Kapitel 18: Weihnachten mit den Malfoys
Harry stand auf dem Treppenabsatz am
Grimmauldplatz und genoss die Festtagsaktivitäten, die um ihn
herumschwirrten. Es war Heiligabend und für diesen Abend hatten sie
alle entschieden, den Krieg und ihre Ärgernisse einstweilig auf der
anderen Seite der Tür zu lassen. Das Treppengeländer war mit
Tannenzweigen und braunen und goldenen Bändern geschmückt. Es
wirkte festlich und elegant, als Harry seine Hand daran
entlanggleiten ließ und den Duft von Weihnachten in sich
aufnahm.
Mrs. Weasley war in Hochstimmung gewesen, seit Ron aufgewacht war.
Madam Pomfrey hatte ihn zweimal untersucht und ihn für fit und
gesund erklärt, obwohl sein Kurzzeitgedächtnis einige Lücken
aufwies. Sie rechnete Nevilles Mimbulus Mimbletonia einen
großen Anteil an Rons Genesung an. Sie sagte, dass sie sein
Bewusstsein mehrmals direkt unter der Oberfläche gespürt hatte,
während sie ihn auf Lebenszeichen untersuchte. Und jedes Mal hatte
sie die Pflanze neben sein Kissen gestellt, worauf sein Zustand
sich stets verbessert hatte.
Mrs. Weasley hatte eine riesige Büchse Toffees gemacht und sie
Neville als Weihnachtsgeschenk geschickt. Das Hauptquartier war so
fröhlich wie nur möglich eingerichtet worden und Mrs. Weasley hatte
die Küche mehrere Tage lang nicht verlassen, während sie ein
gewaltiges Weihnachtsbankett vorbereitete.
Harry fühlte sich zwischen Freude über Rons Genesung und
Traurigkeit, dass Remus nicht mit ihnen feiern konnte, hin- und
hergerissen. Er hatte Tonks nur einmal gesehen, seit Remus gegangen
war. Sie hatte an einem Ordenstreffen teilgenommen, jedoch müde und
traurig gewirkt. Und ihr Haar war noch immer mausbraun. Sie und
Harry hatten bedauert, dass keiner von ihnen eine Nachricht von
Remus erhalten hatte. Sie hatten versucht, einander damit zu
trösten, dass es ein gutes Zeichen war und dass es hieß, Remus habe
sich erfolgreich in Greybacks Horde eingeschlichen. Doch Sorge
nagte an ihnen.
Hagrid hatte einen gewaltigen Tannenbaum aus Hogwarts mitgebracht,
den sie in der Eingangshalle aufgestellt hatten. Mehrere
Ordensmitglieder waren für das Weihnachtsbankett zu ihnen gestoßen
und Harry bemerkte, wie Mad-Eye Moody und Madam Pomfrey gemeinsam
den Baum bewunderten. Harry feixte bei dem Gedanken, dass Moodys
Anwesenheit im Hauptquartier wahrscheinlich eine große Rolle darin
spielte, dass Madam kurzfristig beschlossen hatte zu bleiben,
während Ron sich erholte.
Er konnte Hagrid sehen, der eine riesige Schürze mit Rüschen
umgebunden hatte, während er Mrs. Weasley half, Tabletts mit
köstlich aussehenden Speisen ins offizielle Esszimmer zu tragen.
Harry war sich nicht bewusst gewesen, dass der Grimmauldplatz
überhaupt ein offizielles Esszimmer besaß, bis Mrs. Weasley ihnen
verkündet hatte, dass das Mahl dort stattfinden würde, da sie so
viele waren. Die Tür zum Speisezimmer führte direkt zur Küche, war
jedoch stets verschlossen gewesen, so dass Harry es immer für einen
Besenschrank gehalten hatte.
Es klingelte an der Tür und Harry machte Anstalten zu öffnen. Er
fragte sich, wer es wohl sein könnte. Soweit er wusste, waren alle,
die eingeladen waren, bereits eingetroffen. Professor McGonagall
war mit Hagrid gekommen und Tonks hatte die Einladung abgelehnt.
Die Weasleys wohnten alle in dem Haus und es machte ohnehin keiner
von ihnen jemals Gebrauch von der Türklingel. Wachsam öffnete Harry
die Eingangstür, seinen Zauberstab für alle Fälle gezückt, und fand
Percy Weasley mit den Armen voller Geschenke auf der Türschwelle
stehen.
»Percy!«, rief Harry überrascht. Er hatte nicht viel von Percy
gesehen, seit sie aus Albanien zurückgekehrt waren, und der
verlorene Sohn hielt immer noch einen steifen Abstand zu dem
Jungen, der lebte. Harry wusste, dass Percy und Mr. Weasley
gelegentlich im Ministerium miteinander redeten und dass Percy
dafür sorgte, dass sein Vater von allen neuen Erlässen informiert
war, die sie alle betreffen könnten. Mrs. Weasley sprach oft von
Percy, doch keiner seiner Geschwister schien darauf bedacht, die
Beziehung zu kitten. Harry hielt es für Percys Aufgabe, den ersten
Schritt zu tun.
Er half dem verirrten Weasley-Bruder ins Haus und nahm ihm einen
Teil seiner Last ab.
»Hallo, Harry.«, sagte Percy steif, während er seine Hornbrille
zurechtrückte. »Mein Vater erwähnte, dass alle zum Weihnachtsfest
hier sein würden und dass ich willkommen wäre,
vorbeizuschauen.«
»Natürlich bist du das.«, antwortete Harry. Er wechselte ein
Grinsen mit Ginny, die gerade aus der Küche gekommen war. Harry
konnte deutlich ihre Belustigung über Percys formellen Tonfall
erkennen.
»Hi, Percy.« Ginny schlenderte zu ihnen herüber. »Fröhliche
Weihnachten.«
»Fröhliche Weihnachten.«, erwiderte Percy und beugte sich herunter,
um Ginny einen Kuss auf die Wange zu geben. »Ah, ich sehe Mutter
beim Baum. Wenn ihr mich entschuldigen wollt.«
Ginny nickte und sie sahen ihn zu Mrs. Weasley eilen.
»Schön zu sehen, dass er über die Feiertage lockerer wird.«,
bemerkte Ginny mit einem Feixen. Sie trug einen langen schwarzen
Samtrock und eine schimmernde grüne Bluse, die mit goldenen Fäden
durchzogen war. Ihr Haar hatte sie mit einer goldenen Haarklammer
aus dem Gesicht gezogen.
»Du siehst sehr festlich aus.«, sagte Harry und küsste sie
leicht.
»Danke. Das ist mein Weihnachtsgeschenk von Hermine. Sie hat es
mich früher aufmachen lassen, damit ich es heute tragen kann.«,
erwiderte Ginny und drehte sich im Kreis. »Gefällt es dir?«
Harry ließ seine Hand am Ärmel entlang gleiten, den weichen Stoff
genießend. »Ja.«, sagte er lächelnd. Er beugte sich herunter und
flüsterte, so dass nur sie es hörte: »Aber es würde mir noch besser
auf dem Boden gefallen.«
Ginnys Augen weiteten sich vor Überraschung und eine entzückende
Röte kroch in ihre Wangen. Harry grinste anzüglich. Er fühlte sich
äußerst kühn. Es geschah nicht mehr oft, dass er sie zum Erröten
bringen konnte, und er genoss es, dass zur Abwechslung er sie
neckte.
»Ach ja?«, sagte sie mit erhobener Augenbraue.
Harry grinste.
»Was für ein fröhliches Weihnachtsfest, glaubst du, wirst du noch
kriegen, Mr. Potter?«, fragte sie und ging zu Ron und Hermine,
während sie mit den Hüften wackelte.
Harry starrte ihr hinterher, bevor er seinen Kopf schüttelte und
ihr folgte. Er liebte ihre Wortgefechte, selbst wenn er nicht gut
dabei wegkam. Es machte ihm nichts aus. Wirklich nicht.
Ron und Hermine saßen am Feuer, Ron in einen großen, bequemen
Sessel gefläzt. Er hielt ein Geschenk auf dem Schoß und schüttelte
das Päckchen begeistert. Hermine saß neben ihm, ein zärtliches
Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie erschien entspannter, als Harry
sie seit Wochen gesehen hatte, obwohl er bemerkte, dass sie sich
immer wieder nervös am Kopf kratzte.
»Komm schon, Hermine, gib mir nur einen kleinen Tipp.«, sagte Ron,
die Box erneut schüttelnd.
»Nein, Ron.«, sagte Hermine kichernd. »Du musst einfach bis morgen
früh warten.«
»Oh, das hält er nie im Leben durch, Hermine. Er wird das tun, was
er gemacht hat, als wir kleine Kinder waren. Er wird alle Geschenke
auf einmal öffnen, wenn die anderen schlafen gegangen sind, und sie
dann wieder einpacken.«, sagte Ginny lachend.
»Du wusstest davon?« Rons Gesicht fiel zusammen.
»Natürlich.«, sagte Ginny und verdrehte die Augen. »Wir alle
wussten davon. Du hast sie nie besonders sorgfältig
zusammengepackt.«
»Ron, das hast du nicht.«, rief Hermine empört, während sie sich am
Hinterkopf kratzte.
»Haben Fred und George dir Juckpulver in deine Perücke getan,
Hermine?«, erkundigte sich Ginny.
»Nein.«, antwortete Hermine verzweifelt. »Mein eigenes Haar wächst
wieder nach, aber es macht mich noch verrückt.«
»Du könntest es einfach wieder abrasieren.«, schlug Ron vor, der
sich ein Stück Schokolade in den Mund warf.
Hermine funkelte ihn finster an und Ginny schlug ihren Bruder auf
den Arm. »Oh, das war echt hilfreich, Ron. Wisst ihr, die Zwillinge
könnten tatsächlich nützlich werden. Sie haben tonnenweise
Produkte, die dir einen Juckreiz verpassen, und sie testen all ihre
Produkte an sich selbst. Ich wette, sie haben inzwischen einige
Anti-Juck-Mittel auf Lager.«
»Oh, Ginny, das ist eine tolle Idee.«, sagte Hermine und reckte
gleich ihren Hals, um nach Fred und George Ausschau zu halten.
»Ja, wenn du dem vertraust, das sie dir andrehen.«, warf Harry
behutsam ein.
Ihr Gesichtsausdruck ernüchterte einen Moment lang.
»Naja, letztes Jahr haben sie mir ja mit dem Mittel gegen das blaue
Auge geholfen und ich muss wirklich etwas dagegen tun. Ich werde es
einfach riskieren müssen.«, sagte sie achselzuckend.
»Das ist mein Mädchen – immer risikofreudig, Hermine.«, sagte Ron
grinsend. Sein Grinsen verblasste jedoch langsam, als sie alle
lachten. »Warum hast du ein Mittel gegen ein blaues Auge
gebraucht?«, fragte er, deutlich verwirrt.
»Ein Teleskop von Fred und George hat mich geschlagen.«, erwiderte
Hermine einfach. Sie war die einzige, die nicht ständig aus der
Fassung gebracht wurde von Rons regelmäßigen Erinnerungsaussetzern.
Sanft gab sie Erklärungen ab und fuhr fort, als wäre nichts
Ungewöhnliches vorgefallen.
»Warum hat es dich geschlagen?«, wollte Ron wissen, um seine
Erinnerung kämpfend.
»Sirius!«, rief Ron plötzlich.
Hermine warf einen nervösen Blick zu Harry. »Das ist richtig, Ron.
Wir haben uns Sorgen um ihn gemacht.«
Ron lächelte erfreut und Ginny drückte Harrys Hand.
Harry blickte auf, als sich eine plötzliche Stille auf das Zimmer
legte. Langsam stieg die Gruppe Slytherins, die am Grimmauldplatz
residierte, die Treppe herunter. Narzissa Malfoy ging voran, die
Nase hochmütig in die Luft gereckt. Harry bemerkte, dass sogar
Draco, Pansy und Iris in Festgewändern gekleidet waren, während
Harry, Hermine und die jüngeren Weasleys alle Muggel-Kleidung
anhatten. Nur die Erwachsenen trugen Roben.
Narzissa hatte ihren Umhang in schwarzen Samt verwandelt, das mit
silbernen Fäden durchzogen war. All die Slytherin-Roben wirkten
trotz der Verwandlung zerschlissen und ausgefranst. Die Malfoys und
die Parkinsons hatten ihr Vermögen und den Großteil ihrer
Habseligkeiten zurückgelassen, als sie untergetaucht waren, und
ihre wenigen verbliebenen Kleidungsstücke begannen, ihre
Beanspruchung zu zeigen.
»Narzissa, Anastasia.«, sagte Professor McGonagall und schritt auf
sie zu. Sie trug ihren traditionell schwarzen Umhang, doch Harry
bemerkte einen Tartanschal um ihren Hals. »Wie nett, dass ihr euch
zu uns gesellt. Bitte kommt und setzt euch. Ich glaube, Molly will
gerade das Essen servieren.«
»Ich danke dir, Minerva.«, sagte Anastasia Parkinson gnädig. »Mir
hat es schon immer gefallen, mich zu Weihnachten unter die Leute zu
begeben.«
»Ja. Wir haben jedes Jahr eine große Gesellschaft im Malfoy Manor
gegeben.«, sagte Narzissa. Ihre Augen trübten sich vor Nostalgie.
»Und wir besuchten am zweiten Weihnachtstag stets kleine
Versammlungen wie diese hier. Die Malfoy-Familie ist seit jeher
bekannt für ihre Wohltätigkeit.«
»Ja, das ist immer das erste, das mir einfällt, wenn ich den
Namen Malfoy höre.«, murmelte Harry, laut genug, um gehört zu
werden.
Narzissa wandte sich zu Harry. Ihre Augen blitzten gefährlich. »Mr.
Potter, wie schön, dass Ihre Zunge noch so scharf wie eh und je
ist. Sie werden in der folgenden Zeit einen guten Sinn für Humor
brauchen.«
»Es hilft immer zu lachen.«, entgegnete Harry lächelnd. »Jetzt wo
die Hälfte Ihrer Gästeliste entweder in Askaban oder bald
auf dem Weg dorthin sind, sieht es nicht gut aus für Ihre
zukünftige Weihnachtspartys, nicht wahr?«
»Darauf würde ich nicht zählen. Die Malfoys landen immer auf den
Füßen – das tun die meisten Slytherins. Nimm Severus, zum
Beispiel.«, erwiderte Narzissa. Sie hob eine fein gebogene
Augenbraue. »Er ist sehr gut darin, zu entscheiden, welche Seite
seinen Interessen am meisten zugute kommt. Er ist ein geborener
Überlebender.«
»Kann ich dir einen Drink anbieten, Narzissa?«, schaltete sich
Professor McGonagall ein, während sie sich zwischen Harry und Mrs.
Malfoy schob. Sie versetzte Harry einen strengen Blick, bevor sie
die Frau am Arm nahm und sie von den Jugendlichen wegführte.
Harry schäumte. Ob geborener Überlebender oder nicht, er würde es
auf keinen Fall zulassen, dass Snape das nächste Mal davonkam.
»Ich kann nicht glauben, dass sie den Nerv hat, dich mit ihrer
Wohltätigkeit zu beleidigen, wenn sie Gast in deinem
Haus ist.«, zischte Hermine.
»Harry.«, sagte Ginny. Sie berührte ihn am Arm. »Es ist
Weihnachten. Ignoriere sie für heute Abend. Genieß die Tatsache,
dass du das Black-Vermögen verprassen kannst, während die Malfoys
keinen Zugang zu ihrem Geld haben.«
Harry schaute sie an, einen Moment lang verblüfft, bevor langsam
ein Grinsen über seine Züge glitt. Sie hatte Recht und diese
Tatsache musste Narzissa bei lebendigem Leibe auffressen, da sie
beharrt hatte, das Black-Vermögen gehöre rechtmäßig ihr. Plötzlich
erschien ihm das Fest sehr viel feierlicher. Fred und George
standen in der Nähe und machten sich, soweit Harry beurteilen
konnte, über Percy lustig, während Bill und Fleur sich in eine Ecke
zurückgezogen hatten. Mr. Weasley drehte am Radio herum, so dass
die Lautstärke der Weihnachtslieder dramatisch anstieg und
abfiel.
Harry feierte Weihnachten mit Freunden und Familie und er wäre
verdammt, würde er es sich von Narzissa Malfoy verderben
lassen.
Draco bewegte sich zum Feuer, Pansy und Iris an jedem Arm führend.
Iris hatte ihr Haar zu einem komplizierten Knoten zusammengesteckt.
Es schien, als hätte Pansy versucht, es ihr nachzutun. Doch es
hatte nicht ganz funktioniert, so dass einzelne Strähnen in
verschiedene Richtungen abstanden.
»Das ist ja wunderhübsch.«, sagte Draco schleppend. »Feierst du
immer auf diese Weise Weihnachten, Potter? Ich nehme an, deine
Familie spürt nicht das geringste Verlangen, dich zu sehen.
Nicht dass sie ein vollkommen magisches Haus wie dieses überhaupt
jemals betreten könnten.«
»Sein Cousin könnte es, wenn er wollte.«, schnauzte Ron ohne
nachzudenken. Ein scharfer Blick von Harry brachte ihn wieder zur
Besinnung. Er klappte mit weiten Augen den Mund zu.
»Du hast einen Cousin mit magischen Kräften?«, fragte Iris. »Ich
dachte, deine Familie besteht aus Muggeln.« Sie klang gelangweilt,
als suchte sie nur nach einem Thema für eine Unterhaltung. Pansy
jedoch hatte ihre Augen verengt und lauschte mit spitzen Ohren.
Auch Draco schien interessiert.
»Das sind sie auch.«, erwiderte Harry knapp, als er bemerkte, dass
Percy sich ebenfalls ihrer Unterhaltung zugewendet hatte. »Da es
jetzt mein Zuhause ist, werde ich wohl einen Weg finden müssen,
Muggeln Zugang zu gewähren.«
Harry war verzweifelt darum bemüht, das Gespräch von den Dursleys
wegzulenken, und wenn er Malfoy dabei zur Weißglut treiben konnte,
umso besser.
»Ich habe viele Pläne für dieses Haus nach dem Krieg. Ich denke, es
gibt eine Menge, was unternommen werden kann, um die
Zauberer-Muggel-Beziehung zu verbessern.«
»Oooh, Harry, das ist eine großartige Idee.«, sagte Hermine, die
sich gerade aufsetzte. Harry war nicht sicher, ob sie nur
mitspielte oder ob er sie tatsächlich auf eine neue Kampagne
gebracht hatte. »Ich habe ein paar Ideen, was wir machen
könnten.«
»Ihr müsst Witze machen.«, stieß Malfoy hervor. Sein Gesicht rötete
sich. »Dieses Haus hat eine der angesehensten Reinblüter-Familien
von ganz England beherbergt. Meine Mutter wird es niemals
tolerieren.«
»Deine Mummy wird nur leider kein Stimmrecht bekommen.«, erwiderte
Harry trocken.
»Ihr seid eine Schande für eure Erbschaft.«, keifte Pansy, während
sie Ginny anfunkelte. »Wie könnt ihr euch auf sein Niveau
herablassen?«
»Die Weasleys sind schon lange Blutsverräter, Pansy.«, warf Iris
mit derselben gelangweilten Stimme ein. »Das weißt du doch.«
»Ich würde ihn und alle Leute in diesem Zimmer jederzeit dir und
deiner voreingenommenen, engstirnigen Meinung vorziehen, Pansy. Du
bist eine Kuh – bist es immer gewesen und wirst es auch immer
sein.«, versetzte Ginny. Sie hob ihre Nase in die Luft.
»Eine Kuh?«, kreischte Pansy, worauf mehrere im Raum sich umdrehten
und sie anstarrten. »Wie kannst du es wagen?«
»Oh.«, sagte Ginny und lächelte süßlich. »Fröhliche
Weihnachten.«
Pansy langte nach ihrem Zauberstab, besann sich jedoch anscheinend
eines Besseren, vielleicht weil sie sich an Ginnys Vorliebe für den
Flederwichtfluch erinnerte.
»Das Essen ist fertig.«, verkündete Mrs. Weasley, die ihren Kopf
aus der Küche herausstreckte. Harry machte sich auf das längste
Weihnachtsessen seines Lebens gefasst.
Harry betrat das Esszimmer, Ginny an seinem Arm. Sie nahmen am
gewaltigen Tisch Platz. Kerzen schienen sanft aus Glasleuchtern,
die die Wände zierten. Die Mitte des Tisches bestand aus einer
komplizierten Blumengarnitur, die zwischen weiteren leuchtenden
Kerzen drapiert war. Harry nahm sich einen Moment Zeit, glücklich
die gesamte Dekoration zu bewundern. Sie war schön und feierlich
und er genoss es, den Grimmauldplatz ausnahmsweise so schön zu
sehen. So sollte Weihnachten sein und er war überzeugt, Sirius wäre
stolz gewesen.
Er kämpfte gegen die dunklen Gedanken an, die aufzutauchen drohten,
dass es wahrscheinlich sein letztes Weihnachtsfest sein würde. Er
war wirklich glücklich über die Fortschritte, die sie in ihrer
Suche nach den Horkruxen machten. Doch er konnte nicht umhin, zu
fühlen, dass die Zerstörung jedes einzelnen einen weiteren Nagel
für seinem Sarg bedeutete.
Er schluckte schwer. Der cremige Eierpunsch schmeckte plötzlich
nicht mehr so süß.
»Alles in Ordnung?«, flüsterte Ginny in sein Ohr. Ihr warmer Atem
sandte einen Schauer über seinen Rücken. Er blickte auf und stellte
fest, dass ihre besorgten braunen Augen ihn wachsam
beobachteten.
»Alles in Ordnung.«, erwiderte er, resolut nickend. Wenn es
wirklich sein letztes Weihnachtsfest sein sollte, hatte er umso
mehr dafür zu sorgen, dass es ein denkwürdiges Ereignis würde.
»Fröhliche Weihnachten.«, sagte er und küsste Ginny auf die
Wange.
»Ich habe gesehen, wie Fred und George vorhin Mistelzweige
verzaubert haben. Wenn wir Glück haben, können wir sie nach dem
Abendessen finden.«, sagte Ginny grinsend.
Harry hob seine Augenbrauen. »Ja, aber mit meinem Glück haben sie
sie verzaubert, um mich von dir fernzuhalten.«
Ginny kicherte. »Nee, das ist eher die Art Streich, die sie Ron
spielen würden.«
»Wer spielt Ron einen Streich?«, fragte Fred, der sich gegenüber
von Ginny niederließ.
»Ja und wie kommt es, dass sie uns nicht haben helfen lassen?«,
fügte George hinzu, während er Harry gegenüber Platz nahm.
»Und warum mühen sie sich überhaupt mit Ron ab, wo doch Percy hier
ist und ein perfektes Ziel abgibt?«, sagte Fred. Er nickte zu Percy
hinüber, der neben Mrs. Weasley saß.
»Er hat sich nur dahingesetzt, weil er denkt, wir würden es nicht
wagen, ihm etwas zu tun, wenn er so nahe bei Mum sitzt.«, murrte
George.
»Naja, da hat er ja auch Recht, oder nicht?«, sagte Ginny und hob
eine Augenbraue.
»Ach, komm schon, Ginny. Meinst du wirklich, wir würden uns von so
einer Kleinigkeit wie Mums Gemüt daran hindern lassen, unsere
Streichfähigkeiten zum Zuge kommen zu lassen? Hier geht es um
ernsthaftes Geschäft.«, entrüstete sich Fred. Seine Augen
blitzten.
»Eine Kleinigkeit?«, fragte Ginny ungläubig.
»Na gut, vielleicht doch eine Ungeheuerlichkeit, aber trotzdem, es
gibt immer Wege drum herum. Du weißt doch, das Geheimnis bei Mum
ist, ihr niemals die Gelegenheit zu geben, in ihren Wortschwall zu
verfallen, richtig? Tja, es gibt noch ein paar andere kleine
Tricks, die wir die Jahre hindurch gelernt haben.«, erwiderte
George, die Hände hinter seinem Kopf verschränkt.
»Tricks wie zum Beispiel zu wissen, dass der Moment zum Zuschlagen
am günstigsten ist, wenn sie am zufriedensten mit uns ist.«, sagte
Fred.
»Zum Beispiel direkt, nachdem du ihr als Geschenk den strahlend
blauen Reiseumhang überreicht hast, den sie bei Gladrags monatelang
angeschmachtet hat.«, fuhr George mit einem Zwinkern fort.
»Oh oh.«, machte Ginny grinsend. »Also kann Percy sich direkt nach
den Geschenken auf etwas gefasst machen, nehme ich an?«
Harry lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, grinsend, während er dem
Wechsel der Geschwister zusah. Es verlangte ihn herauszufinden, was
sie für Percy bereithielten.
»Ihr beide verwendet wirklich viel Zeit auf eure kleinen Tricks,
was?«, fragte Iris, die den Speiseraum hinter Fred und George
betreten hatte. Sie war in Rot gekleidet und ihre Augen funkelten.
Harry fand, sie wirkte außerordentlich festlich.
Fred fuhr hoch, als wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass jemand
ihn nicht wirklich lustig finden könnte.
»Bist du von unseren Mistelzweigen in die Enge getrieben worden?«,
fragte er mit erhobener Augenbraue. »Lass es besser nicht deine
Schwester wissen, wenn du bei einem Malfoy standst.«
Iris verdrehte die Augen. »Ich ziehe etwas ... reifere Männer
vor.«, sagte sie. Sie wirbelte herum und nahm bei ihrer Familie
Platz.
Fred starrte ihr mit offenem Mund hinterher. Kichernd beugte Ginny
sich über den Tisch und klappte sein Kinn nach oben. Fred schlug
nach ihrer Hand.
»Lass es besser nicht Mum sehen.«, bemerkte Ginny glucksend.
Gelächter von der anderen Seite des Tisches zog Harrys
Aufmerksamkeit auf sich. Er konnte Pansy Parkinson kichern sehen,
während Draco seine grünen Bohnen aufpickte und sie auf ihren
Teller verfrachtete.
Harry schüttelte den Kopf. Es verdutzte ihn, Draco so zu sehen ...
nun ja, so normal. Es gefiel ihm nicht. Seine Ohren spitzten
sich, als er die Unterhaltung belauschte, die an dem Ende des
Tisches stattfand.
»Sie arbeiten im Ministerium, nicht wahr, junger Mann?«, fragte
Mrs. Parkinson in Percys Richtung. Sie saß zwischen ihren Töchtern,
doch Harry hielt es ihr zugute, dass sie zumindest den Versuch
unternahm, eine Unterhaltung mit den anderen Gästen anzufangen. Wie
üblich ignorierte Narzissa Malfoy alle außer den Parkinsons und
ihrem Sohn. Abgesehen von Professor McGonagall sprach sie selten
mit irgend jemand anderen im Hauptquartier.
»Das tue ich.«, erwiderte Percy. Er setzt sich aufrechter. Sein
Blick flackerte zu seinem Vater und Harry wusste, dass er sich
wunderte, was die Slytherins hier taten. Offensichtlich war Percy
nicht in alles eingeweiht worden, das im Hauptquartier vor sich
ging.
»Wie kommt Dolores zurecht? Ich weiß, dass sie eine traumatische
Zeit erlebt hat während ihrer Arbeitsperiode in Hogwarts. Es ist
schön zu sehen, wie gut sie sich geschlagen hat. Sie ist schon
immer ehrgeizig gewesen.«, sagte Mrs. Parkinson, an ihrem Wein
nippend.
»Ja, eine entsetzliche Angelegenheit mit den Zentauren, nicht
wahr?«, sagte Mrs. Malfoy, ihre Nase hoch in der Luft. »Furchtbare
Kreaturen.«
»Ja, das war es.«, stimmte Mrs. Parkinson zu. »Ich war schon immer
der Meinung, Hogwarts erlaube mehr Nachsicht bei gewissen Dingen,
als sie sollten. Ich habe Iris und Pansy zu meinem Durmstrang
schicken wollen, doch ihr Vater wollte sie nicht so weit weg.«
»Und das war auch gut so.«, sagte Iris. Ihre Augen füllten sich mit
Tränen, als sie ihre Gabel auf ihren Teller fallen ließ, »sonst
hätten wir keine Zeit mit Daddy verbringen können, als er noch hier
war. Entschuldigt mich.« Ihre Stimme stockte bei ihren letzten
Worten. Das Gesicht in den Händen verborgen, sprang Iris auf und
flüchtete vom Tisch.
Fred beobachtete ihren Abgang mit gerunzelter Stirn.
Mrs. Parkinson stand auf. »Wenn ihr mich entschuldigen wollt. Sie
hat eine schwere Zeit ohne ihren Vater.«
»Natürlich.«, sagte Professor McGonagall, verständnisvoll
nickend.
Pansy sah mit einem harten Gesichtsausdruck zu, wie ihre Mutter und
ihre Schwester den Raum verließen. Draco beugte sich zu ihr und
flüsterte ihr etwas ins Ohr, doch sie schüttelte nachdrücklich den
Kopf.
Harry schaute zurück auf seinen eigenen Teller. Plötzlich war ihm
der Appetit vergangen. Sicherlich konnte er nachvollziehen, wie
Iris sich fühlte. Sie hatte ihren Vater erst vor wenigen Monaten
verloren und wurde nun von den Erinnerungen der Weihnachtsfeste,
die sie mit ihm verbracht hatte, heimgesucht. Harry hatte lediglich
das eine Fest mit Sirius und ein paar mit Dumbledore in der Schule
erlebt. Doch irgendwie erschienen ihm beide Verluste während der
Weihnachtszeit schmerzvoller.
Die Unterhaltung wurde gedrückter nach Iris' abruptem Weggang. Doch
allmählich erholten sich die verbliebenen Gäste wieder. Harry
konnte hören, wie Hagrid Bill und Fleur eine Geschichte von seinen
Abenteuern mit Madam Maxime erzählte. Fleur lachte herzlich,
offensichtlich teilte sie seine Zuneigung zu ihrer ehemaligen
Schulleiterin.
Am anderen Ende des Tisches fuhr Percy fort, neugierige Blicke auf
Narzissa, Draco und Pansy zu werfen. Er schien jedoch nicht in der
Lage, Blickkontakt zu seinem Vater herzustellen.
Narzissa schöpfte sich eine weitere Kelle Gemüse auf ihren Teller,
das sie anschließend auf ihrem Teller herumschob, ohne es zu essen.
»Sagen Sie mir, wie geht Dolores mit dem Druck um? Sie hatte schon
immer Pläne gehabt. Wie schlägt sie der Zauberergesellschaft vor,
mit dem Dunklen Lord fertig zu werden?«, erkundigte sie sich bei
Percy.
Harry schnaubte verärgert, schwieg jedoch, während er seinen Teller
von sich schob.
Percy sah unbehaglich drein. Immer wieder rückte er seine Brille
zurecht und zupfte am Kragen seines Umhangs, während er sich auf
seinem Stuhl wand.
»Sie äh ... sie versucht, einen Kompromiss zu schaffen.«, sagte
er.
»Was genau heißt das?«, fragte Mr. Weasley. Er blickte scharf
auf.
»Sie hat noch nichts unternommen, aber sie stellt gerade eine Liste
von Kompromissen zusammen, auf die das Ministerium eingehen
würde.«, sagte Percy.
»Kompromisse an Voldemort?«, fragte Harry laut und ließ sein
Silberbesteck auf den Tisch fallen, worauf mehrere andere
Unterhaltung aussetzten, während alle ihn anstarrten. Ausnahmsweise
zuckte keiner am Tisch, ausgenommen die Slytherins, bei dem Namen
zusammen. Harry sah, wie Moodys Augen sich vor Abscheu verengten,
während er seine Arme vor der Brust verschränkte.
»Sie sagt, sein Problem liegt bei den Muggeln und dass er das
Gefühl hat, ihr Einfluss beschmutzt die Zaubererbevölkerung. Sie
hofft, sich Richtlinien einfallen zu lassen, die er als annehmbar
ansehen wird.«, erklärte Percy. Er öffnete den obersten Knopf
seines Hemds.
»Das einzige, das er als annehmbar ansehen wird, ist, dass sein
Wort die ultimative Autorität wird und dass er jeden töten kann,
der ihm im Weg steht. Das kann nicht ihr Ernst sein.«, stieß Harry
ungläubig hervor.
»Das ist ihr voller Ernst.«, entgegnete Percy, sich den Nacken
reibend. »Einige der Prozeduren, die sie eingeführt hat, sind
fantastisch. Ich denke, sie ist in der Lage, einige Dinge in
Ordnung zu bringen, die vernachlässigt worden sind. Aber das hier
... ich bin nicht sicher, dass es eine gute Idee ist. Aber sie hört
auf niemanden, der ihr widerspricht. Sie hat sogar den Leiter der
MLE-Abteilung des Verrats bezichtigt, als er seine Besorgnis
ausgesprochen hat.«
»Ich bin nicht überrascht, dass sie Wege zu finden versucht, einen
Kompromiss durchzubringen. Sie hat sich schon immer auf die Seite
der Reinblüter geschlagen, trotz der Tatsache, dass sie selbst nur
ein Halbblut ist.«, sagte Narzissa mit einem leichten
Schnauben.
»Was für Kompromisse findet sie denn annehmbar? Muggelgeborene von
Hogwarts auszuschließen, wenn es wiedereröffnet, oder sie daran zu
hindern, Arbeit im Ministerium zu finden?«, rief Hermine mit
finsterem Blick. »Zweifellos noch mehr Unterdrückung und elitäre
Einstellungen. Es scheint, die Zaubererwelt kann nicht genug davon
kriegen.«
Percy zuckte zusammen. »Ich bin nicht in ihre Liste eingeweiht.«,
sagte er steif.
»Ich kann es nicht fassen.«, schäumte Hermine. »Sie hält sich
anscheinend für eine Art moderner Neville Chaimberlain.«
Der Großteil der Hexen und Zauberer am Tisch starrte sie
verständnislos an, doch Harry sah McGonagall nicken, während ein
erfreuter Ausdruck über ihr strenges Gesicht huschte.
»Wer?«, fragte Pansy verächtlich und stach ihre Gabel in eine
Kartoffel.
Hermine wedelte ihre Hand durch die Luft. »Er war ein
Muggel-Premierminister, der vesucht hat, friedlich mit einem
Wahnsinnigen zu verhandeln. Es hat damals nicht funktioniert, jetzt
wird es ebenfalls nicht funktionieren.«
»Ein Muggel, sagst du?«, fragte Mr. Weasley eifrig.
»Ja.«, sagte Professor McGonagall, nickend. »Miss Granger hat
Recht. Der Muggel, den sie anspricht, hieß Adolf Hitler, glaube
ich. Premierminister Chaimberlain hat versucht, einen
Friedensvertrag zu schließen, aber es hat mit einer Tragödie und
dem Verlust vieler Leben geendet.«
»Faszinierend.«, staunte Mr. Weasley.
»Also wirklich, Arthur. Wir sind uns alle deiner seltsamen
Besessenheit von Muggel bewusst, aber das hat nichts mit ihnen zu
tun.«, versetzte Narzissa verächtlich.
»Da ist nichts Seltsames an der Zuneigung meines Mannes zu
Muggel.«, sagte Mrs. Weasley. Ihr Gesicht rötete sich alarmierend.
»Das nennt man Mitgefühl. Vielleicht solltest du es auch mal
versuchen.«
Narzissa verengte die Augen. »Warum sollte ich Mitgefühl für die
Muggel hegen? Sie bedeuten mir nichts. Lass sie mit ihren
Angelegenheiten selbst fertig werden.«
»Genau diese Art von Einstellung ruft alle Probleme hervor.«, wand
Hermine ein. »Chaimberlain konnte keinen Kompromiss erzielen, weil
Hitler in seinem Hass kompromisslos war.«
»Was für einem Wahnsinn entspringt deine Vermutung, dass
Zaubererangelegenheiten auch nur die entfernteste Ähnlichkeit zu
Muggel-Politik haben?«, sagte Narzissa.
»Ich sehe die ganze Zeit enorme Ähnlichkeiten.«, feuerte Hermine
zurück. »Tatsächlich wies Hitler eine verblüffende Ähnlichkeit zu
einem anderen Dunklen Zauberer auf, der die Zaubererwelt zur
gleichen Zeit terrorisiert hat. Ich bin sicher, Sie erinnern sich
an die Geschichte von Grindelwald.«
»Grindelwald war Reinblüter.«, keifte Narzissa.
»Das sagte er selbst.«, bemerkte Harry träge. »Voldemort gibt auch
gerne vor, dass er Reinblüter ist. Aber wir wissen alle, dass es
nicht stimmt.«
»Sprich nicht solche Blasphemie.«, rief Narzissa, eine Hand an
ihrer Brust.
»Es ist die Wahrheit. Er ist Halbblüter. Seine Mum war eine Hexe,
aber sein Dad war ein Muggel, der sie verlassen hat, noch bevor er
geboren wurde.«, erwiderte Harry. Er bemerkte, dass mehrere
Weasleys überrascht aufblickten.
»Woher weißt du das, Harry?«, erkundigte sich Mr. Weasley. »Hat
Dumbledore dir das gesagt?«
»Nun, wir haben darüber gesprochen, aber es war Voldemort selbst,
der es mir erzählt hat. Er hat sich in jener Nacht auf dem Friedhof
und dann noch einmal, als wir in der Kammer des Schreckens waren,
darüber ausgelassen. Sein wirklicher Name lautet Tom Riddle. Tom
Vorlost Riddle ist ein Anagram für Ist Lord Voldemort. Das
ist sein voller Name.«, erklärte Harry.
»Ihm wird es nicht gefallen, dass du diese Geschichte
herumposaunst.«, warf Draco ein.
»Seit wann kümmert mich, was ihm gefällt?«, entgegnete Harry.
Mit ihrem Zauberstab ließ Mrs. Weasley alles leere Geschirr in
einer Reihe zur Spüle schweben, wo sie sich von selbst reinigten.
Mehrere Platten mit Pudding erschienen plötzlich auf dem Tisch. Vor
Harry tauchte eine riesige Siruptorte auf. Er konnte an den
zackigen Bewegungen ihres Zauberstabs erkennen, dass sie
aufgebracht war, und hatte ein schlechtes Gewissen, dass er bei
ihrem Weihnachtsgelage das Gespräch auf den Krieg gebracht hatte.
Er wusste, dass sie sich dafür abgeschuftet hatte.
»Danke, Mrs. Weasley.«, sagte Harry und strahlte die Siruptorte
an.
»Iss bloß nicht alles auf einmal, Liebes.«, warnte Mrs. Weasley mit
vor Freude blitzenden Augen. »Errol sollte mir eigentlich eine
weitere Ladung Vanilleextrakt bringen, aber er ist nie
eingetroffen. Deshalb konnte ich nur eine machen. Armes altes Ding,
liegt jetzt wahrscheinlich irgendwo erschöpft rum.«
Draco verdrehte die Augen. »Versucht sie, deinen Mangel an
Bemutterung, als du tatsächlich sechs warst, wieder gutzumachen?«,
fragte er, worauf Pansy laut schnaubte.
»Es ist Weihnachten, Malfoy. Sicherlich hast sogar du schon
mal davon gehört, jemandem etwas Gutes zu tun, einfach weil du es
kannst.«, sagte Harry, während er sich an einem großen Stück
Siruptorte gütlich tat.
»Ich hätte liebend gern meiner Mutter oder Pansy etwas Gutes getan,
Potter, aber da ich hier bei dir festsitze und von meinem ganzen
Familienvermögen abgeschnitten bin, wird es dieses Jahr ein
ziemlich mageres Weihnachtsfest für uns alle sein.«, entgegnete
Draco.
»Es gibt Schlimmeres als keine Geschenke zu bekommen.«, sagte Harry
leise.
Er bemerkte, wie Ginny aufschaute und ihr bohrender Blick seine
Seele zu erreichen versuchte. Hastig blickte er weg.
»Du hast leicht reden. Du verprasst das Black-Familienvermögen wie
Wasser durch ein Sieb.«, spie Malfoy.
»Und ich stelle fest, dass du auch Anteil an dieser Großzügigkeit
hast, Malfoy.«, warf Ginny ein und nickte zu seinem Teller, der
beinahe überquoll mit verschiedenen Puddings. »Du scheinst gerne
über Harrys Ausgaben zu höhnen, aber ich bemerke nicht, dass du
dich stark genug fühlst, deine Ansicht durchzusetzen und zu
hungern.«
»Natürlich nicht.«, schnaubte Draco. »Warum sollte ich hungern,
wenn es ein ausgezeichnetes Essen hier gibt? Außerdem sollte es
alles ohnehin rechtmäßig mir gehören.«
»Oh, jetzt sind wir da wieder angelangt.«, schaltete sich Ron ein,
den Mund voll Pudding.
»Halt's Maul, Weasley. Du hast kein Recht, einen Kommentar darüber
abzugeben, dass ich Potters Wohltätigkeit annehme, da du seit
Jahren davon lebst.«, fuhr Malfoy ihn an.
»Und es mir zurückgibt.«, schoss Harry zurück. »So ist es
seine Mum, die die Siruptorte gemacht hat, die das ganze
angefangen hat. Das nennt man Freundschaft, Malfoy. Du solltest es
auch mal ausprobieren. Ein paar echte Kameraden könnten dir gut
tun.«
»Ich habe Freunde.«, sagte Draco und streckte seine Brust raus.
»Mehr, als ich brauche, und sehr viel mehr, als du hast.«
»Oho, das nenne ich Reife.«, kommentierte Ginny, die Augen
verdrehend.
»Ignoriere sie, Draco.«, gurrte Pansy. »Lass uns nach oben gehen
und nur unter uns Heiligabend feiern. Wir brauchen ihresgleichen
nicht.«
»Oh, das hat mir grad meinen Appetit verdorben.«, sagte Ron und
schob seinen halb aufgegessenen Pudding von sich.
»Warum gehen wir nicht alle in die Wohnstube.«, schlug Mr. Weasley
vor. »Ein Trio von Zauberern gibt Weihnachtslieder im Radio zum
Besten. Wir können zuhören, während wir uns einen Likör
gönnen.«
Harry erhob sich und folgte den anderen ins Wohnzimmer. Er
bemerkte, wie Mrs. Malfoy sich auf Dracos Arm stützte und ihn mit
sich in den Raum steuerte, Pansys verärgerten Blick ignorierend.
Harry und Ginny hatten etwas getrödelt und Ginny hielt ihn an der
Speisezimmertür unter einem von Fred und Georges Mistelzweigen
auf.
»Ich habe gehofft, dass wir einen von denen finden.«, sagte Ginny,
schelmisch grinsend.
»Hmm.«, machte Harry. »Das Fest scheint sich am Ende doch noch zum
Guten zu wenden.«
Bevor er sie jedoch küssen konnte, legte Ginny ihre Hände auf seine
Brust. Ein nachdenkliches Stirnrunzeln glitt über ihr hübsches
Gesicht.
»Harry, was ist dir durch den Kopf gegangen, als du sagtest, es
gibt Schlimmeres als keine Geschenke zu bekommen?«, wollte sie
wissen.
Harry zuckte die Achseln, nicht sicher, worauf sie hinauswollte,
und heftig verlangend, sich dem Küssen zuzuwenden.
»Nur dass ich niemals Weihnachtsgeschenke bekommen habe, bevor ich
nach Hogwarts gekommen bin und es hat mir nie sehr viel ausgemacht.
Ich habe schon in früher Kindheit gelernt, sie nicht zu erwarten.
Was schlimmer war, war das Wissen, dass es keinen gab, der mir
welche geben würde. Weißt du, was ich meine?« Er spürte die
vertraute Melancholie in seine Gedanken zurückkehren.
»Ich denke schon.«, sagte Ginny traurig, während sie mit ihren
Fingern durch sein Haar fuhr.
»Ich meine, hier mag Malfoy keinen Zugang zu seinem Geld zu haben.
Aber seine Mum ist hier, und Pansy und ihre Familie auch. Er ist
nicht allein.«, sagte Harry.
Ginny blickte ihn schweigend an, ihre Finger spielten fortwährend
mit seinem Haar. Es war beruhigend. Ihre Anwesenheit gab ihm stets
ein besseres Gefühl.
»Dieser Mistelzweig ist noch nicht weggerannt, aber wir sollten es
am besten ausnutzen, bevor es sich ein anderes Ziel sucht.«, sagte
Ginny und schaute zur Decke.
Harry beugte sich wieder vor und drückte Ginny an sich. Er hatte
kaum begonnen, den Kuss zu vertiefen, als der Mistelzweig in einer
hohen Stimme zu kreischen begann: »Knutschen! Hier wird
herumgeknutscht! Das ist ein Knutschalarm! An alle knutschenden
Personen: Bitte behaltet eure Lippen bei euch.«
Harry Gesicht rötete sich, während Gelächter aus dem Wohnzimmer
schallte.
»Kommt schon rein, Harry und Ginny.«, rief Fred.
»Wir wissen eh alle, was ihr da treibt.«, sagte George.
»Eines Tages werde ich die beiden erwürgen.«, murmelte Harry. Er
legte seine Stirn an Ginnys.
»Eines Tages.«, erwiderte Ginny seufzend, »werde ich dir dabei
helfen. Ich denke, wir könnten es mit ihnen aufnehmen, wenn wir es
gemeinsam tun.«
Harry grinste. »Dann ist es also abgemacht.«
»Oh, Harrikins, Gin Gin.«, rief George und streckte seinen Kopf aus
der Tür. »Wir warten alle.«
»Harry, deine Gesichtsfarbe passt perfekt zu dieser festlichen
Gelegenheit. Wie hast du diesen Farbton hingekommen? Wir werden es
abfüllen müssen und es für die Festtage verkaufen.«, neckte
Fred.
»Eau de Demütigung.«, sagte George.
»Hat Ginny immer diese Wirkung auf dich, Kumpel? Vielleicht
solltest du es untersuchen lassen. Einen Heiler aufsuchen,
vielleicht. Zeigt sich die Farbe an deinem ganzen Körper?«,
fragte Fred mit erhobener Augenbraue.
Verlegen hielt Harry seinen Blick auf seine Füße gerichtet. Im
Augenblick würde er lieber Voldemort gegenübertreten als Mr. oder
Mrs. Weasley.
»Lasst ihn in Ruhe.«, schnappte Ginny und versetzte ihren Brüdern
einen Klaps auf den Kopf. Sie senkte die Stimme, so dass nur Fred,
George und Harry sie hören konnten. »Sonst werde ich euch eine
detaillierte Beschreibung der genauen Wirkung auf seinen Körper
geben.«
»Oi, Ginny. Das ist nicht lustig.«, sagte George entsetzt.
»Was ist mit dir los, Knirps? Du hast deinen Sinn für Humor
verloren.«, sagte Fred und warf Harry einen Blick zu.
Ginny nahm Harrys Hand und führte ihn weg von den nun sehr viel
weniger überschwänglichen Zwillingen. »Eines Tages.«, sagte Harry,
»wirst du sie so weit treiben, dass ich von dem ganzen Haufen
deiner Brüder verprügelt werde. Und ich habe nicht einmal wirklich
etwas getan.«
»Keine Sorge, ich werde dich beschützen.«, entgegnete Ginny mit
flatternden Augenlidern.
»Meine Heldin.«, murmelte Harry mit verdrehten Augen.
»Außerdem wirst du bis dahin vielleicht wirklich etwas getan haben,
das dir verdientermaßen Prügel einbringt.«, raunte sie. Sie
kicherte, als er sich an seinem Drink verschluckte.
Wieder einmal dachte Harry daran, wie viel Spaß es ihm bereitete,
mit ihr Wortgefechte auszuführen. Sie konnte ihn stets zum Lächeln
bringen. Gleich darauf hatte er ein schlechtes Gewissen, dass er
sich amüsierte, während Remus irgendwo da draußen allein war. Doch
er drängte die Schuldgefühle beiseite. Mehr als jeder andere würde
Remus wollen, dass Harry seine Feiertage genoss und sich nicht
damit aufhielt, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die ohnehin
nicht in seiner Macht standen. Er schuldete es Remus, das Beste
daraus zu machen.
Mr. Weasley schaltete das Radio an und die Unterhaltungen summten
im Zimmer.
Ginny rollte sich neben Harry zusammen und legte ihren Kopf auf
seine Schulter, während sie der Musik lauschten. Harry fuhr mit
seiner Hand die goldenen Fäden ihrer Bluse nach. Teilweise verdeckt
von dem gewaltigen Weihnachtsbaum hatten sie ein kleines Maß an
Privatsphäre, konnten aber dennoch die Gespräche im Zimmer
mitverfolgen.
»Willst du dein Geschenk jetzt schon haben?«, fragte er so leise,
dass nur sie ihn hörte.
Ginny setzte sich schnell auf und blickte an ihm hoch und runter.
»Hast du es bei dir?«
»Vielleicht.«, erwiderte Harry grinsend. »Du wirst danach suchen
müssen.«
Ginnys Augen weiteten sich. »Ach ja? Du bist ganz schön unverschämt
heute Abend, was, Mr. Potter? Denkst du, das wage ich nicht, nur
weil der Rest meiner Familie so nahe ist?«, fragte Ginny.
Harry hob eine Augenbraue. »Und? Wagst du es?«
Als Ginny Anstalten machte, seine Taschen zu durchsuchen, lachte
Harry und zog ein kleines goldenes Päckchen hervor. »Schon gut,
schon gut. Du hast gewonnen. Wenn es um Geschenke geht, bist du
schlimmer als Ron.«, sagte er.
Ginny ergriff das Päckchen und schüttelte es. »Nein, das bin ich
nicht.«
»Doch.«, erwiderte er und lachte, während er zuschaute, wie sie das
Papier abriss.
Sie zerknüllte das Packpapier und warf es ihm zu. Er duckte sich
und beobachtete mit angehaltenem Atem, wie sie ihr Geschenk
auspackte. Sie keuchte auf, als sie das kleine Samtkästchen
geöffnet hatte. Es enthielt eine silberne Kette mit einem
ringförmigen Anhänger. Im Ring ruhte ein leuchtend blauer Stein,
der aus eigenem Antrieb in der Luft zu schweben schien.
»Harry.«, hauchte Ginny. »Es ist fantastisch.«
»Gefällt es dir?«, fragte er, nervös. Er hatte noch nie zuvor für
jemanden Schmuck ausgesucht.
»Ich liebe es.«, sagte Ginny ehrfürchtig. »Ich habe noch nie etwas
so Schönes besessen. Kannst du es mir umlegen?« Sie setzte sich
nach vorne und hielt ihr Haar aus dem Nacken.
Harry legte ihr die Kette um, schob sanft einige Haarsträhnen aus
dem Weg und küsste ihren Nacken, bevor er sie losließ.
»Der Stein ist ein Aquamarin. Ich finde, das Blau sieht wie das
Meer aus. Einer Legende der Meermenschen zufolge, ist es ein
Glücksstein, der eine Liebe darstellt, die so groß ist, dass sie
den gesamten Ozean ausfüllen kann.«, sagte er und fühlte, wie sein
Gesicht sich erhitzte, während er die Worte wiedergab, die der
Schmuckladen in der Winkelgasse ihm gesagt hatte. »Ich habe den
passenden Stein und er soll mir helfen, dich zu finden, wenn wir
getrennt werden.«
Harry gefiel dieser Teil der Geschichte am besten. Er schenkte dem
Volksmund nicht wirklich Glauben. Doch er mochte den Stein und
fand, es konnte nicht schaden, einen Weg zu haben, sie zu finden,
falls jemals die Notwendigkeit bestehen sollte.
»Es ist wundervoll, Harry.«, sagte Ginny und bewunderte den Stein.
»Wo ist dein Stein?«
»In meiner Tasche.«, antwortete Harry. »Ich werde einen Ort finden,
wo ich ihn sicher aufbewahren kann.«
Ginny sprang auf und rannte zum Baum hinüber. Sie wühlte einen
Moment, bevor sie mit einer schlanken Box zurückkam. Sie reichte
sie Harry, während sie an ihrer Lippe knabberte.
»Öffne es.«, sagte sie.
Harry nahm das Geschenk entgegen und begann, das Papier an einem
Ende einzureißen. Ungeduldig griff sie ein und half ihm, das Papier
zu entfernen.
»Willst du es machen?«, fragte Harry belustigt.
»Du brauchst so lange, um deine Geschenke auszupacken.«, sagte
Ginny und zog den letzten Rest ab.
Harry öffnete die Box, worauf ein geflochtenes Armband zum
Vorschein kam. Seine Farben waren Rot und Gold und es war mehrfach
übereinander geflochten, so dass es ein kompliziertes Muster
bildete.
»Hast du es geflochten?«, fragte Harry, während er die Handarbeit
bewunderte.
»Hhm.«, machte Ginny, immer noch an ihrer Lippe knabbernd. »Ich war
mir nicht sicher, ob du so etwas tragen würdest.«
»Das muss dich eine lange Zeit gekostet haben.«, sagte Harry und
ließ seinen Finger über die Details gleiten.
»Ich habe eine Weile dran gearbeitet.«, gab Ginny zu. »Hier, schau,
die Fäden kann man auseinanderziehen; du kannst deinen Stein darin
aufbewahren. So wird keiner davon wissen, aber du spürst trotzdem
seine Anwesenheit.«
Harry steckte den Aquamarin-Stein in das Armband und hielt Ginny
sein Handgelenk hin, damit sie es befestigen konnte.
»Danke. Ginny, fröhliche Weihnachten.«, sagte er und beugte sich zu
ihr, um sie zu küssen.
»Fröhliche Weihnachten, Harry.« Ginny lächelte glücklich. Sie
spielte mit der Halskette und bewunderte die Reflexion der Lichter
am Baum darin.
»War es schrecklich teuer?«, fragte sie zögerlich.
»Nein, war es wirklich nicht.«, sagte Harry. Er war nicht sicher,
ob Ginny so sensibel wie Ron reagierte, wenn es um Harrys Geld
ging. »Das ist ein Halbedelstein. Außerdem wollte ich es dir
schenken, Ginny. Es hat eine lange Zeit gedauert, ihn zu
finden.«
Sie schaute ihn weiter an. »Ich bin froh, dass du dir die Zeit
genommen hast. Das macht es noch bedeutungsvoller. Ich werde es nie
abnehmen und du behältst deins auch dran. Okay?«
»Was immer du sagst.«, antwortete er, ohne ihr wirklich zugehört zu
haben. Er zog sie näher, um einen weiteren Kuss zu teilen, und
wünschte, ihre Familie wäre nicht so nahe.
Sie kuschelte sich an seinen Arm und Harry konnte schwören, dass
sie beinahe schnurrte. Er genoss die gemeinsame Zeit mit ihr,
aneinandergeschmiegt, während sie der Musik lauschten, dem Blinken
der Weihnachtslichter zusahen und gelegentlich den anderen
zulachten.
Viel zu bald näherte sich Mitternacht und Percy kündigte seinen
Aufbruch an.
»Oh, du musst schon gehen?«, fragte Mrs. Weasley enttäuscht. »Es
ist so gefährlich, in der Nacht aus dem Haus zu gehen. Warum
bleibst du nicht einfach bis morgen früh?«
»Eigentlich muss ich morgen arbeiten.«, entgegnete Percy. »Das
Ministerium hält immer ein paar Beamte im Dienst, für alle Fälle.
Außerdem habe ich eine Sonderbefreiung vom Ausgehverbot.«
Percys Worte hatten eine ernüchternde Wirkung auf alle und
erinnerten sie daran, dass der Krieg näher war, als es jedem lieb
war. Im Zimmer war es einen Augenblick lang still, bevor Fred
begann, mit dem Radio zu der Melodie von Stille Nacht
mitzusingen.
George fiel mit ein, ihre Stimmen klangen überraschend gut –
gefühlvoll und traurig, doch zur selben Zeit irgendwie voller
Hoffnung. Einer nach dem anderen fielen alle anderen im Zimmer mit
ein. Sie nahmen sich bei den Händen und durchlebten miteinander die
bewegende Melodie.
Harrys Brust füllte sich mit Emotionen, während er Ginny und
Hermines Hände hielt und Weihnachtslieder mit dieser Truppe sang,
die er seine Familie nannte. Sein Blick schweifte über Ron, Mr. und
Mrs. Weasley und alle anderen im Zimmer und er wusste, dass
unabhängig davon, was im kommenden Jahr geschehen mochte, ob er den
letzten Horkrux fand oder nicht, ob er lebte oder starb, diese
selbe Gruppe von Menschen das nächste Jahr hier sein würde, noch
immer kämpfend und darum ringend, ihr Leben fortzusetzen. Das, mehr
als alles andere, gab ihm eine erneuerte Entschlossenheit
weiterzumachen. Versammlungen wie diesen musste gestattet werden
fortzubestehen. Zum ersten Mal begann Harry die Macht zu verstehen,
die Dumbledore als seine größte Stärke bezeichnet hatte. Dieses
Gefühl in ihm war stärker als alle andere, das er jemals erlebt
hatte – sogar noch stärker als der Cruciatus – und es war etwas,
das Voldemort nie gekannt hatte.