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Du hast all meine Füchse gefangen, und ich keinen einzigen Hasen. Du hast mich schon wieder geschlagen. Du bist einfach zu gut.«
Théo sah Thomas offen an, sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
»Entweder du lässt mich gewinnen«, stellte er fest, »oder du hast dafür wirklich kein Talent …«
Paulines Stimme drang aus der Küche zu ihnen.
»Théo, bitte, sprich anständig mit dem Doktor. Maman hat zum ersten Mal einen netten Chef, und sie möchte nicht entlassen werden.«
Der Kleine sprang von seinem Stuhl, lief zu seiner Mutter, zog sie am Ärmel und flüsterte ihr ins Ohr: »Auch wenn er nett ist, ist er vielleicht dumm.«
»Bravo, Großer. Du hast gerade eins der Geheimnisse der Menschheit gelüftet. Aber sag es niemand, die Welt ist noch nicht reif für die traurige Wahrheit.«
Heftiges Scharren und Kratzen war bis in die Grundfesten des Hauses zu hören.
»Was ist das?«, fragte Pauline.
»Ich wette, es ist wieder irgendein Unfug von Jean-Michel … Der ist nicht mehr zu halten!«
Der elektrische Schlag hatte bei Monsieur Ferreira überraschende Nebenwirkungen ausgelöst. Nachdem ihn die gesamte Belegschaft des Heims für tot gehalten hatte, war er völlig unverständlicherweise wiederauferstanden. Sicher war die Figur Frankensteins aus einer ähnlichen Geschichte entstanden – ein fast schon Toter, vom Blitz getroffen, der jedoch lebendiger denn je davonkommt, um sich dann völlig verrückt zu verhalten und jede Menge Schaden anzurichten. Seit dem Unfall an der Pferdekoppel konnte Jean-Michel nicht mehr stillhalten. Er lief ohne Stock, lachte wie ein Irrer, spazierte durch den Obstgarten und ging sogar so weit, Francis zu einer Prügelei herauszufordern. Es fehlten ihm nur noch die Schrauben links und rechts am Hals, um seinem schrecklichen Vorbild vollends zu gleichen.
Thomas klopfte an seine Tür.
»Monsieur Ferreira, ist alles in Ordnung? Darf ich hereinkommen?«
»Kommen Sie nur, Sie können mir helfen.«
Thomas trat ein und fand den Raum in völligem Durcheinander vor. Alle Möbel waren verschoben worden. Und mitten in diesem Chaos stand Jean-Michel, ohne Brille und mit aus der Hose hängendem Hemd, und versuchte gerade, seinen großen Kleiderschrank, den er nicht einmal leergeräumt hatte, von der Stelle zu rücken.
»Was machen Sie da?«
»Ich hab’s satt. Ich ersticke hier. Ich brauche Veränderung. Könnten Sie mir helfen, dieses Monstrum hier weiterzuschubsen?«
»Und Ihr Bett?«
»Das schiebe ich nach hinten. Dann kann ich den Fernseher und den Garten auch im Liegen sehen.«
»Wie Sie möchten.«
Als sich Thomas und Jean-Michel gerade wie Zwangsarbeiter gegen den Schrank stemmten, erschien Pauline im Türrahmen.
»Théo, komm schnell her und sieh dir das an!«, rief sie. »Es sieht aus wie bei dir im Zimmer. Dasselbe Chaos – und zu meinem großen Unglück wird es wohl auch dasselbe arme Geschöpf sein, das zum Aufräumen verdammt ist …«
Die beiden Männer gaben sich alle Mühe, doch der Schrank rührte sich kaum von der Stelle.
»Hat Ihnen denn niemand beigebracht, dass ein leerer Schrank leichter ist als ein voller?«, fragte Pauline ironisch.
»Bleibt noch abzuwarten, welcher Energieaufwand am meisten bringt«, gab Jean-Michel zurück. »Sich wie ein Muli placken, um einen vollen Schrank zu verrücken, oder wie ein Feigling mit Bieneneifer alles ausräumen …«
Pauline reagierte noch amüsierter: »Als wäre Möbelrücken eine Frage des Mutes oder gar der Ehre! Der Hexenschuss, der Sie bestimmt noch erwischt, wird Sie eines Besseren belehren.«
Pauline und sogar Théo halfen mit. Schon bald danach war das große Umräumen bewältigt.
»Danke, Mademoiselle, danke, Doktor, und danke auch dir, mein Junge.«
»Trotzdem, bitte spielen Sie nicht jeden Tag Umzug …«, bat Pauline.
»Maman?«, fragte Théo. »Warum dreht Monsieur Ferreira das Bett nicht um, dann wäre es doch weniger eng?«
Monsieur Ferreira schien sofort Gefallen an diesem Vorschlag zu finden.
»Der Kleine hat recht. Dass ich das nicht gleich gesehen habe …«
Thomas ließ sich seufzend gegen die Wand fallen, und Pauline verjagte ihr eigen Fleisch und Blut.
»Du machst jetzt, dass du wegkommst, und kümmerst dich sofort wieder um deine Hausaufgaben, sonst gibt es was!«
»Du hast mich doch selbst hergerufen, damit ich es mir ansehe!«