5

Detective Sergeant Braddon saß in seinem Office und drückte eine Zigarette aus. Er gähnte und blickte auf seine Uhr. Fast vier Uhr. In anderthalb Stunden konnte er nach Hause gehen. Nichts in der Welt zog ihn so an wie das Polizeihaus, in dem er mit seiner Frau lebte, wo er seine Füße hochlegen, fernsehen und einen Schluck Bier trinken konnte – wenn noch Bier da war.

Er hatte keinen Ehrgeiz. Er wußte, daß er nicht mehr befördert wird, und dieses Wissen störte ihn nicht. Er hatte sich darauf eingerichtet, seine Zeit abzusitzen und dann in Pension zu gehen. Einige Kollegen hielten ihn für dumm, daß er mit dem, was er hatte, zufrieden war. Dabei lachte er über sie – sie erkannten nicht, daß er einer der wenigen zufriedenen Menschen in dieser Welt war; er hatte alles, was er wollte.

Das Telefon schlug an. Ein Mann, der kaum zu verstehen war, weil er so schnell sprach, sagte, er wäre der Manager von Moxon Security Company, und einer seiner Lastwagen hätte heute einhundertundachtzehntausend Pfund zur Arcol-Fabrik bringen müssen. Ein Angestellter der Fabrik hätte ihn eben angerufen und gefragt, wo das Geld bliebe. Der Lastwagen war seit einer halben Stunde überfällig. Was konnte passiert sein, wollte der Mann wissen.

»Hat der Wagen Funk?« fragte Braddon mit seiner langsamen, schleppenden Stimme.

»Alle unsere Lastwagen haben Funk. Die Männer haben Anweisung, sich sofort zu melden, wenn sie auch nur den geringsten Verdacht schöpfen. Aber ich habe nichts gehört, überhaupt nichts, und ich habe auch schon versucht, mit dem Wagen Verbindung aufzunehmen, aber ich bekomme keine Antwort.«

»Haben Sie schon die Bank angerufen, um nachzuhören, ob das Geld abgeholt wurde?«

»Meine Leute haben sich kurz danach gemeldet. Ich kann mir nicht vorstellen …«

Braddon unterbrach den Anrufer und sagte, er wollte die Bank anrufen. Er ließ sich den Namen der Bank geben, legte auf und rieb sich über sein stoppeliges Kinn. Wenn der gepanzerte Lastwagen Funk hatte und beim geringsten Verdacht Meldung machte, dann ließ das doch darauf schließen, daß alles in Ordnung war.

Aber eine halbe Stunde war eine lange Zeit, besonders wenn man hundertachtzehntausend Pfund geladen hatte.

In der Bank erfuhr er, daß das Geld um Viertel vor drei abgeholt worden wäre, genau wie vereinbart.

Braddon zündete sich eine Zigarette an. Der gepanzerte Lastwagen von Moxon Security Company war ein sehr sicheres Fahrzeug, und es war schwer, sich vorzustellen, daß etwas Ernsthaftes passiert sein konnte, ohne daß man davon gehört hätte.

Und doch – eine halbe Stunde war eine lange Zeit.

Er rief Fusil zu Hause an. Fusil sagte, daß er die Türklinke in der Hand hielte, um mit seiner Frau auszugehen, und wenn nicht das gesamte Parlament einem Attentat zum Opfer gefallen wäre – obwohl dies ein Anlaß zum Feiern wäre –, dann interessierte ihn jetzt nichts und niemand.

Braddon berichtete von dem gepanzerten Lastwagen, und nach einer kurzen Pause sagte Fusil, er käme sofort. Kurz bevor die Verbindung unterbrochen war, hörte Braddon noch eine verärgerte Frauenstimme.

Er bestellte bei der Vermittlung ein Gespräch zum H.Q. des Bezirks und sprach mit dem Inspektor vom Dienst. Nein, nichts Ungewöhnliches war berichtet worden. Es war auch kein Notruf eingegangen.

Braddon legte auf und ging dann zu der Wand, an der die Karte von Fortrow und der näheren Umgebung hing. Er folgte der Route des Lastwagens von der High Street zu der Arcol-Fabrik, die gerade noch im Zuständigkeitsbereich dieser Division lag. Die Fahrt konnte nicht lange dauern, und viel Verkehr herrschte auf dieser Strecke auch nicht. Oder hatte es irgendwo eine Verkehrsstörung gegeben? Über das Haustelefon rief er den Inspektor vom Dienst an, der keine Meldung vorliegen hatte.

Braddon ging zum Mannschaftsraum. Rowan saß an seinem Schreibtisch und tippte einen Bericht.

»Fred, es sieht so aus, als ob ein gepanzerter Lastwagen von der Moxon verschwunden wäre. Um Viertel vor drei hat er in der Westminster-Bank in der High Street eine Menge Geld abgeholt, und danach hat man ihn nicht mehr gesehen. Fahren Sie mit dem Dienstwagen mal die Strecke ab, vielleicht sehen Sie etwas.«

Rowan stand auf. Er war sehr groß und hatte ein langes, schmales Gesicht und einen leicht verzerrten Mund, der in unzufriedenen Falten eingebettet lag. Es war jedermann bekannt, daß Rowan nicht sicher war, ob seine Frau ihn betrog oder nicht. »Sergeant, diese Fahrzeuge haben doch alle eine Sirene. Wenn was passiert wäre, hätten sie die doch eingeschaltet.«

»Machen Sie sich auf den Weg«, sagte Braddon immer noch gutmütig, aber mit einem Ton in der Stimme, der einem nicht entgehen konnte.

Rowan ging. Braddon blickte sich im Zimmer um. Es herrschte das übliche Chaos. Er konnte ihnen so häufig wie er wollte sagen, daß sie aufräumen sollten, immer lag überall Material herum, das an andere Plätze gehörte: Wiederbeschafftes Diebesgut hätte in einem Raum eine Etage tiefer sein müssen, die Formulare gehörten in den rechten Schrank, die Schreibmaschinen mußten mit Hüllen bedeckt sein, und der Abfall gehörte in den Papierkorb …

Kerr kam ins Zimmer. »Wie geht’s? Unheimlich gut oder unheimlich schlecht?«

»Warum sind Sie denn so aufgekratzt?«

»Es geht mir eben gut.«

»Jede Wette, daß das nicht so bleibt«, sagte Braddon.

 

Fusil unterbrach sein Auf- und Abgehen in seinem Büro, nahm die Pfeife aus der Tasche, füllte sie mit Tabak, drückte den Tabak zusammen und zündete ihn an. Er blickte auf seine Uhr. Halb fünf, und immer noch keine Meldung. Es gab keinen Zweifel. Dem Lastwagen mußte etwas Ungewöhnliches passiert sein.

Wie zu erwarten war, hatte sich Braddon der Situation ohne Phantasie angenommen. Er hatte die naheliegenden Schritte getan, aber keine weiteren. Er hatte sich zum Beispiel nicht in die Lage der Geldtransport-Entführer versetzt, hatte nicht nachgedacht, wo ein Überfall am ehesten durchzuführen war.

Und er hatte auch im Bezirks-H.Q. keinen Streifenwagen angefordert, der den Wald hätte absuchen müssen.

Wie konnte ein gepanzerter Geldtransportwagen einfach so verschwinden? Wenn die Anordnungen beachtet worden wären, hätten die Wächter im Transportraum und im Fahrerhaus eingeschlossen sein müssen, und zur Unterstützung hatten sie Funkverbindung, Dachsirene und vier Gaspistolen. Bei einem Überfall hätten die Männer doch Alarm geben müssen, über Funk die Zentrale verständigen müssen, die Angreifer mit ihren Gaspistolen zurückdrängen müssen …

Das Telefon klingelte. Der Anrufer war Detective Chief Inspector Kywood. Was war passiert, wie war es passiert, was wurde unternommen, wer unternahm etwas? Die Fragen hörten gar nicht mehr auf. Kywood witterte ein schweres Verbrechen, dessen Klärung dazu beitragen würde, daß der Chief Constable endlich einmal von ihm begeistert war.

»Hundertachtzehntausend Pfund sind schrecklich viel Geld«, stöhnte Kywood. »Und Sie hatten keine Ahnung davon, daß soviel Geld transportiert wurde?«

»Man hatte mich unterrichtet, Sir.«

»Und Sie haben keinen verstärkten Begleitschutz angefordert?«

»Nein.«

»Warum nicht? Sie kennen doch sicherlich die Vorschriften? Sie sollen um verstärkten Begleitschutz bitten, wenn es sich um außergewöhnliche Umstände handelt.«

Fusil erinnerte sich an sein Gespräch mit Passmore in der vergangenen Woche, als er gesagt hatte, er würde keinen verstärkten Begleitschutz anfordern. Es sah so aus, als ob er einen Fehler gemacht hatte.

»Warum haben Sie noch nicht herausgefunden, ob wirklich etwas mit dem Lastwagen passiert ist?« wollte Kywood wissen.

»Würde es Ihnen etwas ausmachen, Sir, mir vorzuschlagen, was ich sonst zu diesem Zeitpunkt noch tun kann?«

»Es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen Instruktionen für Ihre Arbeit zu geben.« Kywood legte auf.

Fusil war die Pfeife ausgegangen. Er zündete sie wieder an. Er vibrierte, er wollte etwas Konstruktives tun, aber er konnte nicht aus seinem Büro weg, bis er handfeste Tatsachen hatte.

Wieder klingelte das Telefon. Es war der Inspector vom Dienst vom Bezirks-H.Q.Ein Streifenwagen hatte berichtet, daß ein gepanzerter Lastwagen, der der Moxon Security Company gehörte, auf einer Lichtung östlich von Bellamy Wood gefunden worden war. Zwei Wächter im Fahrerhaus waren noch halb bei Bewußtsein, offensichtlich in höchster Lebensgefahr. Der Transportraum des Lastwagens war erbrochen worden. Auf der Ladefläche war ein Feuer angelegt worden, und die Körper der beiden Wächter waren fast völlig verbrannt. Die Verbrecher hatten einen Teil ihrer Ausrüstung in das Feuer geworfen, Einzelheiten waren nicht zu erkennen. Auf der Lichtung stand ein Abschleppwagen.

Fusil biß auf seine Pfeife. Das war schlimmer, als er befürchtet hatte. Das Geld war weg, zwei Wächter waren ermordet, die beiden anderen schwer verletzt. Dieser Fall machte Schlagzeilen, da konnte es gar keinen Zweifel geben.

Er rief Kywood an und erstattete Meldung. Kywood reagierte wie vorauszusehen.

 

Der Polizeiarzt wies den Fotografen an, eine Aufnahme der rechten Seite des Transportraums zu machen. Detective Constable Walsh, der den Spitznamen Sunny hatte, weil er ständig mißgelaunt war, stellte sein Stativ neu und gehorchte.

»Das wär’s im Augenblick«, sagte der Arzt. Walsh reichte einem uniformierten Polizisten seine Geräte und sprang dann vom Lastwagen hinunter. Fusil empfing ihn mit den Worten:

»Machen Sie ein paar Gesamtaufnahmen von der Lichtung.«

»Ja, Sir.«

Fusil sah dem Polizeiarzt bei der häßlichen Aufgabe zu, die verkohlten Leichen zu untersuchen, aber schon bald wandte er sich ab und ging zum Fahrerhaus des Abschleppwagens, in dem ein Detective Sergeant vom Bezirks-H.Q. bedächtig den Fingerabdruckpuder über alle Flächen strich. »Schon was gefunden?« fragte er.

»Noch nicht«, antwortete der Detective Sergeant, ohne Fusil anzusehen. Er tauchte einen Kamelhaarpinsel in Aluminiumpapier und strich ihn über das Armaturenbrett aus schwarzem Kunststoff.

»Vergessen Sie nicht die Apparaturen des Krans.«

»Nein.«

Fusil ballte die Fäuste in den Taschen. Grimmig dachte er, daß er eine völlig überflüssige Anweisung gegeben hatte. Sie bewies nur die innere Spannung, unter der er jetzt arbeitete.

Es war ein Profi-Job, ausgeführt nach einem perfekten Zeitplan, mit bestechendem Scharfsinn und der lässigen Brutalität, die das Erkennungszeichen der großen Verbrecher unserer Zeit geworden war. Brutale Gewalt war die wertvollste Waffe des echten Profis geworden – in einer Zeit, in der die Strafen nicht mehr so hart waren, wandten die Verbrecher ihre Skrupellosigkeit an, um sicherzugehen, keine wichtigen Zeugen zu hinterlassen.

Die beiden Wächter waren ermordet worden, weil die Gangster offenbar befürchtet hatten, die Männer könnten sich an Einzelheiten erinnern, die für die Polizei von Wert sein konnten. Das ließ die Vermutung zu, daß die beiden lebenden Wächter nichts gesehen hatten.

Ein uniformierter Polizist brachte einen Mann auf die Lichtung; er sah sich um und entdeckte Fusil. Sofort ging er auf ihn zu. »Das ist Mr. Weaver, Sir.«

Weaver war außergewöhnlich nervös und blickte unentwegt zu dem gepanzerten Lastwagen, bis er es fertigbrachte, seine Augen in eine andere Richtung zu lenken. Fusil dankte ihm, daß er gekommen war, aber Weaver schien ihn nicht zu verstehen. »Ich … Sie … ich habe gehört, daß zwei der Wächter tot sind?« stotterte er.

»Leider ja«, antwortete Fusil, der versuchte, seinen eigenen Abscheu über das widerliche Verbrechen zu verbergen. »Es waren die beiden im Transportraum. Die zwei aus dem Fahrerhaus sind ins Krankenhaus gebracht worden. Der Polizeiarzt sagt, daß man sie mit einer fast tödlichen Konzentration zu vergasen versucht hat. Dazu kam die Hitze aus dem Transportraum. Sie sind nur durch den Ventilator gerettet worden, der ihnen verhältnismäßig kühle Luft in den Fahrerraum blies.«

»Wer sind die Toten?«

»Ich habe erwartet, daß Sie uns das sagen können.«

»Ich kann sie nicht ansehen. O Gott, ich kann es nicht!« Weavers feistes Gesicht verzerrte sich zu einem Ausdruck kränklicher Furcht. »Ich kann keinen Toten sehen. Ich …«

»Sie brauchen uns die beiden toten Männer nicht zu identifizieren«, unterbrach Fusil ihn leise. »Ich möchte Sie nur bitten, mir zu bestätigen, daß es sich um den Geldtransportwagen handelt, der das Geld von der Westminster-Bank abgeholt hat und in die Fabrik bringen sollte. Dann können Sie mit einem meiner Beamten zum Krankenhaus fahren und sich die beiden Männer ansehen, die dort liegen. Wenn Sie sie identifiziert haben, wissen wir, wer tot ist. Und wenn Sie uns dann noch die Adressen der vier Wächter geben, werden wir die Familien unterrichten.«

Ein schwarzer Bestattungswagen mit purpurfarbenen Lettern kam langsam auf die Lichtung gefahren und blieb zwanzig Schritte vor dem Lastwagen stehen. Ein Sergeant ging darauf zu und sprach mit dem Fahrer.

Fusil fragte Weaver: »Ist das der Wagen, der die hundertundachtzehntausend Pfund von der Westminster-Bank abgeholt hat?«

Weaver drehte sich langsam um. Er starrte auf den gepanzerten Lastwagen und sagte ein paar Sekunden nichts. »Das ist er«, murmelte er schließlich und wandte sich abrupt um.

»Vielen Dank. Detective Sergeant Braddon wird Sie zum Krankenhaus begleiten. Warten Sie, ich schicke ihn zu Ihnen.«

Weaver nickte.

Fusil ging zum anderen Ende der Lichtung, wo Braddon eine genaue Untersuchung des Bodens anordnete, obwohl er bereits gründlich nach Spuren abgesucht worden war.

Der D.I. gab Braddon ein paar kurze Anweisungen, und Braddon ging daraufhin zu Weaver. Fusil sah zu, wie vier Polizisten auf Händen und Knien mit ihrer Suche begannen. Zufrieden, daß nicht nur er allein eine Menge durchzumachen hatte, kehrte er zu dem Geldtransportwagen zurück.

Der Polizeiarzt, ein großer, ernst aussehender Mann, kletterte gerade von der Ladefläche hinunter. Er zog Handschuhe und Kittel aus. »Ich kann hier nichts mehr tun, Inspector. Sie können die Leichen ins Schauhaus bringen lassen. Ein Mann ist erschossen worden, bei dem anderen bin ich nicht ganz sicher. Bei dem einen weiß ich es auch nur, weil ich die Kugel gefunden habe.«

Fusil starrte auf die beiden schwarzen Bündel und kämpfte gegen einen aufkommenden Ekel an. »Wird es möglich sein, die beiden voneinander zu identifizieren, Sir?«

»Wir müssen die Autopsie abwarten.« Er blickte auf seine Uhr. »Ich werde sie morgen früh vornehmen. Halten Sie bitte die gewöhnlichen Unterlagen bereit: Alter, besondere Kennzeichen, frühere Verletzungen und so weiter.«

»Ja, Sir.«

»Dann bis morgen.« Der Polizeiarzt verließ ihn, und sein Assistent – ein älterer Mann, der leicht hinkte – hastete hinter ihm her und trug Aktentasche, Kittel und Handschuhe.

Einer der Männer vom Bestattungsunternehmen kam auf Fusil zu und sagte: »Können wir sie mitnehmen?«

»Noch nicht. Wir warten noch auf ein paar Spezialisten.«

»Als Ihr Mann angerufen hat, hat er gesagt, wir sollten sofort kommen«, protestierte der Mann. »Wir können nicht die ganze Nacht hierbleiben.«

Fusil hob die Schultern. Er hätte gern gewußt, ob selbst die schreckliche Brutalität, mit der die Wächter ermordet worden waren, für die Männer des Bestattungsinstitutes Alltag war. Irgend jemand rief seinen Namen, und er ging hinüber zu den schwitzenden Polizisten, von denen einer eine Reifenspur entdeckt hatte. Obwohl er daran zweifelte, daß man etwas damit anfangen konnte, wies er den Fotografen an, eine Aufnahme zu machen. Wenn es möglich war, sollte auch ein Abdruck gemacht werden.

Zwei weitere Männer kamen auf die Lichtung. Einer trug die Uniform der Feuerwehr, der andere einen grauen Flanellanzug. Der Mann im grauen Flanell war der Gerichtsmediziner. Der Feuerwehrmann starrte in das Innere des Transportraums.

»Das war aber ein höllisches Feuer!« meinte er.

 

Kerr kam gegen Viertel vor zehn bei Helens Haus an, das im Vorort Famleigh lag. Er hatte sich um drei Stunden verspätet. Er drückte auf die Klingel und wartete.

Helen öffnete die Tür. »Oh!« sagte sie, »das ist aber eine Überraschung!«

»Es tut mir leid, daß ich so spät dran bin«, sagte Kerr, »aber ich bin aufgehalten worden …«

»So sehr aufgehalten, daß du nicht mal Zeit gehabt hast, mich anzurufen?«

Es war jetzt nicht der Augenblick, dachte er, um ihr zu gestehen, daß er im Verlauf seiner Arbeit ihre Verabredung vergessen hatte, daß sie ihm erst vor einer Stunde eingefallen war. »Es hat einen schrecklichen Raubüberfall gegeben«, erklärte er. »Zwei arme Teufel sind ermordet worden.«

Sie trat zur Seite, und er ging in den Flur. Sie hatte Angst vor Gewalttätigkeiten, sie hatte auch Angst um ihn.

»Was ist passiert, John?«

Er weihte sie kurz über die Ereignisse ein und ging dann ins Wohnzimmer, wo Mr. und Mrs. Barley das Fernsehprogramm verfolgten, und Kerr mußte noch einmal von dem schrecklichen Geschehen berichten. Mr. Barley, ein gutmütiger Mann, der sich wahrscheinlich hätte übergeben müssen, wenn er mit der Szene auf der Lichtung in Bellamy Wood konfrontiert worden wäre, interessierte sich für alle Einzelheiten, denn aus zweiter Hand hörte er sich alle großen Verbrechen gerne an.

 

Es dämmerte. Der Ford Executive, der das Standlicht eingeschaltet hatte, gewann langsam an Geschwindigkeit, die dann stetig zunahm. Er fuhr etwa hundert Meter geradeaus, bockte dann nach links und hielt genau auf den Fels zu. Als das linke Vorderrad den Fels berührte, hörte man ein leichtes Kreischen von Metall. Das Auto wurde nach rechts geworfen, aber wieder prallte es nach links zurück. Es ging bergab, und der Ford nahm immer noch an Geschwindigkeit zu. Er schlug erneut frontal gegen den Fels, und diesmal war der Anprall so stark, daß er nach rechts katapultiert wurde und einen langsam kriechenden Mini in Gefahr brachte, der gerade um die Ecke bog. Der Ford durchschlug die weiß bemalten Holzplanken, stürzte eine Böschung hinunter, kippte zur Seite und blieb schließlich auf dem Dach liegen.

Der Fahrer des Mini brachte sein Fahrzeug zum Stehen. Er zitterte. Ganz in seiner Nähe floß das Blut aus dem zerschmetterten Körper von Robert Glenton.