EPILOG
Webeintrag vom 14.12.2003
Ich wär’ so gerne wie Saddam
Heute ist ihnen also Saddam Hussein ins Netz
gegangen. Ehrlich gesagt kann ich gut verstehen, dass er sich
verkrochen hatte. Wäre ich ein Diktator, würde ich all meine
Paläste und die Porträts mit meinem Konterfei auf sämtlichen
Häuserwänden auch nicht einfach kampflos aufgeben, bloß weil
irgendein ausländisches Land das von mir verlangt. Mal im Ernst,
ich denke, ein Leben wie das von Saddam muss doch auch sein Gutes
haben.
Als Saddam an die Macht kam, hatte er netterweise
von Staats wegen alle Macht in den Händen. Also, ich bin mir
sicher, wäre ich ein Diktator, wäre ich auch ein Verfechter
unbegrenzter Machtbefugnisse, vor allem angesichts der Tatsache,
dass mein eigenes Streben nach der Weltherrschaft bereits in
ziemlich jungen Jahren einsetzte. Ich war gerade drei, als ich an
Weihnachten versuchte, das Spielzeug zu klauen, das mein Bruder
geschenkt bekommen hatte, woraufhin er zu meiner Mutter sagte:
»Erst macht sie in die Windel, und jetzt macht sie nichts als
Ärger.« Ein anderer vielsagender Zwischenfall ereignete sich in der
dritten Klasse, als ich stolz verkündete: »Stacy Coopersmith macht
alles, was ich ihr sage.« (Ein Glück für Stacy, dass ihre Familie
im vierten Schuljahr nach Arizona zog. Auch wenn ich nicht glaube,
dass ich irgendwas mit diesem Umzug zu tun hatte, konnte ich mir da
doch nie ganz sicher sein.)
Meine Politik der widerrechtlichen Aneignung und
Grenzübertretung folgte mir bis aufs College. Obwohl meine
Zimmergenossin im ersten Jahr, Joanna, einen tapferen, wenn auch
aussichtslosen Kampf führte, ihre Zimmerhälfte gegen mich zu
verteidigen, ging ich doch am Ende als Sieger aus dem Gefecht um
mehr Stauraum für meine Pullover hervor. Als wir schließlich
auszogen, gehörten schätzungsweise fünfundsiebzig Prozent der zur
Verfügung stehenden Grundfläche des Zimmers mir.
Sollte ich also Diktator von Amerika werden, das
dann umgehend in Jennsylvanien umbenannt würde, mein erster
Eroberungsfeldzug würde mich wohl nach Kanada führen. Klingt, als
sei es da ganz nett, also würde ich es gerne unter meine Fittiche
nehmen. Meine Armee würde ganz in Rosa,Grün und Khaki gekleidet in
Klamotten von Ralph Lauren und Lacoste einfallen. (Und wer bitte
behauptet, man könnte in klassischen Lederslippern nicht
marschieren? Die sind unglaublich bequem.) Ich würde den Kanadiern
- die bald Jenadier hießen - nichts tun, da ich Saddams gewaltsamen
Regierungsstil rundweg ablehne. Nein, ich würde sie so lange
bearbeiten, bis sie sich einfach ergeben - so ähnlich wie bei
Joanna, durch unablässiges Gequassel und Generve nämlich.208
Obwohl ich Amerika wirklich sehr mag, müsste sich
doch so einiges ändern, damit Jennsylvanien daraus wird. Das Weiße
Haus würde ich rosarot streichen lassen, Kate Spade müsste die
Flagge mit Blümchen- und Karomustern aufpeppen, und Ente à l’orange
würde das neue Wappentier.
Als Diktatorin, deren offizielle Anrede Euer
Gnaden, die Gouverneurin lauten würde, würde ich auf der Stelle die
Kontrolle über die Medien übernehmen. Profisport wäre zwar
weiterhin erlaubt, dürfte aber nur noch zu den Zeiten übertragen
werden, wenn ich gerade zu schlafen geruhe, und in meiner Gegenwart
dürfte nicht darüber gesprochen werden. (Eiskunstlaufen wäre die
einzige Ausnahme
von dieser Regel und würde zum Volkssport Nummer eins erklärt.)
Zur Hauptsendezeit liefen die derzeit ins Nachtprogramm verbannten
Folgen von Trading Spaces, meiner Lieblingsrenovierungsshow,
und die Fox-Serie 24 würde zu 24/365. Klonen wäre
erlaubt, damit ein zweiter Kiefer Sutherland weiterdrehen kann,
während der echte mich zu Staatsbesuchen und Empfängen begleitet.
Die einzige Ausnahme von meiner Politik der Gewaltlosigkeit wäre,
dass jeder, der in irgendeiner Weise mit diesen gruselig schlechten
Gap-Werbespots zu tun hat, auf der Stelle ohne Prozess
standrechtlich hingerichtet wird.
Ich wäre eine äußerst wohlwollende und allseits
beliebte Führerin, denn die Jenadier und Jennsylvanier kämen in den
Genuss jeder Menge Vergünstigungen. Zunächst einmal würde meine
Regierung Pediküre und Strähnchenfärben subventionieren, und zwar
finanziert durch einen fünfzigprozentigen Aufpreis auf sämtliche
Fitnessstudiomitgliedschaften. An jeder Ecke gäbe es eine
Buchhandlung, in der meine Untertanen kostenlos Kaffee,
Taschenbücher und Pistazieneiscreme bekämen. Man würde Loblieder
singen auf die Fettleibigkeit, statt über Dicke zu spotten, weil
unmäßiger Konsum die Wirtschaft ankurbelt. Modemagazine würden
Artikel bringen mit Überschriften wie: »Der ausladende Po ist das
neue Schwarz!« und »Mehr ist mehr!«. Außerdem würde ich eine
Waschbrettbauchabgabe einführen. Und sollte ich das noch nicht
erwähnt haben, jeder Bürger hätte ein Anrecht auf drei kostenlose
Ballonkatheteroperationen.
Jennsylvanien wäre ein Paradies, voller Tulpen
und Dessertbüfetts und traumhaft schöner Handtaschen, und das alles
vor einem Hintergrund endloser, allgegenwärtiger New-Wave-Musik.
Kurz gesagt, es wäre ein Utopia.
Wobei mir gerade einfällt, wenn im Irak eine neue
Regierung eingesetzt wird, braucht die einen Führer.
Weshalb ich in aller Bescheidenheit jemanden
nominieren möchte, und zwar …
… mich selbst.
An: Vermieter Bill
Von: jen@jenlancaster.com
Datum: 16. April 2004
Betreff: Wie schön für Sie!
Von: jen@jenlancaster.com
Datum: 16. April 2004
Betreff: Wie schön für Sie!
Bill,
Glückwunsch zu Ihrem neuen Job! Sicher machen
Sie den ganz klasse, aber einen Rat hätte ich da noch, ehe sie mit
dem größten Bauprojekt des Landes anfangen: VERGEWISSERN SIE SICH,
DASS DIE HANDWERKER DIE KLIMAANLAGE AN DIE STROMVERSORGUNG
ANSCHLIESSEN.
Beste Grüße
Jen
An: Kathleen@Corp-Com.biz
Von: jen@jenlancaster.com
Datum: 26. Januar 2005
Betreff: Freie Stelle
Von: jen@jenlancaster.com
Datum: 26. Januar 2005
Betreff: Freie Stelle
Kathleen,
auf Monster.com
habe ich gesehen, dass Ihr jemanden für die strategische
Kundenbetreuung sucht, um Eure neuen Leitlinien für den vertikalen
Markt festzulegen. Mit meinem Abschluss in Politikwissenschaft und
meiner erfolgreichen Laufbahn bei Corp. Com. wäre ich die ideale
Kandidatin.
Wie schade, dass ich mich nicht bewerben kann,
weil ich leider die Geschichte meiner Entlassung fertigschreiben
muss, für die Penguin mich gerade unter Vertrag genommen hat.
Bitter is the New Black erscheint im März
2006.
Beste Grüße
Jen209