Kapitel 22: Abkommen
Liebe Hermine,
Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Ich hoffe, dass du
und Ron alles gut überstanden habt. Ich wünschte, ich könnte bei
euch sein (durchgestrichen). Ihr beide bedeutet mir mehr, als ihr
jemals wissen werdet und jemals begreifen könnt. Ich hätte es euch
wahrscheinlich sagen sollen, aber ich konnte nie die richtigen
Worte finden.
Ich hinterlasse dir die Karte des Herumtreibers. Ich bin sicher,
dein geniales Gehirn wird sich fantastische Einsatzmöglichkeiten
einfallen lassen, selbst wenn du sie nur nimmst, um herumtreibende
Schüler zu erwischen, sobald du Professor für Verwandlung geworden
bist. Tu mir einen Gefallen und sei gnädig zu ihnen, okay? Denk
daran, wir sind auch einmal herumtreibende Schüler gewesen.
Wenn du die Karte nicht als Lehrerin einsetzt, gib sie zumindest
einem von deinen und Rons Kindern, um unser Vermächtnis
fortzuführen.
Pass für mich auf Ginny auf, Hermine. Sie wird dich brauchen
(durchgestrichen).
Harry legte den Brief zur Seite, seufzend. Er
hatte noch immer solche Schwierigkeiten damit, sie zu verfassen.
Klang er wirklich so idiotisch, wenn er redete? Vielleicht rührte
es daher, dass er es nicht ertragen konnte, Abschied zu
nehmen...
Eine Hand durch sein zerzaustes Haar fahrend, schob er die Briefe
beiseite und ließ seinen Kopf auf den Tisch fallen. Er hatte den
ganzen Abend in der Bücherei verbracht, um Nachforschungen zu
Rowena Ravenclaw anzustellen. Doch er fühlte sich kein bisschen
näher an der Offenbarung als zu Anfang. Ron und Ginny hatten sich
schon zurückgezogen, aber Hermine war noch irgendwo in der
Bibliothek. Harry war nicht sicher, was sie suchte. Sie liebte es,
den ganzen Ort zu durchrennen, und neigte dazu, ihre Arbeit auf
mehreren Tischen auszubreiten und von einer Stelle zur anderen zu
huschen, wenn ihr ein Einfall kam.
»Hermine.«, rief er. Er packte Pergament und Federkiele zusammen
und warf sie in seine Tasche.
»Hier drüben, Harry.«, antwortete sie von einer dunklen Ecke. Er
fand, dass ihre Stimme ziemlich panisch klang, und konnte Pergament
rascheln hören. Er schloss daraus, dass ihre Recherche heute Abend
mit dem verdammten Stück von Voldemorts Seele verbunden war, das in
ihm steckte. Was auch immer sie tat, offensichtlich wollte sie es
nicht teilen und Harry konnte nicht den Mut aufbringen
nachzufragen.
»Es ist schon spät. Ich werde einen Abstecher zur Eulerei machen,
um nach Hedwig zu sehen, bevor ich ins Bett gehe. Bist du fast
fertig?«, fragte er.
»Ja, ich komme gleich. Grüß Hedwig von mir.«, antwortete Hermine.
Ihre Stimme beruhigte sich merklich.
»In Ordnung. Gute Nacht, Hermine.«, rief er, verließ die Bücherei
und machte sich auf den Weg zur Eulerei.
Im Schloss herrschte unheimliche Stille. Obwohl die Korridore zu
dieser späten Stunde normalerweise leer waren, fühlte sich etwas
anders an. Die Wände schienen eine dumpfe Einsamkeit auszustrahlen,
während Harrys Schritte auf den kalten Steinstufen widerhallten. Es
hatte Spannung zwischen allen geherrscht seit der Enthüllung, dass
Umbridge Wurmschwanz freigelassen hatte und einen Waffenstillstand
mit Voldemort eingegangen war. Die Mitglieder des Ordens wussten,
dass ihr Abkommen von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, und
arbeiteten an einer Möglichkeit, der Pressekonferenz verstohlen
beizuwohnen, die am folgenden Abend angesetzt war.
Harry, Ron und Hermine hatten ebenfalls vor, anwesend zu sein, doch
Mrs. Weasley war unerbittlich, dass Ginny in Sicherheit
zurückblieb. Percys Tod hatte Mrs. Weasley vollkommen zerrüttet und
sie hatte ihre Bemühungen fortgesetzt, sie alle vor jeglicher
weiterer Gewalt abzuschirmen. Obwohl Ginny nicht glücklich darüber
war, konnte sie es nicht übers Herz bringen, ihre Mutter gerade
jetzt zu reizen, und hatte zugestimmt, in Hogwarts zu bleiben.
Harry wusste nicht, welchen Zugeständnissen Umbridge zugestimmt
hatte, doch er wusste, dass sie aufgehalten werden musste. Er hatte
nur mit Mühe die Wut unterdrücken können, die Wurmschwanz'
Freilassung in ihm heraufbeschworen hatte, nach allem, was sie
durchlebt hatten, um ihn zu fangen. Ron war beinahe ums Leben
gekommen! Wurmschwanz' Manipulationen hatten Sirius für zwölf Jahre
ins Gefängnis gebracht. Harrys eigene Eltern hatten wegen der
Feigheit der kleinen Ratte ihr Leben verloren – und Umbridge hatte
ihn einfach laufenlassen.
Schon beim bloßen Gedanken daran rammte Harry seine Faust gegen die
Wand, so dass eine Dame in Renaissance-Aufmachung in einem Porträt
in der Nähe vor Schreck aufschrie. Harry ließ rasch seinen Blick
durch den Korridor schweifen, bereit loszurennen, wenn er Anzeichen
von Filch entdecken sollte. Er hatte den alten Hausmeister mehrmals
beim Herumschleichen gesehen. Harry hatte keine Ahnung, ob Filch,
da er eigentlich kein Schüler war, überhaupt Autorität über ihn
hatte, doch er wollte es lieber gar nicht herausfinden.
Als Harry die letzten Stufen zur Eulerei hochstieg, erhaschte er
ein blaues Blitzen aus dem Augenwinkel. Den Zauberstab gezückt,
huschte er zur Tür hinein.
»Wer ist da?«, rief er. »Zeig dich.«
Hedwig segelte von ihrem Nest herunter und landete auf seiner
Schulter, wo sie liebevoll an seinem Ohr knabberte. Harry konnte
Pig mit einigen Schuleulen im Dachgebälk sitzen sehen und Errol lag
bewusstlos neben dem Fenster. Errol wurde nach einer Reise immer
ohnmächtig.
»Ich bin es nur, Potter.«, sagte Pansy, die hinter einer Säule am
Fenster hervortrat. Sie hielt ihren dunkelblauen Umhang in ihren
Armen gerafft, als wolle sie ihn nicht im Eulenmist auf dem Boden
schleifen lassen.
»Was machst du hier so spät, Pansy?«, wollte Harry wissen, die
Augen misstrauisch verengt.
»Das ist meine Sache.«, keifte Pansy mit erhobener Nase.
»Es ist meine Sache, ob du eine Eule an jemanden schickst.«,
entgegnete Harry und packte sie am Arm.
Sie riss sich los. Ihr Gesicht verfinsterte sich. »Sorry, wir
können nicht alle so leichtes Spiel haben wie du.«, versetzte sie
beißend. »Du und Weaselette müsst nur einer Mutter aus dem Weg
gehen, wenn ihr einen Ort zum Knutschen finden müsst. Draco und ich
haben unsere beiden und sie können wie Bluthunde sein, wenn sie
denken, wir hecken etwas aus.«
»Ja, wir haben ja so ein Glück.«, sagte Harry trocken.
Pansys Gesicht färbte sich leicht rosa, doch ihr Blick blieb
weiterhin finster. »Die Eulerei gehört ganz dir, Potter. Es ist
hier für meinen Geschmack sowieso zu dreckig.«, sagte sie, bevor
sie gebieterisch durch den Raum rauschte.
Harry schüttelte den Kopf, während er hinter die Säule spähte, wo
Pansy sich versteckt hatte. Dort war nichts. Sanft hob er Errol vom
offenen Fenster auf und legte ihn in ein Nest. Die Augen der alten
Eule öffneten sich trübe und sie schuhute dankbar. Er trank einen
Schluck Wasser, bevor er wieder auf die Seite plumpste.
»Was hat sie hier gemacht, Mädchen?«, fragte Harry Hedwig abwesend.
»Ich sehe keine neuen Eulen, die ihr einen Brief gebracht haben
könnten, und alle Schuleulen haben den Auftrag bekommen, das
Gelände nicht zu verlassen.«
Hedwig schuhute und kniff Harry erneut ins Ohr. Er streichelte ihr
über die Federn, während er etwas Eulenfutter aus seiner Tasche
zog. »Sorry, ist etwas weich. Ist schon seit einer Weile in meiner
Tasche.«, sagte Harry und hob die Schultern.
Vorwurfsvoll beäugte Hedwig das zerbröckelte Futter.
»Hey! Sie schmecken immer noch gleich.«, sagte Harry. Es kam ihm
lächerlich vor, dass er sich von einer Eule gescholten fühlte.
Hedwig sammelte das Futter in ihren Schnabel und flog ohne einen
weiteren Laut zu ihrem Nest hoch.
»Dann halt nicht.«, gluckste Harry.
Er machte sich an den Abstieg aus der Eulerei und spähte nach
draußen zum hell erleuchteten Himmel. Es war Vollmond und Harrys
Herz krampfte sich vor Sorge um Remus zusammen. Er vermutete, dass
das der wahre Grund für seine Schlaflosigkeit war. Er fragte sich,
wo sein Freund war und wie er mit dem Vollmond zurechtkam.
Er hoffte, dass Remus mit dem leben konnte, was auch immer er
unternehmen musste, damit die anderen Werwölfe ihn akzeptierten.
Harrys Hass auf Umbridge war von dem Leben, zu dem sie Remus
gezwungen hatte, bestärkt. Die Pressekonferenz konnte nicht bald
genug kommen.
Er schob die Tür zu seinem Schlafsaal auf und prallte beinahe vor
dem lauten Schnarchen zurück, das drinnen toste. Harry hatte schon
immer gewusst, dass Ron laut schnarchte, doch zusammen mit der
Lautstärke von Fred, George und Charlie war Harry willens, in sein
eigenes Zimmer umzuziehen, nur um etwas Schlaf zu bekommen.
Er zog sich aus und legte sich hin. Er versuchte, das Geräusch
auszublenden, indem er ein Kissen über den Kopf drückte. Nach
einigen langen, fruchtlosen Minuten gab er schließlich auf und
legte einen Schweigezauber auf sein Bett. Das behagte ihm zwar
nicht, weil er sich Sorgen machte, dass er es nicht hören würde,
falls es ein Problem geben sollte, doch er wollte sich heute Nacht
wirklich erholen. Er hatte schlecht geschlafen, seit sie angekommen
waren.
In sein Kissen lächelnd erinnerte er sich an die Szene vor zwei
Nächten, als die Mädchen ihnen von Umbridge erzählt hatten. Die
anderen Weasley-Brüder hatten sich kurz darauf alle in dem Zimmer
versammelt und waren ziemlich verstimmt, als sie erfahren hatten,
dass Ron und Harry getrunken hatte, ohne jemand anderen
einzuladen.
Ron hatte Hermine eine Spielverderberin genannt, was seine Freundin
zur Weißglut getrieben hatte. Bevor sie mit Ginny im Schlepptau aus
dem Zimmer gestürmt war, hatte sie den Ernüchterungszauber
aufgehoben, den sie auf Ron und Harry gelegt hatte. Die Zwillinge
hatten irgendwie mehr Feuerwhiskey hergezaubert und alle
Weasley-Brüder waren ziemlich lange aufgeblieben. Harry wusste,
dass er irgendwann das Bewusstsein verloren hatte, und fühlte, dass
sein Körper sich noch immer nicht ganz davon erholt hatte.
Die Decke hochgezogen und in der Stille endlich langsam einnickend,
wurden Harrys Träume über Schnatze, Sommersprossen und Feuerwhiskey
von dem Bild einer Ratte heimgesucht, die sich in und aus den
Schatten stahl.
Die Pressekonferenz im Ministerium zog einen großen Teil der
Zauberergesellschaft an. Hexen und Zauberer waren von ganz
Britannien angereist. Einige brachten ihre Familien mit, in der
Hoffnung, ermutigende Neuigkeiten zu hören. Das Atrium war
vergrößert worden, um die große Menschenmenge unterbringen zu
können, und das Podium war so verzaubert, dass die Stimmen durch
das ganze Gebäude schallten.
Auroren und Eingreifzauberer wurden um das gesamte Atrium
aufgestellt, um die Ordnung zu bewahren. Tatsächlich waren so viele
Beamte für den Gesetzvollzug anwesend, dass Harry sich fragte, ob
noch irgendwer den Rest der Zaubererwelt bewachte.
Die Auroren umklammerten ihre Zauberstäbe, die Gesichter blass und
angespannt. Wenigstens sie schienen den Ernst der Situation zu
begreifen. Das war mehr, als vom Rest der Menge behauptet werden
konnte. Das Volk befand sich größtenteils in einer überglücklichen
Stimmung und hielt nur mit Mühe ihre Freude im Zaum. Harry
vermutete, dass sie feiern wollten und nur auf ein zustimmendes
Nicken des Ministeriums warteten. Harry schüttelte angewidert den
Kopf. Er wusste, dass der Krieg seinen Tribut von allen forderte,
doch sie benahmen sich wie Narren – alle von ihnen.
Nach dem letzten Vollmond hatte sich die Neuigkeit von der
Zerstörung eines Muggel-Dorfes an der Grenze zu Wales schnell
verbreitet. Ein Rudel Werwölfe hatte eine örtliche Versammlung
angegriffen und einen großen Teil der Ansässigen getötet oder
verstümmelt. Viele junge Dorfbewohner waren gebissen und von dem
Rudel verschleppt worden. Schreie wurden laut, dass alle Werwölfe
ausgelöscht werden mussten und die Opfer, die das Massaker überlebt
hatten, fanden sich plötzlich unter den Angeklagten wieder.
Harrys Besorgnis um Remus war greifbar und er hoffte, eine
Gelegenheit zu finden, am Abend mit Tonks zu sprechen und sie zu
fragen, ob sie eine Nachricht erhalten hatte. Keiner der Weasleys
oder Professor McGonagall hatte Kontakt zu ihm gehabt und Harrys
Sorgen hatten sich vergrößert.
Er hatte eine wütende Ginny mit ihren Eltern und Hagrid
zurückgelassen. Mrs. Weasley fühlte sich einer
Ministeriumsveranstaltung nicht gewachsen und Hagrid war einfach zu
groß, um sich verstecken zu können. Harry hatte den Verdacht, dass
Mrs. Weasley ohnehin ein Auge auf Ginny halten wollte. Professor
Slughorn hatte den Orden mit dem bisschen Vielsafttrank
ausgestattet, das er vorrätig hatte – was nicht viel war.
Diejenigen, auf die bereits Haftbefehle herausgegeben worden waren,
nahmen den Trank ein, während die anderen sich nur unauffällig
kleideten und unter die Menge mischten.
Harry, Ron und Hermine hatten alle das Wappen von ihren
Hogwarts-Roben abgenommen und ihre Hüte tief ins Gesicht gezogen.
Sie hielten sich im hinteren Bereich des Raumes, fern von den
Auroren. Die Lobby war so voll, dass es schwer war, sich unter die
Menge zu mischen. Harry hoffte beinahe, dass Umbridge versuchen
würde, ihn bei der Veranstaltung verhaften zu lassen. Soll sie doch
versuchen, damit still wegzukommen. Er hatte nicht vor, das
zuzulassen.
»Harry, ist das nicht Tonks dort drüben an der Tür?«, fragte
Hermine, Harry aus seinen düsteren Gedanken reißend. Hermine
wusste, dass Harry mit Tonks sprechen wollte, und es war
offensichtlich, dass auch sie sich Sorgen um Remus machte. Er war
dankbar, dass sie aufgepasst hatte.
»Wo?«, wollte Ron wissen. »Ich sehe sie nicht.«
»Ihr Haar ist nicht rosa.«, erwiderte Hermine und begann, sich mit
den Ellenbogen einen Weg durch die Menge zu bahnen. »Sie sieht
nicht sehr gut aus.«
Harry warf einen Blick auf Tonks und bemerkte, dass Hermine Recht
hatte. Ihr Haar wies eine mausbraune Farbe auf und ihre Schultern
sackten so stark herab, dass sie kleiner aussah, als sie war. Sie
erschien so teilnahmslos und abgehärmt, dass Harrys Besorgnis noch
weiter wuchs.
»Ach du Scheiße, sie sieht furchtbar aus.«, stieß Ron
unnötigerweise hervor.
»Schh, Ron. Sie hört dich sonst noch.«, zischte Hermine und
funkelte ihn über ihre Schulter an.
»Was macht das schon? Irgend jemand muss es ihr doch sagen.«,
erwiderte Ron achselzuckend.
Harry stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. Er wollte sich im
Moment nicht einen weiteren Streit zwischen Ron und Hermine anhören
müssen.
»Tonks.«, sagte er, als sie bei ihr angekommen waren.
Sie schaute ihn nicht an und ihr Gesicht gab nichts preis, doch sie
sprach leise aus dem Mundwinkel: »Tut so, als ob ihr miteinander
redet. Ich werde beobachtet.«
Das Trio drängte sich zu einem Kreis zusammen und machte den
Eindruck sich zu unterhalten, aber sie standen nahe genug an der
jungen Aurorin, dass sie einander hörten.
»Von wem beobachtet?«, fragte Hermine. Ihre Augen flitzten nervös
hin und her.
»Von Umbridges Leuten. Sie wartet nur darauf, dass ich einen Fehler
mache, aber bisher hat sie noch nichts bekommen. Es gibt viele in
der Abteilung, die ihr nicht so treu ergeben sind, wie sie denkt,
und die Anzahl wächst mit jedem Tag. Sie finden, Umbridge hat
Kingsley ungerecht behandelt, und wissen, dass dieses ganze
Abkommen ein großer Fehler ist.«, berichtete Tonks leise.
»Warum passiert es dann trotzdem?«, verlangte Harry zu wissen.
Seine Stimme hob sich.
»Schh.«, zischte Hermine und trat ihm auf den Fuß. »Senk die
Stimme, Harry.«
»Au.«, machte Harry verdrossen. »Das hat wehgetan.« Hermine trug
Schuhe mit Pfennigabsätzen.
»Es gibt nichts, was sie dagegen ausrichten können. Wenn sie auch
nur etwas Unangemessenes von sich geben, werden sie des Verrats
angeklagt und sich in derselben Lage befinden wie Kingsley. Sie
warten nur darauf zu sehen, wie es sich weiterentwickelt.«,
antwortete Tonks. Sie schien vor ihren Augen zusammenzusinken.
»Geht es dir gut, Tonks?«, erkundigte Hermine sich sanft.
Tonks schüttelte den Kopf. Tränen stiegen ihr in die Augen, bevor
sie es verhindern konnte. »Nein. Gestern Abend habe ich einen Brief
von Remus bekommen.«
»Wirklich?«, fragte Harry begierig. »Wie geht es ihm? Was hat er
gesagt?«
»Er hat nicht viel gesagt, das ist das Problem. Er behauptet, nicht
viel Zeit gehabt zu haben. Aber etwas im Tonfall des Briefes schien
sehr formell und distanziert. Er sagte, er tut, was von ihm
erwartet wird.«, sagte Tonks schniefend.
Schweigend beschwor Hermine ein Taschentuch herauf und reichte es
unauffällig an die andere Frau weiter.
»Was heißt das?«, wollte Ron wissen.
»Das weiß ich nicht, aber mir gefällt es nicht.«, sagte Tonks.
»Meinst du, es hat irgendetwas mit dem Angriff in Lyneham zu tun?«,
fragte Harry leise.
Tonks nickte. »Ich fürchte schon. Er hätte es niemals allein
aufhalten können, aber wenn er gezwungen war, daran
teilzunehmen...«
»Die Schuld wird ihn umbringen.«, sagte Harry mit ausdruckslosem
Gesicht. In seinem Inneren verkrampften sich seine Eingeweide in
dem Wissen, wie er sich fühlen würde, wenn er sich in einer
ähnlichen Situation befände.
Tonks schniefte wieder, während Hermine sich an Rons Schulter
lehnte.
»Er hat mir auch eine Nachricht für dich mitgegeben, Harry, aber
ich verstehe sie nicht.«, sagte Tonks.
»Wie lautet sie?«, fragte Harry mit steinerner Miene.
»Nur dass die Erschaffung mit der Intensität des Hasses
zusammenhängt. Der Akt bewirkt die Teilung. Sagt dir das etwas?«,
sagte Tonks, die Augen misstrauisch verengt.
Harry nickte langsam. »Ja, das tut es. Danke.« Er sah, wie Hermines
Augen sich weiteten, und konnte beinahe hören, wie es in ihrem Kopf
ratterte. Hass bewirkte die Erschaffung eines Horkrux', genau wie
Glück die Erschaffung eines Patronus bewirkte. Warum überraschte es
ihn keineswegs?
»Ich nehme nicht an, dass du es mir mitteilen willst?«, fragte
Tonks, als ihre Neugier endlich ihre Teilnahmslosigkeit
durchbrach.
Harry hob die Schultern. »Sorry, Tonks. Aber sei dir gewiss, dass
es hilft, ist das in Ordnung?«
»Kannst es einem Mädchen nicht übel nehmen, es wenigstens zu
versuchen.«, erwiderte sie. Ein Hauch ihrer ursprünglichen
Ausgelassenheit zeigte sich kurz.
Die Lichter in der Lobby flackerten einige Male an und aus, bevor
sich das Podium an der Vorderseite mit verschiedenen
Ministeriumsbeamten füllte. Ein junger, penibel gekleideter
Zauberer trat nach vorne und legte einen Sonorus-Zauber auf
sich.
Harry bewegte sich nach vorne, doch Hermine packte ihn am Arm. »Hör
dir erstmal an, was er zu sagen hat.«, zischte sie.
»Zauberer, Hexen und Repräsentanten der Presse.«, sagte der junge
Zauberer steif. Harry traf schlagartig seine Ähnlichkeit zu Percy
und er nahm an, dass dieser Mann Percys Stelle eingenommen hatte.
»Ich heiße Sie zu diesem historischen Ereignis willkommen. Unsere
amtierende Ministerin hat einige aufregende Neuigkeiten, die wir
alle ersehnt haben.«
Er hielt einen Moment inne, als Jubelschreie und Pfiffe das Atrium
erfüllten, so laut, dass Harry sicher war, das Gebäude würde davon
erschüttert. »Sie hat großartige Pläne, um uns aus der Dunkelheit,
die unser Leben für eine so lange Zeit gefüllt hatte, in eine neue,
glänzende Ära der Kooperation herauszuführen, in der unsere
Blutlinien blühen und gedeihen können und uns allen neue
Möglichkeiten einräumen. Und nun, ohne weitere Umstände präsentiere
ich Ihnen unsere amtierende Ministerin – Dolores Umbridge.«
Abermals brach im Raum tosender Applaus aus. Eine Gruppe von roh
aussehenden Zauberern an vorderen Tisch, die offensichtlich schon
lange vor der Einführung gefeiert hatten, begann ein Pfeifkonzert
und unangemessen anzügliche Bemerkungen, welche von einigen Auroren
in der Nähe zum Schweigen gebracht werden mussten.
Umbridge nahm das Podium mit einem Schwenken ihres neuen,
aufgeputzten Umhangs ein. Das Grau war aus ihrem Haar gezaubert,
welches sie mit einer pinken Schleife zurückgebunden hatte. Der
bloße Anblick davon ließ in Harry das Verlangen aufkommen, es ihr
vom Kopf zu reißen. Sie trug denselben blasierten krötengleichen
Gesichtsausdruck, den sie immer aufgewiesen hatte, nachdem sie zur
Inquisitorin von Hogwarts ernannt worden war.
Sie räusperte sich mit ihrem bekannten, nervigem Hüsteln.
»Verdammte Scheiße.«, murmelte Ron und Hermine schien zu
entgeistert, um ihn zurechtzuweisen.
»Willkommen, alle zusammen. Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie
sich die Zeit nehmen, unserer kleinen Bekanntgabe beizuwohnen.«,
sagte sie mit einem einfältigen Lächeln. »Das Zaubereiministerium
hat stets danach gestrebt, den Wachstum und vorteilhaften Wohlstand
der Zaubereigemeinschaft sicherzustellen. In den letzten Jahren
sind einige unserer bewährtesten und besten Traditionen gegenüber
der Modernisierung zurückgedrängt worden und der Weg wurde für den
langsamen und beständigen Einfluss aus der Muggel-Welt freigemacht.
Als Ministerin beabsichtige ich dafür zu sorgen, dass das Erbe und
und die Gaben unserer Vorfahren, die an uns weitergegeben wurden,
neugeboren und wieder zum Dreh- und Angelpunkt der
Zauberergesellschaft werden.«
Harry verdrehte die Augen. Sie ging damit um, als wäre es ihre
Amtsantrittsrede – ohne jemals dazu berufen worden zu sein. Ihre
hohe Stimme klang wie Nägel auf einer Tafel und er bemerkte, wie
seine Aufmerksamkeit langsam nachließ. Die spitzen Stiche der
Abneigung, die er bei Umbridges Reden immer spürte, hämmerten in
seinen Kopf und eine nervöse, ruhelose Energie hatte von ihm Besitz
ergriffen.
»Sie macht die Menge weich, die Einschränkungen auf Muggelgeborene
anzunehmen.«, flüsterte Hermine entsetzt.
»Was?«, zischte Ron bestürzt. »Sie hat kein Wort über
Muggelgeborene gesagt, nur einen Haufen Mist.«
Hermine schüttelte den Kopf. »Hör zu, Ron.«
»Wir müssen bestimmte Praktiken eindämmen, die zur Tagesordnung
geworden sind, während andere wiederbelebt werden müssen, die auf
der Strecke geblieben sind.«, sagte Umbridge. Der Tonfall des
kleinen Mädchens verschwand plötzlich und nahm harte Züge an. »Wie
Sie sich alle bewusst sind, hat der Dunkle Lord seit einiger Zeit
Angst und Schrecken in unserer Gemeinschaft verbreitet.
Trotzdem ist es mir gelungen, einen Weg zur Kommunikation
freizumachen, und ich habe Maßnahmen eingeleitet, um eine Brücke
des Vertrauens zwischen den beiden gegnerischen Seiten zu schaffen.
Das habe ich mit der Hilfe eines Jungen geschafft.«
Bei dieser Aussage sank der Raum in tiefes Schweigen und Harry
spürte, wie sich die Haare an seinem Nacken sträubten. Neugierig
spähte er zum Podium und fragte sich, wohin das wohl führte.
»Es ging schon jahrelang das Gerücht um, dass es einem Auserwählten
bestimmt ist, uns aus der Dunkelheit zu führen. Viele von Ihnen
haben vermutet, dass dieser Auserwählte tatsächlich der Junge,
der lebt ist. Vor kurzem jedoch habe ich andere Informationen
erhalten. Tatsachen, die ich mit Ihnen teilen werde, die andeuten,
dass es vielleicht nicht Harry Potter ist, der uns aus der
Dunkelheit führen kann, sondern stattdessen etwas in seinem
Blut.«
Gemurmel und Fragen brachen aus. Harry, Ron und Hermine starrten
einander verblüfft an. Harry konnte sehen, wie verschiedene
Ordensmitglieder ihm Blicke zuwarfen.
»Ich habe die Existenz einer alten Prophezeiung entdeckt.«, fuhr
Umbridge fort, worauf Schauder an Harrys Rücken entlang liefen.
Wie konnte sie die Prophezeiung gefunden haben? Das Original war
vor Jahren zerstört worden und er besaß nun Dumbledores Kopie. Es
sei denn ... Snape!
»Diese Prophezeiung deutet auf eine bestimmte Blutlinie hin, welche
die Macht hat, uns aus der Dunkelheit zu führen.«, sagte Umbridge,
süßlich lächelnd und augenscheinlich die begeisterte Aufmerksamkeit
genießend.
Harry schüttelte den Kopf. Worauf will sie hinaus? Die
Prophezeiung hat nichts von seiner Blutlinie gesagt.
»Da die Potter-Linie mit Ausnahme vom jungen Harry ausgelöscht ist,
und seine Mutter eine Muggelgeborene war, schien es offensichtlich,
dass Harry Potter der betreffende Junge ist. Ich habe eine andere
Möglichkeit gefunden.«
Wellen der Furcht stiegen in Harry auf. Oh nein. Das kann nicht
ihr Ernst sein.
»Es gibt ein weiteres Mitglied von Harry Potters Familie, das über
magische Fähigkeiten verfügt. Diese Person ist jahrelang vor dem
Ministerium versteckt worden – und ich halte die Umstände dieses
Versäumnisses für äußerst suspekt. Ich fürchte, dass diejenigen,
die für den Schutz des jungen Mr. Potter verantwortlich waren,
möglicherweise ihre eigenen Ziele verfolgten – und nicht in erster
Linie das Interesse der Zauberergesellschaft.«, sagte Umbridge.
Sie gab die Schuld Dumbledore und streute wieder einmal
Verdächtigungen in seine Richtung, ohne seinen Namen zu nennen. Wut
brannte in Harrys Brust.
»Seitdem bin ich in Kontakt mit Mr. Potters einzigem Cousin – ein
Junge, dem die Begünstigungen unserer Lehren und Instruktionen zu
seiner außerordentlichen Begabung sein ganzes Leben lang verweigert
wurden. Dennoch, anders als Mr. Potter, hat er willig und
begeistert zugestimmt, uns zu helfen. Hexen und Zauberer, erlauben
Sie mir, Ihnen die neue Hoffnung vorzustellen, die uns in diesen
dunklen Zeiten Licht bringen wird, Mr. Dudley Dursley.«
Dudley – der massive, runde Dudley – stieg behäbig auf das Podium,
sein großer Leib mit einer teuren, feinen grünen Robe bedeckt. Er
winkte der jubelnde Menge mit blasiertem Gesichtsausdruck zu, als
wären sie alle gekommen, um ihm ihre Ehrerbietung zu erweisen.
Harrys Kinn fiel herab, als er Onkel Vernon und Tante Petunia
bemerkte, die an der Seite standen, strahlten und ihrem Sohn
Beifall spendeten. Onkel Vernon warf immer wieder wachsame Blicke
zu den Zauberern um ihn herum, doch er zeigte deutlich seinen Stolz
auf Dudley.
Harry fühlte sich, als wäre seine gesamte Welt ins Wanken geraten,
und er bemühte sich, aufrecht stehen zu bleiben. Das war
nicht, was er erwartet hätte. Seine Tante und sein Onkel
waren schon immer vernarrt in Dudley gewesen – bis zum Maß der
Absurdität – doch solch eine Wende ihrer Einstellung zu Magie war
mehr, als er begreifen konnte. Vielleicht waren ihre
Bekanntschaften in der Muggel-Welt der Tyrannei Dudleys endlich
überdrüssig geworden, so dass es den Dursleys es immer schwerer
fiel, jemanden zu finden, den sie noch beeindrucken konnten.
Vielleicht genossen sie einfach die großzügige Aufmerksamkeit, die
Umbridge Dudley sicherlich zuteil werden ließ. Onkel Vernon und
Tante Petunia waren schon immer übertrieben beeindruckt von ihrem
durchschnittlichen Sohn gewesen.
Umbridge nickte Dudley zu und steckte ihm verstohlen ein kleines
Stück Papier zu. Lesen war noch nie eine von Dudleys
Lieblingsbeschäftigungen gewesen und seine langen Pausen und sein
Kampf mit den Wörtern war schmerzhaft offensichtlich.
»Seien Sie gegrüßt, Zauberergenossen.«, sagte Dudley zittrig. »Ich
bin mit einem von Ihnen aufgezogen worden – aber mir war gelehrt
worden, Sie zu fürchten.« Dudley hielt inne, höchstwahrscheinlich
weil er an einem Wort hängen geblieben war, doch er schien die
Reaktion zu genießen und zögerte den Augenblick noch weiter hinaus.
»Mir wurde beigebracht, dass Sie alle abnormal wären – Missgeburten
– und ich wurde zum Glauben gebracht, dass alles Magische mir
Schaden zufügen würde. Ich hatte Unrecht. Meine Familie war
irregeführt worden.«
Dudleys Frustration mit dem Pergament übermannte ihn und er
zerknüllte es. Dolores' Gesicht zeigte Schrecken, als Dudley es auf
den Boden warf.
Harry schüttelte den Kopf. Er konnte deutlich sehen, warum Dolores
sich der Person Dudleys angenommen hatte, sobald sie bemerkt hatte,
dass das magische Register manipuliert worden war. Ihre Gründe, ihn
zu benutzen, waren zweigeteilt. Einmal konnte sie Harrys starke
Anziehungskraft auf die Öffentlichkeit auf sich übertragen, indem
sie einen neuen »Helden« bereitstellte; aber diesmal hatte sie
einen gefunden, den sie kontrollieren konnte. Harrys Blutverbindung
zu Dudley zu manipulieren war für sie ein Gewinn auf ganzer
Linie.
»Schauen Sie her. Ich bin ein Zauberer genau wie Sie. Nach dem, was
sie mir erzählt«, sagte Dudley und deutete mit einem Daumen in
Umbridges Richtung, »habe ich eine Menge Macht. Meine Leute hatten
Angst vor Magie, bis sie begriffen, wie besonders sie mich macht.
Wir sind so viele Male bedroht worden. Wir haben gedacht – .«
»Ja und wir schulden Ihnen alle eine Entschuldigung dafür, Mr.
Dursley.«, griff Umbridge ein und schob Dudley hinter sich. »Ihre
Familie hätte nie dazu gebracht werden sollen, Ihre Begabung zu
fürchten.«
Harry konnte sehen, wie Tante Petunia sich die Augen wischte,
während sie ihr kleines Spätzchen zärtlich anhimmelte, der die
halbe Bühne mit seiner Breite einnahm. Selbst Onkel Vernon schaffte
es angesichts all der Magier um ihn herum Haltung zu bewahren.
Stolz streckte er seine Brust heraus und klopfte Dudley auf den
Rücken.
Harry musterte ihn wachsam, sorgsam darauf bedacht, keine seiner
Gefühlsregungen zu zeigen. Er wusste, dass Ron und Hermine beide
etwas in seinem Blick erhascht hatten und schaute stur in eine
andere Richtung, um ihnen keinen weiteren Blick zu gewähren. Sein
ganzes Leben hatte er damit verbracht, sich für das, was er war,
entartet zu fühlen. Die Dursleys hatten alles Magische immer
verabscheut. Nun, da es ihr teurer Dudley war, der für dieselbe
Entartung gerühmt wurde, war es plötzlich eine Gabe.
Harry wünschte, er könnte sagen, es mache ihm nichts aus, dass es
nicht wehtue. Doch er war sich bewusst, dass Ron und Hermine es
anders gesehen hatten. Er fand es ironisch, dass er nun
derjenige war, dem die Schuld für Dursleys Misstrauen gegen
Zauberei zugeschoben wurde. Konnte der Abend noch seltsamer
werden?
Umbridge hatte das Podium wieder übernommen. »Als ich das Unrecht
entdeckt hatte, das diesem jungen Zauberer und seiner Familie
zugefügt worden war und die Irrvorstellungen entdeckt hatte, die
wir viele Jahre lang für wahr angenommen hatten, begann ich mich zu
fragen, welchen anderen Täuschungen wir noch blind aufgesessen
sind. Vielleicht war etwas von dem, was Ihr-wisst-schon-wer zu
erreichen versucht hat, missverstanden worden.«
Unruhe erhob sich im Saal. Dudley als möglichen Retter anzunehmen
war eine Sache, doch über jemanden, der jahrelang gemordet hatte,
falsch gelegen zu haben, war etwas anderes. Zu viele erinnerten
sich an die Schrecken des letzten Krieges, um Voldemorts
Kooperation dieses Mal zu akzeptieren. Harry kam plötzlich die
Erinnerung von Trelawneys zweiter Prophezeiung in den Sinn.
Der Dunkle Lord wird sich mit der Hilfe seines Dieners wieder
erheben, mächtiger und schrecklicher denn je.
Voldemort hatte sich wieder erhoben und wenn es ihm endlich
gelang, Kontrolle über das Ministerium zu ergreifen, würde seine
Macht mit Sicherheit größer als jemals zuvor...
Dolores ignorierte das Geflüster und fuhr fort: »Die Erleuchtung,
die mir nach meinem Gespräch mit Dudley gekommen war, gab mir die
Stärke und den Mut dazu, einen Waffenstillstand abzuschließen.
Vielleicht hat die Rolle dieses sogenannten Auserwählten den Spalt
überbrücken, aber nicht tatsächlich etwas gegen die Gewalt
ausrichten sollen. Vielleicht könnten wir mit unserer überlegenen
Intelligenz und unseren Fähigkeiten einen Weg finden, den echten
Kern der Zaubererwelt zu vereinen und wieder in Harmonie
leben.«
Gemurmel und Stimmen erfüllten wieder die Halle, lauter und
hoffnungsvoller diesmal. Scheinbar war die Zaubererwelt verzweifelt
genug, um so gut wie alles zu akzeptieren, was dem Chaos ein Ende
setzen würde.
»Durch umfangreiche geheime Operationen des Ministeriums ist es mir
gelungen, mit einem Delegierten des inneren Kreises von
Ihr-wisst-schon-wem Kontakt aufzunehmen. Wir diskutierten die Pläne
des Dunklen Lords für die Zauberergemeinschaft und stellten fest,
dass es viele Bereiche gibt, in denen seine Ziele mit denen des
Ministeriums übereinstimmen. Mit Zugeständnissen auf beiden Seiten
bin ich überzeugt, dass ich einen Kompromiss arrangiert habe, der
uns alle zufrieden stimmen wird.«
Das Gemurmel setzte sich fort und verbreitete gleichermaßen
Hoffnung wie Misstrauen im Raum. Die Hälfte schien gewillt, eine
Feier zu beginnen, während die andere Hälfte wachsam und drauf und
dran war, aus den Türen zu stürzen.
»Was für ein Kompromiss?«, fragte eine mutige junge Hexe, die
zurückschreckte, als sich alle Augen auf sie richteten.
»Ich bin froh, dass Sie das fragen.«, sagte Umbridge, obwohl ihr
Gesichtsausdruck verriet, dass sie ganz und gar nicht erfreut
war.
»Die meisten der Vereinbarungen, die wir besprochen haben, bezogen
sich auf Muggelgeborene. Es kam der Gedanke auf, dass sie eine
formellere Einführung in unsere Sitten brauchen, und wir dachten,
es wäre besser, wenn sie getrennt unterrichtet würden, außerhalb
von Hogwarts.«
Hermines Mund war zu einem grimmigen Strich zusammengekniffen und
sie warf Ron einen Ich-hab's-dir-doch-gesagt-Blick zu.
»Wir haben uns auch darauf geeinigt, dass es am besten wäre, wenn
die Rolle des Ministers und verschiedene Positionen im Zaubergamot
von jenen alteingesessenen Mitgliedern der Zauberergemeinschaft
eingenommen werden. Schließlich ist es die Erfahrung, die ihnen
gezeigt haben, wie unsere Gesellschaft funktioniert.«, sagte
Umbridge. Sie lächelte, obwohl ihre Augen einen harten, flackernden
Ausdruck aufwiesen.
»Für die offene Kommunikation und Kooperation zwischen unseren
beiden Gruppen habe ich einige aus dem inneren Kreis von
Ihr-wisst-schon-wem eingeladen, sich heute zu uns zu gesellen.
Bitte senken Sie Ihre Zauberstäbe und gestatten Sie ihnen,
friedlich einzutreten.«, sagte Umbridge. Das einfältige Lächeln
stahl sich wieder in ihr Gesicht.
Die Auroren schauten einander unbehaglich an. Einige senkten sofort
ihre Zauberstäbe, während andere sich weigerten und ihre
Vorgesetzten erwartungsvoll anstarrten. Umbridge musste ihre
eigenen Leute in der Abteilung für Magische Strafverfolgung
eingesetzt haben, da diese die Menge anfunkelten, bis deren
Zauberstäbe gesenkt wurden.
Harry sah in stummem Entsetzen zu, wie ein halbes Dutzend Todesser
den Raum betrat. Sie liefen in einem Halbkreis auf das Podium zu,
Severus Snape im Zentrum, seine schwarze Robe hinter ihm flatternd.
Sie hatten den Raum zur Hälfte durchquert, während Umbridge ihnen
mit einem sehr selbstgefälligem Lächeln zuschaute, als die Türen
sich plötzlich abermals öffneten und weitere Reihen von Todessern
auftauchten, die sich über den ganzen Raum verteilten.
Harry konnte sehen, wie sich die Gesichter der Auroren alarmiert
verzogen, als sie schnell in Unterzahl gerieten. Voldemort hatte
ganz offensichtlich Rekruten angeworben. Dolores Umbridge starrte
sie einen Moment lang verständnislos an, bevor sich Schrecken über
ihrem Gesicht ausbreitete und sich langsam in Panik
verwandelte.
»Mr. Snape.«, sagte sie süßlich. Ihre Hand zitterte nervös, als sie
ihr Haar zurückstrich. »Hier sind mehr von Ihnen, als ich erwartet
habe.«
Snape nickte knapp. »Sie werden feststellen, dass das Abkommen sich
leicht geändert hat.«, erwiderte er abfällig, die Lippe
gekräuselt.
»Wie geändert?«, fragte Umbridge. Ihre Hand umklammerte ihren Hals.
Jene wenigen Ministeriumsbeamten, die mit ihr auf der Bühne
standen, waren alle zurückgewichen, die Augen geweitet und panisch,
während sie über die Menge schweiften.
Harry bemerkte, dass selbst Dudley begriffen hatte, dass ein
größerer Tyrann auf dem Spielplatz aufgetaucht war. Er war von der
Bühne heruntergetreten und stand bei seinen Eltern, wo er das
Geschehen genau beobachtete. Onkel Vernon wirkte verstimmt, dass
Dudleys Glanzmoment unterbrochen worden war, doch Tante Petunia
schien den Ernst der Situation zu erfassen. Er konnte die straffen
Venen an ihrem Hals sehen, während sie Onkel Vernon und Dudleys
Arme umklammerte.
Snapes Augenbrauen hoben sich. Er neigte seinen Kopf leicht und
schaute die vorsichhinstammelnde amtierende Ministerin wortlos
an.
»Ein Abkommen kann nicht einfach geändert werden, nachdem es von
beiden Parteien unterzeichnet worden ist. So geht es einfach
nicht.«, sagte Umbridge, als rede sie mit einem kleinen Kind.
»Vielleicht fühlen Sie sich ungerecht behandelt?«, fragte
Snape.
Umbridges Augen weiteten sich. »Nein.«, hauchte sie und trat zwei
Schritte zurück. »Natürlich nicht.«
»Vielleicht.«, fügte Snape hinzu, »würden Sie gerne mit dem Dunklen
Lord selbst sprechen?«