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Was haben Sie gemacht?«
Monsieur Ferreira lag in seinem Zimmer auf dem Fußboden, neben einer umgestürzten Lampe und einer zerbrochenen Glühbirne. In der Luft lag ein leichter Brandgeruch. Der alte Mann knurrte. Thomas kniete sich neben ihn.
»Bleiben Sie still liegen. Atmen Sie langsam. Können Sie mich sehen?«
»Natürlich kann ich Sie sehen, Sie sind doch genau vor mir. Ich bin zwar kurzsichtig, aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
Als Thomas seine Hand nahm, bemerkte er, dass die Spitzen von Mittel- und Zeigefinger geschwärzt waren. Er drehte sich zu Pauline um.
»Er hat’s noch mal gemacht.«
»Was meinen Sie?«
»Er hat sich absichtlich einen Stromschlag versetzt.«
»Na und?«, verteidigte sich Jean-Michel. »Das ist doch kein Verbrechen! Es hat mir beim ersten Mal so gutgetan! Ich spürte wieder Leben in mir. Und ich ertrug es nicht, wieder zu einem Tapergreis zu werden. Wenn ich den Jungen mit dem Hund herumtollen sehe, möchte ich am liebsten mitspielen! Also dachte ich mir, was soll’s, es ist einen erneuten Versuch wert.«
»Mademoiselle Choplin, bitte rufen Sie die Elektriker an, wir haben ihren ersten Drogenabhängigen. Er hängt am Kabel.«
»Erzählen Sie nicht solchen Blödsinn, sagen Sie mir lieber, ob es ihm gut geht.«
»Topfit. Der Puls ist in Ordnung, die Pupille völlig normal, er hat für mindestens eine Woche Energie nachgetankt. Wahrscheinlich können wir ihm auch den Stecker der Kaffeemaschine in die Nase stecken. Erinnern Sie mich daran nachzusehen, ob zufällig noch Steckdosensicherungen in den Abstellräumen der Krippe herumliegen, denn ich möchte wirklich nicht, dass er anfängt, an den Leitungen zu lecken.«
»Doktor, ganz im Ernst …«
Pauline beugte sich über ihren Schützling, um ihn zu beruhigen. Francis und Théo steckten den Kopf durch die Tür.
»Was ist passiert? Wir haben gerade eine Folge von ›Die Scharfschützen‹ geguckt, als es knallte.«
Der Kleine fügte hinzu: »Es hat bei uns und gleichzeitig auch in der Geschichte einen lauten Knall gegeben! Toll! Echtes Home-Cinema!«
»Schlimm ist nur«, klagte Francis, »dass wir nie erfahren werden, wer die geheime Erfindung des verrückten Wissenschaftlers an die Terroristen verkauft hat.«
Pauline und Thomas hoben Monsieur Ferreira vom Boden auf und legten ihn auf sein Bett.
»Jetzt ruhen Sie sich ein bisschen aus.«
»Ich würde lieber mit dem Hund herumtoben.«
»Was ist das für ein Getöse?«, fragte Chantal, die gerade eingetroffen war.
»Jean-Michel wurde vom Blitz getroffen«, erklärte Francis.
»Vom Blitz? Wir hatten doch gar kein Gewitter! In diesem Haus wird alles immer seltsamer … Ich bin sauer, ich habe gerade eine kulturelle Ratesendung gesehen, und die wurde just in dem Moment unterbrochen, als sie die Antwort auf die Millionen-Frage geben wollten.«
»Wie lautete die Frage?«, fragte Jean-Michel, der langsam wieder zur Besinnung kam.
»›Beinhart und doch betörend schön‹, sieben Buchstaben.«
»Ein Winchesterlauf!«, schrie Francis. »Hurra, ich habe eine Million gewonnen!«
Er hüpfte mühsam auf der Stelle und hob die Siegerfaust.
»Das sind vierzehn Buchstaben, doppelt so viele«, erwiderte Chantal verkniffen. »Erbärmlicher Amateur.«
Jean-Michel brach in ein irres Lachen aus. Frankenstein war wieder da.