18

Fusil kam um zwölf Uhr fünfundvierzig ins Dienstzimmer. Kerr, Rowan und Welland unterhielten sich miteinander. »Was ist denn hier los«, schnauzte Fusil, »ein Kaffeekränzchen? Haben Sie alle nichts zu tun?«

Verdrossen beugten sich die Männer über die Papiere auf ihren Schreibtischen. Fusil steckte die Hände in die Hosentaschen und ging auf und ab. Noch nie hatte er sich mit so vielen unerledigten Problemen auf einmal herumschlagen müssen. War Lowther tot? War Aspinall ermordet worden? Hatte Tarbard etwas mit dem Ausbruch der Häftlinge zu tun? Kam ein wirklich kapitales Verbrechen auf sie zu …? »Wer macht heute nachmittag Dienst?«

»Ich, Sir«, sagte Welland.

»Okay, Sie müssen hierbleiben … Kerr, Sie fahren gleich mal ins Krankenhaus und verhören den Schweden, der in die Messerstecherei verwickelt war. Wir brauchen seine Aussage. Wahrscheinlich wird man Thomas anklagen und den Schweden als Zeugen vorladen.«

Kerr erlaubte sich, seine persönliche Meinung zu äußern.

»Wenn eine Arbeit getan werden muß«, schnauzte Fusil, »spielt es keine Rolle, ob es Samstagnachmittag ist oder Sonntagmorgen um eins. Haben Sie mich verstanden?«

»Ja, Sir.«

»Noch etwas. Ich habe Ihren Bericht über den Fall Glazebrook gelesen. Da haben Sie ja eine Glanzleistung vollbracht. Wie kommen Sie denn dazu, so einen Mist zu bauen?«

»Ich wüßte nicht, was ich falsch gemacht haben sollte?«

»Stellen Sie sich nicht so dämlich an. Natürlich müssen Sie einen Fehler gemacht haben.«

»Können Sie mir das bitte erklären, Sir? Was soll ich denn jetzt machen?«

»Zeigen Sie mal ein bißchen Eigeninitiative«, schimpfte Fusil und wich einer direkten Antwort aus. Er schaute sich um. »Hier sieht es aus wie im Schweinestall. Vom Aufräumen hält hier wohl keiner was.«

»Los, Leute«, meinte Welland, als der Inspektor gegangen war, »wenn wir alle mit anfassen, ist die Sache schnell vergessen.«

»Ich bin ja nicht im Dienst«, sagte Kerr verärgert.

»Es gibt wirklich keine Liebe mehr unter den Menschen«, jammerte Welland.

 

Kerr aß in der Kantine und fuhr dann mit dem CID-Hillman zu der ehemaligen Irrenanstalt, die gleich hinter der Dock Road lag. Offiziell sprach man zwar heute vom Krankenhaus Ost; aber in der Bevölkerung von Fortrow war die alte Bezeichnung immer noch gebräuchlich. Das Krankenhaus bestand aus mehreren häßlichen Gebäuden, auf denen jahrzehntealter Schmutz lag; einige Fenster waren noch vergittert.

Holmqvist lag im letzten Bett eines riesigen Saales. John Kerr stellte sich vor und setzte sich in den wackligen Besucherstuhl. Ein Kind von Traurigkeit war der Schwede bestimmt nicht, das sah Kerr sofort. »Was macht denn der Arm?« fragte er.

Holmqvist grinste und klopfte sich auf die bandagierte Stelle. »Das ist Kleinigkeit. Mein Messer hat nur Kratzer gemacht.«

Kerr fiel auf, daß Holmqvist sich zwar gut verständlich machen konnte; aber die Wortbedeutungen schienen ihm nicht ganz geläufig zu sein. »Es tut mir leid, daß ich Sie belästigen muß. Aber wir brauchen Ihre Aussage. Es wird wohl zu einer Gerichtsverhandlung kommen. Können Sie mir sagen, wie der Streit angefangen hat?«

»Wir schlagen uns.«

Das war die einfachste Erklärung, die Kerr je gehört hatte. Für Holmqvist war so eine Messerstecherei offenbar das Selbstverständlichste von der Welt. »Fangen wir am besten von vorne an. Was war, als Sie in die Kneipe kamen?«

Holmqvist langte mit seinem gesunden Arm nach einem Päckchen Zigarren und bot Kerr eine an. Kerr griff zu, was er aber rasch bereuen sollte. Der Tabak, wenn es überhaupt Tabak war, schmeckte so widerlich, daß er augenblicklich einen Hustenanfall bekam.

Holmqvist schien dieses Kraut zu schmecken.

»Sie kamen also in die Kneipe«, drängte Kerr und überlegte verzweifelt, wie er die Zigarre unauffällig verschwinden lassen konnte.

»Ich war fröhlich.« Holmqvist lachte. »Ich ging rein und trinke und sehe eine Frau. Ich will die Frau.« Im selben Tonfall hätte ein anderer vielleicht von einem Glas Bier gesprochen. »Verstehen Sie?«

»So ungefähr«, meinte Kerr.

»Ich lade die Frau ein. Sie soll trinken. Ihr Freund ist sauer. Er sagt Beleidigung, und ich schlage ihn. Er schlägt mich. Ich falle, und mein Messer fällt aus der Tasche, und er hebt es auf. Ich schlage ihn noch mal und mein Messer sticht meinen Arm. Ganz einfach.« Er gestikulierte mit seiner Zigarre. »Es war kein guter Kampf. Zu kurz.«

Kerr schaute in sein Notizbuch. Hatte Holmqvist denn so arge Sprachschwierigkeiten, daß er ausgerechnet die Worte durcheinander brachte, auf die es ankam? In der Kneipe hatte er noch eine ganz andere Erklärung für den Streit gegeben. Kerr sah ihn an. »Womit hat Thomas Sie das erste Mal geschlagen?«

»Seine Faust.« Holmqvist ballte die eigene Faust und hielt sie hoch, um seine Feststellung zu unterstreichen. »Nicht sehr groß«, meinte er noch.

»Als der Constable Sie in der Kneipe verhört hat, haben Sie etwas anderes gesagt.«

»Etwas anderes?« Holmqvist staunte.

»Sie sagten dem Constable, der andere, also Thomas, hätte angefangen und ein Messer gezogen und es Ihnen in den Bauch stechen wollen; nur Ihr Gürtel hätte Sie gerettet.«

Holmqvist fing schallend an zu lachen und wollte sich gar nicht beruhigen. Einige Patienten sahen herüber. »Ich sage das?«

»Ja.«

»Zu viel Whisky. Verstehen Sie?«

Kerr sah nicht ein, warum man den Whisky für die gegenteilige Aussage verantwortlich machen sollte. »Sind Sie ganz sicher, daß das Messer Ihnen gehört?«

»Das stimmt.«

»Wo haben Sie’s gekauft?«

Holmqvist wich seinem Blick aus, und er hörte auf zu grinsen. »Ich nicht erinnern. Irgendwo. Vielleicht Italien, vielleicht die Staaten, vielleicht hier. Ein Matrose braucht ein Messer.«

»Das ist eine Waffe, kein Arbeitsmesser.«

»Alle scharfen Messer auch Arbeitsmesser.« Er betastete den Verband unter seiner Schlafanzugjacke und grinste wieder. »Auf See ist scharfes Messer gut.«

»Wissen Sie, wo Ihr Gürtel ist?«

Holmqvist zog die Schultern hoch.

Kerr machte das kleine Schränkchen neben dem Bett auf. In den Fächern lagen sorgfältig zusammengelegte Kleidungsstücke; der dicke, breite Ledergürtel hing an einer Hose. Dicht neben dem Verschluß hatte der Gürtel einen fünf Zentimeter langen und schrägen Riß.

»Auf See«, sagte Holmqvist. »Ich rutsche aus. Das Messer schneidet Gürtel auf. Beinahe in meinen Bauch.«

»Wie lange ist das her?«

»Vielleicht eine Woche.«

»Dieser Riß ist noch keine Woche alt.«

»Dann vielleicht weniger.« Holmqvist zog genüßlich an seiner Zigarre. Eine Krankenschwester kam an sein Bett und beschwerte sich. Die beiden würden die Luft verpesten, sagte sie. Kerr war froh, daß er sich nun nicht länger mit dem widerlichen Kraut zu quälen brauchte. Aber Holmqvist lachte nur und zeigte seine gleichmäßigen weißen Zähne. Wenn sie sich auf sein Bett setzen und ihm die Hand halten würde, meinte er, dann würde er für sie seine Zigarre ausmachen. Sie wäre doch nicht blöd, sagte sie; aber überzeugend klang das nicht. Sie ging wieder weg.

Kerr fixierte Holmqvist. »Haben Sie heute Besuch gehabt?«

»Wer soll mich besuchen?«

»Seeleute vielleicht.«

»Zu viel Whisky, alle Mann.«

Wie diese Leute wohl ihr Schiff auf Kurs hielten? »Sie haben also keinen Besuch gehabt? Niemand hat mit Ihnen gesprochen?«

»Eine Frau ist gekommen«, sagte er. »Sie hilft Seemann im Krankenhaus. Sie will mir nicht helfen.«

»Hat sie Ihnen was gegeben?«

Holmqvist blinzelte ihm zu. »Ich sage doch, sie will mir nicht helfen.«

»Haben Sie Geld bei sich?«

»Etwas.«

»Wieviel?«

»Ich nicht erinnern.«

»Haben Sie was dagegen, wenn ich mal nachsehe?«

Holmqvist hatte offensichtlich etwas dagegen; aber er wußte nicht, was er sagen sollte.

Kerr machte zum zweitenmal das Schränkchen auf und nahm alle Kleidungsstücke heraus. In dem schäbigen Portemonnaie lagen, fein säuberlich gebündelt, hundert abgegriffene Pfundnoten. Das Bündel war so dick, daß es nicht in ein Fach paßte; es lag offen zwischen den beiden Portemonnaiehälften. »Zum Ausgeben«, sagte Holmqvist schlicht.

»Woher haben Sie das Geld?«

»Ein bißchen Heuer, ein bißchen spare ich, ein bißchen gewinne ich.«

»Wo haben Sie was gewonnen?«

»Hunderennen.«

»Auf welcher Bahn?«

Holmqvist machte die Augen zu. »Ich schlafe jetzt.«

Kerr blätterte die Geldscheine durch; er entdeckte nichts, was ihn auf irgendeine Spur gebracht hätte. »Jemand hat Ihnen dies Geld gegeben, damit Sie eine andere Aussage machen, stimmt’s? Wir werden das sehr schnell herausbekommen. Wenn wir Ihnen beweisen können, daß Sie lügen, bekommen Sie Schwierigkeiten … Also geben Sie schon zu, daß in Wirklichkeit alles so war, wie Sie’s in der Kneipe erklärt haben, oder?«

»Ich schlafe.«

»Das Messer hat Ihnen nie gehört. Thomas hat es gezogen und wollte Sie damit erstechen. Und dann ist die Klinge von dem Gürtel abgerutscht und hat Sie in den Arm getroffen.«

Holmqvist blieb stumm. Kerr steckte das Geld wieder ins Portemonnaie, das Portemonnaie in den Mantel und den Mantel in das Schränkchen. Im Augenblick besaß er keine Handhabe, das Geld einzuziehen. Und selbst wenn er es untersuchen ließ – weiterbringen würde sie das auch nicht.

Er stand auf und ging zu der Krankenschwester, die an einem Tisch im Saal saß und Notizen schrieb. »Wann war die letzte Besuchszeit?« fragte er. Sie sah gar nicht so häßlich aus; wenn sie nicht diesen gestärkten Kittel angehabt hätte und statt dessen …

»Die Besuchszeiten sind deutlich sichtbar eine Treppe tiefer angeschlagen«, meinte sie schnippisch.

»Es handelt sich um eine polizeiliche Ermittlung.«

»Was habe ich denn damit zu tun?« fragte sie.

»Sie sollen mir nur sagen, wann die letzte Besuchszeit war. Ersparen Sie meinen müden Beinen den Weg.«

Sie zögerte. »Heute morgen von elf bis zwölf«, sagte sie schließlich mürrisch.

»Haben Sie um die Zeit in diesem Saal hier Dienst gehabt?«

»Ja.«

»Haben Sie gesehen, wer Holmqvist besucht hat?«

»Ich habe viel zuviel zu tun und kann mich nicht darum kümmern, wer wen besucht – ausgerechnet bei dem da.«

»Eine Frau hat mit ihm gesprochen. Haben Sie sie gesehen?«

Sie zuckte die Achseln.

»Denken Sie doch bitte mal nach.«

»Dann war das vielleicht die Frau, die aus seiner Richtung kam. Die taugte nichts; das habe ich gleich gesehen.«

»Wollen Sie damit sagen, daß es eine Hure war?«

»So ein Wort nehme ich nicht in den Mund.«

»Es tut mir leid, aber das ist doch die höflichste Bezeichnung, die ich kenne.«

»Das dachte ich mir.«

»Okay, ich habe eine schlechte Kinderstube gehabt. Können Sie diese Frau beschreiben?«

»Interessieren Sie sich für sie?«

So ein Luder, dachte Kerr. »Nur beruflich, das schwöre ich.«

»Sie war fürchterlich geschminkt. Aber Sie hätten sie vielleicht sogar hübsch gefunden. Sie trug wahnsinnig teure Kleidung; das paßte gar nicht zu ihr.«

Kerr grinste. So viel Neid war schon fast wieder amüsant. »Können Sie sich noch an ihre Haarfarbe erinnern oder an die Augen und die Nase und so weiter?«

»Sie hatte rote Haare. Mehr habe ich nicht gesehen, ich hatte ja zu tun.«

Er hatte die Krankenschwester nur routinemäßig befragt, um möglicherweise die Person identifizieren zu können, die Holmqvist wahrscheinlich bestochen hatte, damit er seine Aussage änderte. Als sie die roten Haare erwähnte, mußte er sofort an Paula Stokes denken.

 

Der Wirt vom Grünen Mann war sich absolut sicher, daß Thomas kein Messer gezogen und den Streit auch nicht angefangen hatte. Das Messer gehörte Holmqvist und war zufällig auf die Erde gefallen. Thomas hatte es aufgehoben, und als Holmqvist Thomas einen Schlag versetzte, hatte er sich daran verletzt. Bestechungsgeld? Der Wirt empörte sich. Er würde jeden wegen Verleumdung anzeigen, der ihn beschuldigte, er hätte sich bestechen lassen.

 

Fusil hörte sich Kerrs Bericht an und fluchte mit Hingabe. »War denn da nicht mehr herauszubekommen – oder weniger?« schimpfte er. »Zum Leben ist das für uns zu wenig und zum Sterben zu viel.«

»Ich habe getan, was ich konnte, Sir.«

»Bilden Sie sich ja nichts ein, Kerr«, schnauzte Fusil. Er ging zum Schreibtisch und ließ sich in seinen Stuhl fallen. Am Anfang hatte alles wie eine ganz gewöhnliche Schlägerei in der Hafengegend ausgesehen; solche Fälle kamen mindestens fünfzigmal im Jahr vor. Doch nun deutete vieles darauf hin, daß man den Schweden mit dem unaussprechlichen Namen bestochen hatte, damit er seine Aussage änderte. Und vermutlich steckte auch diesmal Tarbard dahinter.

Dieser Tarbard verfolgte sie wie ein böser Geist. Wenn sich ein harmloser Spaziergänger auf dem Bürgersteig den Knöchel brach, ging vierundzwanzig Stunden später ein Hinweis ein, daß Tarbard ihn zu Fall gebracht haben könnte. »Die Beschreibung paßt auf jede rothaarige Frau in Fortrow.«

»Sie sagt, die Frau hätte wie eine Hure ausgesehen, Sir.«

»Dann war sie wohl besser angezogen, als die Krankenschwester sich das leisten könnte.« Fusil spielte mit einem messingbeschlagenen Papiermesser. »Die Krankenschwester hat die Rothaarige nicht mal mit Holmqvist sprechen sehen?«

»Nein, Sir.«

»Und selbst wenn sie mit ihm gesprochen hätte: Sie haben nicht den geringsten Beweis dafür, daß sie ihm das Bündel Pfundnoten gegeben hat?«

»Nein, Sir.«

»Oder daß es Bestechungsgeld war?«

»Nein, Sir.«

»Ich höre immer nur ›Nein, Sir‹. Verdammt, lassen Sie sich doch mal was anderes einfallen.« Fusil knallte das Papiermesser auf den Tisch und schlug die Akte von Thomas auf. »Haben Sie die gesehen?« Er schob sie ihm hin.

Kerr überflog die Fotos, den Lebenslauf und die Liste der Vorstrafen. Bis zu seinem vierundzwanzigsten Lebensjahr hatte Thomas sich nichts zuschulden kommen lassen. Er hatte als Funktechniker auf einem Schiff gearbeitet. Als er dann an Land mit einem Freund ein Radio- und Fernsehgeschäft aufgemacht hatte, mußte er bald den Konkurs anmelden. Thomas hatte versucht, einen Edelkonkurs daraus zu machen, aber ein milder Richter setzte seine Strafe zur Bewährung aus. Das war Thomas gar nicht gut bekommen. In den nächsten zehn Jahren war er dreimal wegen ziemlich schwerer Verbrechen verurteilt und der Beteiligung an verschiedenen anderen Fällen verdächtigt worden.

Als Kerr aufsah, meinte Fusil: »Was könnte dieser Mann mit Tarbard zu tun haben?«

»Aus der Akte geht nichts hervor, Sir.«

»Haben die beiden denn mal zusammen im selben Gefängnis gesessen?«

Kerr ging noch einmal die Vorstrafenliste durch. »Hier gibt es keine Überschneidungen. Thomas hat immer nur im Norden gebrummt und Tarbard im Süden.«

»Was könnte es sonst für eine Verbindung geben?«

»Das liegt auf der Hand: Tarbard braucht Thomas für das große Ding, das er drehen will. Und wenn Tarbard das Risiko eingeht, Holmqvist zu bestechen, dann muß er wohl in allernächster Zeit auf Thomas angewiesen sein.«

Fusil befaßte sich wieder mit seinem Papiermesser. »Ich habe aus verläßlicher Quelle erfahren, daß er seinen Club verkauft. Das Geschäft ist schon perfekt oder es steht kurz vor dem Abschluß.«

»Dann haben wir den Beweis«, sagte Kerr aufgeregt.

»Beweis? Das beweist gar nichts.« Fusil spielte immer noch mit dem Messer. »Vielleicht kann ich Thomas festhalten, bis wir definitiv Bescheid wissen.« Aber offenbar glaubte er selbst nicht recht an diese Möglichkeit. »Sie müssen sich doch auch Ihre Gedanken gemacht haben? Was meinen Sie denn, was Tarbard vorhat?«

Kerr schüttelte den Kopf. »Das kann alles mögliche sein. Vielleicht ein Bankraub.«

»Und vielleicht erweist sich alles als Windei.«

 

Kywood ließ sich mindestens einmal in der Woche in den beiden Abteilungen sehen; er tat dies nicht etwa aus Pflichtgefühl. Vielmehr fürchtete er ständig, daß sie es mit einem großen Fall zu tun bekommen könnten, was ihn, ohne daß er davon wußte, in eine heikle Situation bringen würde.

Er saß auf dem Stuhl vor Fusils Schreibtisch und nippte an seinem Kaffee, den ein Polizist vor ein paar Minuten auf einem angeschlagenen Holztablett serviert hatte. »In dieser Abteilung sieht es zur Zeit nicht gerade rosig aus, Bob.«

Fusil stopfte seine Pfeife.

»In dem Fall Aspinall sind Sie inzwischen nicht weiter gekommen?«

»Wie sollte ich?« fragte Fusil. »Sie kennen die Fakten so gut wie ich. Der Pathologe kann nicht mit Sicherheit sagen, ob er die Fraktur am Hinterkopf vor dem Sturz erlitten hat; er hält es allerdings für möglich. Wir wissen also bis heute nicht, ob wir es mit einem Mord, Selbstmord oder einem Unfall zu tun haben. Die Kollegen in London haben sich noch nicht gerührt, obwohl ich sie mehrfach gemahnt habe.«

»Haben Sie denn versucht zu klären, was Aspinall hier in Fortrow vorhatte?«

Fusil seufzte. »Ja, Sir … aber ohne jeden Erfolg.« Er steckte ein Streichholz an und sog die Flamme in den Pfeifenkopf.

»Damit nicht genug: Die Häftlinge Quenton und Cantor laufen immer noch frei herum. Und Hagan oder Uden haben Sie noch nicht mal verhaften können.«

»Die schnappen wir uns früher oder später.«

Kywood entrüstete sich. »Wie stehen wir denn vor der Öffentlichkeit da? Ich mache mir große Sorgen, Bob.« Kywood erhob sich. »Ich bin sehr unzufrieden, Bob. In Ihrer Abteilung gibt es dutzendweise ungelöste Fälle. Das Belastungsmaterial, das Sie bis jetzt gesammelt haben, bringt keinen Kater an den Galgen. Und hinter jedem Fall vermuten Sie Tarbard.«

Fusils Pfeife war wieder ausgegangen. Er schraubte sie auseinander und blies durch das Mundstück; es kam eine stinkende klebrige Masse zum Vorschein.

Kywood kaute nervös auf seiner dicken Unterlippe und wartete auf eine Antwort. Fusil schwieg. »Okay, sehen wir uns mal das Protokollbuch an.«

Fusil reichte es ihm.

»Diese Messerstecherei im Hafen – das sieht unkompliziert aus. Haben Sie den Fall aufgeklärt?«

»Noch nicht ganz.«

»Was soll das heißen?« Kywood schob sein massiges Kinn vor. »Sie wollen doch wohl hoffentlich nicht schon wieder Tarbard da hineinziehen?«

Fusil holte erst einmal tief Luft.