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Männer spitzeln entweder wegen Geld oder aus Rache. Manchmal war es schwierig, die beiden Motive zu trennen. Wenn ein Mann aber wegen ein paar lausigen Pfund spitzelte und er wußte, daß die Strafe, die ihn erwartete, wenn man ihn dabei erwischte, fürchterlich sein mußte, daß man ihn so in Streifen schneiden würde, daß seine eigene Mutter ihn nicht mehr von einem Beefsteak unterscheiden könnte, wenn er dann auch noch ein erfolgloser Ganove war, der, wie alle erfolglosen Leute, die erfolgreichen beneidete und haßte, was war dann sein wirkliches Motiv?

Pillen war erst fünfzig Jahre alt, aber er sah wie weit über sechzig aus. Er hatte ein dünnes, verhärmtes Gesicht mit großen Hasenaugen, die ständiges Übelgelauntsein ausdrückten. In vielen Dingen war er einfältig, was auch die Erklärung dafür war, daß man ihn nicht gehängt hatte, als man ihn des Mordes an einem neunjährigen Mädchen angeklagt hatte. Er verbrachte zehn Jahre im Gefängnis und wurde dann in die Welt hinausgeworfen, unvorbereitet, unerwünscht, ein Stück menschlichen Treibguts. Er hatte versucht, für die Gangster zu arbeiten, aber die wollten nichts mit ihm zu tun haben, er hatte versucht, für die kleinen Ganoven zu arbeiten, aber die hatten ihn zurückgewiesen. Weil er einfältig war, sprachen die Menschen in seiner Gegenwart frei von der Leber weg, weil sie vergaßen, daß er zwar nicht immer das verstand, was er hörte, daß er es aber wiederholen konnte. Er war einer der erfolgreichsten Polizeispitzel in Fortrow.

Gegen zehn Uhr fünfzehn am Freitagabend, während ein feiner Nieselregen fiel, betrat Pillen die Telefonzelle auf der Gorley Road. Er blickte sich um, um sicherzugehen, daß die Straße menschenleer war, führte einen Dietrich in das Schloß des Geldkastens ein, aber das Schloß bewegte sich nicht. Er zog den Dietrich heraus, von seinem Versagen nicht im geringsten überrascht. Er durchwühlte seine Taschen und fand schließlich einen Sixpence.

Die Telefonnummer war die einzige, die er auswendig kannte. Er wählte sie und hörte das Rufzeichen. Der Ruf wurde abgenommen, und er fragte nach Mr. Braddon.

»Ich hole ihn«, sagte eine Frau.

Während er wartete, fragte er sich, wie sie wohl aussah. Er mochte Frauen. Unglücklicherweise mochten sie ihn nicht.

Braddon meldete sich, und Pillen sagte, daß er Neuigkeiten hätte. Braddon schlug einen Treffpunkt vor, aber Pillen sagte, daß er den nächsten 147er Bus nähme, der an Braddons Haus vorbeifuhr, und daß er auf dem Oberdeck sein würde. Er mochte in vielen Dingen einfältig sein, aber er war es gewiß nicht, wenn es um seine eigene Sicherheit ging.

Er fuhr mit dem Bus und mußte einen Sixpence fürs Fahrgeld bezahlen. Während er zum Oberdeck hinaufging, biß er sich auf seine dicke Unterlippe. Er hatte bereits einen Shilling ausgegeben, und dabei konnte man für einen Shilling eine Nacht unten in der Pension am Hafen schlafen, wenn man dem Verwalter gegenüber den richtigen Tonfall fand.

Braddon stieg hundert Meter von seinem Haus entfernt in den Bus ein. Er ging zum Oberdeck und setzte sich auf den Sitz direkt hinter Pillen.

»Ich hab’ gehört, Sie sind hinter Rauschgift her, Mister«, sagte Pillen.

»Das stimmt.«

Ein älterer Mann kam den Mittelgang herunter und blieb vor der Treppe stehen, um dem Busfahrer zu läuten, weil er aussteigen wollte. Jetzt, da er und Braddon die einzigen Leute auf dem Oberdeck waren, drehte er sich um und sah zum erstenmal in das breite, etwas traurig aussehende Gesicht des Sergeants. »Fraser macht in Rauschgift, Mister, er hat eine Bande.«

Braddon verriet nicht, daß diese Tatsache kaum neu war. Sein ruhiger, ausgewogener Charakter war genau richtig im Umgang mit Männern wie Pillen. »Irgendeine Ahnung, wer zur Bande gehört?«

»Kann ich nicht sagen, Mister. Aber vielleicht erfahre ich das.«

»Tun Sie das.« Braddon nahm eine Zwanziger-Packung Zigaretten aus der Tasche, nahm sich eine heraus und gab Pillen die Schachtel. Pillen zündete sich eine Zigarette an und steckte die Schachtel in die Tasche seines zerlumpten Mantels.

»Kennen Sie sonst noch jemanden im Rauschgiftgeschäft?« fragte Braddon.

Pillen sog hastig den Rauch in seine Lunge. »Da gab es noch Fats. Aber der ist verduftet, nachdem er vertrimmt worden ist.«

Braddon erinnerte sich daran, daß vor etwa neun Monaten ein Mann in der Gosse gefunden wurde, fast tot, das Gesicht und den Hals mit einem Metzgermesser bearbeitet. Kein noch so eindringliches Befragen hatte den Mann veranlassen können, nachdem er wieder einigermaßen hergestellt war, zu sagen, wer ihn so heftig attackiert hatte. »Wer war im April und Mai noch in der Gegend?«

Pillen nahm seine Finger zu Hilfe, um festzustellen, wann April und Mai gewesen waren. Er machte drei Anläufe und war dann zufrieden, als er es endlich geschafft hatte. »Im April?«

»Ja«, sagte Braddon mit unendlicher Geduld.

»Wer was mit Rauschgift zu tun hat?«

»Ja.«

»Ich hab’ was von Dutchie läuten hören.«

»Wer ist Dutchie?«

»Weiß ich nicht.«

»Wer hat denn von ihm geredet?«

»Ein paar Leute haben gesagt, daß er was mit Rauschgift zu tun hat, daß er mit irgendeinem großen Fisch zusammenarbeitet.«

»Haben Sie eine Ahnung, wo er sich jetzt herumtreibt?«

»Nein, Mister.«

Braddon gab Pillen drei Pfund-Noten. Pillen zählte sie sorgfältig, knüllte sie zusammen, zählte sie noch einmal und versteckte sie dann hastig in einer Innentasche.

»Lassen Sie von sich hören, wenn Sie noch etwas erfahren haben«, sagte Braddon. »Wir haben einen halben Hunderter, den wir für gute Informationen auswerfen können.« Er stand auf, läutete dem Fahrer und stieg aus.

Pillen biß sich wieder auf die Unterlippe. Fünfzig Pfund waren ein Vermögen. Es war ein so großes Vermögen, daß der Gedanke daran zuviel für ihn war, und er sich wieder auf die drei Pfund in seiner Tasche konzentrierte. Wie viele Schnäpse konnte er dafür kaufen, wo er doch nur ein paar Shilling in der alten Pension zu bezahlen brauchte? Rechnen war noch nie seine starke Seite gewesen, deshalb gab er schnell auf, sich diese Frage zu beantworten.

 

Die Hausordnung des Polizeiheims, die vom Komitee des Rathauses aufgestellt worden war, ließ keinen Zweifel aufkommen: Damenbesuch ausschließlich in den öffentlichen Räumen, und nur bis halb zehn abends. Ledige Polizisten, die es genau nahmen, fragten sich manchmal, wie es mit den Frauen zu handhaben war, die keine Damen waren. Die Frage war unnötig. Es gab einen Hintereingang zu dem großen Gebäude, der zur Feuerleiter gehörte und deshalb zu jeder Etage führte. Die Tür konnte nur von außen geöffnet werden, aber nur Männer, denen es an Willenskraft fehlte, ließen sich von diesem Umstand beeinträchtigen.

Kerr und Jane lagen in Kerrs Zimmer auf dem Bett. Er küßte sie, bedächtig und zärtlich, nicht mehr so hungrig und leidenschaftlich, wie er sie erst noch vor ein paar Minuten geküßt hatte. »Du bist sehr schön«, sagte er.

Sie streichelte über seinen Nacken.

»Soll ich dir mal was sagen?« fragte er.

»Was denn?«

»Damit könnte ich mein Leben verbringen …«

Sie lächelte.

»Wenn nur nicht Fraser …«

»Wir können nicht alles ändern«, unterbrach sie ihn.

»Aber …«

»Wir können nicht alles ändern.«

Er starrte zur Decke.

»John.«

»Was ist?«

»Versprichst du mir, daß du mich nie hassen wirst?«

Er stützte sich auf einen Ellbogen. »Aber wie könnte ich das? Warum fragst du mich danach?«

»Weil ich Angst habe.«

»Wovor?«

»Ich weiß es nicht.«

»Das ist unlogisch. Genau wie eine Frau.«

»Ich bin eine Frau. Wußtest du das nicht?«

Er grinste. Er legte sich wieder hin und küßte sie, diesmal wieder zwingender. »Und für den Fall, daß du es auch noch nicht gewußt hast, ich bin ein Mann.«

 

Am Samstagmorgen traf Braddon Fusil im Hof, als der D.I. aus dem Auto stieg. Er berichtete kurz von seinem Treffen von gestern abend.

»Dutchie?« sagte Fusil. »Wer soll das sein?«

»Ich habe ein bißchen nachgedacht über den Namen, ich glaube, es kann Spiggott sein. Er hat mal fünf Jahre in einem holländischen Gefängnis gesessen. Es würde zum Humor seiner Kreise passen, ihn danach den Holländer zu nennen, Dutchie.«

»Könnte sein. Okay, finden Sie heraus, was über diesen Spiggott bekannt ist.«

»Ich habe aus dem Archiv schon seine Papiere angefordert, Sir.«

Fusil ging in sein Büro und sah die Morgenpost durch. Danach ging er hinunter, um seinem Superintendenten Bericht zu erstatten. Passmore fragte ihn, welchen Fortschritt er im Fall Preston gemacht hätte.

»Wir sind noch dabei, die Gäste aufzutreiben, die an diesem Abend im Lokal waren. Es erweist sich als höllische Arbeit.«

»Irgendwelche neuen Beweise?«

»Nein, Sir.«

»Haben Sie keine Zweifel, daß es Mord war?«

Fusil zögerte. »Nein, Sir.«

Passmore sprach bedächtig. »Sie wissen genauso gut wie ich, daß die Dinge bei der Polizei nicht immer hundertprozentig in Ordnung sind, genauso, wie überall sonst. Manchmal kann man sich in die Nesseln setzen, weil man den Mut hat, den schwierigeren von zwei Wegen zu gehen, in der Meinung, es sei die Pflicht.«

»Aber wenn man es als seine Pflicht ansieht, dann muß man diesen Weg gehen«, sagte Fusil.

Passmore seufzte. »Theoretisch haben Sie recht, aber diese Welt hat sich dem Praktischen zugewandt. Ich möchte nicht, daß Sie den Kopf in den Sand stecken, Bob. Sie sind ein guter Kriminalinspektor.«

Passmore lobte so selten, daß sein leise gesprochener Satz Fusil viel stärker beeindruckte als alles, was Kywood je hätte sagen können.

»Aber wenn doch drei Morde geschehen sind …«

»Es geht wohl darum, daß Sie nicht sicher sind, ob drei Morde geschehen sind.« Passmore gebot ihm mit der Hand, ruhig zu sein. »Sie können nicht einmal beweisen, daß es einen Mord gegeben hat, und ein Polizist braucht legale Beweise. Vielleicht ist Fraser ein Bösewicht, ein Gangster, reif für den Galgen. Aber ist er es wert, daß man seine ganze Karriere einer persönlichen Vendetta wegen aufs Spiel setzt?«

»Es ist keine Vendetta.«

»Ich kenne Sie, Bob. Wenn ein Ganove wie Fraser etwas auf dem Kerbholz zu haben scheint und entwischen kann, dann hassen Sie ihn so sehr, daß es zu einer Vendetta wird. Ich frage Sie noch einmal: Ist es wert, Ihre Karriere wegen eines Mannes wie Fraser aufs Spiel zu setzen? Es wird andere Chancen geben, ihn festzunageln, denn wenn er jetzt nicht festgenommen wird, steigt sein Selbstbewußtsein, bis es ihn zu Fall bringt.«

»Er kann also dreimal morden und uns dann auslachen, was?«

Passmore seufzte. »Sie haben die Verantwortung. Ich wollte nur als Freund mit Ihnen sprechen.«

»Wird’s denn ernst für mich?«

»Ja.«

»Vielen Dank für die Warnung, Sir.«

»Aber ich nehme an, daß einem blinden Pferd ein Nicken ebenso wenig hilft wie ein Wink, nicht wahr?«

Fusil verließ das Büro des Superintendenten und traf unterwegs auf Braddon. Der Sergeant teilte ihm mit, daß aus dem Bericht über Spiggott hervorginge, daß er viermal im Gefängnis gesessen hätte, zweimal wegen Veruntreuung, einmal wegen Diebstahls und einmal wegen des Besitzes von Heroin. Er war süchtig. Gegenwärtiger Aufenthalt unbekannt, wahrscheinlich Südengland.

Fusil murmelte seinen Dank und ging dann weiter in sein Büro. Es war immer noch Zeit, den Fall zu den Akten zu legen. Die beiden Ertrunkenen waren unglücklicherweise ins Wasser gefallen, und die blonde Gertie war so betrunken gewesen, daß sie aus dem Fenster gefallen war. Er konnte aber auch Passmores Warnung ignorieren, sich selbst treu bleiben und darum kämpfen, daß Fraser nicht fortfuhr, über die Unfähigkeit der Polizei zu lachen. Er wußte, daß er kämpfen mußte.

Er rief nach Kerr, der nicht da war, aber sich nach einer halben Stunde bei ihm meldete.

»Kerr, Sie können Ihr Mädchen beruhigen«, sagte er. »Es sieht so aus, als wenn Fraser doch nichts damit zu tun hätte, sondern Dutchie Spiggott. Botnam hat Dutchie kurz vor seinem Tod getroffen.«

»Woher ist das bekannt, Sir?«

»Überlassen Sie meine Arbeit mir, ja?«

»Ja, Sir«, sagte Kerr steinern.

 

Fraser goß sich noch einen Whisky ein. Er fragte sich, warum er Jane nicht mal ordentlich verprügelte. Diese verdammte Hure widersetzte sich ihm, ganz im stillen, und zeigte dabei noch Klasse, was ihn wütend machte. Und paradoxerweise war es ihr Widersetzen, waren es ihre Manieren, ihre Klasse, die sie so attraktiv machten.

Er trank. Die blonde Gertie, die zäheste Nutte, die Fortrow je gesehen hatte, war von ihm gezähmt worden. Warum also sollte er das bei Jane nicht schaffen? Wie kam es, daß er die blonde Gertie geschlagen und getreten hatte, obwohl er wußte, daß sie eine wahre Meisterin mit dem Messer war, und wie kam es, daß er nicht einmal wagte, Jane zu schlagen? Verdammt nochmal, wurde er weich?

Sie war wieder mit dem Bullen weg. Warum? Hatte sie was für ihn übrig oder tat sie nur das, was er von ihr verlangt hatte? Es war doch wohl kaum anzunehmen, daß sie einen Bullen ihm vorzog. Wenn er das wüßte, würde er sie zermalmen.

Er zündete sich eine Zigarette an. Es war schon nach Mitternacht, was machte sie noch draußen? Als Antwort auf diese Frage hörte er, wie die Wohnungstür geöffnet wurde. Als sie ins Zimmer trat, fiel ihm sofort ihr Ausdruck auf. Ihm kam er wie eine Mischung aus Ekstase und Furcht vor. Er ballte seine gewaltigen Fäuste.

»Wo warst du?«

»Ich war mit John aus«, antwortete sie ruhig.

»Ach, John nennst du ihn schon, was?«

»Du hast doch wohl nicht angenommen, daß wir uns noch mit den Nachnamen anreden?«

Sie hatte immer eine Antwort zur Hand, eine Antwort, die ihn zu einem Hanswurst stempelte. Machte sie sich im geheimen lustig über ihn? Wenn er das jemals herausfand, würde er sie kurz und klein schlagen. »Was hast du den ganzen Abend getan?« schrie er.

Sie antwortete nicht, sondern zog ihren Regenmantel aus und ging in den Flur, um ihn aufzuhängen. Als sie zurückkam, setzte sie sich in einen Sessel und zupfte ihr Kleid gerade. Er sah zu, wie sie die Hände neben ihre Beine gleiten ließ. Ihre Beine waren die sanftesten, die er je im Griff gehabt hatte. Sie bekam leicht blaue Flecken. Einmal hatte er sie so hart gedrückt, daß sie blaue Flecken bekam. Sie hatte nicht geschrien oder geflucht, sie hatte ihn nur ruhig gebeten, das nicht zu tun, weil er ihr weh täte. Seither hatte er sie nie wieder gedrückt. Ihr Bauch war flach und weich, er ließ die Hände eines Mannes brennen. Ihre Brüste paßten genau in eine Hand, und die Nippel sahen kirschrot aus, wenn sie steif und stolz hochstanden. Ihr Mund konnte zum Vulkan werden. In Ekstase war sie wild und schamlos.

»Komm«, sagte er heiser.

»Nein.«

»Das machst du mit mir nicht wieder.«

»Es tut mir leid, aber ich bin zu müde.«

»Warum? Hast du wieder mit ihm gepennt?«

»Nein.«

»Dann bist du auch nicht zu müde.«

Nachdem es vorbei war, legte er sich auf den Rücken und starrte zur Decke. Es war ein schaler Sieg gewesen. Er hatte sie gezwungen, das zu tun, was er wollte, aber sie war kalt und zurückhaltend gewesen, als ob sie und ihr Körper zwei verschiedene Wesen wären. »Du warst wie ein Felsklumpen«, schrie er sie an.

Sie setzte sich wieder in den Sessel. »Ich habe dir doch gesagt, daß ich zu müde war.«

Selbst jetzt, so kurz danach, starrte er verlangend auf ihren nackten Körper. »Wie machst du es denn mit deinem John?«

»Gar nicht.«

Wenn er doch nur Sicherheit hätte! Er würde sie erwürgen, wenn er die hätte. »Na gut, ihr habt also nichts anderes getan als geredet. Und was hast du erfahren?«

»Sie können nicht beweisen, daß Gertruds Tod nichts anderes als ein Unfall war.«

»Ich habe dir doch gesagt, daß es ein Unfall war.«

Sie starrte ihn mit ihren blauen Augen an. Er blickte zur Seite. »Wieso glaubst du, daß ich es ihr besorgt habe?« brauste er auf. Sie antwortete nicht. »Hast du sonst noch etwas erfahren?«

»Nur, daß sie langsam glauben, daß du mit der ganzen Sache nichts zu tun hast.« Sie lehnte sich zurück und schloß die Augen.

»Warum nicht?«

»Es muß ein anderer gewesen sein.«

»Wer?«

»Ein Mann namens Dutchie Spiggott.«

»Warum glauben sie, daß er es wahr?«

»Ich weiß es nicht mehr.«

Er sprang vom Bett auf und stellte sich vor sie. »Warum?«

»Ich habe Kopfschmerzen …«

»Warum?« schrie er.

Sie versuchte, sich daran zu erinnern, was Kerr ihr gesagt hatte. »Es hatte was damit zu tun, daß Botnam mit ihm zusammen gesehen wurde, kurz bevor er ertrank.«

Frasers Gesichtsausdruck wurde gemein. Schon seit vergangenem März hatte er versucht herauszufinden, wer in seinem Gebiet absahnte.

 

Es war am späten Dienstagnachmittag, als Fusil die Küstenstraße entlang fuhr. Er fuhr fast unaufmerksam, ging Risiken ein, die er normalerweise nie eingegangen wäre: Seine Gedanken waren woanders.

Er fuhr zum alten Hafen hinunter und blickte hinüber zum neuen Hafen. Es war Ebbe, und die Docktore waren geschlossen. Kleine Fischerboote, Yachten, Motorboote und Dinghis bevölkerten das Hafenbecken.

Hinter der Düne stand eine Anzahl Männer, einschließlich einiger uniformierter Polizisten. Fusil parkte sein Auto neben einem Streifenwagen und ging dann hinüber zu den Männern. Der Detective Inspector kam zu ihm und begrüßte ihn. »Hallo, Bob.«

Fusil murmelte eine Begrüßung.

»Er ist da unten. Er wurde von einem Mann gefunden, der zum Fischen hinausfahren wollte.«

Fusil ging ein paar Meter weiter, wo die Leiche lag, die von einem Polizeiarzt untersucht wurde. Der Mann war zu Tode geprügelt worden, einige Schläge hatten Schädel und Gesicht zertrümmert. Ein Auge fehlte, die Nase war weg, und der Mund war ein blutiges Loch.

»Es ist eindeutig Spiggott«, sagte der D.I. vom Bezirk. »Wir haben seine Fingerabdrücke verglichen.«

Fusil gab keinen Kommentar. Zu seinen Füßen lag ein Mann, der durch ihn ermordet worden war. Er hatte Fraser die Information zuspielen lassen, und dies hier war das Ergebnis. Er hatte sich gedacht, daß Spiggott verprügelt wurde, aber er hatte nicht damit gerechnet, daß man ihn töten würde. Nicht, daß er wegen des Mordes Schuldgefühle spürte – Spiggott hatte mit Rauschgift gehandelt, und Fusil würde jeden Mann gehängt haben, der so etwas tat –, aber es kam ihm so vor, als wenn er eine Sekunde lang gewagt hätte, die Rolle Gottes zu spielen. Er hatte den Mann ausgewählt, und der Mann war gestorben. Es war möglich, daß Spiggott nicht einmal der Mann war, dem Feltham und Botnam das Heroin verkauft hatten. Aber Spiggott war gestorben, weil er, Fusil, ihn ausgesucht hatte.

»Kannten Sie ihn?« fragte der D.I. vom Bezirk.

»Nein«, antwortete Fusil.

»Aber er hat was mit einem Ihrer Fälle zu tun, nicht wahr?«

»Schon möglich.«

Der andere hob die Schultern und gab es auf, mit Fusil ins Gespräch zu kommen. Er drehte sich um und gab Befehle, das umliegende Gebiet abzusuchen.

Fusil ballte in seinen Taschen die Fäuste. Der Wind trieb seine Haare in die Stirn, aber er merkte es nicht. Spiggotts Tod war ruchloser Mord, ruchlos, weil sein Tod als Warnung für jeden gedacht war, der daran dachte, Fraser herauszufordern. Der Mord wurde vielleicht nie aufgeklärt, aber er zeigte wieder einmal, daß Feltham, Botnam und die blonde Gertie ermordet worden waren. Die beiden Seeleute hatten dran glauben müssen, weil sie Fraser hintergangen und das geschmuggelte Heroin an einen anderen verkauft hatten, und die blonde Gertie war ermordet worden, weil sie den Polizisten auf eine Spur geholfen hatte.