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In der Nähe von Balsam Gap,

North Carolina, Sol III

 

2017 EDT, 27. September 2014

 

 

 

Thomas Redman war Indianer. Und er war stinksauer.

Schlimm genug, dass das Kasino, in dem er über vierzehn Jahre lang angestellt gewesen war, wegen des Krieges hatte schließen müssen. Schlimm genug, dass diese Posleen-Drecksäcke seinen jüngeren Bruder auf Barwhon umgebracht hatten. Nein, jetzt hatten sie auch noch Dillsboro einnehmen müssen, wo früher einmal sein Laden für »Garantiert echte Posleen-Skalpmesser aus indianischer Herstellung« gestanden hatte.

Na ja, zugegebenermaßen hatte zuerst dieses verdammte SheVa-Geschütz den Laden platt gewalzt, aber schließlich war ihnen ja auch nicht viel anderes übrig geblieben.

Wer auch immer seinen Laden platt gemacht hatte, schuld daran waren die Posleen, und dafür würden sie verdammt noch mal bezahlen. Seine Familie hatte ohne Unterbrechung in diesen Bergen gewohnt, seit sie die Creeks dort verjagt hatten, und das war etwa um die Zeit gewesen, als Kolumbus Königin Isabella die Kronjuwelen abgeluchst hatte. Und er war fest entschlossen, nicht der letzte Redman zu sein, der hier dem Weißen Mann sein Geld abluchste.

Bis zu diesem Augenblick hatte sein Widerstand gegen die Posleen darin bestanden, der Puppe in dem SheVa-Geschütz zu sagen, wo sie sie sich befanden. Als sie ursprünglich davon gehört hatten, dass die Posleen den Pass heraufkamen, hatte er seine Frau – »Squaw« nannte er sie nur dann, wenn er wollte, dass sie echt böse wurde – die Straße nach Knoxville hinaufgeschickt. Dann hatte er sein Milizfunkgerät, seinen Geländewagen und sein Gewehr herausgeholt und war in die Berge gefahren.

So, wie es jetzt aussah, stand die ganze Sache ziemlich auf der Kippe. Was auf dem Pass geschah, hatte er nicht beobachten können, aber die Rauchsäulen, die von dort aufstiegen, ließen eigentlich wenig Zweifel. Er kannte auch eine Stelle, von der aus man die Posleen aufs Korn nehmen konnte. Aber wenn er das tat, würde er formal gesehen gegen das Gesetz verstoßen.

In der Hast, mit der man bei Beginn der Krise Gesetze verfasst hatte, hatte es auch eine lange Debatte über den Aufbau von Milizen gegeben. Schließlich hatte der Kongress Gesetze erlassen, die praktisch fast alle Vorschriften über den Waffenbesitz außer Kraft setzten, und an deren Stelle eine Serie von Gesetzen erlassen, die das Ziel hatten, »die verschiedenen Milizen zu regulieren«. Eines der Gesetze hatte mit Grenzregelungen für die Milizen zu tun, insofern, als kein Angehöriger einer Miliz die »in einem Territorialbereich aufgestellt worden war, zu Zwecken der Miliz in einen anderen Territorialbereich überwechseln durfte, sofern nicht die Behörden des zweiten Territorialbereichs dem ausdrücklich zustimmten«. Im Klartext bedeutete das, dass Milizen aus Virginia nicht nach Maryland überwechseln durften.

Unglücklicherweise interpretierten die Bürokraten des Büros für Indianerangelegenheiten das so, dass es eine Reservations-Miliz und eine Miliz des restlichen North Carolina geben sollte. Formal gesehen war das Territorium des Reservats der einzige Territorialbereich, in dem Thomas Redman, Sergeant der North Carolina Cherokee-Miliz, Krieg gegen die Posleen führen durfte. Und in diesem Augenblick war er im Begriff, die Reservatsgrenze zu überschreiten.

Eine Anzahl nicht besonders lustiger John-Wayne-Filmwitze gingen ihm durch den Kopf, als sein Geländewagen über den letzten Felsvorsprung rumpelte und auf dem Blue Ridge Parkway weiterrollte mit dem Ziel, die Posleen am Pass abzuschneiden.

»Passt nur alle gut AUF!«, schrie er in die Nacht. »Ein Indianer hat das Reservat verlassen

 

 

»Sir, ich habe Kontakt mit Kommando Ost«, sagte Kitteket, tippte einen Augenblick lang und hielt dann wieder inne.

»Und was gibt's?«, fragte der Colonel.

»Ich bin immer noch dabei, denen unsere Lage durchzugeben, Sir«, erklärte sie und tippte dann wieder. »Ich muss ja immer drei Buchstaben eintippen, warten, bis die übertragen werden, und dann die nächsten drei Buchstaben tippen. Das nervt ganz schön.«

»Beim nächsten Software-Upgrade wird das behoben«, meinte Pruitt und scrollte seine Taktikkarte über den Bildschirm. »Vorausgesetzt natürlich, dass wir für den nächsten Software-Upgrade noch da sind.« Besonders gut sah es nicht aus.

»Okay, was ist mit den Posleen in der Umgebung von Dillsboro?«, fragte Mitchell.

»Das sieht ziemlich schlecht aus. Sie haben einige Probleme mit aufgerissenen Straßen, und etwa die Hälfte von ihnen ist auf der 441 nach Norden unterwegs, aber die Übrigen kommen hierher. Und auf der anderen Flussseite nimmt ihre Zahl immer noch zu. Die Kundschafter schaffen entweder keine ordentliche Schätzung oder sie wollen nicht glauben, was sie sich ausgerechnet haben. Es ist jedenfalls eine ganze Menge.«

»Geschätzte Ankunft?«, fragte Pruitt.

»Etwa eine Stunde, so, wie Posleen sich bewegen«, sagte Kitteket. »Das sage ich dem Kommando Ost auch.«

»Ach, zum Teufel damit«, schimpfte Mitchell. »Schluss jetzt mit Häschen nett. Es gibt wirklich keinerlei Anlass, weshalb wir uns Sorgen machen sollten, dass die Posleen uns überrennen. Pruitt, wir haben doch noch drei Nukes, stimmt das?«

»Yes, Sir«, bestätigte der Kanonier. Er tippte eine Schaltfläche an, und der Turm schwenkte fast lautlos nach hinten. »Und dort hinten sind auch keine Menschen, auf die wir aufpassen müssten. Hundert Kilotonnen Nukes bereit, erwarten Ihren Befehl … Sir!«

»Kitteket, stellen Sie fest, wo die Hauptkonzentrationen sind, und liefern Sie mir eine Schätzung, wo die vorderen Einheiten in … sagen wir zehn Minuten sein werden«, sagte Mitchell. »Und finden Sie raus, weshalb es so aussieht, als ob wir die Einzigen wären, die um diesen Pass kämpfen!«

 

 

Der Blue Ridge Parkway ist eines jener amerikanischen Idole wie etwa die Route 66 oder der Appalachian Trail. Er führt am Kamm der Blue Ridge Mountains entlang, bei denen es sich in Wirklichkeit um eine Anzahl kleinerer Bergketten von den Great Smoky Mountains in North Carolina bis zum Shenandoah Valley in Virginia handelt. In seinem Verlauf führt er durch einige der schönsten Felslandschaften im Osten von Nordamerika. Da er an den Bergrücken entlang verläuft, ist der Zugang zu ihm nicht sehr bequem, und er stellt auch im Allgemeinen nicht gerade die schnellste Verbindung von Punkt A nach Punkt B dar.

Aber für Thomas Redman eignete er sich ganz gut.

Er war in der Nähe von Woodfin Creek auf den Parkway gefahren und hatte dazu einen nur wenig bekannten Pfad benutzt, der eine Verbindung zum alten Parkway darstellte, war dann bergauf zum neuen Parkway weitergefahren und näherte sich jetzt dem Pass. Aber der Pass war nicht sein eigentliches Ziel. Nach den Informationen, die er von der Puppe in dem SheVa hatte, stand die halbe Überführung noch. Zweifellos hätte es auch Spaß gemacht, von dort oben auf die Gäule zu schießen, aber noch mehr Sinn machte es, einen Punkt aufzusuchen, von dem aus er unter der Überführung durch schießen konnte. Es gab da einen Bergkamm, der seitlich vom Parkway abzweigte – dieser Kamm hatte die letzte Kurve der 23 notwendig gemacht – und auf den man von der Straße aus gelangen konnte. Und vom Ende dieses Kamms würde er, wenn er dort ein gutes Versteck fand, direkt unter der Brücke durch schießen und damit den Druck auf die im Pass festsitzenden Leute etwas verringern können.

Er registrierte die umgeknickten Bäume, als er um eine Kurve bog, und wurde dann langsamer, als er auf der Straße einige Bäume entdeckte. Auf das Ende der Kurve zu war die Straße mit Bäumen förmlich bedeckt, und einige von ihnen begannen infolge der gewaltigen Hitze bereits gelb zu werden.

Insgesamt betrachtet war es ganz gut, dass er damit gewarnt wurde, denn als er – immer noch mit über dreißig Stundenkilometern – um die Kurve bog, krachte er fast in die ersten von Tausenden umgestürzter Pappeln, die die Straße blockierten.

»Scheiße!«

 

 

»Sir, ich habe eine Mitteilung vom Kommando Ost«, sagte Kitteket. »Weitere gute Nachrichten.«

»Nur raus damit«, sagte Colonel Mitchell und deutete für Pruitt auf einen Punkt auf der Landkarte.

»Es gibt einen Grund, weshalb wir die Einzigen sind, die um den Pass kämpfen, Sir; unser Nuke hat auf der Asheville-Seite einen Bergrutsch ausgelöst, der die Straße blockiert. Die Brigade, die inzwischen oben sein sollte, kommt nicht weiter. Sie sind dabei, die Straße zu räumen, aber dazu werden sie noch mindestens eine Stunde brauchen. Einige Einheiten leichte Infanterie versuchen drüberzuklettern, aber auch die werden noch eine Weile brauchen.«

»Na schön«, erwiderte Mitchell und tippte seine sekundären Freigabecodes ein. »Sagen Sie denen, dass wir gerade dabei sind, das Scott-Creek-Tal von Posleen zu säubern.«

Pruitt war inzwischen damit fertig geworden, die Abschusskommandos einzutippen, und drehte sich jetzt fragend zu dem SheVa-Kommandanten um. »Alle drei, Sir?«

»Sie wollten sie wohl für einen festlicheren Anlass aufheben, Pruitt?«, fragte der Colonel. »Ja, alle drei. Eines auf die Kreuzung, eines auf die Spitze der Posleen und eines auf die Masse, die sich auf der anderen Flussseite aufgestaut hat. Wenn sie das nicht aufhält, dann weiß ich auch nicht.«

»Yes, Sir«, sagte der Kanonier, tippte den letzten Befehl ein und löste dann die Schusssequenz aus.

 

 

Das Büro für Indianerangelegenheiten und der Kongress der USA mochten ja ein paar recht alberne Vorschriften ausgearbeitet haben, von denen Thomas eine jetzt verletzte, aber an der Ausrüstung hatten sie nicht gespart. Insbesondere nachdem jemand darauf hingewiesen hatte, dass die Cherokee-Nation, seit das Kasino »für die Dauer der kriegerischen Auseinandersetzung« geschlossen war, nicht mit sehr viel Einnahmen rechnen konnte. Und da es sich beim Büro für Indianerangelegenheiten schließlich um eine Regierungsbehörde handelte, knauserten sie auch nicht. Deshalb hatte er bis vor kurzem ein hübsches Honda Geländefahrzeug in Tarnlackierung besessen.

Aber er hatte den Unfall überlebt, und sein Gewehr, das noch im Futteral steckte, ebenfalls und ebenso auch sein Feldstecher und seine Munition. Er hatte also eigentlich nichts zu beklagen. Irgendwie. Zu dem Bergkamm zu gelangen, von dem aus er die Posleen von oben unter Beschuss nehmen konnte, würde mehr Mühe bereiten, als er erwartet hatte; das Nuke hatte das Gelände wirklich ziemlich übel zugerichtet.

Die gesamte Umgebung der Straßenkreuzung war eine einzige Masse ineinander verkeilter, umgestürzter Bäume. Es erinnerte an die Bilder vom Mount St. Helens. Er hatte damals, in der achten Klasse war das gewesen, einen Aufsatz über die Katastrophe geschrieben und erinnerte sich noch an die Bilder von den Wapitis, die sich durch die umgestürzten Bäume gearbeitet hatten. Nun gut, jetzt wusste er, wie denen damals zumute gewesen war: beschissen.

Er zog sein rechtes Bein über einen Baumstamm und fluchte. Bei der Kollision hatte er sich das Knie verrenkt, und in diesem Dickicht herumzuklettern war da nicht gerade hilfreich. Insbesondere da es inzwischen stockfinster geworden war; die Sonne war untergegangen, und der Mond lugte nur gelegentlich zwischen den Wolken hervor. Aber er war sich ziemlich sicher, dass er wusste, wo er sich befand: Der Graben dort unten sollte eigentlich einer der Zuflüsse zum Scotts Creek sein, und das bedeutete, dass der Grat, auf dem er sich befand, Ausblick auf die Kreuzung bieten sollte.

Unmittelbar unterhalb des Grats, entlang der Felsformation, die die Scharfschützenausbilder als »Militärkamm« bezeichnet hatten, gab es ein paar Bäume, die nicht umgestürzt waren, weil die Druckwelle über sie hinweggegangen war. Man konnte das nicht gerade einen »Weg« nennen, aber es war besser als das Terrain, auf dem er sich bisher bewegt hatte, für ihn also somit die Chance, sich nach oben zu arbeiten, ohne dass die Posleen ihn sehen konnten. Endlich, endlich humpelte er auf den Grat hinaus und legte sich auf den Bauch. Die Druckwelle der Explosion hatte viele Bäume mehr oder weniger parallel zueinander umgeknickt und – Wunder über Wunder – sogar in der Richtung, in der er unterwegs war. Und deshalb konnte er sich dazwischen hochstemmen, bis er schließlich zuerst das stehen gebliebene Straßenstück und dann die Stellungen der Posleen darunter sehen konnte.

Er konnte auch die brennenden Panzer auf der Straße sehen; so, wie es aussah, hatte die Infanterie richtig die Hucke voll bekommen. Aber er konnte auch zwei der Jungs in Richtung auf die Stellung der Posleen zurobben sehen.

Zeit, denen ein wenig Feuerschutz zu liefern.

 

 

Das letzte Mal, dass Joe Buckley gerobbt war, war zu der Zeit gewesen, als er den Test für sein Infanterieabzeichen abgelegt hatte. Das musste irgendwann in grauer Vorzeit gewesen sein, als seine einzige Sorge war, sich nicht ein Bein zu brechen oder einen Motorradunfall zu bauen oder wegen irgendeiner Puppe am Bragg Boulevard in eine Prügelei zu geraten.

Mann, das waren noch Zeiten. Keine Posleen. Keine Wolkenkratzer, die einem auf den Kopf fielen. Keine explodierenden Schiffe. Bloß hie und da ein Sergeant, der ein wenig sauer war, und irgendeine blöde Fernsehsendung am Nachmittag vor dem Exerzieren. Mann!

Er zog den Hintern ein, als ein Geschoss irgendwo vom Asphalt abprallte und über ihn hinwegpfiff. Also ehrlich, damals war es wirklich schöner gewesen.

Einer der beiden Privates hatte den Hintern ein wenig zu hoch gehalten und wurde deshalb von einem Plasmatreffer geröstet. Der andere war auf halber Strecke zu Bewegungslosigkeit erstarrt und lag jetzt auf dem Mittelstreifen und zitterte. Buckley wusste selbst nicht, weshalb er immer noch weiterkroch. Vielleicht war das bloß reine Sturheit; diese Posleen hatten wirklich angefangen, ihn ernsthaft zu ärgern. Möglicherweise tat er es aber auch, weil er ganz genau wusste, dass er ganz sicher nichts zu lachen haben würde, wenn sie diesen Pass nicht wieder einnahmen.

Er schmiegte sich noch enger an den Boden, als das erste Artilleriegeschoss aus dem Himmel plumpste. Wenn alles gut ging, würde er wenigstens Feuerschutz haben.

Andererseits, wenn die Jungs von der Ari Mist bauten, konnte es ebenso gut sein, dass das nächste Ding auf ihm landete.

Das tat es aber nicht; es landete mitten auf dem stehen gebliebenen Streifen Straße. Er wartete ungeduldig, als der Artilleriebeschuss langsam über den Straßenstreifen vorwanderte. Jetzt sollten die Splitter eigentlich unter der Straßenbrücke durch und auf die Posleen herunterhageln. Das hieß nicht, dass es ihnen den Garaus machen würde, aber es sollte wenigstens dafür sorgen, dass sie die Köpfe ein wenig einzogen und es ihm daher einen Tick leichter machten, vorzurücken. Und während er das tat, kam ein Geschoss vom nächsten Geschütz herangebrüllt.

Der Graben, in dem er kroch, der eine Weile wirklich immer seichter geworden war, hatte jetzt wieder angefangen tiefer zu werden. So tief, dass er das Gefühl hatte, sich ein wenig höher zu schieben und sich ein wenig schneller zu bewegen.

Er stemmte sich halb auf Ellbogen und Knie. Nicht kriechend, dafür reichte die Deckung nicht aus. Aber auch nicht geduckt. Eine richtig beschissene »mittlere Bewegungsart im Gelände«, konnte man sagen. Er fing an sich wie eine Krabbe zu bewegen, als plötzlich von den Posleen Lärm zu ihm herüberdrang. Und plötzlich fühlte sich sein Hintern an, als stünde er in Flammen.

Er ließ sich wieder auf den Bauch fallen, tastete hinter sich und fluchte, als seine Hand feucht wurde. Entweder hatte er plötzlich schreckliche Hämorrhoiden oder irgend so ein Posleen-Drecksack hatte ihn am Hintern getroffen.

 

 

Thomas Redman schüttelte den Kopf angesichts des armen, tapferen Kerls dort unten im Graben. Sein Wärmebildzielfernrohr zeigte ziemlich deutlich an, dass er gerade am Hintern getroffen worden war – das wegspritzende Blut zeigte eine Menge Restwärme –, aber trotzdem kroch er weiter. Dann war da noch einer, der auf dem Bauch lag, der Temperatur nach nicht tot, wahrscheinlich einfach zu verängstigt, um weiterzukriechen. Und dann lag da noch eine hellweiß strahlende, kopflose Leiche im Graben. Sie war so heiß und so offenkundig tot, dass sie mit ziemlicher Sicherheit das Opfer eines Plasmaschusses war. Davon abgesehen sah es so aus, als ob die meisten von ihnen in den ersten paar Augenblicken gestorben wären.

Er schwenkte sein Zielgerät auf die Stellung der Posleen und schüttelte den Kopf. All das Feuer aus ihren Plasmawaffen hatte erkennbare Spuren auf der Straße hinterlassen und die Luft unter der Brücke erhitzt. Und jedes Mal, wenn eine Artilleriegranate auftraf, schaltete der grelle Lichtschein das Zielfernrohr einen Augenblick lang ab. Trotzdem konnte er die Gäule deutlich ausmachen; sie waren ein wenig kühler als Menschen, aber viel wärmer als die zunehmende Kühle des Abends und der kalte Boden unter der Straßenbrücke. Und es waren nicht viele, vierzehn, wie es aussah, vielleicht fünfzehn; und da war einer ganz unten im Graben, der sich nicht bewegte.

Jetzt galt es herauszufinden, welches die Gottkönige waren.

Einen Augenblick lang entdeckte er so etwas wie einen Schleier um den Kopf von einem der Posleen herum und schaltete das Wärmebild ab. Im grünen Schein konnte er undeutlich erkennen, dass der da einen Kamm hatte; offenbar hatte er ihn einen Augenblick lang angehoben und damit einen Wärmeschleier über seinem Kopf erzeugt.

Er nickte zufrieden und schaltete wieder auf Wärmebild. Dann atmete er durch, legte den Sicherungsflügel des Barrett um, schmiegte den Finger um den Abzug und drückte ganz sanft ab.

 

 

Sergeant Buckley duckte sich, als plötzlich wütendes Posleen-Feuer aus dem Graben kam, das aber offenbar nicht ihm galt. Er riskierte einen schnellen Blick und erkannte, dass sie aus allen Rohren auf den Berggrat links hinter ihm feuerten.

Ein weiteres Risiko eingehend, stemmte er sich auf Hände und Knie und rutschte auf einen Betonbrocken zu, der sich gut als Deckung eignen sollte. Vermutlich war das ein Stück des südlichen Brückenbogens,. der von dem Nuke abgesprengt worden war, aber für Buckley wirkte der Brocken wie ein Geschenk des Himmels; vielleicht würde er sich dahinter sogar aufsetzen können.

Er wälzte sich in den Schutz des Betonbrockens, als das gegnerische Feuer schwächer wurde, und überlegte. Er war vielleicht zwanzig Meter von dem Graben mit den Posleen entfernt, aber dem massierten Feuer nach, das er gerade erlebt hatte, waren dort noch mehr Posleen, als er für möglich gehalten hatte. Und die Artillerie erledigte sie nicht, sie sorgte lediglich dafür, dass sie die Köpfe einzogen. Ein wenig.

Wie es schien, war da draußen noch jemand, vielleicht ein Scharfschütze auf dem Bergkamm. Falls er den gegnerischen Beschuss überlebt hatte. Das wäre nett. Das Gefühl, nicht ganz allein zu sein, würde ihm gut tun.

Er wälzte sich auf die Südseite des Betonbrockens und überlegte. Es gab da einen weiteren Brocken, etwa fünf Meter näher bei der Brücke, einen, aus dem ein Stück Stahl ragte. Der Brocken lag an einer der Mittelstützen. Wenn er es bis dorthin schaffte, konnte er sich bis in die Flanke der Posleen vorarbeiten, an einen Punkt, von dem aus er ihren Graben von einem Ende bis zum anderen bestreichen konnte. Und so, wie die Südpartie der Straße abgestürzt war, würde er sich dort in »gutem Schutt« befinden.

Guter Schutt war ein Spezialausdruck der Infanterie. Schutt und Geröll waren der Freund der Infanterie; Panzer kamen damit nicht klar, Artillerie auch nicht, und die Posleen hassten es. Guter Schutt war Schutt wie der von der Brücke, Brocken mit Löchern, in denen man Schutz und Deckung finden konnte. Die Überreste des südlichen Brückenbogens sahen wie großartiger Schutt aus.

Allerdings gab es zwei Probleme, zu diesem Schutt zu gelangen. Das eine war die Artillerie. Die Granaten fielen exakt ins Ziel – es sah aus, als würden sie Löcher in den Beton der Straße reißen –, aber sie fielen auch wenige Meter neben der Route, die ihn in Deckung führen würde. Wenn er ein Funkgerät gehabt hätte, hätte er jetzt gebeten, auf Nebelgranaten umzuschalten. Aber er hatte keines, und der Funker war viel zu weit hinten, als dass er ihm etwas hätte zurufen können. Selbst wenn er damit nicht seine Position verraten hätte, was natürlich der Fall gewesen wäre.

Er hatte gehört, dass es durchaus möglich war, sich mit ein oder zwei Meter Distanz zu Artilleriebeschuss zu bewegen, falls die Granaten »von einem weg« herunterkamen, was hier der Fall war. Jeder einzelne Treffer erzeugte ein massiv klingendes »Wumm«, aber was einen wirklich umbrachte, waren die Splitter. Und die meisten flogen in Richtung auf die Stellungen der Posleen. Theoretisch sollten nur sehr wenige Splitter nach rückwärts geschleudert werden, wo er sich befinden würde.

Theoretisch. Sehr wenige.

Das zweite Problem – vorausgesetzt, die Artillerie erwischte ihn nicht – war, dass es zwischen seinem augenblicklichen Standort und dem nächsten Betonbrocken keine Deckung gab. Null. Das Gelände war platt, bretteben, ohne jede Vegetation, die vielleicht früher einmal da gewesen war, direkt in Sichtweite der Posleen und nicht einmal zwanzig Meter entfernt.

Er konnte natürlich versuchen, die zwanzig Meter im Sprint zurückzulegen. Einfach aufspringen und losrennen. Das Problem war nur, dass Posleen üblicherweise auf so etwas viel besser reagierten als Menschen; es würde darauf hinauslaufen, an einem professionellen Tontaubenschützen vorbeizurennen. Die Gäule streckten immer wieder die Köpfe heraus und das trotz des Artilleriebeschusses. Seine Chance, diese zwanzig Meter zu schaffen, war geringer als die des sprichwörtlichen Schneeballs in der Hölle.

Die einzig andere Alternative war, zu versuchen, sich vorbeizuschleichen.

Die Beleuchtung war … verwirrend. Gelegentlich blitzte eine explodierende Artilleriegranate, der Mond lugte immer wieder zwischen den Wolken hervor, aber sonst war da nicht sehr viel. Ein paar Feuer, die vermutlich auf Artillerietreffer zurückzuführen waren, lieferten ein wenig flackerndes Licht, aber alle waren ziemlich weit entfernt.

Posleen sahen in der Nacht ganz gut, aber nicht perfekt. Wenn sie von dem Kamm aus beschossen wurden, würden sie sich darauf konzentrieren.

Insgesamt betrachtet konnte man es also riskieren. Aber ein wenig Vorbereitung konnte nicht schaden.

Er griff in den Beutel, den er am Gürtel trug, und zog einen Gegenstand heraus, den er lange nicht mehr benutzt hatte.