23. Verbindung und Distanz
Man sagt ja, das Universum sei ein kalter Ort. Ich hatte mir
darum nie besonders viele Gedanken gemacht. Aber nun, da
mein Universum ebenfalls dabei war zu erkalten, konnte ich
über nichts anderes mehr nachdenken. Wir, Istvan und ich,
waren wie der Urknall gewesen. Wie das Universum began-
nen wir heiß und dicht, nur um jetzt gefangen zu sein in Käl-
te und Dunkelheit, die sich mehr und mehr ausbreitete und
alles verschlang. Wie konnte es nur sein, dass ich neben dem
Mann mit der heißesten Hauttemperatur, die ich je gefühlt
hatte, lag, beinahe jede Nacht, und mir in meinem ganzen
Leben noch nie so kalt war?
Am Tag gelang es mir noch, immer so zu tun, als ob ich
mit der Situation einigermaßen klarkam. Doch nachts lagen
die Dinge ganz anders. Ich versuchte, nicht in mein Haus
zu gehen, weil er dort immer auf dem Sofa schlief. Er fand
unzählige Ausreden, um nicht mit mir hoch in mein Zimmer
kommen zu müssen. Es traf mich jedes Mal, wenn ich wie-
der mit Sicherheit wusste, dass er sich so weit wie möglich
von mir fernhalten würde, ohne dabei meinen Schutz außer
Acht zu lassen. Ich wollte das nicht. Ich hasste es. Deshalb
schlief ich meistens bei ihm. Aber dort war es noch schlim-
mer. Wir lagen in seinem Schlafzimmer wie zwei Fremde, die
gezwungen wurden, sich ein Bett zu teilen. Anfangs versuch-
te ich es noch. Ich blickte ihm ins Gesicht und hoffte, es
würde seine Mauer erweichen, ein paar Risse erzeugen. Aber
Istvan war stur, fest überzeugt von seiner Gefahr für mich.
Und er drehte mir jedes Mal den Rücken zu, um nicht doch
noch schwach zu werden oder in Versuchung zu kommen,
mich zu berühren. Immer wenn ich das Drehen seines Kör-
pers kommen fühlte, wandte ich mich ebenfalls von ihm ab.
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Ich konnte das dumpfe Krampfen meines Magens, ausgelöst
durch eine weitere Enttäuschung, nicht mehr ertragen.
Etwa eine Woche war auf diese Weise vergangen und
ich fühlte mich schon am Ende meiner Kräfte. Wir stritten
mittlerweile nicht einmal mehr. Keiner war bereit, auch nur
einen Zentimeter von seiner Überzeugung abzugehen. Aber
diese trügerische Ruhe war weit schlimmer als das schlimms-
te Streitgespräch.
Sie war hoffnungsloser, als hätte man sich schon damit ab-
gefunden, wäre schon dabei aufzugeben. Das verletzte mich
so tief im Innersten, dass ich es zum allerersten Mal in mei-
nem Leben kaum ertrug, Musik zu hören. Anfangs versuchte
ich, mich mit Johnny Cash zu trösten. Aber eigentlich zog
es mich noch tiefer runter und ich ließ es ganz. Jede Art von
Musik, jede Art von Poesie, einfach alles erinnerte mich an
uns, daran, wie es gewesen war und wie es jetzt nicht mehr
war. Ich ertrug nichts um mich herum. Selbst seine Nähe,
die ich ständig provozierte, schmerzte nur noch. Ich fühlte es
ganz deutlich. Unser Band war zum Zerreißen gespannt. Die
Frage war nur, wodurch und wann es endgültig auseinander-
reißen würde. Das Warten darauf war regelrecht unerträglich.
Ein zermürbender Countdown tickte. Unaufhaltsam.
An diesem trüben Tag waren wir in meinem Wohnzimmer.
Wir hatten noch immer März und ich war bereits spät dran
mit meinen Routineaufgaben. Ich war gerade dabei, missmu-
tig meine Monatsabrechnungen zu machen, während Istvan
auf der Couch lag und seine Übersetzungen überarbeitete.
Wir machten tatsächlich den Eindruck einer stillen Lern-
gruppe. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass wir
noch vor Kurzem ein leidenschaftliches Liebespaar gewesen
waren. An diesem späten Nachmittag überschlugen sich die
Ereignisse. Ich zählte gerade die Zeilen eines Artikels, als
ich bemerkte, dass Istvan vom Sofa hochschnellte und sein
Gesicht in meine Richtung fuhr. Ich war sofort in Alarm-
stimmung.
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„Was ist? Was hast du?“, fragte ich ihn erschrocken.
„Da kommt jemand. Ein Wagen ist gerade an der Kreu-
zung. Ich bin mir mit dem Herzschlag nicht sicher. Wer kann
das sein?“, wollte er von mir wissen und schien schon da-
durch genervt, dass ich mögliche Besucher hatte. Ich spähte
aus dem Fenster und erkannte sofort das Auto meines Bru-
ders. Der schwere Pick-up fuhr in meine Richtung. Viktor
saß selbst am Steuer.
„Mein Bruder. Ich erwarte ihn eigentlich nicht. Keine Ah-
nung, weshalb er kommt“, versuchte ich Istvan zu erklären.
„Ich sollte besser verschwinden, damit er mich hier nicht
entdeckt. Soll ich hoch in dein Zimmer gehen?“, fragte er,
fast schon unsicher.
„Ja. Ich versuche, ihn hier unten zu halten. Mach schnell,
er ist schon an der Treppe!“, fuhr ich ihn nervös an.
„Joe, eins noch. Er ist irgendwie aufgeregt. Sein Puls hört
sich beunruhigt an“, flüsterte er, während er die Treppe hoch-
schnellte. Ich nickte ihm zu, ehe er außer Sichtweite war.
Ich kam Viktor entgegen und öffnete die Tür, bevor er
selbst eine Chance dazu hatte. Sein leicht nervöses Lächeln
begrüßte mich. Er fühlte sich irgendwie unwohl. Ich kannte
meinen Bruder. Er lächelte immer mit dem gesamten Ge-
sicht, doch jetzt war nur sein Mund dabei, ein Lächeln zu
erzeugen, während seine Augen eher besorgt blieben.
„Hallo Schwester“, begrüßte er mich.
„Hallo. Ich habe heute nicht mit dir gerechnet. Wie geht’s
dir? Gibt es etwas Bestimmtes?“, fragte ich ihn und hatte ihn
noch immer nicht hereingebeten.
„Mir geht’s ganz gut. Wir haben uns ja lange nicht mehr
gesehen, deshalb dachte ich, ich sehe mal nach dir“, mur-
melte er vor sich hin. Ich winkte ihn zu mir herein und ging
in die Küche, von der aus man nicht nach oben sehen konn-
te. Der Gedanke, dass Istvan im Haus war, während ich mit
Viktor sprach, machte mich nervös, besonders wenn ich
an die bedrückte Stimmung dachte, die zwischen uns zum
Dauerzustand geworden war.
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„Setz dich doch. Möchtest du auch einen Kaffee?“, fragte ich
ihn, während ich dabei war, mir selbst einen einzuschenken.
„Ja, gerne. Joe, ich bin eigentlich nicht nur so vorbeige-
kommen. Die Eltern haben mich mehrmals gebeten, nach
dir zu sehen“, gestand er mir und ich konnte einen unange-
nehmen Unterton in seiner Stimme ausmachen.
„Wieso das denn?!“, stieß ich perplex hervor und stellte
Viktor den Kaffee hin.
„Na ja. Du sollst mehrmals nicht an dein Handy gegangen
sein und du hast sie auch nicht zurückgerufen. Du hättest
dir doch denken können, dass sie deshalb an die Decke ge-
hen“, erinnerte er mich an Esthers und Heinrichs Besorgnis
und machte mir ein schlechtes Gewissen.
„Ich hatte einfach viel zu tun, Viktor. Ich muss wohl ver-
gessen haben, zurückzurufen. Das ist doch kein Grund, hier
einen auf Feuerwehr zu machen!“, erklärte ich ihm etwas
kraftlos und deutete auf den Stoß mit Zeitungen und Aus-
drucken, der auf dem Tisch im Wohnzimmer lag.
„Ja, schon klar. Du bist beschäftigt und du warst ja schon
immer der Typ, der sich nicht gerne kontrollieren lässt. Aber
jetzt mal unter uns. Ist irgendwas mit dir? Letztes Wochen-
ende warst du auch nicht zum Essen bei uns“, erinnerte er
mich. Viktor hatte recht, ich mied in letzter Zeit jeden Men-
schen, auch meine Freunde und besonders Familienmitglie-
der. Ich hatte Angst, dass meine Eltern, falls ich wirklich mit
ihnen sprechen sollte, meinen hoffnungslos traurigen Ton
heraushören könnten, das wollte ich vermeiden.
„Viktor, es geht mir ganz gut. Ich habe nichts. Nur in letz-
ter Zeit habe ich viel gearbeitet und schlafe nicht besonders.
Und ich habe auch noch eine leichte Grippe“, log ich und
deutete dabei auf den dicken Wollschal, der um meinen
Hals geschlungen war.
„Oh, das tut mir leid. Ich wusste ja nicht, dass du krank
bist. Vielleicht solltest du dich etwas hinlegen. Die Arbeit
läuft dir ja nicht davon“, schlug er mir vor und deutete mit
abweisender Geste auf den Papierstapel.
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„Ja, das klingt ziemlich gut. Vielleicht sollte ich mich wirk-
lich ein paar Stunden aufs Ohr hauen. Und ich verspreche
dir, heute Abend ruf ich unsere Weltenbummler an!“, sagte
ich und lächelte ihn scherzend an. Ohne es zu wissen, hatte
Viktor mir die Steilvorlage geliefert, mit der ich ihn aus dem
Haus bekam.
Er trank hastig den Kaffee aus und machte sich auf zu
gehen.
„Dann gute Besserung, Große“, wünschte er mir und sah
auf mich herab.
„Danke, Kleiner. Grüß Paula von mir“, verabschiedete ich
mich von ihm.
Sobald mein Bruder aus dem Haus war, hörte ich Istvans
leise Tritte auf der Treppe hinter mir. Ich drehte mich zu
ihm um und sah den verstörten Ausdruck, der sein Gesicht
überschattete.
„Sie machen sich Sorgen um dich. Dabei wissen sie nicht
einmal, wie sehr sie sich wirklich sorgen sollten. Wieso rufst
du sie nicht an?“, fragte er mich fürsorglich und setzte sich
dabei auf die oberen Stufen.
„Ist das dein Ernst? Fragst du mich das im Ernst?!“, schrie
ich ihn erbost an. Fast wären mir Zornestränen aus den Augen
gekommen, aber ich konnte noch rechtzeitig alles hinunter-
schlucken, bevor ich mich an ihm vorbei in mein Zimmer
drängte. Ich schlug die Tür hinter mir zu und stürzte mich
auf mein Bett. Mein Ausbruch war mir unendlich peinlich.
Aber ich war es leid, alles zu verdrängen, und die Fassade
entspannter Normalität, die ich meinem Bruder vorspielen
musste, förderte verdrängte Wut an den Tag, die ich nun an
ihm ausließ. Schon als mein Kopf auf dem Bett landete, be-
reute ich die Härte, mit der ich ihn angefahren hatte. Ich lag
eine ganze Weile auf meinem Bett und drückte meinen Kopf
in das Kissen, um alles um mich herum auszublenden. Als
ich mich wieder einigermaßen gefasst hatte, rief ich meine
Mutter Esther an. Ich spielte ihr dieselbe lahme Komödie
vor, die ich schon für Viktor abgespult hatte. Offenbar be-
400
kam ich langsam Übung in der Lügerei, denn meine Mutter
schien mir die Vorstellung abzukaufen und ich versprach,
nicht mehr so lange Zeit zu brauchen, um mich zu melden.
Ich wollte ja nicht, dass sie sich auch noch Sorgen um mich
machten. Nichts sollte ihnen die Reise verderben und auf
keinen Fall durften sie auf die Idee kommen, früher nach
Hause zu kommen.
Erst als es Nacht war, wagte ich es, wieder nach unten
zu kommen. Istvan saß in der Küche. Er hatte Abendessen
für mich gemacht und wartete offensichtlich darauf, dass ich
kommen würde, um es zu vertilgen. Ich setzte mich still und
mit gesenktem Kopf zu ihm und begann, das belegte Brot zu
kauen, eher lieblos.
„Tut mir leid. Ich wollte dich wirklich nicht so anfahren.
Ich bin nur … Ich bin am Ende, Istvan“, gestand ich ihm. Ich
war es so leid, anderen etwas vorzumachen. Die Wahrheit zu
sagen, tat gut, trotz der bitteren, traurigen Botschaft, die aus
ihr sprach.
„Du musst dich nicht entschuldigen. Ich weiß genau, was
du meinst. Es ist, als wärst du schon ewig gelaufen und wärst
noch immer endlos weit von deinem Ziel entfernt“, murmelte
er vor sich hin. Er hatte damit genau ins Schwarze getroffen.
„Ja, genauso fühlt es sich an. Aber wenn es dir genau-
so geht, wieso hörst du dann nicht damit auf? Gib deinen
Widerstand endlich auf! Komm zu mir rüber, nimm mich in
den Arm“, flehte ich ihn an. Selbst meine Würde und Selbst-
achtung hielten mich jetzt nicht mehr zurück. Ich streckte
ihm meinen Arm entgegen. Er lag mit offener Handfläche
auf dem Holztisch. Mein verzweifelter Blick drängte sich in
seine grünen Augen.
„Joe, du weißt, dass ich es will. Ich möchte nichts lieber
tun, als meine Hand ausstrecken und sie in deine legen. Aber
es geht nicht darum, was ich will oder was ich noch alles er-
tragen kann. Ich muss jetzt das Richtige tun. Das Richtige
für dich“, flüsterte er und blickte traurig und verloren auf
meine Fingerspitzen, ohne sie zu berühren.
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Ich zog enttäuscht und verbittert meinen Arm zurück.
Eine weitere Zurückweisung, die die Kälte in mir erneut
hochkommen ließ.
Ich seufzte so laut, dass er es deutlich hörte. Er setzte
sich näher an mich heran. Schon glaubte, hoffte ich, er hätte
es sich anders überlegt. Aber so war es nicht. Er blickte mich
fest an.
„Joe, als du vorhin oben warst, hat sich Serafina gemeldet.
Es ist ein Wunder, aber sie hat gute Nachrichten. Ich hätte
dir schon längst davon erzählen sollen. Ich habe Serafina von
Farkas’ letzter Attacke erzählt. Da war sie schon auf dem Weg
nach Polen. Offenbar hat Woltan eine Bewegung im Rudel
beobachtet. Als Farkas wieder zu ihnen kam, machten sie
sich auf, das Lager abzubauen und weiterzuziehen. Serafina
und Woltan sind ihnen gefolgt. Sie haben ein neues Lager in
Weißrussland aufgeschlagen. Valentin hat die Zwillinge ab-
gestellt, um das Farkas-Rudel zu überwachen. Das Lager ist
sehr weit entfernt. Es ist unmöglich, dass sie bis zum nächs-
ten Vollmond kommende Woche angreifen können. Du bist
also vorerst sicher, zumindest vor ihm!“, erklärte er mir, wo-
bei er seine letzte Bemerkung fast verschluckt hätte.
Ich starrte gedankenverloren aus dem Fenster in die
dunkle Nacht.
„Joe, hörst du mir überhaupt zu? Hast du verstanden, was
ich dir gesagt habe?“, fragte er mich und ließ sich dabei et-
was zu mir rüber.
Ich sah ihn irritiert an. Sollte ich mich darüber freuen?
Fühlte ich mich erleichtert? Ich wusste es nicht, ich fühlte
es nicht.
„Ja, ich hab’s gehört. Würde es dich sehr schockieren,
wenn ich dir sage, dass es mir eigentlich egal ist?“, nuschelte
ich vor mich hin, müde und wehrlos.
„Natürlich. Wieso sollte es dir egal sein? Eine Bedrohung
weniger in deinem Leben. Du solltest erleichtert sein“, wun-
derte Istvan sich über meine unpassende Reaktion und sah
mich fassungslos an.
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„Na, wenn du meinst. Es fühlt sich nur nicht so an“, sagte
ich noch leise, bevor ich meinen müden Körper nach oben
schleppte und schlafen legte. Seit dem Zeitpunkt, als er mei-
ne ausgestreckte Hand verweigerte, hatte ich alles andere
nur noch durch einen dicken Schleier wahrgenommen, der
alle Empfindungen in mir dumpf und schal werden ließ.
Teilnahmslos betrachtete ich von da an meine Umgebung.
In dieser Nacht schlief ich unruhig, hatte jedoch keinen
Albtraum. Anders als sonst schlich ich mich dieses Mal nicht
nach draußen, um nach Istvan zu sehen. Ich betrachtete nicht
seinen schlafenden Körper auf dem Sofa wie sonst und ich ver-
suchte auch nicht, das Gefühl der Leere und der Einsamkeit
zu verdrängen. Ich ließ es zu, denn ich merkte, dass es mich
abstumpfte, und ich brauchte diese Gefühllosigkeit. Nur eine
Nacht lang würde ich mich in diesen Zustand hüllen. Nur
eine Nacht lang, nur um eine Nacht schlafen zu können.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war er bereits
weg. Die Bibliothek musste geöffnet werden. Nachdem Vik-
tor mich gestern daran erinnert hatte, dass es ein Leben gab,
das es zu führen galt, erinnerte ich mich auch daran, dass
ich schon länger nicht mehr den Anrufbeantworter abgehört
hatte.
Ich frühstückte und machte mich fertig für einen weite-
ren trostlosen Tag, der vor mir lag. Dann ließ ich das Band
des Anrufbeantworters ablaufen. Ich hatte nur ein paar An-
rufe meiner Eltern versäumt, wie ich ja bereits wusste. Zwei
Werbefirmen wollten mich mit ihren Angeboten locken und
mein Bruder hatte mich einmal an die jährliche Inspektion
des Autos erinnert. Doch dann hörte ich eine Nachricht,
die mich hellhörig machte. Carlas Stimme verdrängte den
dumpfen Schleier, in den ich noch immer eingehüllt war.
„Joe, ich wollte dich nur an die Verlobungsparty am Frei-
tag erinnern. Du weißt ja, dass du schon um fünf kommen
sollst. Ich brauche dich für die Vorbereitungen und zur mo-
ralischen Unterstützung. Wir sehen uns dann um fünf beim
Italiener. Und Joe: Bitte denk an deine Rede, du hast es ver-
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sprochen. Sieh es einfach als gutes Training für nächstes
Jahr. Tschüss.“
Ich hatte es völlig verdrängt. Die Verlobungsparty mei-
ner besten Freundin war in drei Tagen und ich hatte weder
die Rede fertig, noch war ich in der emotionalen Verfassung,
eine solche Feier durchzustehen. Ich würde keine Rede
schreiben. Jede Ansprache, die ich jetzt schreiben würde,
wäre von verstörender Natur. Deshalb beschloss ich, meine
Worte erst auf der Feier zu improvisieren. Die Umgebung
und der Blick auf Carla und Christian würden es mir leich-
ter machen. Aber sollte ich Istvan überhaupt von der Verlo-
bungsfeier erzählen? Ich erinnerte mich noch genau an seine
Reaktion auf Christians Antrag. Bei unserer gegenwärtigen
Anspannung schien es mir alles andere als eine gute Idee zu
sein, ihn mit dieser Nachricht zu belasten. Ich würde ihm
am Freitag eine Nachricht hinterlassen. Schließlich muss-
te ich jetzt, da Farkas keine unmittelbare Bedrohung mehr
für mich darstellte, nicht mehr so vorsichtig sein. Ich konn-
te wieder tun und lassen, was ich wollte, ohne von einem
Body guard beschützt zu werden. Das hatte gute und ebenso
schlechte Seiten. Denn Istvan lieferte ich damit die perfekte
Ausrede, sich noch mehr von mir fernzuhalten.
In der Nacht vor Freitag schlief ich bei ihm. Ich wurde in
der Nacht unsanft aus meinem leichten Schlaf gerissen, als
ich Istvans unruhiges Stöhnen hörte. Er wand sich im Schlaf
und atmete schwer. Immer wieder murmelte er gequält und
aufgebracht etwas vor sich hin. Ich konnte aber nicht verste-
hen, was er sagte. Besorgt lag ich neben ihm und registrierte,
wie sein Albtraum immer schlimmer zu werden schien. Ich
konnte nicht länger an mich halten und begann ihn sanft zu
schütteln. Beinahe hatte ich schon vergessen, wie warm und
weich sich seine Schulter anfühlte. Ich begann kräftiger an
ihm zu rütteln.
„Istvan, wach auf!“, flüsterte ich mehrmals angestrengt.
Plötzlich riss er die Augen auf und fuhr zu Tode erschro-
cken hoch. Er packte mich an der Schulter, seine grünen
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Augen durchbohrten mich. Mein Herz hämmerte verängs-
tigt, als ich seinen gehetzten Blick sah und seinen schweren
Atem auf meinem Gesicht fühlte.
„Es war ein Albtraum. Nur ein Albtraum“, versuchte ich
ihn zu beruhigen. Meine flüsternde Stimme drängte sich an
sein Ohr. Er musste noch im Halbschlaf sein, da er mich
nicht abwehrte. Er stammelte bestürzt vor sich hin.
„Du. Ich. Wir. So dunkel. So kalt. Wieder allein. So grauen-
haft.“
Seine grünen Augen brannten wie ein Phosphorfeuer aus
Traurigkeit und Angst. Ich legte sanft meine Wange an seine
und hoffte, es würde seinen rasenden Puls etwas senken. Er
schien sich langsam zu beruhigen, bis ihm bewusst wurde,
dass er zugelassen hatte, dass ich in seine Nähe kam. Blitz-
artig riss er mich zurück und floh, vor mir, auf seine Sei-
te des Bettes. Wieder taxierte er mich erschrocken. Er war
sich jetzt der Realität bewusst und drückte seinen Körper,
so weit wie möglich, von mir weg. Er kehrte mir den Rü-
cken zu und täuschte mir vor, dass er wieder eingeschlafen
wäre. Aber das ungleichmäßige Heben seiner Schulter be-
stätigte meinen Verdacht. Er machte mir etwas vor. Ich legte
mich ebenfalls zurück in meine Schlafposition und auch ich
täuschte die Ruhe des Schlafes vor. Am nächsten Morgen
tat Istvan so, als wäre nichts gewesen. Er erwähnte den Vor-
fall mit keinem Wort. Er stand vor mir auf und ging in die
Bücherei.
Am frühen Nachmittag desselben Tages machte ich mich
bereit für Carla und Christians Feier. Ich nahm mir den grü-
nen Faltenrock und suchte in meinem Schrank nach einem
passenden Oberteil, als meine Finger über das schwarze De-
signerteil glitten, das mir Istvan geschenkt hatte. Ich über-
legte lange, dann holte ich es hervor und streifte es über. Im
Spiegel passte das seidene Oberteil gut zum dunkelgrünen
Rock. Sogar mein Haar lag gut frisiert in sanften Wellen auf
meinen Schultern. Das Einzige, was mein Aussehen negativ
beeinflusste, waren die dunkelgrünen Flecken mit den gelb-
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lichen Rändern, die noch immer über meinem Hals verteilt
waren. Der Anblick ließ sofort Verzweiflung und Wut hoch-
kommen. Ich versuchte, mit zusammengepressten Augen
die zornigen Emotionen, die in mir brodelten, tief in mir zu
vergraben. Mit einer derartig traurigen Wut konnte ich doch
nicht auf Carlas Verlobungsparty erscheinen. Ich hatte mir
fest vorgenommen, diesen Abend Carla zu schenken und ihr
zuliebe die alte Freundin zu sein, die sie verdiente.
Bevor ich aus dem Haus ging, kramte ich noch in den
alten Sachen meiner Mutter und suchte nach ihrem dunkel-
grünen Tuch mit silbernen Fäden darin. Er war schick genug
für eine Feier und hatte eine silberne Brosche, die den Stoff
fest genug um meinem Hals zusammenhielt, damit niemand
meine verdammten Male zu sehen bekam. Erleichtert fand
ich ihn und legte das Tuch über. Istvan würde nach der Öff-
nungszeit vorbeikommen, um mich abzuholen. Doch dieses
Mal würde ich nicht da sein. Mit einem Stift aus meiner
Handtasche und einem kleinen Klebezettel schrieb ich ihm
eine kurze Nachricht, die ich auf die Tür klebte.
„Bin bei Carlas Verlobungsfeier. In Wart. Kann nicht sa-
gen, wann ich zurück sein werde. Warte nicht auf mich. J.“
Ich stieg ins Auto und fragte mich, wie er meinen Allein-
gang wohl aufnehmen würde. Vermutlich wäre er froh, dass
ich anfing, ihn zu meiden. Schon der Gedanke, dass er wirk-
lich so reagieren könnte, beunruhigte mich, obwohl ich es
war, die den ersten Schlag austeilte. Ich kam mir nicht nur
kindisch vor, ich war kindisch. Das machte also ständige Zu-
rückweisung aus einer Frau oder zumindest aus mir: eine
infantile Idiotin.
Als ich um Punkt fünf vor dem italienischen Restaurant
in Wart ankam, das am anderen Ende des Parks lag, nur ein
paar Meter von unserem Lieblings-Chinesen entfernt, konn-
te ich schon von draußen Carla erkennen, die mit hektischen
Gesten die Kellner herumscheuchte. Sie machte auf mich
einen nervösen Eindruck. Ich öffnete die gläserne Flügeltür
und stürmte zu ihrer Unterstützung an ihre Seite.
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„Hi, wie ich sehe, hast du die Kellner bereits unter deiner
Fuchtel“, scherzte ich und lächelte etwas überzogen. Ich war
dabei, mich in die richtige Stimmung zu zwingen.
„Oh, Gott sei Dank, du bist da. Hi! Ich bin schon jetzt
ein nervliches Wrack. Der Koch sagte mir gerade, dass er zu
wenig Erdbeeren bestellt hat“, schrie sie mir förmlich ent-
gegen.
„Carla, das hier ist deine Verlobungsparty. Geh nach oben,
zieh dir das Kleid an, das du so panisch unter deine Achseln
geklemmt hast, und lass die Leute ihre Arbeit machen. Alles
wird gut gehen. Los, geh jetzt!“, befahl ich ihr und deutete
auf die Treppe zu den Gästezimmern.
Sie gehorchte und stürmte, noch immer aufgeregt, in den
ersten Stock. Es tat gut, mal jemand anderen zu trösten und
das Kommando über ein Chaos zu übernehmen, das man
leichter in Ordnung bringen konnte. Während Carla und
Christian sich nun fertig machten, sorgte ich dafür, dass der
Buffet-Aufbau nach Carlas Wunsch arrangiert wurde und die
Tischkarten und alles andere am richtigen Platz landeten.
Als Carla und Christian gegen sieben ihre Gäste begrüß-
ten, hatte ich es geschafft, mich so sehr in den Party-Ablauf
zu verstricken, dass ich mit möglichst wenigen Leuten spre-
chen musste. Carla wurde so in Beschlag genommen, dass
ich bis zum Essen kaum mit ihr geredet hatte. Es war schön,
Carla so nervös und glücklich zu sehen, und ich hatte genug
Beobachtungen und Eindrücke, damit meine Rede nicht von
meiner eigenen Stimmung überschattet sein würde. Nach
dem Essen, das ich zum größten Teil nicht angerührt hatte,
unterhielt ich mich mit Carlas Mutter Lilly. Ich sorgte da-
für, dass sie den Löwenanteil des Gesprächs übernahm. Das
war nicht schwer, immerhin platzte sie vor Glück und Stolz
und ich war heilfroh, dass ich nur lächeln und zustimmend
nicken musste. Als wir das Dessert hinter uns hatten, schlug
ich auf die Gläser und läutete damit den lockeren Teil des
Abends ein. Ich musste lediglich noch meine Rede hinter
mich bringen.
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„Darf ich um Aufmerksamkeit bitten“, bat ich und schlug
dabei mit der Gabel ans Glas. Ich wunderte mich über mich
selbst, anscheinend war ich wieder im Autopilot-Modus.
„Heute feiern wir die Verlobung von Carla und Christian.
Es gibt kaum zwei Menschen, die einander mehr verdienen,
als ihr beide euch. Carla, du bist die beste Freundin, die
ich mir vorstellen kann, und deine Herzensgüte und Wärme
werden dich überallhin begleiten, auch in dein neues Leben
an Christians Seite. Christian, noch niemand hat Carla so
glücklich gemacht wie du. Und auch wenn ich dich noch
nicht so lange kenne, weiß ich ganz genau, dass du jemand
bist, der immer für sie da sein wird. Ich wünsche euch Glück,
Liebe, Vertrauen und dass ihr einander nie in den Wirren des
Lebens verliert. Auf Carla und Christian!“, brachte ich den
Toast aus und nahm einen Schluck von dem Sekt.
Ich hatte meine Rede ganz passabel überstanden. Ledig-
lich am Ende drohte ich eine wenig in meine Verzweiflung
abzustürzen, aber Carlas strahlender Blick in meine Augen
verhinderte das Schlimmste.
Ich war eigentlich recht überzeugend bei meiner Aufga-
be. Immerhin hielt ich nach meiner Ansprache noch zwei
Stunden durch. Es half, dass offenbar die wenigsten ein
brennendes Verlangen verspürten, mit mir zu sprechen. Ein
paar Gäste gratulierten mir zur Rede und ein paar Mal stahl
sich Carla in meine Richtung, um mir zu gestehen, dass sie
jetzt lieber mit Christian allein sein würde. Ich stimmte ihr
verständnisvoll zu. Diesen Wunsch konnte ich mehr als nur
nachvollziehen. Ich schlug vor, ihr den Rücken zu decken,
damit sie mit Christian kurz verschwinden konnte. Als sie
dann wieder zurückkamen und beide grinsend strahlten,
fühlte ich etwas völlig Unbekanntes. Den Stachel der Eifer-
sucht. Ich war neidisch, nicht auf die Verlobung oder die
bevorstehende Heirat, aus beidem machte ich mir nicht viel.
Ich war eifersüchtig auf ihre vertraute Nähe, auf die ich stän-
dig verzichten musste, seit Istvan mich zu meinem eigenen
Besten mied. Genau in dem Moment, als ich mich in diese
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düsteren Gedanken verstrickte, entdeckte ich Istvan auf der
anderen Straßenseite. Zuerst glaubte ich an eine Halluzina-
tion oder einen Tagtraum, aber als er über die Straße ging, in
meine Richtung, in aller Öffentlichkeit, war ich mir sicher,
dass es wirklich geschah. Istvan tauchte auf der Verlobungs-
party von Carla auf. Hatte er vollkommen den Verstand ver-
loren? Wollte er die Party sprengen? Doch ich irrte mich.
Er machte keine Anstalten hereinzukommen. Er stand auf
der Straße und starrte mich durch die Glastür von draußen
an. Istvan wartete offensichtlich auf mich. Ich sollte zu ihm
nach draußen kommen. Ich sah mich hektisch um, drängte
mich an die Wand, nahm mir nicht einmal die Jacke und
ging nach draußen. Es schien niemandem aufzufallen. Als
ich die eiskalte Nachtluft an meinen Beinen fühlte, bekam
ich Gänsehaut. Ich versuchte etwas zur Seite zu gehen, so-
dass die Leute von drinnen uns nicht gleich sehen konnten.
„Was zur Hölle machst du hier, Istvan?“, fuhr ich ihn er-
schrocken an und versuchte zu flüstern.
„Ich musste kommen. Deine Nachricht hat mich beun-
ruhigt. Wieso hast du mir nicht vorher erzählt, was du heu-
te Nacht vorhaben würdest?“, wollte er von mir wissen und
starrte mich anklagend an.
„ Kannst du dir das nicht denken? Ich habe es satt, meinen
Leibwächter ständig über meinen Aufenthaltsort zu infor-
mieren. Meinem Istvan hätte ich es erzählt, aber nicht mei-
nem Bodyguard. Du warst es doch, der entschieden hat, dass
wir von nun an nur noch … Was genau sind wir jetzt eigent-
lich? Klär mich doch bitte einmal auf!“, forderte ich von ihm.
Meine Stimme war hart und scharf. Ich hatte meine Zunge
nicht mehr unter Kontrolle.
„Du bist die Frau, die ich über alles liebe. Du bist die
Frau, die ich nicht verlieren will. Aber ich kann nicht mehr
derselbe Mann für dich sein. Du weißt doch, dass ich das
alles nur tue, um dich zu schützen, auch wenn du es hasst. Es
ist nicht das, was ich will, es ist aber das, was ich tun muss“,
erklärte er mir und ich hörte an seiner tiefen Stimme, dass
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er an einer Aussprache interessiert war, ohne dabei aber von
seiner Überzeugung abzuweichen.
„Hörst du mir eigentlich zu? Ich will deinen Schutz nicht.
Ich hasse das. Ich will dich. Eigentlich sollte ich da drinnen
sein und mich für Carla freuen, wirklich Freude empfinden,
aber ich kann mich kaum zusammennehmen. Ich muss mich
in jeder einzelnen Minute davon abhalten, laut zu schreien.
Ich kann bald nicht länger. Ich bin kurz davor, in Tränen aus-
zubrechen. Und du stehst hier und gönnst mir nicht einmal
eine einzige Umarmung! “, klagte ich ihn an und schluchzte
bereits mit gebrochener Stimme. Meine Hände verschränkte
ich vor der Brust, um wenigstens etwas Halt und Wärme zu-
sammenzuraffen. Nachdem ich die schmerzhafte Wahrheit
aus mir herausgepresst hatte, tat er einen Schritt auf mich
zu und sah mich mit einem warmen Blick an, der mir fast
wie eine Umarmung aus grünen Augen vorkam. Aber es war
nicht genug. Ich wollte tatsächlich seine Haut fühlen, sei-
nen Geruch einatmen und seine Wärme spüren. Ich wollte,
dass er meine Tränen trocknete, und wollte nicht selbst über
meine nasse Wange wischen. Er starrte schweigsam und zer-
rissen in mein Gesicht.
„Ich will dich nicht brauchen, aber ich brauche dich.
Ich wünsche mir, mehr als alles andere, dass du mich in
den Arm nimmst. Es ist mir völlig egal, wie gefährlich oder
falsch es ist. Es ist immerhin auch meine Entscheidung und
ich entscheide mich für uns!“ Trotz meiner Tränen sprach
ich klar und wild entschlossen. Ich machte einen Schritt
auf ihn zu, dann noch einen. So lange, bis ich dicht genug
vor ihm stand, um ihn zu küssen. Ich versuchte nicht, mit
den Händen nach ihm zu fassen, sondern ließ lediglich mei-
ne Lippen in seine Nähe kommen. Mein Mund hatte sei-
nen Mund beinahe schon erreicht, ich atmete nach langer
Zeit wieder seinen Atem ein. Doch ehe ich ihn tatsächlich
berührte, zog er sich wieder von mir zurück, genauso ent-
täuscht und aufgebracht. Er seufzte laut, dann fuhr er mich
erschrocken an:
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„Verstehst du nicht? Ich kann dich nie wieder anfassen.
Nie wieder. Nicht nachdem, was ich getan habe, Joe!“ Mein
Name klang aus seinem Mund plötzlich nicht nur wie eine
Anklage, sondern wie ein unabwendbares Urteil. Ich war
verletzt und fühlte mich von dem Mann zurückgewiesen,
den ich liebte. Seine Worte schnitten mir wie ein sengendes
Schwert tiefe Wunden in meinen erschöpften Körper.
„Wieso bist du dann überhaupt gekommen?“, klagte ich
und stöhnte jetzt unkontrolliert, während die Tränen weiter
flossen.
„Weil ich nicht anders konnte. Ich kann nicht fernbleiben,
aber ich kann auch nicht zulassen, weiterhin deine Nähe zu
suchen“, flüsterte er jetzt.
Sein Blick war immer auf mich geheftet. Während wir uns
auf eine Armlänge Entfernung gegenüberstanden, schwiegen
wir uns jetzt an. Und das erste Mal war es tatsächlich ein un-
angenehmes Schweigen. Wir hatten nichts mehr zu sagen. Ich
bemerkte, dass auch in seinen Augenwinkeln der Tränenfilm
darum kämpfte überzutreten. Ich wollte nicht mehr hier sein
und war gerade dabei, mich umzudrehen, da bemerkte ich,
dass seine Hand nach mir griff. Und obwohl ich den ganzen
Abend darum gebettelt hatte, war ich es jetzt, die zurückwich.
Ich konnte nicht einmal sagen, wieso. Aber als er meine Re-
aktion und meinen Blick dabei registrierte, wandte er sich
schnell von mir ab und ging wieder dorthin, wo er hergekom-
men war. Ein leeres Gefühl der Angst überkam mich, als ich
ihn jetzt in die Nacht verschwinden sah. Was hatte ich getan?
Wieso hatte ich die Gelegenheit nicht wahrgenommen? Hat-
te mein Stolz verhindert, die letzte Chance wahrzunehmen?
Mit jedem Schritt, den er sich mehr von mir entfernte, fühlte
ich seine Traurigkeit und meine Einsamkeit. Ich konnte kein
Licht mehr am Ende des Tunnels erkennen. Ich wischte mir
nicht einmal die verräterischen Tränenspuren aus dem Ge-
sicht, als ich leblos wieder nach innen stolperte. Eine leise
Stimme in mir sagte, dass ich vermutlich die letzte Gelegen-
heit verpasst hatte, das Blatt noch zu wenden.
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