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Dillsboro, North Carolina, Sol III

 

1623 EDT, 27. September 2014

 

 

 

Ryan setzte das um seine eigenen Leute verstärkte Sprengteam darauf an, die Sprengladungen neu anzubringen, und ging dann zu Captain Andersons Gefechtsstand zurück. Als er dort ankam, erkannte er gleich, dass etwas schief gegangen sein musste; das verriet ihm der Gesichtsausdruck des Captain und das Schweigen der diversen Funker.

»Was ist los?«, fragte Ryan.

»Die Posleen haben erneut aus der Luft angegriffen«, antwortete Anderson und blickte nachdenklich in die Ferne. »Ein Verband von K-Deks hat soeben Balsam Gap eingenommen. Sie sind auf dem Blue Ridge Parkway gelandet und haben den Verband, der den Straßenknoten halten sollte, angegriffen und vernichtet.«

»Oh, zum Teufel«, sagte Ryan und vergegenwärtigte sich die Karte des Geländes. Über die Reihe von Bergkämmen, die zwischen ihnen und Asheville oder Knoxville lagen, gab es nur drei Routen. Die US 23 führte über den Balsam-Pass geradewegs nach Asheville. Die US 19, die sich in Cherokee mit der 441 kreuzte und dort ein Stück parallel zu ihr verlief, überquerte die Berge beim Soco-Pass. Die 441 schließlich überquerte sie beim Newfound-Pass und führte dann ins Cumberland-Tal hinunter. Sie konnten Kurs auf die 19 nehmen, aber die und die 441 waren schmaler und daher langsamer. Und ihre sämtlichen neu zusammengestellten Einheiten über jene einzelne Straße zu schicken würde nach seiner professionellen Überzeugung unmöglich sein. Darüber hinaus gab es auch keine Möglichkeit, Fahrzeuge »auszufiltern«, wie sie es vom Gap aus getan hatten; die Berge in dieser Region waren so steil und hoch, dass es keine anderen Straßen über sie gab.

»Was meldet sich noch?«

»Es gibt eine Division, die von Asheville heraufkommt«, sagte Anderson. »Aber die haben ein paar Probleme; sie sind noch ziemlich grün. Möglicherweise könnten sie es schaffen, die Posleen aus dem Pass zu vertreiben. Den Berichten nach hat man diese Posleen allerdings zuletzt dabei beobachtet, wie sie sich eingraben. Und der K-Dek hat ihnen während ihres Angriffs Feuerschutz gegeben. Ich … glaube nicht, dass die Unseren es in kurzer Zeit schaffen können, den Pass zu erobern.«

»Verdammt, verdammt, verdammt«, sagte Ryan. »Wissen Sie, was Sie tun werden?«

»Mehr oder weniger«, nickte Anderson. »Ich hatte ein paar Minuten Zeit, um darüber nachzudenken. Ich werde alles Personal und Gerät, das nicht unbedingt wichtig ist, die 441 hinauf in Marsch setzen; das ist die schwierigste Route, und wir haben auch nichts davon, wenn die dann in Pigeon Forge sind; aber wenigstens sind sie dort außer Gefahr.«

»Und diejenigen, die wir wirklich brauchen, werden Sie auf die US 19 schicken, stimmt's?«, sagte Ryan.

»Ja«, fuhr der Captain fort. »Sämtliche Versorgungsfahrzeuge. Benzinlaster, Munition, Proviant. All das. Nichts Langsames, nichts, was nicht unbedingt notwendig ist. Ich werde sogar sämtliche Fernmelde- und Nachrichtendiensteinheiten die 441 hinauf schicken.«

»Einverstanden, was ist mit den Kampfverbänden?« Einige davon hatten es hierher geschafft, eine kleine Gruppe M-1E1-Panzer, etwas Artillerie und Bradleys und eine kleine Gruppe Infanterie, die entweder zu Fuß gekommen war oder sich von Trucks hatte mitnehmen lassen.

»Die werde ich nach Balsam schicken«, erklärte der Captain mit ausdrucksloser Miene.

»Das ist … Selbstmord«, erwiderte Ryan nach einer kurzen Pause. »Die sind nicht einmal eine reguläre Einheit.«

»Die Einheit auf der anderen Seite ist noch nicht in Stellung, und von jener Seite anzugreifen wird nicht leichter sein als von dieser«, sagte Anderson und verzog dabei das Gesicht. »Wir haben ein wenig Artillerie und einigermaßen Infanterie. Leicht … wird es ganz sicher nicht sein, aber ich bin überzeugt, dass wir es schaffen können. Die Scharfschützen der örtlichen Miliz sind immer noch dabei, die Posleen oben im Savannah-Tal in ihrem Vormarsch aufzuhalten. Aber wenn wir zwischen die Posleen-Verbände geraten … dann sind wir erledigt. Also müssen wir den Pass zurückerobern, das muss hohe Priorität haben.«

»Ja, natürlich«, nickte Ryan erneut nach kurzem Nachdenken. »Es darf wirklich nicht dazu kommen, dass die sich zusammenschließen.«

»Vielleicht schaffen wir es, sie aufzuhalten«, sagte Anderson nicht sehr überzeugt. »Versuchen werden wir es jedenfalls.«

Ryan blickte zum Himmel auf und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich … hätte da eine Idee.«

»Yes, Sir?«, fragte der Captain erwartungsvoll.

»Wir haben ein SheVa, und es ist neu mit Munition versorgt worden.«

»Oh«, machte Anderson. »Hat es Munition für Flächenbeschuss?«

»Ja. Haben Sie noch Funkverbindung mit dem Kommando Ost?«

»Ja«, nickte Anderson. »Ob Sie es glauben oder nicht, wir haben sogar Bildübertragung.«

»Gut«, grinste Ryan. »Ich möchte General Keetons Gesicht sehen.«

 

 

General Keeton nickte in der ruckeligen Art, die auf eine langsame Internetverbindung deutete. Ryan erinnerte das immer an einen Cartoon, den sein Dad gemocht hatte. Max Headroom hatte der geheißen.

»Major Anderson, wie ich sehe, haben Sie ja immer noch den Finger in der Deichwand.«

»Yes, Sir«, erwiderte der Captain. »Und ich bin Captain, Sir.«

»Nein, das sind Sie nicht mehr«, widersprach der General. »Wer sind diese anderen Gentlemen?«

»Sir, ich bin Major William Ryan, Pionierkorps.«

»Und ich Major Robert Mitchell, Kommandant von SheVa Neun.«

»Ist das die Wumme mit dem großen Hasen drauf?«

»Yes, Sir«, erwiderte der Major und seufzte dabei leicht.

»Wie man so hört, haben Sie die letzten paar Tage das Tal ziemlich zugerichtet, Major«, sagte der General streng. »Möchten Sie sich dazu äußern?«

»Yes, Sir«, erwiderte der Major. Der General würde ihn jetzt vermutlich durch die Mangel drehen, und das war eigentlich nicht fair. Aber so war das beim Militär eben manchmal. »Angesichts meiner Verantwortung für die Luftverteidigung des Korps waren das notwendige Kriegshandlungen.«

»Welche erwischt?«, fragte Keeton.

»Sir, nach unseren Unterlagen haben wir in den letzten zwei Tagen acht bestätigte Abschüsse von Lampreys und K-Deks, und wir schätzen, dass weitere neun bis zehn zu schwer beschädigt wurden, um weiterhin einsatzfähig zu sein. Alle von der Kamera erfasst. Offen gestanden bin ich der Meinung, dass wir das Doppelte hätten schaffen müssen, aber das bedarf der Auswertung, sobald wir das Tal zurückerobert haben.«

Der General überlegte eine Weile und nickte dann. »Sie wollen also sagen, dass Bun-Bun wie üblich mächtig rumgeballert hat und sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, Namen festzuhalten.«

Mitchell sah mit weit aufgerissenen Augen auf den Bildschirm. »Ja, Sir.«

»Ich werde jetzt etwas tun, und wenn Sie deshalb Anderson Ärger machen, dann reiße ich Ihnen den Arsch auf, verstanden?«

»Yes, Sir?«, erwiderte Mitchell.

»Sie sind zum Colonel befördert. Sämtliche Mitglieder Ihrer Mannschaft werden um eine Rangstufe befördert. Über die Auszeichnungen sprechen wir später.«

»Yes, Sir«, sagte der frisch gebackene Colonel mit halb erstickter Stimme. »Danke.«

»Jetzt fangen Sie bloß nicht gleich vor Rührung an zu heulen; Sie wissen schließlich, dass Sie aller Wahrscheinlichkeit nach ganz schön im Dreck stecken. Schließlich haben Sie keine Chance, dieses Monstrum aus dem Tal rauszuschaffen. Und nach allem, was ich von den Nachrichtendiensten höre, gibt es da etwa eine Milliarde Posleen, die bloß darauf warten, Sie in den Arsch zu ficken.«

»Das wollten wir gerade diskutieren, Sir«, schaltete Major Ryan sich ein.

»Ryan, Sie sind der Knabe, der das Lincoln Memorial in die Luft gejagt hat, stimmt das?«

»Yes, Sir«, erwiderte Ryan.

»Und Sie sind jetzt für die Brücke zuständig?«

»Yes, Sir, darüber …«

»Jagen Sie sie nicht hoch, solange wir nicht zu Ende geredet haben, ich bin nämlich gar nicht sicher, ob ich sie gesprengt haben möchte.«

»Yes, Sir.« Ryan hielt kurz inne. »Ich … ich denke, wir sind da einer Meinung, Sir. Sir, wir haben einen Aktionsplan, den wir mit Ihnen besprechen müssen.«

»Raus damit.«

»Sir, ist Ihnen bekannt, dass der Feind den Balsam-Pass eingenommen hat?«

»Ich habe eine Unmenge Leute dorthin geschickt«, erwiderte Keeton. »Unglücklicherweise brauchen wir Balsam Gap, um die Leute zu Ihnen durchzubringen. Und sie sind hauptsächlich in Stellungsverteidigung ausgebildet, was bedeutet, dass sie beim Angriff ziemlich lausig sein werden. Und deshalb kann es eine Weile dauern, ehe Sie Freunde in Ihrer Gegend haben werden.«

»Sir«, antwortete Major Anderson. »Ich habe damit begonnen, die Truppen im Kessel zu evakuieren und dabei Sekundärrouten benutzt. Aber ich denke, den Pass können wir frei bekommen.«

»Nur zu.«

»Sir«, schaltete sich Colonel Mitchell ein. »Wir hatten Verbindung mit den Munitionsteams für zwei SheVas …«

»Ich habe mehrere Munitionsteams und das beste SheVa-Reparaturbataillon in den ganzen USA abgeschickt«, fiel Keeton ihm ins Wort. »Jetzt passen Sie bloß auf, dass Bun-Bun nicht in die Luft fliegt, dann wäre nämlich die ganze Mühe umsonst.«

»Dafür bin ich sehr dankbar, Sir«, erwiderte Colonel Mitchell. »Aber die werden eine Weile brauchen, bis sie bei uns sind. Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, stand das nächstgelegene SheVa-Reparaturbataillon in Indiana.«

»Nicht, wenn Sie es schaffen, Balsam Gap zurückzuerobern; die sind jetzt beide in Waynesville. Ich habe sie sofort in Marsch gesetzt, als ich hörte, dass die Posleen Rabun Gap eingenommen haben.«

»Oh.«

»Sir«, meldete sich Major Ryan erneut zu Wort. »Bun-Bun hat vier Schuss für Vernichtungsflächenfeuer zur Verfügung, zwei beim Munitionsteam und zwei von SheVa Vierzehn.«

»Jaa«, machte der General bedächtig. »Reden Sie weiter.«

»Ich habe eine zusammengeschmolzene Kompanie Abrams und etwa genauso viele Bradleys«, schaltete Anderson sich ein. »Außerdem habe ich zwei Artilleriebatterien; die Bradleys und die Ari stammen aus einem Aufklärungsverband, der am Langen Wall entlanggezogen ist. Die Bradleys sind unterbesetzt, aber ich habe genügend Infanteriepersonal.«

»Sir, unser Plan sieht vor, dass Bun-Bun sich unter Ausnützung jeder möglichen Deckung an Balsam Gap heranarbeitet«, fuhr Ryan fort. »Gleichzeitig werden unsere mechanisierten Verbände sich in der Nähe von Balsam Gap in Verstecke begeben, aber nicht allzu nahe beim Pass. Bun-Bun wird einen Höhenkrepierer in den Pass schießen, und anschließend wird die Artillerie Höhenkrepierer und Penetrator-Munition einsetzen, während der mechanisierte Verband einen Bodenangriff startet. Anschließend rückt Bun-Bun vor, um den K-Dek zu beschießen, falls der den Angriff überstanden hat.«

»Ein klassisch vorbereiteter Angriff«, sagte der General. »Mit einem kleinen Extra-Tick.«

»Yes, Sir«, erwiderten die drei im Chor.

Keeton lachte und schüttelte den Kopf. »Sie hatten nicht genug Zeit, um das einzuüben. Okay, ich kann Ihnen das nicht freigeben. Ich werde also Jack Horner anrufen, und wir beide werden … mit der obersten Kommandoinstanz Verbindung aufnehmen.«

»Yes, Sir«, sagte Colonel Mitchell.

»Das könnte eine Weile dauern; die Präsidentin hat wirklich etwas gegen Atomwaffen. Aber in der Zwischenzeit sollten Sie Ihre Verbände bereithalten«, fuhr der General fort. »Und schaffen Sie aus diesem Kessel raus, was nur gerade geht. Ich besorge Ihnen die Freigabe. Und wenn ich eine Kompanie Militärpolizei schicken muss, um die Präsidentin festzuhalten. Klar?«

»Klar, Sir«, erwiderte der Colonel und fragte sich, wie ernst der General das meinte.

»Sir«, meinte Major Ryan, »ich habe die Absicht, mich auf den anderen Straßen zu bewegen und sie unbrauchbar zu machen.«

»Sie sprechen von der 19 und der 441?«, fragte der General. »Nachdem die Nachschubgruppen durchgezogen sind?«

»Yes, Sir«, nickte Ryan. »Aber das kann man nicht effektiv machen und sie auf dem Rückweg wieder benutzen.«

»Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf darüber, wie Sie zurückkommen«, sagte Keeton und tippte seinen Computer kurz an. »Die 23 sollte dafür ausreichen. Reißen Sie sie in Stücke. Das ist ein Befehl. Und während Sie dabei sind, sollten Sie sich nach einer Kompanie MetalStorms umsehen. Wir haben den Kontakt mit denen verloren, gleich nachdem wir sie hineingeschickt haben. Falls sie überlebt haben, sollten Ihnen die helfen können.«

»Äh …«, machte Mitchell.

»Ja?«, fragte Keeton. »Haben sie überlebt?«

»Könnte man sagen, Sir«, erwiderte der Colonel. »Ihre Türme sind oben an Bun-Bun angekettet.«

»Oben … angekettet?«, fragte der General. »Ich nehme an, da steckt eine Story dahinter. Haben Sie sie eingesetzt?«

»Nein, Sir. Nicht, weil mein Kanonier nicht gewollt hätte. Und, ja, Sir, da ist eine Story.«

»Ich muss das fragen: Wo sind die Chassis?«

»Betty Gap, Sir«, antwortete Ryan. »Wir haben exakte Ortsangaben dafür. Glauben Sie mir, die kommen dort nicht weg.«

»Lassen Sie mich raten«, sagte Keeton. »Sie haben sie gesprengt?«

»Nein, das nicht«, sagte der Pionier.

»Sagen Sie's mir später. Ich ahne, dass es nichts Gutes sein wird. Gentlemen, Sie haben Ihre Befehle. Führen Sie sie aus. Sobald wir das Gap zurückerobert haben und Bun-Bun repariert ist, erwarte ich, dass Sie im Tal vorrücken.«

»Yes, Sir«, sagte Mitchell.

»General Keeton, over.«

 

 

»Madame President«, sagte General Horner, »wir haben jetzt die Situation, von der ich gesprochen habe.«

Die Präsidentin blickte auf das Bild auf ihrem Monitor und schüttelte den Kopf; falls die Übertragung nicht stark gestört war, war das Gesicht des Offiziers grau. »General, sind Sie okay?«

»Ja, Ma'am, das schon«, erwiderte Horner. »Aber die Überreste der Truppen von Rabun Gap sind das nicht. Die Posleen haben Balsam Gap im Handstreich genommen und sie abgeschnitten. Unser einziges noch verbliebenes SheVa befindet sich neben anderen Verbänden und deren Gerät im Kessel. Die meisten von ihnen könnten es schaffen, auf Sekundärrouten den Kessel zu verlassen, vorausgesetzt, die Posleen nehmen diese Stellungen nicht ebenfalls ein, aber wir brauchen Balsam Gap, um wieder Truppen ins Tal bringen zu können.«

»Sie wollen dort ebenfalls Atomwaffen einsetzen«, sagte sie.

»Ja, Ma'am, das will ich«, erwiderte Horner. »Außerdem möchte ich die volle taktische Freigabe für den Rest dieses Feldzugs.«

»Damit Sie den Beschuss leiten können?«, fragte sie bitter.

»Nein, Ma'am«, antwortete er mit einem Lächeln wie ein Tiger. »Ich habe vor, das einem Colonel zu übergeben.«

 

 

»Jetzt würde ich mir wünschen, dass unsere MetalStorms angeschlossen wären«, sagte Captain Chan. »Das wird verdammt blutig werden.«

Das SheVa schwankte hin und her, als es sich das Scotts-Creek-Tal hinaufarbeitete, das mehr oder weniger parallel zum Highway 23 verlief. Das Tal war ein verschlungener Komplex aus kleinen Hügeln und Senken, das an einen Hinderniskurs für ein SheVa erinnerte; Reeves hatte in den letzten beiden Stunden zweimal kehrtmachen und eine neue Route ausarbeiten müssen. Aber das unebene Terrain, das das Vorwärtskommen des SheVa behinderte, sollte auch den eingeschlossenen menschlichen Verbänden helfen, ihre Stellungen zu verteidigen.

»Und eng wird es auch werden«, meinte Pruitt über das Interkomm. »Wenn auch hoffentlich nicht zu eng; meine Nukes sind gut gebaut, nämlich 100 kt. Im Vergleich dazu waren die Explosionen in den Bergen bloß kleine Streicheleinheiten.«

»Ach was, das waren Streicheleinheiten«, schnaubte Chan. »Wir haben die ja erst nachher bemerkt.«

»Na ja, zu der Zeit haben Sie geschossen, Ma'am«, mischte Kitteket sich ein. »Sie können's mir glauben, wenn man nicht gerade in einem Wolf sitzt, dann wirken sie nicht wie Streicheleinheiten. Okay, ich habe jetzt sämtliche Einheiten und ihre Funkcodes zusammengeschaltet. Das Mechanikerteam ist zu seinem Treffpunkt unterwegs. Und ich habe auch neue Nachrichten über das Reparaturbataillon; die haben nicht nur Reparaturgerät, sondern auch Panzerung zum Aufsetzen.«

»Cool«, meinte Pruitt. »Das klingt ja so, als hätten die vor, uns in den Nahkampf zu schicken.«

»Das könnten wir jetzt brauchen«, sagte Mitchell unbehaglich.

»Die Posleen-Position habe ich auch auf den neuesten Stand gebracht«, fügte Kitteket hinzu. Plötzlich blühte die Karte auf, die sie alle betrachtet hatten, zeigte neue Daten. Die Gegend rings um Dillsboro war von roten Posleen-Markern übersät.

»Wir brauchen Nachschub, sonst sind wir am Ende ein schmelzender Haufen Schlacke«, sagte Reeves.

»Es reicht schon ein Plasmatreffer an den Ketten, und wir sind im Eimer«, gab Indy zu bedenken.

»Na schön, dann müssen wir eben in Deckung bleiben«, erklärte Pruitt. »Das ist ja hier gar nicht so schwierig.«

»Wo kommen die Daten denn her, Kitteket?«, wollte Colonel Mitchell wissen.

»Auf den Hügeln sind immer noch Scouts«, erklärte sie und markierte einige Positionen der Scouts. »Diese Positionen sind Vermutungen; logischerweise sagen uns die nicht genau, wo sie sind. Aber sie haben Positionsmeldungen abgegeben. Mit der Hauptgruppe sind nicht alle Leute vom Nachrichtendienst mitgezogen; ein kleines Team ist bei den Angreifern und analysiert. Und von denen habe ich meine Daten.«

»Ich wünschte, wir könnten bei dem Angriff mitmachen«, sagte Pruitt.

»Wir passen da nicht rein«, widersprach Reeves. »Und wir haben keine Waffen für den direkten Angriff; das wäre genauso, als würde man Artillerie mitnehmen.«

»Ich glaube, ich weiß jetzt, wie man die MetalStorms ankoppelt«, sagte Indy.

»Tatsächlich?«, fragte Chan über das Interkomm. »Direkt oder ferngesteuert?«

»Sie müssten drin bleiben«, sagte Indy. »Aber ich habe mir die CD mit ihrem Handbuch angesehen. Wir haben die gesamte Turmanlage einschließlich der Steuermotoren mitgenommen. Wir brauchen bloß eine Aufnahme – und das könnte ein beliebiges, kreisförmiges Stück Stahl sein – und Energie. Ich denke, wenn die Reparaturtruppe Schneidbrenner hat, und das sollte der Fall sein, könnten wir sie in den Turm reinsetzen. Dazu wäre einige Verstärkung nötig, aber wir werden sehen, was die Leute vom Reparaturbataillon dazu zu sagen haben.«

»Na ja, die sollten zumindest unsere Teile bergen können«, seufzte Chan. »Ich weiß nicht, was wir nachher machen werden.«

»Wie ich schon sagte, Ma'am, wir werden sehen«, erwiderte der Warrant.

»Sir, ich glaube, näher komme ich nicht ran«, meinte Reeves. »Zumindest nicht, wenn der Winkel noch zum Schießen ausreichen soll.« Er manövrierte das Geschütz vorsichtig nach rückwärts und zwängte es in einen Graben. Die Senke am Rand von Wulits Hill – bis das SheVa durchgekommen war, hatte es hier eine kleine Gemeinde dieses Namens gegeben – öffnete sich mehr oder weniger in Richtung auf den Pass.

»Pruitt?«, fragte Colonel Mitchell.

»Ich denke, von hier aus passt der Winkel, Sir«, sagte der Kanonier. »Auf Bodenniveau detoniert es nicht.«

»Das habe ich zu fragen vergessen«, fuhr der Colonel fort. »Kennen Sie die Protokolle dafür, wie man eines dieser Dinger abfeuert?«

»Yes, Sir«, antwortete Pruitt. »Ich habe darüber gelesen, als ich die Position übernahm, und habe mir diesen Abschnitt gerade noch einmal angesehen. Das läuft alles ziemlich automatisch. Aber ich brauche Ihre Codes für die Freigabe.«

»Oh, oh«, machte Kitteket und sah zu dem Empfänger hinüber. »Da kommen Codes rein.«

»Das geht ziemlich langsam«, erwiderte sie. »Aber die erste Gruppe ist jetzt da. Der Freigabetyp. Drei, eins, fünf.«

»Drei, eins, fünf«, wiederholte Mitchell und tippte den Befehl in seine Station ein. »Das besagt, dass es sich um einen ROE-Wechsel handelt …«

»ROE?«, fragte Pruitt. »Rules of Engagement – Regeln für Kampfhandlungen? Aber das ist …«

»Oman Gottl«

»Haben wir da soeben eine komplette Einsatzänderung auf Nuklear Aktiv bekommen?«, fragte Pruitt vorsichtig. Der Colonel war aschfahl geworden.

»Yeah«, krächzte Mitchell und räusperte sich dann. »Wir sind für nukleare Freigabe klar, unbeschränktes Feuerniveau, unbeschränkte Ziele, ausschließlich nach meinem Ermessen.«

»Oh mein Gott«, flüsterte Kitteket, ohne zu merken, dass sie sich wiederholte.

»Na ja, Sir«, sagte Pruitt leise. »Das Erste wäre dann, Balsam Gap freizuschießen, finden Sie nicht auch?«

»Okay«, sagte der Colonel und atmete tief durch. Er nahm einen Schlüssel von der Halskette, an der er seine Erkennungsmarke trug, öffnete damit den Safe über seinem Kopf, nahm ein Handbuch heraus und blätterte auf die letzte Seite. »Ich brauche verbale Bestätigung. Ich habe die Freigabecodes. Stimmen alle zu? Schmoo?«

»Ja.«

»Pruitt?«

»Ja.«

»Indy?«

»Ja.«

»Was ist mit mir?«, wollte Kitteket wissen.

»Sie gehören nicht offiziell zur Mannschaft«, erklärte der Colonel. »Aber ich brauche den zweiten Satz Codes, den Sie erhalten haben.«

Er zog ein in Plastik eingeschweißtes Päckchen aus der Klappe hinten im Buch und riss die Perforation auf. Das Päckchen enthielt eine rote Plastikkarte, etwa so groß wie eine Kreditkarte. Er schlug den zugehörigen Abschnitt des Handbuchs auf, nahm die Codes von Kitteket entgegen und stellte unter Benützung der Ziffern und Buchstaben auf der Karte die korrekten Codes fest, die er eingeben musste.

Das Programm wurde als »Positive Aktionssperren« bezeichnet. Um einen atomaren Vernichtungsschlag führen zu können, wurden Codes des Präsidenten benötigt. Anschließend wurden die präsidentiellen Codes dann allerdings durch einen »Filter« im eigentlichen System geschleust. Eine langwierige und komplizierte Prozedur, aber wenn es um den Einsatz von Kernwaffen ging, war das nur vernünftig.

Er tippte die endgültige Sequenz in einen Kasten, der über seinem Kopf befestigt war, ein und wartete, bis ihm das System den »Go«-Code lieferte. Normalerweise war das eine grüne Ziffer. In diesem Fall allerdings war es ein kleines Symbol, das Zeichen für Unendlich – bei dem sich ihm der Magen umdrehte. Er versuchte es zu ignorieren und tippte »Eins« als Zahl der freizugebenden Geschosse ein. »Das ist mein Code. Warrant Indy?«

Indy durchlief dieselbe Prozedur, zog ihrerseits ihr Handbuch heraus und tippte die übersetzten Codes ein.

Pruitts Gesichtsausdruck wirkte zum ersten Mal, seit irgend jemand in der Crew ihn kannte, nachdenklich. »Ich habe Grün für einen Schuss Vernichtungsflächenfeuer.«

»In Ordnung«, sagte Colonel Mitchell. »Ich möchte einen optimalen Höhenkrepierer exakt über dem Balsam-Pass.«

»Wir sind bereit, Nuklearwarnung zu senden«, sagte Kitteket.

Pruitt drehte sich um und klappte eine neue Schalttafel heraus, wobei er denselben Schlüssel dazu benutzte, um eine rote, halb durchsichtige Abdeckung zunächst aufzuschließen und dann hochzuklappen. Er strich kurz mit den Fingern darüber und projizierte dann eine Karte der Umgebung, tippte Balsam Gap als Ziel an. Er vergewisserte sich, dass die UTM-Koordinaten stimmten, tippte dann Höhenkrepierer ein und überließ es dem System, die optimale Höhe zu berechnen. Schließlich blitzte die Bestätigung aus dem System.

»Wir sind bereit, Sir«, sagte Pruitt. »Koordinaten eingestellt. Erlaubnis zu laden?«

Mitchell überprüfte die ihm vorliegenden Informationen und nickte dann. »Laden.«

Ein paar dumpfe Laute waren zu hören, als das SheVa das Anti-Lander-Geschoss auswarf, das im Rohr war, und an seiner Stelle das Explosivgeschoss lud.

»BEREIT.«

»Kitteket, Atomwarnung senden.«