18. Gold und Silber

Nach unserem allzu kurzen Stadtausflug waren wir wieder

zu Hause und lagen nun, ein paar Tage danach, in Istvans

Bett. Es war spät am Nachmittag und ich hatte dort auf ihn

gewartet. Ich konnte kaum erwarten, dass er von der Biblio-

thek nach Hause kommen würde. Meine Ungeduld stieg ins

Unermessliche. Ich war besessen von dem Gedanken, jede

Stunde auszunutzen, die mir noch blieb. Schließlich waren

es nur noch vier Tage, bevor ein neuer Vollmondzyklus begin-

nen würde. Istvan würde dann nicht mehr so unbeschwert

sein. Mit jedem weiteren Tag, der verging, konnte ich fühlen,

wie Nervosität und Gereiztheit in ihm weiter anstiegen. Er

hatte Angst, das System könne in diesen Nächten versagen,

und es gefiel ihm so gar nicht, dass er dann nur seinen Wolfs-

körper hatte, in dem er auf mich aufpassen musste. Ich ver-

suchte ständig ihn zu beschwichtigen, jedoch ohne Erfolg.

Doch die letzten Tage, die mir noch blieben, wollte ich bei

ihm verbringen, ohne dass seine Bodyguardpflichten ihn da-

von abhielten, mir zu geben, was ich dringender brauchte als

seinen Schutz. Ich sehnte mich nach seiner menschlichen

Nähe, auch wenn er Probleme hatte, das Wort menschlich

auf sich selbst zu beziehen. So sah ich ihn nun mal. Trotz

allem, auch wenn ich ihn mittlerweile öfter in seiner Wolfs-

form gesehen hatte, blieb er für mich immer ein Mann. Es

war schließlich eindeutig ein Mann, der mich in diesem Ho-

telzimmer geliebt hatte. Davon konnte mich nichts abringen,

nicht einmal Istvan selbst.

Als ich hörte, wie hinter ihm die Tür ins Schloss fiel, fuhr

ich im Bett hoch. Ich hatte mir schon die Jeans ausgezogen

und saß mit meinen weißen Shortys und dem weißen T-Shirt

zwischen seinen Laken. Meine Haare trug ich locker zu-

308

sammengebunden. Er musste erst gar nicht lange nach mir

suchen. Seine Sinne hatten mich schon von der Tür aus aus-

gemacht, vielleicht sogar schon von der Veranda aus. Dessen

war ich mir nun überdeutlich bewusst, als er im Türrahmen

lehnte und mich mit einem anzüglichen Blick begrüßte.

„Ich glaube, der Gedanke, dass du auf mich im Bett war-

test, wenn ich nach Hause komme, gefällt mir außerordent-

lich“, neckte er mich und lehnte dabei mit der Stirn am Tür-

rahmen, um sein breites Grinsen zu verdecken.

„Und mir gefällt der Gedanke, dass du mich hier findest“,

gab ich zurück und streckte meinen Arm nach ihm aus.

Er ließ die Bücher, die er unter dem linken Arm trug, auf

den Boden fallen und stürmte zu mir. Istvan ergriff sofort

meine ausgestreckte Hand und zog mich, beinahe schmerz-

haft ungestüm, zu sich. Auf den Knien umarmte ich ihn

fest und küsste seinen Nacken. Wieder einmal bemerkte

ich seinen flatternden Puls, der unter der Haut galoppier-

te, der Puls eines auf Jagd ausgerichteten Raubtieres und

des Mannes, den ich begehrte. Wir küssten uns. Seine bren-

nend heißen Lippen brannten auf meiner dünnen Lippen-

haut. Die Temperatur seines Körpers hatte bestimmt schon

die Vierzig-Grad-Marke überschritten. Ich fragte mich, ob er

den leichten, warmen Druck meiner Lippen überhaupt noch

fühlen konnte oder ob mein Kuss für ihn kühl sein musste?

Ich wollte es diesmal genau wissen.

„Istvan, sag mal, wie ist es eigentlich für dich, wenn ich

dich küsse? Ich meine, jetzt kurz vor einem Vollmond. Fühle

ich mich da für dich eigentlich kühl an?“, fragte ich und mach-

te dabei bestimmt einen zu neugierigen Eindruck auf ihn.

„Fragst du mich das im Ernst. Für mich sind deine Küsse

das Feurigste, was es gibt!“, gestand er mir und wirkte ab-

solut ehrlich und ein wenig irritiert darüber, dass ich daran

zweifelte.

„Aber wie ist das möglich? Ich habe schließlich so um die

36 Grad und ein bisschen mehr, wenn ich dir ganz nahe bin.

Doch ich müsste dir eigentlich kühl vorkommen“, merkte ich

309

an und versuchte, mir einen vernünftigen Grund dafür zu

überlegen.

„Valentin hat mir mal ganz im Vertrauen etwas gestanden.

Zu dem Zeitpunkt war für ihn klar, dass ich mich wohl nie

mit einer Frau unserer Art einlassen würde, und er wollte mir

verständlich machen, wie es wäre, mit einer Menschenfrau

zusammen zu sein. Damals hielt ich den Gedanken für völlig

abwegig. Ein Irrtum, wie sich jetzt herausgestellt hat!“, merk-

te er grinsend an und legte sich zu mir. Sein Körper streckte

sich auf dem Bett aus, ehe er fortfuhr.

„Valentin meinte, dass unsere hohe Körpertemperatur eine

Notwendigkeit ist, um die Verwandlung und die Wolfsform

zu ertragen. Da wir aber ebenso menschliche wie animalische

Instinkte haben, interpretiert unser Körper in den meisten

Fällen je nachdem, ob es sich um menschliche Eindrücke

handelt oder nicht. Er vermutet, dass, wenn wir mit einer

Frau zusammen sind, unsere menschlichen Instinkte so sehr

durchbrechen, dass wir beinahe vollkommen Mann sein dür-

fen. Deshalb fühlen wir ihre Körperwärme, als würde sie fast

unserer eigenen entsprechen“, beendete er seine Ausführun-

gen und küsste mich daraufhin sehr leicht auf den Mund.

„Siehst du! Warm und einladend, genau wie ich vermutet

hatte“, kommentierte er den Eindruck meines Kusses und

fuhr fort, mich zu küssen, während ich mit meinem Finger in

einem gleichbleibenden Rhythmus über seinen Rücken fuhr

und die Form seines Schulterblattes nachformte.

Das unerwartete Klingeln meines Handys riss mich aus

unserer Trance. Ich versuchte, unter Istvans Körper hin-

durchzuschlüpfen, um nach meiner Jeans auf dem Boden zu

fassen. Ich wühlte in meiner Tasche und holte das silberne,

bimmelnde Handy heraus. Bevor ich es aufklappte, sah ich

nach, wer mich anrief. Es war Christian, was mich sehr er-

staunte. Denn eigentlich rief er mich nie an. Er hatte meine

Nummer nur für Notfälle, zur Sicherheit. Ich klappte mein

Mobiltelefon auf und drückte es an mein Ohr.

„Christian? Hallo, wie geht es euch?“, fragte ich rasch.

310

„Hi, Joe. Es geht uns gut. Du wunderst dich bestimmt,

wieso ich dich anrufe.“ Seine Stimme klang irgendwie zer-

streut, fast nervös. Aber wieso sollte er nervös sein, wenn er

mit mir telefonierte?

„Schon, ein bisschen. Was gibt es denn?“, fragte ich irritiert.

„O. k., dann wird es jetzt amtlich. Ich werde Carla einen

Antrag machen“, gestand er und wirkte etwas erleichtert.

„Oh mein Gott. Das sind ja unglaubliche Neuigkeiten.

Wann? Und … Moment mal, wieso erzählst du es mir als

Erster?“, fragte ich nun völlig überrumpelt. Istvan beäugte

die ganze Zeit meine Reaktionen vom Bett aus. Ich war nicht

sicher, ob er Christians Stimme hörte. Vermutlich schon.

„Ich brauche deinen Rat, deine Hilfe, deswegen muss

ich dich zuerst einweihen. Ich möchte morgen einen Ring

kaufen gehen und wäre dir unendlich dankbar, wenn du mir

dabei unter die Arme greifst.“

„Du willst tatsächlich, dass ich dir helfe, Schmuck aus-

zusuchen?“ Die Verwunderung war meiner Stimme tatsäch-

lich anzumerken. Aber ich war nun mal alles andere als

eine Schmuckexpertin. Ich trug nie welchen, so gut wie nie

jedenfalls.

„Ja, aber du kennst sie doch schon ewig. Ich möchte un-

bedingt den richtigen Ring. Ich muss immerhin dafür sor-

gen, dass sie Ja sagt.“

„Wenn das so ist. Also gut. Natürlich helfe ich dir. Wann

und wo treffen wir uns?“, fragte ich nach.

„Wie wäre es so gegen viertel fünf beim oberen Juwelier

in Wart. Ich komme gleich nach der Arbeit dorthin. Passt

das?“, wollte er wissen.

„Ja. Ich habe morgen Redaktionssitzung. Die dürfte um

vier zu Ende sein. Ich komme danach auch gleich zum Juwe-

lier. Also bis dann. Und Christian – das freut mich wirklich.

Carla wird ausflippen.“

„Das hoffe ich auch. Danke dir. Bis morgen.“ Christian

legte auf und wirkte sichtlich erleichtert, dass er mich über-

zeugen konnte.

311

Ich ließ das Handy auf die Jeans zurückfallen und kroch

wieder zu meinem warmen Istvan, der etwas abgelenkt wirk-

te, als ich mich wieder an seine Seite legte.

„Was ist? Hast du wieder meine Privatgespräche bespit-

zelt?“, scherzte ich und merkte, dass ihm nicht nach Lachen

zumute war.

„Christian ist ein Glückspilz“, sagte Istvan traurig.

„Wieso, weil er Carla heiraten wird?“, fragte ich ihn und

wollte doch seine Antwort nicht wirklich hören, denn der

überschattete Blick seiner Augen gefiel mir gar nicht.

„Nein, weil er für die Frau, die er liebt, einen Ring kaufen

kann und darüber ganz offen sprechen darf. Sie sind beide

Glückspilze, denn er wird sie glücklich machen und nicht in

Gefahr bringen.“ Die bekümmerte Stimmung, die plötzlich

über ihn kam, machte mir Angst.

Ich setzte mich nun auf seinen Bauch und kam mit mei-

nem Gesicht ganz nahe an ihn heran. Meine Haarspitzen

kitzelten seine Schultern. Ich blickte fest und direkt in seine

smaragdgrüne Iris.

„Ich freue mich ungemein für die beiden. Und doch, ich

würde für kein Geld der Welt mit ihnen tauschen. Ich bin

glücklich mit dem, was ich habe. Ich will nur dich. Ich brau-

che keine öffentlichen Bekundungen oder Goldschmuck.

Alles, was ich brauche, ist hier in diesem Raum!“, stellte ich

klar und küsste zur endgültigen Bekräftigung die Haut seiner

Wangenknochen. Sein verfinsterter Blick hellte sich etwas

auf, und als er mich wieder in die Arme nahm, war ich wie-

der beruhigt. Obwohl ein leises Gefühl der Unruhe an mir

haften blieb.

Ich blätterte etwas gelangweilt in der Zeitung, während ich

vor dem Juwelier auf Christian wartete. Die Redaktionssit-

zung war unspektakulär verlaufen. Ich bekam einige Termine

im Voraus und zurzeit war im Bezirk nicht viel los. So konn-

te ich mich über die neuen CDs hermachen und mich auf

die Vorbereitungen der Vollmondnacht konzentrieren, auch

312

wenn es für meinen Kontostand eine eher schlechte Nach-

richt war. Die Wetterseite in der Tageszeitung erinnerte mich

abermals daran, dass es lediglich drei Tage bis zur nächsten

ersten Vollmondnacht waren. Ich wünschte mir, den gelben

Anteil in der Mondphase-Darstellung nur etwas verschmä-

lern zu können. Aber dieser Wunsch würde unerfüllt blei-

ben. Als ich die Zeitung in meiner Umhängetasche verstaute,

kam auch schon Christian vom Parkplatz auf mich zu. Er war

der Typ von Mann, der problemlos als Katalogmodell arbei-

ten könnte, wäre er nicht Arzt geworden. Er war nur ein paar

Jahre älter als Carla und ich. Sein gutes Aussehen hatte sehr

viel mit der Gleichmäßigkeit seiner Züge zu tun. Er hatte

sehr feine, schmale Lippen. Eine zarte Nase und ein ebenso

fragiles Kinn. Obwohl er schon fast dreißig war, konnte man

bei ihm kaum einen Bartwuchs ausmachen. Dadurch schien

er immer auszusehen wie ein glücklicher Junge, der wollte,

dass auch alle um ihn herum glücklich sein sollten. In diese

Eigenschaft hatte sich Carla verliebt. Davon hatte sie mir

nach ein paar Wochen erzählt. Und jetzt würden wir gleich

ihren Verlobungsring aussuchen. Es war schier unglaublich.

Christian kam auf mich zugelaufen. Er trug eine dunkle

Stoffhose und ein weißes Hemd. Zur Begrüßung umarmte er

mich kurz und ich merkte, dass er am Rücken einen riesigen

Schweißfleck hatte.

„Hi! Danke, danke. Ich muss gestehen, zurzeit bin ich ein

nervliches Wrack.“

„Das erklärt den Schweißfleck. Hi! Jetzt schon kalte Füße

oder nur Panik?“, fragte ich und sah ihm die Anspannung

an. Seine Augen waren zusammengekniffen und er wirkte

verspannt.

„Nur Panik, keine Sorge. Es wird mir besser gehen, wenn

ich den Ring habe. Dann frage ich sie noch heute oder mor-

gen. Je früher, desto besser.“

„Alles klar. Dann sorgen wir mal dafür, dass du dich wie-

der beruhigst und Carla ihren Ring bekommt“, schlug ich vor

und hielt ihm die Tür auf.

313

Das Juweliergeschäft war sehr schmal und dennoch hell.

Das zusätzliche Licht kam von den Schauvitrinen, die den

Schmuck beleuchteten. Beim Eintreten wurden wir sofort

freundlich begrüßt, und als uns die Verkäuferin, eine kleine,

adrette Blondine, fragte, ob wir Hilfe bräuchten, sahen wir

beide, dass Christians Gesicht die Frage hinlänglich beant-

wortete.

„Der Herr sucht einen Verlobungsring für seine Freun-

din“, erklärte ich ihr und übernahm das Kommando, damit

Christian genug Zeit hatte, wieder zur Besinnung zu finden.

Der Verkaufsprofi führte ihm natürlich gleich die passenden

Stücke auf einer weißen Schaumstoffauflage vor und erklär-

te ihm die verschiedenen Schliffvarianten, die ihm nicht viel

sagten und mir lediglich bekannt vorkamen. Christian nahm

drei Modelle in die engere Auswahl. Einen Platinring mit

einem protzigen, eckigen Stein in der Mitte, der rosa schim-

merte. Einen Goldring mit einem klassischen Diamanten im

Prinzessinnenschliff und einen Goldring mit einem tropfen-

förmigen Stein, der mir überhaupt nicht gefiel und von dem

ich fest überzeugt war, dass auch Carla ihn scheußlich fin-

den würde. Ich zeigte auf ihn und schüttelte mit verzogenem

Gesicht den Kopf. Christian legte ihn zur Seite und hielt die

übrigen beiden Ringe fest in der Hand.

„Das musst du jetzt wissen. Sie sind beide toll. Der gol-

dene ist aber etwas schlichter und klassischer“, fasste ich

zuletzt zusammen.

Er überlegte lange und übergab schließlich genau diesen

Ring der Verkäuferin zum Einpacken. Die Ringfrage geklärt

zu haben, gab ihm seine Selbstsicherheit wieder. Seine ganze

Körperhaltung veränderte sich.

„Ich danke dir, Joe. Ich denke, wir haben genau den rich-

tigen ausgesucht. Findest du nicht?“

„Ja, bestimmt. Er wird sie umhauen. Für den Rest musst

du sorgen.“

„Das werde ich. Ich reserviere gleich einen Tisch für heu-

te Abend. Du entschuldigst kurz.“

314

Die Verkäuferin ging nach hinten, um die Rechnung fer-

tig zu machen, während Christian draußen telefonierte und

sich dabei das Dauergrinsen nicht verkneifen konnte.

Ich blieb allein in den Geschäftsräumen zurück und sah

mich um. Es wurde sehr viel edler Schmuck präsentiert, von

dem ich mir nichts leisten konnte. Daneben gab es auch

preiswerteren Silberschmuck und eine kleine Auswahl an

Modeschmuck, die man nur ganz hinten fand.

Ich sah mir die Silberteile genauer an und ließ meinen

Blick über die blinkenden Reihen wandern, bis ich auf eine

Gruppe von Medaillons stieß. Eigentlich handelte es sich

dabei eher um Silberscheiben mit einem verzierten Rand.

Sie hatten einen Durchmesser von etwa vier Zentimetern.

Auf ihrer Oberfläche waren kleine Kristalle eingefasst, die

verschiedene Sternbilder imitierten. Ich konnte Kassiopeia

ausmachen, den großen Wagen und daneben lag ein Modell

mit meinem Lieblingssternbild, dem Orion. Ich musste die-

sen Anhänger und die Kette unbedingt haben. Es war das

perfekte Geschenk für Istvan. So könnte ich mich endlich

bei ihm für die Oper erkenntlich zeigen. Dass ausgerechnet

Orion darauf abgebildet war, machte es zum perfekten Re-

vanche-Geschenk für jemanden, der seinen Geburtstag nie

feierte. Als die Verkäuferin zurück war, fragte ich nach dem

Preis. Es war nicht allzu teuer, genau, was ich mir leisten

konnte. Ich nahm es und sie packte es mir in einen schwar-

zen Samtbeutel. Nochmals sah ich mir die Länge der silber-

nen Kette an, um sicher zu gehen, dass Istvan sie auch um

den Hals tragen konnte, wenn dieser etwas dicker und fell-

besetzter sein würde. Die Länge schien gerade recht.

Christian kam gerade herein, um zu bezahlen, als ich die

kleine Medaille in meiner Tasche verschwinden ließ, damit

er mich nicht danach fragen konnte. Es war ein eindeutiges

Schmuckstück für einen Mann und ich wollte keine Lüge

über den Beschenkten auftischen, also war Verheimlichung

das Beste. Die Zahlung war schnell erledigt und so waren wir

beide bald mit unseren Liebesgaben aus der Tür. Ich brach-

315

te Christian schnell zum Wagen und wir beide konnten uns

das ständige Lächeln nicht verkneifen, auch wenn ich zwei

Gründe hatte, um zu lächeln.

„Ich wünsche dir viel Glück. Es wird bestimmt alles gut

gehen. Du wirst sehen!“, versuchte ich ihm noch Mut zu ma-

chen.

„Denkst du wirklich?“, fragte er aufgeregt nach.

„Hey, ihr zwei seid doch wie Pech und Schwefel!“, sagte

ich noch schnell und boxte ihn aufmunternd auf den Ober-

arm, bevor ich mich verabschiedete und zu meinem eigenen

Wagen ging.

Am selben Abend kam ich etwas verspätet zu mir nach

Hause. Ich aß schnell eine Kleinigkeit aus dem Kühlschrank,

mehr um mein Magenknurren verstummen zu lassen als aus

Hunger. Dann holte ich Istvans Geschenk aus der Tasche

und legte es auf den Küchentisch. Ich musste es ihm heute

Abend noch geben, dessen war ich mir sicher. Morgen wäre

er schon zu beschäftigt mit seinen Vorbereitungen, um mein

Geschenk annehmen zu können. Für mich war es eine Fü-

gung des Schicksals, dass ich gerade zu diesem Zeitpunkt

auf genau dieses Schmuckstück gestoßen war. Wie oft schon

hatte ich in Zusammenhang mit Istvan an Orion gedacht?

Es passt einfach zu perfekt. Ich war mir aber nicht sicher,

ob ich den Mut haben würde, ihm zu gestehen, was ich ihm

gestehen wollte. Ob ich ihm begreiflich machen könnte,

was es für mich bedeutete, ihm dieses Symbol zu schenken?

Christian würde in dieser Nacht nicht der Einzige sein, der

um ein Liebesgeständnis ringen würde und um die richtigen

Worte dafür.

Eigentlich hatte ich versprochen, schon um acht zu ihm

zu kommen. Doch ich wollte, dass alles richtig sein würde.

Angefangen mit meinem Äußeren. Ich badete lange und ver-

suchte, keine Badezusätze zu verwenden. Istvan mochte es

nicht, wenn irgendwelche Duftstoffe meine eigenen Gerü-

che überdeckten. Ich hatte sogar angefangen, ausschließlich

ein Pfirsichshampoo zu benutzen, da er sagte, es wäre das

316

Einzige, was sich mit meinem eigenen Haarbouquet vertrü-

ge. Nach dem Bad legte ich meine Haare in exakte Locken.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich es hinbekam. Ich hatte

mir, nachdem ich vom Juwelier weggegangen war, ein dun-

kelrotes Top gekauft, das einen tiefen Ausschnitt hatte. So

etwas trug ich sonst nie. Es passte aber perfekt zu meiner

dunkelblauen Jeans und ich wusste, ihm würde ich so gefal-

len. Bevor ich ging, färbte ich noch meine Lippen kirschrot

und legte etwas hellen Puder auf. Der kurze Blick in den

Spiegel zeigte es überdeutlich. Ich sah aus wie jemand, der

etwas Bestimmtes vorhatte. Bei jedem anderen hätte man

vermutet, dass er nur sehr gut aussehen wollte. Aber jeder,

der mich kannte, wusste, dass dieser Aufzug die Ausnahme

war und bestimmt nicht alltäglich. Aber es kam gar nicht in-

frage, dass ich ihm mein Geschenk anders überreichte. Ich

wurde nervös, als ich mich auf den Weg machte. Der Kies

und die Erde des Waldpfades unter mir waren deutlich zu

hören, als ich in der Dunkelheit auf meinem vertrauten Weg

wandelte, den schwarzen Samtbeutel fest in der Hand, die in

der schwarzen Manteltasche steckte. Ich prüfte immer wie-

der die Schwere des Beutels und seines Inhaltes, indem ich

es mit der Hand abwog, während ich die Worte meiner Rede

im Geist wiederholte. Selbst in meinen Gedanken klangen

manche Passagen krumm und langsam bekam ich das Ge-

fühl, dass ich es nicht richtig hinkriegen würde. Ich würde

es verpatzen. Der Gedanke war unerträglich, dass es mir viel-

leicht nicht gelingen könnte, ihm angemessen meine Liebe

zu gestehen. Ich konnte mit Worten dieser Art schon immer

schlecht umgehen. Deshalb war ich so froh, die Silberme-

daille gefunden zu haben. Sie war das perfekte Symbol mei-

ner Gefühle für Istvan und ich hoffte, sie könnte mir helfen,

meine Empfindungen zum Ausdruck zu bringen.

Der Tritt meiner schwarzen Schnallenschuhe wurde im-

mer unsicherer und die kalte Nachtluft ernüchterte mein

Vorhaben. Ich fürchtete mich davor, im entscheidenden Mo-

ment zu verstummen oder zu erstarren. Das wäre typisch für

317

mich. Ich war eher jemand, der aus dem Moment heraus re-

agierte und dem die richtigen Worte nur dann zufielen, wenn

die Hitze des Augenblicks aus mir sprach. So wie es oft mit

Istvan gewesen war.

Zu jedem anderen Menschen hätte ich nie so sprechen

können wie zu ihm. Für die meisten anderen musste ich in

meinen Gefühlen eher zurückhaltend oder gehemmt wirken,

aber sah er mich auf eine bestimmte Weise an, dann konnte

ich die Worte gar nicht für mich behalten. Sie brachen aus

mir hervor wie Lava aus einem aktiven Vulkan.

Ich stand jetzt am Waldrand vor der Straße, die hinab zur

Kirche führte und von dort in seinen kleinen, versteckten

Garten. Die letzten Schritte, zurück in seine Arme, und ich

war nicht mutig genug, sie zu machen. Ich starrte in den kla-

ren, kalten Nachthimmel und versuchte, auf dem südlichen

Firmament die drei Gürtelsterne des Orions zu finden. Ich

brauchte gerade mal zwei Sekunden, schon hatte ich mein

persönliches Sternbild entdeckt. Ich erinnerte mich wieder

an die Geschichte von Orion, während ich die blinkenden,

weißen Lichter betrachtete, die die Form eines Kriegers am

Nachthimmel nachbildeten. In der griechischen Mythologie

waren der Jäger Orion und Artemis, die Göttin der Jagd und

des Mondes, ineinander verliebt. Doch man zürnte ihrer Lie-

be und brachte Artemis durch einen Trick dazu, den Liebs-

ten selbst mit einem Pfeil zu töten. Die Trauer um den ver-

lorenen Geliebten traf Artemis so sehr, dass sie beschloss,

ihn für immer am Nachthimmel zu verewigen. So konnte er

immer bei ihr sein.

Ich war mir sicher, dass ein derart gebildeter Mann wie

Istvan die Legende kannte und so auch mein Symbol in An-

sätzen verstehen müsste. Schon allein die Tatsache, dass

Orion ein Jäger war und Artemis dem Mond verpflichtet,

passte einfach zu gut.

Der Anblick genügte mir, um meinen Weg fortzusetzen.

Ich holte das Schmuckstück aus seiner Verpackung und

hielt es gegen seinen großen Bruder. Die Abbildung mit den

318

Kristallen war sehr gut gemacht und es war merkwürdig, sie

beide nebeneinander zu sehen. Ich atmete die kühle Luft

ein. Sie erfrischte meine Gedanken und nährte meinen Mut.

Wieder in seiner Samthülle verstaut, umklammerte ich das

Geschenk weiterhin und ging nun die letzte Strecke zu Ist-

vans Garten hinunter.

Im Schutz der großen Bäume, die jetzt im Februar noch

ganz kahl waren und unheimlich im Mondlicht wirkten,

machte ich mich daran, die Hintertür zu öffnen.

Natürlich stand Istvan sofort vor mir. Ich war, wie gesagt,

sehr spät dran, lange überfällig, und er musste sich schon

Sorgen gemacht haben. Dennoch hatte er mich nicht ange-

rufen, trotz der zwei Stunden, was mich wunderte.

„Die Verspätung tut mir leid. Ich hoffe, du hast dir keine

Sorgen gemacht“, begrüßte ich ihn und fühlte sofort, wie sei-

ne warme Gegenwart mich besänftigte und meine Unruhe

sich langsam legte.

„Doch. Aber du solltest in der Zwischenzeit wissen, dass

ich mir immer Sorgen um dich mache. Ich habe sogar bei dir

vorbeigeschaut. Vor etwa einer Stunde. Ich hörte deinen lei-

sen Herzschlag im Bad, deshalb habe ich nicht angerufen.“

„Oh, tut mir leid. Aber ich kam etwas später nach Hause,

als ich dachte. Können wir jetzt hineingehen? Mir ist etwas

kalt hier draußen“, bat ich ihn, woraufhin er prompt die Tür

aufriss.

Ich ging vor ins Wohnzimmer. Istvan folgte mir und nahm

mir den Mantel ab, sobald ich den Raum betreten hatte. Da

fiel mir ein, dass der Beutel noch darin war.

„Könntest du den Mantel bitte übers Sofa hängen?“, bat

ich ihn, was er natürlich tat.

„Du möchtest doch nicht bald wieder gehen?“, fragte er

mich mit erstaunten, traurigen Augen.

„Oh nein, natürlich nicht. Wieso sollte ich?“, versuchte

ich ihn zu beruhigen.

„Ich weiß auch nicht. Ich hatte so ein komisches Gefühl.

Tut mir leid.“

319

„Istvan“, begann ich und bekam einen ernsten und nach-

denklichen Tonfall, der ihn sofort aufmerksam werden ließ.

Er hörte mir gebannt zu.

„Ich wollte mich nochmals für Wien bedanken. Das

werde ich nie vergessen. Es war einfach wunderschön. Der

beste Geburtstag aller Zeiten. Aber seither habe ich darüber

nachgedacht, wie ich mich bei dir erkenntlich zeigen kann.

Ich weiß, dass du das nicht erwartest, aber ich möchte es

unbedingt. Aber vorher muss ich dir etwas erzählen.“ Ich

machte eine Pause, um in seinem Gesicht zu lesen oder sei-

ne Reaktion abzuschätzen. Aber außer seinen umwerfenden

grünen Augen gab es nichts, was mir einen Hinweis auf sein

Befinden gab. Er schien einfach aufmerksam zuzuhören.

„Als ich noch sehr klein war, ein Kind, da hatte ich be-

sonders viel Fantasie und ich dachte mir immer Geschichten

aus, um mir die Welt um mich herum zu erklären oder mich

zu beruhigen, wenn ich Angst hatte. Ich war, wie gesagt, noch

ein kleines Mädchen, als ich, wie viele andere auch, Angst

vor der Nacht hatte. Doch mein Vater erklärte mir die Stern-

zeichen und die Geschichten über ihre Entstehung. Danach

fing ich an, keine Angst vor der Nacht mehr zu haben. Be-

sonders weil ich wusste, dass es da einen Jäger am Himmel

gab, der uns alle beschützt, Orion. Dieses Sternbild wurde

zu meinem persönlichen Schutzheiligen. Ich kann es dir gar

nicht wirklich erklären, aber jedes Mal, wenn ich Angst be-

kam, sah ich zu ihm hoch und plötzlich verschwand meine

Angst und ich fühlte mich sicher. Und sogar später, viel spä-

ter, als Teenager und sogar heute noch sehe ich manchmal

hoch und jedes Mal, wenn ich dann Orion finde, fühle ich

mich geborgen und zu Hause. Kannst du das verstehen?“,

fragte ich ihn und hoffte, dass er es konnte.

„Ja, das kann ich gut verstehen. Ich wäre froh, wenn es

tatsächlich jemanden gebe, der immer so über dich wacht

wie Orion über dein kindliches Ich. Aber Joe, wieso erzählst

du mir gerade jetzt davon?“, forderte er mich zu einer Er-

klärung auf und ich antwortete, indem ich in meine Mantel-

320

tasche griff und den schwarzen Samtbeutel aus der Tasche

zog. Mit dem Säckchen in der Hand sprach ich weiter. Sei-

nen Blick fixierte ich dabei, ohne auch nur einmal zur Seite

zu sehen.

„Deshalb. Seit wir uns begegnet sind, besonders seit je-

nem Abend auf dem Turm habe ich den eigentlichen Orion

nicht mehr gebraucht. Es gibt jetzt einen anderen, bei dem

ich Geborgenheit suche und den ich liebe. Viel mehr und

tiefer, als ein Kind lieben kann. Dich, Istvan. Ich habe nun

dich. Du bist mein Orion, in jeder Hinsicht.“

Ich stand auf und kniete vor ihm. Er saß wie elektrisiert

auf seinem Ledersessel und starrte mich an, stumm. Ich

befreite die Medaille aus ihrem Samtversteck und gab sie

ihm. Er nahm sie ganz automatisch in seine Hand, während

meine Arme sich auf seine Knie und Oberschenkel stützten.

Er betrachtete lange schweigend die silberne Scheibe mit

dem Sternbild darauf, von der ich wünschte, ich hätte sie

gravieren können. Doch das hätte ich niemals gekonnt. Es

würde gegen die Geheimhaltung verstoßen, selbst wenn ich

nur meine Initialen hätte einprägen lassen. Doch ich hoffte,

meine Gabe würde für sich selbst sprechen.

Er schwieg auch noch nach einigen Minuten. Immer wie-

der drehte er das Schmuckstück in der Hand und besah es

von jeder Seite. Es erinnerte mich an sein Verhalten, als er

das Foto seiner Mutter bestaunt hatte.

Ich betrachtete, mit angehaltenem Atem, jede seiner Be-

wegungen. Das Wandern seiner Augen über die Scheibe und

über mich. Das Strahlen seiner Wangenknochen, das der

Leuchter über ihm verursachte. Die Konzentration seiner

grünen Iris im Zusammenspiel mit dem, kaum wahrnehm-

baren, Kräuseln seiner Lippen.

Als ich es schon fast aufgegeben hatte, eine Antwort von

ihm zu bekommen, da legte er sich mein Geschenk um den

Hals. Er senkte sein Gesicht zu mir herab und nahm das mei-

ne in beide Hände. Lange starrte er mich an, sodass in mir

wieder dieser wilde Kampf tobte zwischen dem kaum zähm-

321

baren Bedürfnis, über ihn herzufallen, und dem Wunsch,

sanft seine Lider zu küssen, wo sich seine Smaragd-Augen

versteckten. Ich gab keinem von beiden nach. Ich war schon

glücklich, in seinen Augen zu versinken und von seinen glü-

henden Händen umfasst zu werden. Nach einer Weile woll-

te ich unbedingt seine schönen Hände auf meinen fühlen

und fasste mit meiner Hand nach seiner, die immer noch auf

meiner Wange brannte.

In dem Moment, als ich ihn auf diese Weise berührte,

bemerkte ich das schwache Neigen seines Kopfes und bei

dem Gedanken, bald von ihm geküsst zu werden, drehte sich

wieder mein Inneres im Kreis. Bevor sein Kuss mich wirklich

erreichte, kostete ich seinen brennend heißen Atem, der mir

die Luft nahm. Wir küssten uns. Es wurde ein verzehrender

Kuss, mit fiebernden Zungen und bebenden Lippen. Es war

seltsam. Ich hatte gedacht, wenn ich erst mal mit Istvan ge-

schlafen hätte, würde sein Kuss mich nicht mehr derart um-

hauen, aber in diesem Punkt irrte ich mich gewaltig. Es war

völlig egal, wie lange ich mit ihm zusammen war oder wie

intensiv. Jedes einzelne Mal, wenn er mich dann wieder zum

ersten Mal küsste, traf es mich wie ein Blitzschlag. Gegen

dieses Fieber war ich einfach niemals immun.

Während Istvan begann, von der Leidenschaft entflammt,

in meinen Haaren zu wühlen und meinen Nacken mit den

Lippen zu erforschen, wo er vermutlich wieder meinem Puls

huldigte, presste ich mit der Hand auf seine Brust, das Me-

tall zwischen mir und seinem Körper. Die Erkenntnis darü-

ber verlieh Istvan wieder die Sprache.

„Ich weiß, noch verdiene ich dich nicht. Ich verdiene

dein Vertrauen nicht. Aber ich schwöre dir, eines Tage wer-

de ich der Mann sein, den du in mir siehst. Dann verdiene

ich deine Liebe.“ Wie konnte er selbst jetzt noch an unserer

Liebe zweifeln? Ich wollte das nicht hören. Es tat weh. Diese

Selbstverachtung in seinen Worten.

„Du bist dieser Mann. Das warst du immer, von Anfang

an. Wann wirst du das endlich erkennen? Ich habe dich ge-

322

nauso herbeigesehnt. Das schwöre ich dir, bei allem, was

mir heilig ist“, versicherte ich ihm und küsste ihn nochmals.

Mein Kuss war derart stürmisch, dass ich ihn damit tief in

die Rückenlehne des Ledersessels drückte. Ich hätte nie ge-

dacht, dass ich so viel Kraft haben könnte.

Mit einer einzigen, schnellen Bewegung fasste Istvan

unter meine Knie und balancierte mich auf seine Armen. Er

trug mich so schnell ins Schlafzimmer, dass ich mir dessen

nicht mal bewusst wurde. Erst als ich auf dem gemachten

Bett lag und er vor mir am Bettende stand, wurde ich mir

klar darüber, dass heute Nacht eine Regel gebrochen werden

würde. Übermorgen würde der Vollmondzyklus beginnen

und dennoch war der fieberheiße Istvan bereit seinen Körper

mit meinem zu vermischen. Ich konnte es kaum erwarten,

dass er zu mir kam. Doch er hatte es in dieser Nacht nicht

eilig. Er wollte noch einmal die Magie unserer ersten Nacht

heraufbeschwören. Damit war ich mehr als einverstanden.

Er krempelte sein Hemd hoch, kam an meine Seite und

zog mich aus wie damals, als er mich vor der Unterkühlung

gerettet hatte. Aber diesmal fror ich nicht. Das Gegenteil traf

zu, ich brannte.

Dann lag ich nackt vor ihm ausgebreitet, nackt vor Ist-

vans grünen Augen. Das Bewusstsein darüber jagte mir heiße

Schauer über den ganzen Körper. Er kam noch immer nicht

zu mir. Mit offenem Hemd, nur noch in seinen Shorts, lehn-

te er sich zu mir herab und küsste mich sanft auf die Lippen.

Als ob mich der sanfte Flügelschlag eines Kolibris berühr-

te, dachte ich. Er streifte meine Arme entlang und führte

sie hinter meinen Kopf, als wolle er ein Modell in Position

bringen. Danach drehte er meinen Oberkörper leicht nach

links. Er berührte mich an der Taille. Es raubte mir fast den

Verstand, seine Berührung zu fühlen und ihn danach nicht

gleich selbst zu berühren. Zuletzt kreuzte er meine Beine, in-

dem er mein rechtes ganz sanft über das linke führte. Dabei

küsste er mein knochiges Knie. Ich dachte schon, er wür-

de jetzt eines seiner Skizzenbücher hervorholen und mich

323

malen. Doch das tat er nicht. Istvan starrte mich nur sehr

lange und intensiv an, mit einem Blick, den ich mit Worten

nicht beschreiben kann. Das ließ mir das Herz bis zum Hals

schlagen.

„Ich möchte diesen Moment nie vergessen. Dieses Bild

wird für immer in mein Gedächtnis gebrannt sein, zusam-

men mit dem Allegro Vivace deines Herzschlags. Dieses Bild

wird von nun an mein Orion sein“, sagte er ernst, noch im-

mer meinen Körper mit den Augen erforschend.

Dann kam er auf mich zu und ließ es zu, dass auch ich

ihn berührte. In dieser Nacht versuchten wir beide einander

zu beweisen, was wir zuvor geschworen hatten.

324