Früh übt sich
Führt ein Königsweg zur klassischen Musik?
Häufig ist es doch so: Will man jungen Leuten etwas Gutes tun, schenkt man ihnen zum Geburtstag, zur Firmung, zu Weihnachten eine Kassette mit allen Bruckner-Symphonien, mit allen Beethoven-Sonaten, mit dem gesamten Orchesterwerk von Brahms und denkt sich: Was für ein tolles Geschenk! Falsch gedacht. Diese allerschönsten Kassetten werden nämlich unberührt, unerhört, unerlöst verstauben. Gleiches gilt natürlich für verschenkte Schiller- oder Goethe-Gesamtausgaben.
Und warum? Weil man des Guten zu viel tut, weil man überschenkt, überfordert. Meine Erfahrung – das war auch bei meinen eigenen Kindern so – ist die: Man muss sich die Mühe machen, sich selber zu engagieren. Man muss den Jüngeren dazu verhelfen, dass sie von einem bestimmten Werk begeistert sein können. Dabei darf man nicht pädagogisch heucheln, sondern muss im Gespräch verdeutlichen, warum einen etwas besonders ergreift, warum man etwas fragwürdig findet oder warum eine Interpretation, die zwar korrekt ist, langweilig erscheint und eine andere, nicht ganz so korrekte hingegen faszinierend wirkt.
Man muss also glaubhaft die Wichtigkeit einer Komposition vermitteln. Je früher, umso besser. Dann weckt man Interesse. Ist das gelungen, hat man schon gewonnen. CDs verschenken ist nur eine Vorbedingung, wenn auch eine wichtige. Musik verschenken heißt aber eigentlich: Zeit für Hinwendung und ansteckende Leidenschaft. Das ist der wahre Königsweg.