Kapitel 4: Bis dass der Tod uns scheidet
Der Tag der Hochzeit brach heiter und strahlend
an. Harry erwachte bei einer, seiner Meinung nach, gottlosen Stunde
vom Vogelzwitschern. Die Sonne strahlte zwischen den Ritzen der
Vorhänge in Rons Schlafzimmer hindurch und durchbohrten Harrys Kopf
mit einer unnachgiebigen Intensität. Das verflixte Gezwitscher
trieb ihn in den Wahnsinn.
Harry war am vorangegangenen Abend zum ersten Mal bei einem
Junggesellenabschied gewesen und selbst der Ernüchterungszauber,
den Mrs. Weasleys auf sie alle gelegt hatte, bevor sie sie ins Bett
gescheucht hatte, vermochte das Pochen in seinem Kopf nicht zu
stoppen. Harry verspürte leichtes Unbehagen, doch er war nicht
sicher, ob es nur von den Kopfschmerzen herrührte.
Die vergangene Woche war eine der seltsamsten in Harrys Leben
gewesen und das wollte schon etwas heißen. Der Fuchsbau – schon
unter normalen Umständen Mittelpunkt von Chaos und Aktivität – war
das Zentrum von Vorbereitungen für die bevorstehende Hochzeit. Wenn
Mrs. Weasley Harry in den Jahren, die sie für den Orden arbeitete,
aufgewühlt vorgekommen war, so war das nichts im Vergleich zu ihrem
Zustand, während sie Vorkehrungen für die Hochzeit traf.
Die Delacour-Familie war vor zwei Tagen mit mehr Koffern und
Habseligkeiten eingetroffen, als einer kleinen Armee zustand. Die
Zeremonie selbst sollte auf der Wiese stattfinden, wo Harry mit Ron
und seiner Familie viele Male Quidditch gespielt hatte. Daher
übernahm die Delacour-Familie die andere Seite des Gartens, auf der
sie ein großes Zelt, umgeben von üppigen Blumenbeeten,
aufstellten.
Harry hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen, selbst bei der
Quidditch-Weltmeisterschaft nicht. Das Zelt glich eher einem
Schloss – mit Spitzen und Türmchen – und trug oben die französische
Nationalflagge. Der Bereich um das Zelt herum war ein blühendes
Feld von exotischen Pflanzen und Blumen. Und ein kleiner
Springbrunnen hatte die Stelle des ursprünglichen Teiches
eingenommen.
Wenn Mrs. Weasley schon angespannt war, war es nichts im Vergleich
zur Verfassung von Mrs. Delacour. Harry hatte sie noch nie etwas
nicht schreiend aussprechen gehört und er hatte bemerkt, dass Mr.
Delacour ihr mehrere Male von sich aus Tee mit einem Schuss Rum
zubereitet hatte.
Bill und Fleur schienen von dem hektischen Getriebe um sie herum
kaum etwas wahrzunehmen und schwebten lediglich mit einem
verträumten Ausdruck auf den Gesichtern in und aus dem Chaos. Fleur
war aus dem Fuchsbau zu ihrer Familie gezogen, was Ginny, Hermine
und Ekaterina in einem Zimmer hinterließ. Harry vermutete, dass
Ginny Ekaterina mehr mochte als Fleur, da die Anspannung auf ihrem
Gesicht sich nach dem Auszug des französischen Mädchens
beträchtlich gemindert hatte .
Seit der heftigen Auseinandersetzung im Hintergarten vor beinahe
einer Woche hatte eine solche Spannung zwischen Ginny und Harry
geherrscht, dass sie mit einem Messer angeschnitten werden könnte.
Sie hatten sich sehr darum bemüht, sich einander übertrieben
höflich zu begegnen oder komplett aus dem Weg zu gehen. Ginny
bewies wieder einmal ihre gekonnten Schauspielfähigkeiten, indem
sie leicht vorgab, dass alles in Ordnung war, und Harry nicht
anders behandelte als einen Freund Rons, der zufällig zu Besuch
war. Sie war höflich und frustrierend distanziert. Nur bei kurzen,
seltenen Gelegenheiten war Harry der Meinung, einen Schimmer von
irgend etwas in ihren Augen entdecken zu können, doch wenn
er genauer hinschaute, war es wieder verschwunden.
Harry auf der anderen Seite scheiterte erbärmlich darin,
mitzuspielen. Er konnte seine Gefühle einfach nicht unterdrücken
und so tun, als sei alles in Ordnung, egal wie sehr er sich
anstrengte. Und die Mühe ließ ihn zunehmend übellaunig werden. Er
war sich sicher, dass, während er elendig versagt hatte, in seinem
fünften Jahr Okklumentik zu erlernen, Ginny wahrscheinlich sehr gut
darin sein würde.
Die Anwesenheit von Jean-Luc Delacour trug selbstverständlich zu
keiner Besserung bei. Mit seiner Höflichkeit und Freundlichkeit war
Jean-Luc alles, was Harry nicht war. Er war nur ein Jahr älter,
doch irgendwie schaffte er es, einen erheblich weltklügeren
Eindruck zu erwecken. Er hatte dunkles Haar, das er zurückgekämmt
hatte und trug Roben, die ihm nicht nur wie angegossen passten,
sondern außerdem aus feinstem Stoff hergestellt waren. Dieser
Anblick gab für Harry den Ausschlag, dass er entschloss, zum ersten
Mal auf eigene Faust Muggel-Kleidung in seiner Größe kaufen zu
gehen.
Jean-Luc hatte Ginnys Hand geküsst, als er ihr vorgestellt wurde,
und schien stets das Richtige zu sagen oder hatte für alles
geistreiche Antworten parat.
Harry fühlte sich, als ob ihm im Gegensatz dazu die Zunge
festgeschnürt war.
Alle Frauen im Haus scharwenzelten um Jean-Luc herum und Harry
wurde wieder daran erinnert, wie er im vierten Jahr versucht hatte,
gegen Cedric anzukämpfen und eine Tanzpartnerin für den
Weihnachtsball zu ergattern. Der einzige Trost war, dass keiner der
anderen Weasley-Brüder sich um Jean-Luc scherte. Ron äffte seine
tänzelnden Bewegungen nach und Harry hatte den Verdacht, dass die
Zwillinge einen Streich gegen ihn ausheckten.
Das wäre einem netteren Kerl nicht passiert, dachte Harry
gehässig.
Trotz der offensichtlichen Missbilligung ihrer Brüder – oder
vielleicht auch gerade deswegen – schien Ginny hingerissen von dem
schneidigen Franzosen zu sein. Jedes Mal, wenn Harry sie sah,
befand sie sich in seiner Gesellschaft und lachte über seine dummen
Witze oder lauschte aufmerksam, was auch immer er ihr gerade
erzählte. Harry hatte mehrere Male gesehen, wie sie Jean-Lucs Arm
genommen hatte, der jede Gelegenheit zu nutzen schien, seine
verfluchten Hände auf ihre Taille zu legen.
Das Monster in Harrys Brust hatte mit solcher Inbrunst gebrüllt,
dass es Harry überraschte, dass niemand sonst es hören konnte. Er
war in solch einer schlechten Laune gewesen, dass die meisten
Weasleys ihm deswegen aus dem Weg gingen. Die einzige Person, die
seine üble Gemütsstimmung anscheinend überhaupt nicht störte, war
Gabrielle Delacour. Sie war zu Harrys Schatten geworden, der ihm
überallhin folgte und ihm mit jeder Aufgabe half, die Mrs.
Weasley oder Mrs. Delacour ihm auftrugen.
Ohne Unterlass schnatterte Gabrielle während ihrer Arbeit und Harry
hatte noch keinen Ausweg gefunden, sich ihrer Gesellschaft zu
entledigen. Sie folgte ihm, lachte unablässig und errötete im
dunkelsten Ton des Weasley-Rots, wenn er sich dazu herabließ, eine
ihrer endlosen Fragen zu beantworten. Harry erinnerte sich daran,
als Ginny in seinem zweiten Jahr in ihn verknallt gewesen war. Doch
das war ihm irgendwie anders vorgekommen. Ginny war niemals so
nervig gewesen.
Es war, als ob er in Zaubertränke mit Colin Creevey zusammengepaart
würde, nur mit mehr Kichern. Das einzige ansatzweise Positive an
der ganzen Situation war, dass Fleur aufgehört hatte, Harry dazu zu
drängen, sich mit Gabrielle zu beschäftigen. Nach Harry und Ginnys
Auseinandersetzung im Hintergarten hatte Fleur ein neues Projekt
eingeleitet. Mit Absicht hatte sie Aufgaben gestellt und darauf
bestanden, dass er und Ginny zusammen an ihnen arbeiten
mussten.
Harry wäre ihr für alle Ewigkeiten dankbar gewesen, wenn die
Umstände anders gewesen wären. Aber mit Ginny Zeit zu verbringen,
während sie sich ihm gegenüber kühl und distanziert verhielt,
machte ihn beinahe wahnsinnig.
Das war auch der Grund dafür, dass er bei dem Junggesellenabschied
am vergangenen Abend so viel getrunken hatte.
Es hatte harmlos angefangen. Charlie hatte alle Weasley-Brüder
(außer Percy), Harry, Jean-Luc, Mr. Weasley und Mr. Delacour
versammelt und sie waren zu einem privaten Raum im Tropfenden
Kessel appariert. Remus, Mad-Eye Moody, Kingsley Shacklebolt und
einige andere Mitglieder des Ordens waren dort zu ihnen gestoßen,
zusammen mit ein paar von Bills Mitarbeitern und alten
Freunden.
Harry hatte sich mit Ron in eine Ecke gesetzt, etwas abseits von
dem Rest der Truppe. Er war glücklich mit seinem kalten Butterbier
gewesen, als Charlie sich ihnen mit einer Flasche Feuerwhiskey
genähert und seinem und Rons Getränk einen Schuss damit versetzt
hatte. Harry hatte das legendäre Getränk noch nie gekostet und
leistete eifrig Gehorsam. Es brannte im Inneren seines Körpers und
er prustete und hustete, bis er sich daran gewöhnt hatte.
Er hatte nur beabsichtigt, es zu probieren und dabei zu belassen,
aber es hatte damit geendet, dass er aufgezogen wurde, der einzige
noch Minderjährige zu sein. Er hatte sich gefühlt, als müsse er
etwas beweisen, vor allem gegenüber Jean-Lucifer, dem der Alkohol
überhaupt nichts auszumachen schien.
Schon bald hatte er es äußerst schwierig gefunden, zusammenhängende
Worte hervorzubringen – noch schwieriger als sonst schon – und er
war nicht ganz sicher, wie er am Ende der Nacht zum Fuchsbau
zurückgekommen war.
Nun, am nächsten Morgen, fand er sich auf seinem Feldbett in Rons
widerlich orangen Zimmer wieder und versuchte zu entscheiden, ob er
die Energie hatte, einen Reducto-Zauber auf die Sonne
abzuschießen.
»Verdammte Scheiße.«, ertönte Rons Stöhnen von seinem Bett.
Harry versucht sich aufzusetzen, fiel jedoch zurück auf sein Kissen
und fluchte. »Ich trinke nie wieder Feuerwhiskey, solange ich
lebe.«, ächzte er. »Wessen brillante Idee war das überhaupt?«
»Ich glaube deine, Kumpel.«, erwiderte Ron und seine Stimme klang
ungewöhnlich laut in der Stille des Zimmers.
»Guten Morgen, Jungs.«, trillerte Hermine, während sie die Tür
aufmachte und das Zimmer betrat, fröhlich grinsend. Beide Jungen
zuckten zusammen.
»Oh, es ist der perfekte Tag für eine Hochzeit. Mrs. Weasley hat
schon das Frühstück bereit. Kommt schon, steht auf. Die Gäste
kommen bald und ihr müsst bis dahin angezogen sein, um sie zu
begrüßen.«
»Hermine!«, stöhnte Ron, rollte sich über und zog sich die
Bettdecke über den Kopf. »Es ist doch noch in aller
Herrgottsfrühe.«
»Unsinn.«, sagte Hermine, während sie die Decke von ihm zog und
Harry anschließend mit der gleichen Behandlung versah. »Es ist fast
zehn Uhr. Alle sind schon auf und sind es schon einige Zeit lang.
Ginny, Fleur und Gabrielle sind bereits aufgebrochen, um sich die
Haare machen zu lassen.«
»Wohin denn?«, fragte Harry, plötzlich interessiert. Er schnappte
seine Decke aus Hermines Hand, um seine nackte Brust zu
bedecken.
»Sie sind zu irgendeinem Vetter von Fleur in London appariert. Ron,
deine Mutter wird in einer Minute hier oben sein, wenn ihr nicht
aufsteht.«, sagte Hermine.
»Mein Kopf.«, jammerte Ron.
»Oh!«, sagte Hermine. Sie zog zwei Phiolen aus der Tasche ihres
Morgenmantels. »Hier. Deine Mum hat mir aufgetragen, euch das hier
zu geben. Es wird euch helfen, den Kopf klarzukriegen.«
Begierig nahm Harry die Phiole entgegen und schluckte den Inhalt.
Er schauderte bei dem Geschmack. Doch sein Geist klärte sich auf
der Stelle und das Pochen in seinen Schläfen wich.
»Warum hast du das nicht zuerst gesagt?«, fragte er verwirrt. Nun,
da er wieder denken konnte, bemerkte er, dass er noch immer dieses
unangenehme Gefühl hatte. Er hatte den Verdacht, dass es etwas mit
seinem Kater zutun hatte, zusammen mit seiner Angespanntheit
darüber, den ganzen Tag damit zubringen zu müssen, Jean-Luc dabei
zuzusehen, wie er um Ginny herumscharwenzelte. Dennoch, das
Prickeln in seinem Nacken ließ Besorgnis in ihm aufsteigen. Er
musste auf der Hut sein. Er würde nicht zulassen, dass irgendetwas
den Weasleys die Hochzeit verdarb.
Einige Stunden später war Harry in seinen schicken Festanzug
gekleidet und half Ron und die Zwillinge, die Gäste zu ihren Sitzen
auf der Wiese zu eskortieren. Unzählige Reihen von weißen Stühlen
waren in einem Halbkreis um einen weißen Pavillon aufgestellt, der
mit mehr weißen Rosen geschmückt war, als Harry jemals gesehen
hatte. Tante Petunia wäre bei der Üppigkeit der Blüten aus dem
Häuschen gewesen.
Viktor Krums Ankunft ließ Rons Augen sich zu Schlitzen verengen und
seine Ohren rot werden, trotz der Tatsache, dass Viktor mit einer
umwerfenden Schönheit am Arm auftauchte. Harry eilte hinüber, um
sie zu begrüßen, und führte sie zu ihren Sitzen, bevor Ron eine
Szene machen konnte. Viktor erkundigte sich wirklich nach Hermine,
doch Harry beschloss, es Ron gegenüber nicht zu erwähnen.
Als die Hochzeit begann, lief Harry zu der hintersten Reihe der
Stühle, doch Ron schleppte ihn zu seinem und Hermines Sitz in einer
der Reihen, die für all die Weasleys reserviert waren. Harry fühlte
sich seltsam berührt.
Ehrlich gesagt erinnerte er sich an nicht mehr viel an die
Hochzeit, nachdem Ginny den Gang hinuntergeschritten war. Gabrielle
war ihr vorangegangen, ein goldenes Kleid mit Rüschen und
zugeschnürtem Mieder tragend. Auf ihren Schultern ruhte der Kragen
und sie trug ein goldenes Tuch um die Schultern. Ihre goldenen
Locken waren um ihren Kopf herumdrapiert und selbst Harry musste
zugeben, dass sie bezaubernd aussah.
Als nächstes folgte Ginny. Harry spürte, wie sein Mund trocken
wurde. Er schaffte es nicht einmal zu schlucken. Das goldene Kleid,
das an Gabrielle hübsch wirkte, sah an Ginny atemberaubend aus. Sie
schienen sich an jede Kurve ihres Körpers zu schmiegen und Harry
wäre es auch schwer gefallen, seine Augen wegzubewegen, wenn
Voldemort sie in diesem Moment angegriffen hätte. Ihr Haar war
sanft gewellt und zu einem komplizierten Geflecht von Zöpfen auf
dem Kopf getürmt. Dünne Strähnen umrahmten ihr Gesicht. Sie hatte
das Tuch enger umgewickelt als Gabrielle, doch selbst damit konnte
Harry sich vorstellen, dass der Kragen des Kleides ihre Schultern
vollkommen unbedeckt ließen.
Sie war atemberaubend und er war verloren.
Die Zeremonie begann und er nahm an, dass Bill und Fleur irgendwann
ihr »Ja-Wort« gesagt hatten. Ehrlich gesagt hatte Harry nichts
davon wahrgenommen außer dem Schein der Sonne auf Ginnys feurigem
Haar und dem rosafarbenen Lippenstift, den sie auf ihren sanft
lächelnden Lippen trug. Mehrere Male sah er fasziniert zu, wie
Ginnys kleine Zunge herausschnellte, um sie zu befeuchten, wodurch
der Lippenstift noch mehr glänzte.
Bevor er wusste, was geschah, besiegelten Bill und Fleur die
Zeremonie mit einem Kuss und kleine weiße Tauben flogen von den
Bäumen, die den Pavillon umsäumten.
»Nun, lasst die Party beginnen.«, sagte Fred und schlug George auf
den Rücken.
»Richtig, mein Bruder. Wir haben versprochen, mit jeder von Fleurs
Freundinnen zu tanzen. Ich jedenfalls nehme dieses Versprechen als
persönlichen Schwur.«, erwiderte George.
Harry verdrehte die Augen und folgte ihnen zu dem Bereich, in dem
Zelte aufgebaut waren, die Tische mit Speisen und Getränken
bereithielten. Er ließ sich zwischen Ron und Hermine nieder und war
nicht überrascht, beinahe sofort Gabrielle an seinem Ellenbogen zu
finden.
»Oh, neben mirrr iiist ein Platz frei, 'Arry«, sagte das junge
Mädchen eifrig und klopfte auf den Stuhl neben ihr.
Mit knirschenden Zähnen und Rons Kichern ignorierend nahm Harry
Platz. Ron und Hermine setzten sich ihm gegenüber, wobei sie sehr
vertraut wirkten. Fred und George gaben bereits der Band neben der
Tanzfläche in der Mitte des Zeltes Anweisungen.
Bill und Fleur saßen an einem Tisch für zwei ganz vorne im Zelt.
Mr. und Mrs. Weasley und Mr. und Mrs. Delacour hatten den Tisch zu
ihrer Rechten eingenommen. Harry besetzte mit den anderen
Weasley-Geschwistern und Gabrielle den Tisch auf der linken Seite
des glücklichen Paares. Harry blickte gerade rechtzeitig auf, um zu
sehen, wie Ginny und Jean-Luc die letzten Plätze an ihrem Tisch
füllten.
Harrys Augen waren einen Moment lang auf Ginny gerichtet, während
sie sich setzte, und er war nicht in der Lage, sie wegzudrehen. Sie
trug Lidschatten, der ihre Augen unglaublich sexy machte. Er konnte
sich nicht daran entsinnen, sie in der Schule jemals mehr als
Lippenstift tragen gesehen zu haben.
»Lass misch dirrr von diesem Wein 'ier eingießen, Ginny.«, sagte
Jean-Luc und es klang, als ob er ihren Namen liebkoste.
Harrys Biest fauchte zornig.
»Danke, Jean-Luc.«, erwiderte Ginny zuckersüß.
Mit finsterem Blick nahm Harry einen Schluck von seinem eigenen
Wein.
Trotz der köstlichen Speisen, die angeboten wurden, zog sich das
Essen für Harry quälend lange hin. Mit Gabrielles Andeutungen, wie
gern sie tanzen wollte, und Jean-Lucs konstanter Aufmerksamkeit
Ginny gegenüber war Harry bereit, sich auf seinen Feuerblitz zu
schwingen und die ganze Gesellschaft im Sturzflug zu
bombardieren.
Das einzig Gute war der Wein, der ihn angenehm erwärmt hatte. Er
hatte sehr schnell sein Versprechen vom gleichen Morgen vergessen,
nie wieder Alkohol zu sich zu nehmen. Selbst mit einem Kater würde
er sich besser fühlen als im Augenblick.
Als er seinen Nachtisch beendet hatte, dachte er, er hätte es durch
den Abend geschafft. Er hatte geplant, sich leise vom Fest
wegzustehlen und ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen würden sie
nach Godrics Hollow aufbrechen und er wollte gut ausgeruht
sein.
Dieser Plan änderte sich, als Jean-Luc Ginny zum Tanz aufforderte.
Sie nickte strahlend und wandte sich zu Harry um. Herausfordernd in
seine Augen blickend gestattete sie dem Tuch, ein wenig von ihrer
Schulter zu rutschen.
Harry schluckte, als sein Mund trocken wurde. Er fühlte sich, als
ob die ganze Luft in seinen Lungen aus ihm herausgepresst worden
wäre. Der Ausschnitt von Ginnys Kleid erschien ihm plötzlich sehr
viel tiefer als der sittsame Schnitt von Gabrielle. Ginnys Roben
sahen überhaupt nicht mehr aus, als wären sie für ein kleines
Mädchen gemacht.
Harrys Kiefer fiel herunter und er war sich dessen nicht einmal
bewusst, bis Hermine ihm mit dem Ellenbogen scharf in die Rippen
stieß. Ginnys Augen blitzten triumphierend.
Jean-Luc ging mit der Situation natürlich sehr viel anmutiger, als
Harry es geschafft hatte. Er lehnte sich zu Ginny und flüsterte ihr
etwas ins Ohr, worauf sie errötete und auf ihre Füße schaute.
Dadurch entging ihr der anerkennende Blick, den der Franzose auf
ihr Dekolleté warf.
Doch Harry bemerkte ihn und sprang auf die Füße.
Wieder war es Hermine, die ihn zurückhielt. »Mach jetzt bloß keinen
Aufstand, Harry.«, zischte sie.
Harry funkelte sie an. »Hast du gesehen, wo er hingeguckt hat?«,
fragte er erhitzt.
»Ja. Auf die gleiche Stelle, wo du auch hingeschaut hast. Also
wirklich, Harry. Es heißt Push-up-BH«, sagte Hermine. Ihre Wangen
färbten sich rot.
»Was zur Hölle hat Ginny mit sich gemacht?«, verlangte Ron zu
wissen, als er endlich wieder seine Stimme gefunden hatte. »Das ...
das sieht gar nicht mehr nach meiner kleinen Schwester aus und ich
will nicht, dass die ganzen Typen sie angucken.«
»Kannst du bitte deine Stimme senken?«, keifte Hermine. »Ginny
wollte etwas, das ihr Kleid nicht so kindlich aussehen lässt. Also
habe ich ihr gesagt, was sie sich kaufen sollte. Es ist was für
Muggel und so entworfen, dass es nimmt, was man hat, und ... es ein
bisschen hochschiebt.«
»Ein bisschen?«, fragte Ron aufgebracht.
»Lass deine Schwester doch mal in Frieden. Sie kann auf sich selbst
aufpassen. Außerdem tanzt sie doch nur. Und das in der Anwesenheit
deiner ganzen Familie. Da wir gerade vom Tanzen sprechen: Ich
glaube, du hast mir einen versprochen.«, sagte Hermine und hob eine
Augenbraue.
Ron schluckte, bot ihr aber seine Hand und geleitete sie auf die
Tanzfläche, während er Ginny und Jean-Luc noch immer mörderische
Blicke zuwarf.
Harry wandte sich um und stürmte vom Tisch weg. Während Charlie
Ginny genau beobachtete, lächelte Ekaterina Harry mit wissendem
Blick zu. Er konnte es nicht mehr aushalten.
Harry sah Remus mit Tonks in der Nähe von einer der Bars stehen und
gesellte sich zu ihnen.
»Hey, Harry.«, begrüßte Tonks ihn. Sie trug grellpinke Roben mit
einer passenden Haarfarbe. Harry war froh zu sehen, dass sowohl
ihre Metamorphmagus-Fähigkeiten als auch ihre Beziehung zu Remus
zurück beim Alten zu sein schienen. Das Paar strahlte ihn an. Trotz
des Stichs, den ihm der Gedanke an das Durcheinander versetzt, zu
dem seine Beziehung mit Ginny geworden war, erfüllte es ihn mit
Freude zu sehen, dass das Schicksal auf seinen ehemaligen Lehrer
herabzulächeln schien.
»Hi, Tonks. Hallo, Remus.«, sagte Harry und schüttelte dem Älteren
die Hand.
»Was ist los, Junge? Du siehst so aus, als ob du deinen besten
Freund verloren hättest.«, sagte Tonks besorgt.
Harry zuckte die Achseln. »Mit geht es gut.«
Remus ließ seinen Blick über die Tanzfläche schweifen und
verharrten bei der glitzernden Gestalt in Gold mit dem feurig roten
Haar. »Ah. Ich verstehe.«, sagte er, bevor er Harry einen Schuss
Feuerwhiskey reichte.
Harry hob seine Augenbraue.
»Sirius pflegte immer zu sagen, dass es einem die Welt immer gleich
viel schöner vorkommen lässt.«, sagte Remus und erhob sein Glas. Er
und Harry prosteten sich zu, bevor sie an den Gläsern nippten.
»Wie läuft es im Hauptquartier?«, wollte Harry wissen, als seine
Augen endlich aufgehört hatten zu brennen.
Er bemerkte den verstohlenen Blick, den die beiden Ordensmitglieder
wechselten. Tonks antwortete: »Wir sind sehr viel beschäftigt. Es
ist viel passiert.«
»Was denn zum Beispiel?«, verlangte Harry zu wissen. »Ich weiß,
dass jemand dort wohnt, den ihr beschützt.«
Die letzte Bemerkung war eigentlich eher ein Schuss ins Dunkel,
doch es schien ein Volltreffer zu sein. »Nicht hier, Harry.«, sagte
Remus mit gesenkter Stimme. »Wir können ein anderes Mal darüber
sprechen, wenn wir an einem sichereren Ort sind.«
Während er sich mit Remus und Tonks unterhielt, spähte Harry
verstohlen zur Tanzfläche. Er beobachtete, wie Ginny mit mehreren
anderen Partnern zusätzlich zu Jean-Luc tanzte, obwohl dieser öfter
an ihrer Seite war als abwesend. Sie sah aus, als ob sie gerade die
Zeit ihres Lebens verbrachte. Er hatte nicht gewusst, dass sie so
gut tanzen konnte. Wenn die Tatsache, dass Jean-Luc sich bei ihr
befand, nicht wäre, hätte Harry es genossen, ihr zuzuschauen.
Das Monster in seiner Brust schreite ihn an hinzugehen und sie zum
Tanz aufzufordern, doch er hielt sich zurück. Das konnte er nicht
tun. Wenn er ihr jetzt nahe kam, würde er verloren sein, das wusste
er. Es war besser für sie, wenn er den Abstand wahrte und ihr
gestattete, sich in ihrem Leben vorwärts zu bewegen.
Er wünschte sich nur, dass es nicht so schmerzen müsste.
Als Tonks sich abwendete, um mit jemandem vom Ministerium zu
sprechen, lehnte sich Remus vor und flüsterte Harry leise ins Ohr:
»Wenn sie dir nicht aus dem Kopf geht, selbst wenn du es versuchst,
liegt die Antwort vielleicht darin, sie näher an deinem Herz zu
behalten.«
Harry seufzte und starrte noch immer zu Ginny hinüber. »Ich
wünschte nur, es wäre so leicht.«
»Manchmal ist es das.«, sagte Remus sanft.
»Es ist im Moment zu gefährlich und ich will nicht, dass sie
verletzt wird.«, erwiderte Harry. Plötzlich klang die
Standardantwort selbst in seinen Ohren schwach.
»Ah, ich verstehe. Der alte Meister Edelmut scheint in deiner
Familie stark zu fließen, Harry. Dein Vater hat den Zustand
ebenfalls durchlaufen, deine Mutter beschützen zu wollen. Er wollte
nicht, dass sie in den Orden oder den Kampf gegen Voldemort
verwickelt wurde, doch schließlich hat er es überwunden und ihr
erlaubt, sie selbst zu sein. Er begriff irgendwann, dass er sich in
ein kratzbürstiges Mädchen verliebt hatte, das sich für das
einsetzt, woran es glaubt. Und dann hat er von ihr gefordert, sich
zu verändern. Das war wirklich nicht fair für sie beide.«, sagte
Remus, während er einen Schluck aus seinem Glas nahm.
»Ist das, was ich gerade tue?«, fragte Harry schockiert. Er hatte
es niemals so gesehen. Natürlich waren seine Eltern beide in den
Kampf gegen Voldemort verwickelt gewesen. Die Prophezeiung hatte
besagt, dass sie ihm dreimal die Stirn geboten hatten. Seine Mutter
hatte dem Orden angehört, genauso wie sein Vater. Dennoch hatte er
sie immer noch versucht zu beschützen, als Voldemort das erste Mal
in Godrics Hollow aufgetaucht war. Wie hatte er zwei so
gegensätzliche Sehnsüchte vereinen können?
»Es würde höchst ungerecht sein, wenn Ginny ihre wirkliche
Persönlichkeit verschließen müsste, um deine Suche zu unterstützen,
nur damit du dich von ihr entliebst, weil sie nicht mehr das
gleiche Mädchen ist, in das du dich verliebt hast.«, sagte
Remus.
»Das wird nie passieren.«, erklärte Harry fest.
»Ich fühle mich wie ein Heuchler, dir diesen Ratschlag zu geben,
Harry, wenn man mein Verhalten letztes Jahr bedenkt.«, sagte Remus
und zuckte zusammen. »Aber nimm es von einem Mann auf, der weißt,
woher du kommst. Du bist sehr viel stärker und mächtiger mit ihr,
als ohne sie.«
Harry nippte an seinem Wein, während er über Remus' Worte
nachgrübelte. Hatte er nicht selbst gesagt, dass er sich so stark
wie nie zuvor gefühlt hatte in der kurzen Zeit, in der er mit Ginny
zusammen gewesen war? Hatten seine eigenen Eltern entschieden, dass
Leben und Lieben das ganze Risiko wert waren?
»Komm schon, Harry. Lass uns deine Tanzschuhe einweihen.«, sagte
Tonks, ergriff seine Hand und zog ihn auf die Tanzfläche. Er tanzte
mit Tonks, Mrs. Weasley, Hermine und sogar Fleur, bevor er darauf
bestand, dass er eine Pause brauchte.
Ein Aufruhr in der Nähe des Zelteingangs zog seine Aufmerksamkeit
auf sich. Er lief hinüber, um herauszufinden, was los war. Fred und
George standen dort mit den Armen in die Seite gestemmt und
funkelten Percy an, der am Eingang herumlungerte und unbehaglich
wirkte. Neben ihm stand der Zaubereiminister, in seinen prächtigen
Umhang gekleidet und Geschenke auf den Armen. Harry erinnerte sich
an eine ähnliche Szene vergangenes Weihnachten.
»Was machst du hier?«, verlangte Ron zu wissen, während er durch
das Zelt stürmte und nur wenige Zentimeter vor seinem älteren
Bruder hielt.
»Ich bin eingeladen.«, sagte Percy. Er hob seine Nase in die Luft
und rückte seine Brille zurecht.
»Ja und du hast nicht geantwortet.«, spie Fred aus.
»Mum hat ganz schön geweint, wenn ich mich recht erinnere.«, keifte
George.
»Unglücklicherweise hat mein überfüllter Zeitplan mir keine
sofortige Antwort gestattet und ich entschuldige mich für mein
unangebrachtes Verhalten.«, erwiderte Percy steif. »Ich bin
gekommen, um meinem ältesten Bruder ein Geschenk zu überreichen.
Wenn ihr mich also entschuldigen würdet...«
»Mr. Potter, «, sagte Rufus Scrimgeour, bevor Harry wegschlüpfen
konnte, »ich habe mich gefragt, ob wir uns auf ein Wort unterhalten
könnten, während Percy hier mit seiner Familie eine private
Angelegenheit bespricht.«
»Harry gehört zur Familie.«, schnauzte Ron. »Mehr als dieser Sack
da.«, sagte er und ruckte seinen Kopf in Percys Richtung.
»Percy? Bist du das?«, unterbrach Mrs. Weasley sie mit einem
Schrei. »Oh, du bist gekommen. Ich wusste, du würdest kommen. Komm
rüber zu den Frischvermählten. Bill wird sich so freuen, dich zu
sehen.«
Als Mrs. Weasley Percy wegführte, starrte Scrimgeour Harry spitz
an. »Auf ein Wort, Mr. Potter?«
Harry kreuzte die Arme über der Brust, entfernte sich jedoch nicht
von Ron und den Zwillingen. »Wir müssen aufhören, uns so zu
treffen, Minister. Ich nehme an, alte Gewohnheiten sind schwer zu
brechen.«
Verärgerung zuckte über Scrimgeours Gesicht. »Die Dinge sind
bedrückend. Dessen sind Sie sich sicherlich bewusst. Nun, da einige
Zeit vergangen ist seit Albus Dumbledores Tod, habe ich mich
gefragt, ob Sie sich die Zeit genommen haben, mein Angebot zu
überdenken?«
»Ihr Angebot?«
»Zum Schutz des Ministeriums, Harry. Ich bin sicher, Sie haben von
den Muggel-Unfällen gelesen. Zudem gab es letzte Woche einen
Anschlag in der Winkelgasse, bei dem mehrere Geschäfte zerstört
worden sind.«
»Ich habe davon gehört. Was wollen Sie dagegen unternehmen?«,
fragte Harry.
»Das Ministerium wird alles tun, was in seiner Macht steht – «
»Haben Sie Stan Shunpike wieder freigelassen?«
»Das bringt uns nirgendwohin.«, sagte Rufus Scrimgeour. Seine
Stimme hob sich allmählich.
»Nein, was uns nirgendwohin bringt, ist Ihre Weigerung zu
akzeptieren, dass ich nicht euren Reklameheld spielen werde.«,
sagte Harry schroff. »Wenn Sie meine Billigung über die Art und
Weise haben wollen, wie Angelegenheiten im Ministerium geregelt
werden, dann verdienen Sie es sich. Fangen Sie an zu tun, was getan
werden muss. Überspringen Sie diese nutzlosen Handbücher
darüber, wie man sich selbst verteidigen soll, und beginnen Sie,
den Leuten etwas wirklich Nützliches beizubringen. Lehren Sie sie,
wie man einen Patronus heraufbeschwört oder wie man Inferi abwehrt.
Hören Sie auf, Menschen zu terrorisieren, von denen Sie wissen,
dass sie unschuldig sind, nur um den Anschein zu erwecken, dass Sie
etwas unternehmen.
Sie könnten damit anfangen, diese verdächtigen Todesser
auszufragen, die behaupteten, unter dem Imperius gestanden zu
haben. Zur Hölle, jeder Todesser, der sein Geld wert ist, weiß
doch, dass er nur behaupten muss, unterm Imperius-Fluch gestanden
zu haben, um freigelassen zu werden. Die Tatsache, dass Stan
Shunpike niemals daran gedacht hat, sollte Ihnen gerade sagen, dass
er kein Todesser ist.«
»Das bringt uns nirgendwohin.«, wiederholte Scrimgeour gereizt.
»Nein. Und ich kann Ihrer Weigerung, ein paar kalte, harte
Wahrheiten zu akzeptieren, entnehmen, dass wir auch nicht mehr
weiterkommen werden. Sie haben den Menschen vielleicht mal helfen
wollen, als Sie Auror geworden sind, aber jetzt sind Sie genauso
wie Fudge: besorgter um Politik und Ihren Ruf. Das ist nicht die
Art von Führer, die wir jetzt brauchen, Minister. Also machen Sie
einfach weiter und tun, was Sie tun müssen, während ich losgehen
werde und wirklich etwas fertigbringe.«, sagte Harry wütend.
»Was genau ist es, was Sie zu tun gedenken?«, fragte Scrimgeour
misstrauisch.
»Oh, ein bisschen hiervon und ein bisschen davon.«, erwiderte Harry
und zuckte die Schultern.
Scrimgours Augen verengten sich gefährlich. »Sie wissen, was Albus
Dumbledore getrieben hat, bevor er gestorben ist.«, beschuldigte
Scrimgeour »Und ich habe vor, es herauszufinden.«
»Wie ich gesagt habe.«, antwortete Harry mit tödlicher Ruhe, »Sie
tun, was Sie tun müssen. Jetzt habe ich eine Hochzeit zu genießen
und Ihre Anwesenheit wird hier weder gebraucht noch ist sie
erwünscht.« Damit ließ Harry einen vor Wut schäumenden
Zaubereiminister zurück, mit Ron auf den Fersen. Harry belustigte
es zu sehen, dass Fred und George zurückblieben, um Scrimgeour
persönlich aus dem Zelt zu geleiten.
»Boah, Harry.«, sagte Ron und grinste ihn anerkennend an. »Du hast
gerade dem Zaubereiminister die kalte Schulter gezeigt. Ich bin
aber froh, dass Hermine es nicht gehört hat. Sie hätte sonst
angefangen zu hyperventilieren.«
Harry lächelte. »Amüsiert ihr euch gut?«
»Ja, das tun wir.«, sagte Ron, während er Hermine bei ihrer
Unterhaltung mit Viktor Krum beobachtete.
Harry verspannte sich und machte sich auf die Explosion gefasst.
»Ron...«
»Sie ist mit mir hergekommen. Sie will mit mir zusammen
sein.«, sagte Ron fest und hielt seine Augen auf Hermine gerichtet,
während sie über die Tanzfläche schritt.
Er konnte noch immer eine leichte Unsicherheit in Rons Stimme
vernehmen. Um ihn ein wenig zu necken, fragte er: »Hast du einen
guten Ausblick auf ihren Hintern bekommen?«
Ron zuckte zusammen. »Was? Ich – ich – habe nicht...«
Harry konnte sein ernstes Gesicht nicht mehr länger halten. »Das
hast du wohl! Ich habe dich gerade beobachtet. Du wirst mich wohl
kaum noch mit Ginny hoppnehmen können, wenn du es nicht mit Hermine
zurückkriegen willst. Sie ist für mich die Person, die einer
Schwester am nächsten kommt, weißt du.«
»Zieh Leine. Lass sie es nicht zu hören kriegen, sonst bricht sie
noch in Tränen aus. Wir wissen ja alle, wie gut du mit weinenden
Mädchen umgehen kannst.«, scherzte Ron und versetzte Harry einen
Ellenbogenstoß in die Rippen.
Harry stupste ihn zurück. »Schwachkopf.«
»Möschtest du tanzen, 'Arry?« Ohne dass sie es bemerkt hatten, war
Gabrielle hinter ihnen aufgetaucht.
Harry stöhnte innerlich auf, während Ron kicherte.
»Es wäre mir eine Ehre, Gabrielle.«, antwortete Harry galant,
worauf das junge Mädchen vor Freude strahlte.
Während die Musik spielte, erhaschte er einen Blick auf Ginny, die
wieder einmal mit Jean-Luc tanzte, und knirschte frustriert mit den
Zähnen. Er versuchte, Gabrielle von ihnen wegzusteuern, um den
Anblick nicht weiter ertragen zu müssen. Irgendwie schaffte es
Gabrielle jedoch, sie alle paar Schritte wieder neben das
plaudernde Paar zu bringen. Harry wusste, dass er derjenige war,
der führen sollte, doch er hatte die Schritte nie wirklich
begriffen.
Gerade als sie Seite an Seite mit Ginny und Jean-Luc tanzten,
wechselte die Musik zu einem langsameren Titel, so dass die Paare
um sie herum einander enger umschlangen.
»Isch denke, es ist Zeit, Parrrtnerrr zu tauschen.«, sagte
Gabrielle, womit sie sowohl Harry als auch Jean-Luc schockierte.
Sie ließ Harry los und warf die Arme um ihren Cousin. Sie sagte
etwas auf Französisch, als die beiden zu tanzen begannen.
Harry und Ginny blieben zurück und starrten einander an.
»Also? Forderst du mich jetzt zum Tanz auf oder was?«, fragte Ginny
mit erhobener Augenbraue. Harry konnte die Herausforderung in ihren
Augen sehen.
Sollten sie sich doch alle zum Teufel scheren, aber er konnte sich
nicht helfen.
»Möchtest du mit mir tanzen, Ginny?«, fragte er mit heiserer
Stimme. Ein dünner Schimmer von Schweiß formte sich auf seiner
Oberlippe, als er einen besseren Blick auf den Ausschnitt ihres
Kleides bekam. Seine Augen wollten ihm nicht gehorchen und
versuchten immer wieder, nach unten zu wandern.
Ginnys Blick wurde sanfter, als sie ihre kleine, warme Hand in
seine legte. Er schlang seinen anderen Arm um ihre Taille und zog
sie eng an sich, während er ihren süßen, blumigen Duft aufnahm, an
den er sich so gut erinnerte.
Er hatte gänzlich vergessen, auf seine Füße zu achten und seine
Schritte zu zählen. Stattdessen gestattete er sich, einfach
dahinzugleiten und das Gefühl von ihrem Körper an seinem zu
genießen. Er ließ seine Hand am seidigen Stoff ihres Kleides
entlangfahren und zischte unbewusst auf, wenn er die bloße Haut an
ihrer Schulter berührte.
»Du siehst hinreißend aus.«, flüsterte er ihr zu.
»Beim Merlin, Harry. War das etwa ein Kompliment?« Ihre Augen
blitzten vergnügt.
Harry schluckte. Er konnte nun den Schweiß seinen Rücken
herunterlaufen spüren. »Ich denke schon.«
Ginny lächelte sanft und ließ ihren Kopf auf Harrys Schulter ruhen.
Er schloss die Augen und legte seine Wange an ihr weiches Haar. Er
hatte keine Ahnung, wie lange sie dort standen und sich zur Musik
wiegten; er wusste nur, dass er an keinen vorstellen könnte, an dem
er jetzt lieber wäre. Als Ginny ihm schließlich in die Augen
blickte, war er vollkommen gefesselt von dem Farbenspiel, das das
Licht über ihr Gesicht tanzen ließ. Er beugte sich langsam zu ihr
hinunter und ihre Lippen öffneten sich leicht. Doch bevor er sie
küsste, blickte er sich im Raum um.
Plötzlich realisierte er, dass sie die einzigen auf der Tanzfläche
waren. Die Band hatte eine Pause eingelegt und mehrere Menschen
schauten mit wässrigen Augen zu, wie sie zu einer Phantommusik vor
und zurück schwangen.
Schnell zog sich Harry zurück, sein Blick hetzte hin und her. Ginny
kicherte und verbarg ihr Gesicht an seinem Arm. Harry ergriff ihre
Hand und führte sie von der Tanzfläche. Er schnappte sich zwei
Gläser Wein und zog sie aus dem Zelt in die warme Sommerluft. Die
Wiese war mit Hunderten von schwebenden Kerzen erleuchtet. Auch
einige andere Gäste waren nach draußen gekommen, um die leichte
Brise zu genießen.
Harry hielt Ginnys Hand noch immer fest, während sie über die Wiese
spazierten und bei dem Teich hielten, in dem die Weasley-Kinder oft
geschwommen waren.
Ginny lehnte sich mit dem Rücken gegen eine große Eiche und stellte
beide Weingläser auf den Boden. »Hast du vor zu beenden, was du
angefangen hast, Harry?«, fragte sie.
Harry war sich bewusst, dass sie den Beinahe-Kuss auf der
Tanzfläche meinte. Doch sein Kopf schrie die ganze Zeit, dass sie
von so viel mehr sprach. Wenn er es tun würde, wenn er sie jetzt
küssen würde, war er sich sicher, dass seine Entschlossenheit nicht
stark genug sein würde, sich wieder von ihr zu entfernen.
»Ginny.«, flüsterte er. Seine Augen führten abermals ein Eigenleben
und wanderten zu ihrem Kleidausschnitt.
»Harry!«, mahnte Ginny und stampfte mit ihrem Fuß auf. »Meine Augen
sind hier oben.«
»Es tut mir leid.«, murmelte Harry, während Hitze in seine Wangen
stieg.
Ginny verschränkte die Arme über der Brust. »Das sollte es
auch.«
»Du warst doch diejenige, die ... diese ... so
hervorspringen lässt.«, sagte Harry und wedelte seine Hand in die
besagte Richtung. »Du hast doch gewollt, dass sie bemerkt werden.
Du kannst doch nicht wütend auf mich sein, wenn ich es jetzt
tue.«
»Ich wollte ja, dass sie bemerkt werden... aber ich wollte, dass du
alles zusammen bemerkst.«, erwiderte Ginny. »Ich trage Make-up und
Seidenstrümpfe. Ich habe eine neue Frisur ... nicht nur Busen.«
»Ich kann nicht anders. Ich mag dein ganzes Erscheinungsbild. Das
Kleid ist an Stellen raumfest, an denen Schulumhänge es einfach
nicht sind.«, erklärte Harry ernsthaft.
Ginnys Ärger begann hinwegzuschmelzen und ihre Schultern bebten vor
Lachen. »Wie viel von dem Wein hast du schon getrunken, Harry?«
Harry grinste verlegen. »Genug, dass es mich nicht kümmert, was ich
sage.«
Ginny schlang ihre Arme und seinen Hals und spielte mit dem Haar in
seinem Nacken. »Also magst du das Kleid?«
»Ich mag das Kleid.«, murmelte er, bevor er ihren Körper an sich
presste und sie entschlossen küsste. Erst einige Zeit später ließen
sie wieder voneinander ab, beide schwer keuchend.
»Das habe ich vermisst.«, bemerkte Harry.
»Ich auch.«, erwiderte Ginny. »Wie soll es jetzt weitergehen,
Harry?«
»Keinen blassen Schimmer.«, antwortete Harry aufrichtig. »Ich
glaube wirklich nicht, dass es in dem Zelt auch nur eine Person
gibt, die nicht weiß, wie viel du mir bedeutest ... außer
vielleicht Jean-Lucifer ... also was hat es für einen Sinn, es
abzustreiten?«
»Jean-Lucifer!«, kicherte Ginny. »Er ist ein Idiot.«
»Ja, das finde ich auch«, antwortete Harry, erfreut das von Ginny
zu hören. Er nahm sie in die Arme und küsste sie erneut.
Als sie sich wieder trennten, strich Ginny ihm eine Haarsträhne aus
den Augen und legte ihre Stirn gegen seine. »Wir werden schon eine
Lösung finden, Harry, und wir werden es zusammen tun. Für heute
Nacht wollen wir einfach den Rest der Hochzeit genießen, ja?«
»Ja. Ich werde endlich Hermines Rat annehmen und in das Zelt
zurückgehen, mit meiner Freundin tanzen und sogar ein bisschen
knutschen, wenn ich in der Stimmung bin.«
»Das hat dir Hermine gesagt?«
»Kaum zu glauben, oder? Sie hat mich praktisch dazu gedrängt, aber
ich war zu sehr damit beschäftigt, edelmütig zu sein, um auf sie zu
hören.« Harry feixte. »Wer hätte gedacht, dass schon ein goldenes
Kleid und ein Push-up-BH das ändern würde.«
»Das Kleid war eigentlich mehr ein Akt von Rebellion.«, seufzte
Ginny. Sie hielt Harrys Hand fest in der Hand, während sie zurück
zum Zelt schritten, als ob sie Angst hätte, ihn loszulassen. »Sie
können mich dahinein stopfen, obwohl es für eine Elfjährige
geschneidert ist, aber ich bin nun mal nicht elf. Ich bin kein
kleines Mädchen mehr und mein Körper wird da herausplatzen.«
»Das ist schon in Ordnung.«, sagte Harry vorwitzig.
Ginny gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Trottel. Es ist nur eine
Illusion, weißt du. Sobald man den BH weglässt, kommt alles wieder
an den alten Platz.«
Harry grinste. »Das ist okay. Ich habe schon immer geguckt. Ich
habe nur nicht so viel gesehen.«
Ginny kicherte und schlang ihren Arm um seine Hüfte. Er legte ihr
einen Arm um die Schultern und zusammen betraten sie das Zelt.
Jean-Luc kam sofort schnurstracks auf sie zu.
»Da bist du ja, Ginny. Ich 'abe überrrall nach dirrr gesucht.«,
sagte er und blickte sie ein wenig irritiert an.
»Keine Zeit sich zu unterhalten, Jean-Luc«, entgegnete Harry und
reichte ihm ihre leeren Weingläser. »Ich habe meiner Freundin den
nächsten Tanz versprochen.«
Den schockierten Gesichtsausdruck des Franzosen vollkommen
ignorierend, führte Harry Ginny auf die Tanzfläche.
Ginny lachte fröhlich und Harry fiel auf, dass er sie das erste Mal
richtig lachen hörte, seit er in den Fuchsbau gekommen war. Es
klang wie Musik in seinen Ohren. Aus dem Augenwinkel sah er, wie
Gabrielle sie mit einem traurigen Lächeln beobachtete. Als sie
Harrys Blick auffing, erhob sie ihr Kinn und lächelte ihm tapfer
zu. Harry erwiderte ihr Lächeln und formte mit dem Mund »Danke«.
Sie hatte ihm wirklich den nötigen Schubs gegeben. Gabrielle
richtete sich auf und zwinkerte ihm zu, bevor sie in der
Menschenmenge verschwand.
Harry tanzte mit Ginny noch zu einigen anderen Liedern, die
billigenden Blicke der anderen Gäste nicht wahrnehmend und alle
ignorieren – insbesondere die Zwillinge – die sie zu unterbrechen
versuchten.
Während die Nacht zur Neige ging, begannen die Gäste allmählich
aufzubrechen, so dass die Tanzfläche immer leerer wurde.
Als mehrere laute Knallgeräusche von außerhalb des Zeltes ertönten,
dachte Harry, Fred und George hätten die Warnungen ihrer Mutter
ignoriert, nichts von ihren Scherzartikeln einzusetzen. Doch als
sich Geschrei erhob, realisierte er, dass er sich schrecklich
geirrt hatte.
Die Haare in seinem Nacken standen aufrecht, während er zum
Zeltausgang spurtete. Ginny lief neben ihm, ihren Zauberstab
gezückt.
»Bleib neben mir.«, zischte er ihr zu. Er verfluchte sich selbst
dafür, dass er so in das Drama seines privaten Lebens versunken war
und das Gefühl der Unruhe, das ihn am Morgen geplagt hatte,
vollkommen ignoriert hatte.
Harry ließ seinen Blick schnell durch den Raum schweifen, doch er
konnte Ron oder Hermine nirgendwo entdecken. Als er den Ausgang des
Zeltes erreichte, wusste er auf der Stelle, was geschah, obwohl
mehrere Ordensmitglieder sich mit gezogenen Zauberstäben wild
umblickten und nach der Ursache des Aufruhrs suchten.
Um den Fuchsbau waren viele Bewachungsanlagen aufgestellt worden,
nicht nur zum Schutz der Weasleys, sondern auch aufgrund von Harrys
Aufenthalt dort. Zusätzliche Wachen waren zur Vorbereitung auf die
Hochzeit organisiert worden. Doch während sie Todesser außerhalb
der Bannzone hielt, hatten sie keine Wirkung auf Dementoren.
Harry konnte bereits das entfernte Schreien seiner Mutter in seinem
Kopf hören, als er aus dem Zelt trat.
»Alle, die einen Patronus ausführen können, tut es jetzt.«, brüllte
er. »Aus der Richtung dort kommen Dementoren«, sagte er und
richtete seinen Zauberstab auf die andere Seite der Wiese. »Expecto
Patronum.«
Krone brach aus der Spitze hervor und galoppierte zu der Baumreihe.
Sofort konnte er mehrere andere Patronusse in dieselbe Richtung
schweben sehen. Ginnys Tiger sprang einen Moment später
hinterher.
»Bist du dir sicher, Harry?«, fragte Kingsley Shacklebolt, während
er versuchte, eine Herde von schreienden Gästen vom Zelt weg zu der
Apparierstelle zu treiben. In ihrer Panik rannte einige von ihnen
genau in die Richtung der Dementoren.
»Ich bin mir sicher.«, erwiderte Harry grimmig.
»Woher weißt du das? Ich sehe keinen einzigen.«, sagte
Kingsley.
»Vertrau ihm.«, antwortete Ginny. Sie wirkte blass und mitgenommen.
»Er hat Recht. Ich kann es jetzt auch hören.«
Sirius' Stimme trat in Harrys Kopf und wurde mit jeder
verstreichenden Sekunde klarer.
»Dort.« Er deutete auf eine Stelle zwischen den Bäumen. Mehrere
vermummte, schwarzgewandte Gestalten erschienen auf der Wiese. Ihre
Anzahl schien in einer beängstigenden Rate anzusteigen.
Harry schickte einen weiteren Patronus los und schrie zu Mrs.
Weasley, die mit einer Mischung auf Furcht und Wut gerade aus dem
Zelt trat: »Mrs. Weasley, versammeln Sie alle, die keinen Patronus
heraufbeschwören können, an der Apparierstelle und bringen Sie sie
hier raus. Richten Sie Portschlüssel zum Hauptquartier ein für
alle, die nicht apparieren können. Wer ist der neue
Geheimniswahrer?«
»Minerva.«, antwortete Mrs. Weasley. Sie erschien betäubt und
Harrys Herz quoll vor Mitgefühl über. Sie hatte so hart für diese
Hochzeit gearbeitet.
»Aber, Harry, wir können sie nicht dorthin schicken. Es soll doch
geheim bleiben.«, wand sie nervös ein.
»Solange es unter dem Fidelius-Zauber ist, kann sowieso keiner den
Ort weitersagen. Außerdem ist es mein Haus und mir gefällt der
Gedanke, es als eine Unterkunft für Flüchtlinge zu benutzen.«,
entschied Harry, während er Krone auf einen weiteren Dementor
jagte.
»Aber – «
»Mrs. Weasley, wir haben keine Zeit. Wir müssen hier raus.« Harry
vermutete, dass Mrs. Weasleys Argumente mehr mit der Person zu tun
hatten, die sich am Grimmauldplatz versteckte, als dass sie aus
Sorge um das Hauptquartier hervorgebracht wurden. Unter normalen
Umständen hätte sie höchstwahrscheinlich verlangt, dass die
Evakuierten dorthin geschickt wurden.
»Du hast Recht. Ich übernehme das. Ginny, du kommst mit mir.« Mrs.
Weasley straffte die Schultern.
»Nein, Mum«, widersprach Ginny. Ihre Stimme zitterte leicht, doch
ihr Blick war entschlossen.
»Ginny, wir haben keine Zeit zu diskutieren«, sagte Mrs. Weasley
und packte ihre Tochter am Arm.
Ginny wand sich los. »Ganz genau. Ich kann einen Patronus
heraufbeschwören, Mum. Ich werde hier gebraucht.«
Die Entschiedenheit ihrer Mutter bröckelte. Für einen Augenblick
sah sie sie unentschlossen an, bevor ein Dementor direkt neben ihr
auftauchte.
»Expecto Patronum.«, brüllte Ginny und ihr Tiger mähte den
Angreifer ihrer Mutter nieder. »Geh jetzt, Mum.«
Mrs. Weasley warf Ginny und Harry einen letzten verzweifelten Blick
zu und eilte dann zum Haus.
Ein lautes, klirrendes Geräusch erfüllte die Nacht und hallte über
die offene Wiese wider.
»Was war das?«, rief Harry und blickte sich wild um.
»Ich glaube, die Bewachungsanlagen lassen nach.«, erwiderte Ginny
grimmig.
»Großartig. Haben sie schon angefangen, die Leute hier
rauszubringen?«, brüllte Harry über das Kampfgetöse hinweg.
Ginny schaute zum Haus und kniff ihre Augen zusammen. »Ein paar.
Viele Leute haben ein wenig getrunken. Deshalb streiten sie sich
gerade. Einige sind nur in Panik. Ich kann sehen, wie Mum und
Professor McGonagall versuchen, alle zu bewegen. Die Menschenmenge
ist ein wenig kleiner geworden, aber nicht viel.«
Um die Bannzone herum konnte man nun Flammen erkennen und der
Geruch von Rauch füllte rasch die Luft. Harry starrte hoffnungslos
umher. Er konnte eine Vielzahl von Ordensmitgliedern an der Front
sehen, die versuchten, die Dementoren aufzuhalten. Mehrere der
Dämonen hatten die Linie überwunden und bewegten sich auf das Zelt
zu. Auch Todesser waren zu sehen. Ihre maskierten Gestalten krochen
aus den Schatten und verschossen Zauber, um die Wachen zu
schwächen, so vermutete Harry.
Die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen, um durch den Rauch sehen
zu können, konnte er erkennen, dass selbst die Patronus-Zauber die
Wachen abschwächten. Es würde nicht mehr lange standhalten können.
Die Ordensmitglieder wirkten erschöpft und ausgelaugt.
Harry sah, wie Fleur, ihr wunderschönes weißes Hochzeitskleid
schmutzverschmiert und Tante Muriels Diadem schief auf dem Kopf,
ihren Schmetterling-Patronus abfeuerte, während sie Bill Deckung
gab. Bill kauerte auf dem Boden und wedelte seinen Zauberstab in
komplizierten Schlenkern. Harry vermutete, dass er versuchte, die
Wachen zu stärken.
Während er verzweifelt das Chaos um ihn herum betrachtete, kam
Harry zu Bewusstsein, dass er noch immer weder Ron noch Hermine
gesehen hatte, und ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit stieg in
seiner Brust auf.
Wo sind sie? Und wie soll ich den Feind aufhalten?