wir. Das hast du richtig erkannt. Bevor du dich auf die falsche Seite gestellt und uns alle verraten hast.«
Hawionn machte erneut den Mund auf. Doch Brogan schnitt einfach seine Fesseln durch und stieß ihn zur Seite. »Ich bin dir das nicht schuldig, aber du kannst dir ein Floß bauen und von hier verschwinden.«
»Ihr werdet doch diese Ratte nicht entkommen lassen«, schimpfte Kapitän Norwinn empört, auch Rudrinn sah nicht sehr begeistert aus.
Brogans graue Augen bohrten sich in die von Hawionn. »Wäre ich ihm im Kampf begegnet, hätte ich ihn getötet. Aber so wäre es feiger Mord. Er soll einfach verschwinden.«
Auf Hawionns Gesicht zeichnete sich Erleichterung ab. Dann straffte er die Schultern und fragte: »Wo gibt es ein Floß?«
»Du musst es selbst bauen«, entgegnete Brogan kalt, »niemand wird dir helfen.«
Hawionn schnappte nach Luft, und für einen kurzen Augenblick kehrte der arrogante Ausdruck in sein Gesicht zurück, dann schnaubte er und knurrte: »Wo ist eine Axt?«
»Wenn Tja’ris fertig ist, wird er sie dir geben. Und versuche nicht, durch Magie hier irgendwen zu beeinflussen. Dies ist Elfenland. Versuchst du es, bist du tot.«
Hawionn schluckte. Immer war er in der überlegenen Position gewesen. Doch wie es aussah, hatte sich das jetzt geändert.
»Ich werde auf den feinen Herrn aufpassen«, versprach Fizzgan und kicherte, während er sich mit seinem Messer am Kopf kratzte.
»Vater, wirst du uns zum Donnergebirge bringen?«, fragte Rudrinn. »Ariac und Rijana möchten sicher gern zu ihrer Familie.«
»Natürlich. Lasst uns zuerst was trinken, und dann geht es los«, bestimmte Kapitän Norwinn, während er einen Arm um seinen Sohn legte.
Natürlich blieb es nicht bei einem Glas Rum, sondern es wurde eine sehr feucht-fröhliche Feier an diesem Tag. Die Piraten waren so betrunken, dass sie erst am nächsten Tag segeln konnten.
Rijana verabschiedete sich von Elli’vin und Tja’ris, die versprachen, sie bald einmal in der Steppe zu besuchen. Sie würden sich noch eine Weile um die Verletzten kümmern und dann ins Land der tausend Flüsse zurückkehren.
Bald waren Saliah, Rudrinn, Ariac, Rijana, Falkann und Leá an Bord. Auch Brogan und Rittmeister Londov begleiteten sie, ebenso wie ein Großteil der Steppenmänner. Da Nelja noch von den Heilkünsten der Elfen lernen wollte, blieb auch Tovion bei ihr.
»Wir kommen bald nach Gronsdale«, versprach sie und umarmte ihre Freunde zum Abschied.
So segelten fünfzehn Piratenschiffe in einen sonnigen Sommermorgen hinein. Kaum jemand konnte es begreifen, dass nun wirklich alles unter dem Meer begraben lag. Sie segelten in Richtung Nordosten, und erst, als die endlosen Wälder des Elfenreiches vor ihnen auftauchten, wurde das Wasser seichter.
Saliah und Rudrinn wollten bei den Piraten bleiben, zumindest für eine Weile.
»Ihr könntet Handel treiben«, schlug Brogan vor.
»Mein Sohn wird nicht ehrlich! So ein verdammter Schwachsinn!«, brüllte Kapitän Norwinn empört.
Daraufhin mussten alle lachen.
»Wen willst du denn jetzt noch ausrauben, Vater?«, fragte Rudrinn mit hochgezogenen Augenbrauen.
Der grummelte vor sich hin und schimpfte, er hätte doch ein paar der Rotmäntel am Leben lassen sollen.
»Ach, was weiß ich. Vielleicht könnten wir Rum verkaufen«, brummte er.
»Und ich werde darauf achten, dass er niemanden übers Ohr haut«, versprach Rudrinn und drückte Saliah an sich.
»Mein Sohn hat seine Wurzeln verloren«, jammerte Kapitän Norwinn und verkündete anschließend, er müsse seinen Frust im Rum ertränken.
»Passt auf euch auf«, sagte Brogan lächelnd und stieg zusammen mit Leá, Falkann, Rijana und Ariac in ein kleines Beiboot, das sie rasch an die Ufer des Waldes brachte. Etwas schwieriger wurde es mit den Pferden. Die Piraten trieben die aufgescheuchten Tiere mit lautem Geschrei an die Reling, bis die Tiere ins Wasser sprangen und an Land schwammen.
Rijana streichelte Lenya beruhigend. »Keine Angst, jetzt bist du in Sicherheit.«
Sie drehte sich noch einmal um und winkte Saliah und Rudrinn zu, die langsam davonsegelten.
Es dauerte noch einige Tage, bis sie endlich im Lager vom Donnergebirge angelangt waren. Die Begrüßung war tränenreich.
»Ist Broderick nicht bei euch?«, fragte Kalina erschrocken. Rijana beruhigte sie rasch. »Er ist zwar früher mit dem Floß abgefahren, aber sie haben keine Pferde dabei und müssen erst durch das Elfenreich hierherkommen.«
»Es geht ihm aber gut?«, vergewisserte sie sich erneut.
»Ganz sicher!«
Auch Ariacs Mutter, sein kleiner Bruder und Lynn waren erleichtert, als sie hörten, dass alle wohlauf waren.
Bjon und Selja begrüßten ihre Tante Rijana mit scheuem Lächeln. Sie staunten über die Geschichten von der Schlacht in den Ebenen, auch wenn Rijana das gewaltige Blutvergießen ein wenig verharmloste.
»Die beiden haben sich schon gut eingelebt«, versicherte Thyra, Ariacs Mutter. Sie schmunzelte. »Lynns Kinder haben ihnen bereits jede Menge Unsinn beigebracht.«
Rijana freute sich. Hier bei den Arrowann hatten die beiden sicher eine glücklichere Zukunft als bei ihren Eltern.
Eine wunderbare Überraschung erlebten sie und Ariac, als ihnen plötzlich zwei ältere Frauen entgegenkamen. Es waren Muria und Elsa. Sie waren mit einem der letzten Flüchtlingsströme in die Berge gekommen. Ihr Dorf war von Orks zerstört worden, und sie hatten Glück gehabt, dass sie zufällig in Richtung Gronsdale geflohen waren. Dort hatten sie sich einer Gruppe angeschlossen, die ins Donnergebirge gezogen war.
Rijana umarmte die beiden gerührt. »Ich habe mir solche Sorgen um euch gemacht. Ich hatte einen der Elfen zu euch geschickt …«
Muria kicherte. »Wir wären in Ohnmacht gefallen, wenn plötzlich ein Elf vor unserer Tür gestanden hätte.« Sie blickte sich um, als könne sie dies alles gar nicht glauben. »Du und Ariac, zwei der Sieben. Da haben wir alten Kräuterweiber doch glatt ein wenig dazu beigetragen, dass zumindest noch etwas von unserer Welt existiert.«
»Wir haben euch unglaublich viel zu verdanken«, sagte Ariac ernst und lud die beiden herzlich ein, bei den Arrowann zu bleiben.
»Nein, nein«, wehrte Elsa zwar gerührt, jedoch entschieden ab. »Ich brauche ein festes Haus und möchte nicht den Rest meines Lebens auf Wanderschaft sein.«
»Dann geht doch mit Brogan an dessen Schule«, schlug Rijana vor. »Du könntest Kräuterkunde lehren, Muria, und du, Elsa, wärst sicher eine gute Unterstützung in der Küche.«
Die beiden Frauen sahen sich an. Das war eine Zukunft, die sie sich gut vorstellen konnten.
Neben der ganzen Freude herrschte auch Trauer bei den Steppenleuten, Zwergen und anderen Menschen. Viele hatten ihre Freunde, Väter und Männer verloren. Leider waren auch Ariacs Cousin Fodrac und Krommos, der alte Anführer des Wolfsclans, unter den Toten. Er hatte stark und unerschrocken gekämpft, war aber schließlich einem gewaltigen Bergtroll zum Opfer gefallen.
Zu ihren Ehren wurden in dieser Nacht viele Feuer entzündet. Dann erzählte man sich Geschichten von denen, die jetzt, nach dem Glauben der Arrowann, an der Seite des Sturmgottes Nawárronn über die unendlichen Weiten galoppierten. Ihre Namen wurden nicht vergessen, in den Legenden des Steppenvolkes lebten sie weiter.
Lynn setzte sich irgendwann neben ihre Zwillingsschwester.
»Deine Augen strahlen so, wie ich es seit vielen Jahren nicht mehr gesehen habe. Was ist los?«
Leá wand sich verlegen, dann fiel ihr Blick auf Falkann, der sich gerade mit Ariac unterhielt, und sie lächelte.
»Das bärtige Ungetüm?«, stöhnte Lynn und schnitt eine komische Grimasse.
»Er ist kein Ungetüm«, schimpfte Leá. »Er hat mir das Leben gerettet, und ich werde bei ihm bleiben.«
»Man sollte ihm zumindest einige Tätowierungen verpassen!«
Leá zog ihre Schwester an den langen Haaren. »Nein. Er ist, wie er ist, und ich liebe ihn. Sogar Vater hat uns seinen Segen gegeben.«
»Na wenn das so ist.« Lynn stand auf und ging zu Falkann. Sie tippte ihm auf die Schulter. »Du wirst meine Schwester glücklich machen, ist das klar? Ansonsten werde ich dir den gesamten Clan der Arrowann und den Wolfsclan auf den Hals hetzen.«
Für einen Augenblick war Falkann zu verblüfft, um etwas zu erwidern. Doch Ariac packte seine Schwester an der Hüfte und warf sie sich über die Schulter. »Du freches kleines Biest. Es wird Zeit, dass dein Mann zurückkommt und dir Anstand beibringt!«
»Ariac, ich bin schwanger«, kreischte sie und trommelte ihm auf den Rücken.
Schließlich ließ er sie wieder hinunter, kniete sich vor sie und sagte zu dem Baby in ihrem Bauch: »Wenn du so frech wirst wie deine Mutter, werde ich dich übers Knie legen, noch bevor du laufen kannst.«
Lynn schnaubte und stolzierte hocherhobenen Hauptes davon.
»Du wirst einiges mitmachen mit deiner Schwägerin«, versprach Ariac an Falkann gewandt und lachte.
»Das macht nichts.« Falkann blickte auf das Lager. »Ich bin sehr froh, dass alles so gut ausgegangen ist.« Er blickte Ariac nachdenklich an. »Ich weiß nicht, ob es in meiner Macht steht, das zu versprechen, aber ich hoffe, dass wir, falls wir eines Tages wiedergeboren werden, gleich von Anfang an Freunde sein können.«
»Das hoffe ich ebenfalls. Aber es macht keinen Sinn, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen.« Ariac lachte befreit. »Lass uns dieses Leben genießen. Wir beide haben wundervolle Frauen und eine Welt, die wir neu erschaffen können.«
Sie gingen Seite an Seite zum Kochfeuer, wo Ariacs Mutter das Essen austeilte.