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Die fünf Männer trafen sich zum ersten Male in jenem Teil von Süd-London, der aus Slums und alten Kästen besteht, die bald zu den Slums gehören würden. Robert Glenton grüßte jeden Mann bei der Ankunft; er hatte für jeden ein Wort und ging dann den Flur voran zum Wohnzimmer. Croft, Weston und Holdman waren mit ihren Autos gekommen, Riley – ein Pfennigfuchser – war von der U-Bahnstation zu Fuß gekommen.
Das Wohnzimmer war spärlich möbliert und wurde offensichtlich kaum benutzt. Es roch schal. Ein runder, mitgenommener Tisch stand in der Mitte; darauf standen Flaschen mit Gin, Whisky, Tonics, ein Siphon mit Soda, ein Dutzend Dosen Bier, zwei Schachteln Zigaretten und zwei Packungen Zigarren.
Glenton war ein stattlicher Mann. Sein Gesicht wurde beherrscht von zwei Falten, die Brutalität verrieten, und einem schmalen Mund. Er neigte zu einer Glatze und hatte nur noch einen hahnenkammähnlichen Haarbüschel auf der Schädelmitte. Einzeln betrachtete er die vier, die um den runden Tisch saßen. »Haben Sie alle?«
Sie antworteten nicht; sie hatten sich schon vorher bedient.
»Ich habe einen Job«, sagte Glenton.
Niemand antwortete. Das war kaum eine Neuigkeit für sie. Daß er sie gerufen hatte, um die Tagespolitik zu diskutieren, hatten sie nicht erwartet.
»Es ist ein dicker Job.«
»Wie dick?« fragte Croft. Er war groß. Seine Kompaktheit wies auf körperliche Kraft hin. Er sah gut aus, hatte braunes welliges Haar und blaue Augen; er war verheiratet, aber ein Schürzenjäger. Es gab kein Auto, das er nicht in zwanzig Sekunden aufbrechen konnte, und auch keins, das er nicht fahren konnte, vom uralten Bentley bis zum Iso Grifo.
Glenton, der sich nicht gesetzt hatte, ging zum Fenster, von dessen Rahmen die Farbe abbröckelte. Er sah in den ungepflegten, überwucherten Garten. »Über hunderttausend Pfund, vielleicht auch über hundertzwanzigtausend.«
Weston, ein wenig älter als Croft, leckte sich mit der Zunge über die dicken, fleischigen Lippen. »Nicht übel.« Ein gieriger Ausdruck trat in sein langes, mißmutiges Gesicht, ein Strahlen erhellte seine wässerig-blauen Augen.
»Das ist ’ne Menge Holz«, sagte Holdman laut. »’ne Menge ordentliches Holz.«
Riley, Croft und Weston starrten Holdman an. Allen lag dieselbe Frage auf der Zunge. Warum war Holdman hier? Sie alle waren Experten auf ihren Gebieten, aber was war Holdman? Sie hatten noch nie von ihm gehört, und die kurzen zehn Minuten, die sie ihn kannten, hatten sie davon überzeugt, daß er ein Schwätzer und Angeber war.
»Für so ’ne Masse Holz«, fuhr Holdman fort, ohne sich des Eindrucks bewußt zu sein, den er ausgelöst hatte, »mach ich alles überall und zu jeder Zeit.« Er lachte.
Riley strafte ihn mit Verachtung. »Brenner« Riley war einundfünfzig Jahre alt und einer der besten Schweißer des Landes – vielleicht sogar der beste. Er war fast kahl, klein und geschniegelt, und er hatte das Gesicht eines freundlich-boshaften Gnoms. Auf der rechten Wange prangten eine Delle und ein schwarzer Fleck von einer alten Nitroglyzerin-Explosion, bei der er fast ums Leben gekommen wäre.
Glenton drehte sich um. »Es handelt sich um eine Fabrik, die Betriebsferien macht. Alle Arbeiter bekommen am letzten Tag zu ihrem normalen Lohn das Urlaubsgeld für zwei Wochen.«
»Haben die’s gut!« rief Holdman. »Werden fürs Nichtstun bezahlt. So einen Job könnte ich auch mal vertragen.«
»Warum halten Sie nicht …« Croft sprach nicht weiter. Er hob resigniert die Schultern, trank sein Glas leer und goß sich noch einen Whisky ein.
Glenton redete unbeeindruckt weiter, als ob er die unfreundliche Stimmung nicht merkte. »Die Lohngelder für drei Wochen machen über hunderttausend Pfund aus, wie ich schon sagte, es kann auch sein, daß es hundertzwanzigtausend werden.«
»Und welche Teilung schlagen Sie vor?« fragte Riley. Er mißachtete die Zigaretten und Zigarren auf dem Tisch, holte eine abgenutzte Dose aus seiner Tasche und rollte sich eine sehr dünne Zigarette.
»Ich habe den Job seit Monaten überprüft«, sagte Glenton, »und das kostet eine Menge. Ich will fünfundfünfzigtausend haben, wenn wir hunderttausend erwischen, fünfundsechzigtausend, wenn es über hundertzehntausend werden sollten. Alle Unkosten trage ich.«
Croft, Riley und Weston überlegten sich den Vorschlag. Glenton verlangte viel, aber es war klar, daß solch ein Job viele Auslagen bedingte. Und in jedem Falle blieben fünfundvierzigtausend übrig, so daß jeder über elftausend einstecken konnte. Auch in Zeiten der schleichenden Inflation konnten sich elftausend Pfund sehen lassen.
Holdman sagte laut und kampflustig: »Und das halten Sie für richtig? Fünfundfünfzig Mille für Sie, wo wir die ganze Arbeit machen? Ich bin für gleiche Anteile und anteilige Unkosten.« Unterstützung heischend blickte er die Männer am runden Tisch an. Niemand beachtete ihn.
Rileys selbstgemachte Zigarette war ausgegangen. Er strich ein Holz an und zündete sie wieder an. »Erzählen Sie uns von dem Job.«
Glenton kam vom Fenster weg, trat zum Tisch und setzte sich auf den freien Stuhl. Er goß sich einen Gin ein und schüttete Tonic dazu. »Es wird hart werden.«
Sie waren kaum überrascht. Sie hatten nicht damit gerechnet, daß das Geld auf der Straße liegen würde.
»Es geht um einen gepanzerten Lastwagen.« Er probierte den Drink und schüttete noch etwas Tonic nach. »Das Geld wird von der Bank geholt und dann aus der Stadt zu der Fabrik gebracht.«
»Und wo schalten wir uns ein?« fragte Croft. »Draußen vor der Bank?«
»Nein.«
»Vor der Fabrik?«
»Nein.«
»Sie wollen es unterwegs machen?«
»Ja.«
»Das ist wirklich hart«, sagte Riley langsam.
»Natürlich. Aber weil es so hart ist, ist es auch so einfach.«
»Was, zum Teufel, soll das bedeuten?« fragte Holdman aufgeregt und mit rotem Gesicht.
Glenton ruckte an dem Knoten seiner vorzüglich gebundenen dunkelgrauen Krawatte. Er war immer gut angezogen; seine Anzüge kosteten immer über achtzig Guineas. »Der Zeitpunkt des Überfalls ist ziemlich ungünstig, aber logischerweise erwarten sie dann auch keinen Ärger.«
»Vielleicht erwarten sie ihn nicht, sind aber doch darauf vorbereitet«, sagte Holdman.
Weston lehnte sich über den Tisch. »Wie soll die Sache laufen? Bei einem verrückten Ding mache ich nämlich nicht mit.«
Glenton lächelte kurz. »Der gepanzerte Lastwagen wird von vier Wächtern geschützt. Sie tragen alle Gaspistolen. Der Lastwagen ist sechs Monate alt, und das Chassis besteht aus besonders hartem Stahl. Zwei Wächter sind im Fahrerhaus, zwei im Transportraum. Die einzige Verbindung zwischen Transportraum und Fahrerraum besteht aus einem kleinen Gitter, das von innen verschlossen ist.« Glenton machte eine Pause und sah in die Gesichter. »Die hinteren Türen sind ebenfalls von innen gesichert, wir können also nur rein, wenn wir sie aufbrennen.«
»Wie dick ist der Stahl?« fragte Riley.
»Drei Achtel. Dazwischen liegt eine Kupferplatte, die als Hitzeschild dient.«
»Leicht brennt das aber nicht.«
»Selbst Sie, Brenner, können den Job nicht unter zwanzig Minuten machen.« Glenton steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an. Die vier warteten darauf, daß er fortfuhr.
»Die zwei Wächter im Transportraum haben einen Sender und einen Empfänger. Sie stehen in ständiger Verbindung mit ihren eigenen Leuten, und in einem Notfall dürfen sie auf der Polizeifrequenz um Hilfe rufen.«
»Das macht Spaß«, sagte Holdman laut. »Das erste Anzeichen von Ärger, und die beiden quaken so laut, daß jeder Bulle im Umkreis von fünf Kilometern angelaufen kommt.«
»Das stimmt.«
Holdmans Stimme wurde noch lauter. »Wenn wir den Lastwagen also unterwegs angreifen, werden die Wächter doch die Bullen alarmiert haben, bevor wir die Farbe runtergeschmolzen haben.«
Keiner der anderen drei Männer sagte ein Wort, aber alle waren sehr gespannt. Auf ihren Gesichtern lagen Zweifel und Mißtrauen.
»Ich bin mit den Alarmmöglichkeiten noch nicht durch«, sagte Glenton. Er sprach ruhig und vertrauenerweckend, als ob die Schwierigkeiten keine praktischen Konsequenzen mit sich zögen. »Auf dem Dach ist eine Sirene, die vom Fahrerhaus aus eingeschaltet werden kann; es heißt, daß man sie in einem Orkan kilometerweit hören kann.«
Weston stand auf und schob seinen Stuhl zurück. Er hatte die Hände in den Hosentaschen. »Und was wollen Sie da machen? Pfeifen und hoffen, daß niemand es hört?« Seine Stimme klang schrill wie immer, wenn er erregt oder verärgert war.
»Das werde ich Ihnen sagen, wenn ich mit den Schwierigkeiten fertig bin.«
»Für mich nicht mehr, Mann. Sie haben uns schon genug gesagt …«
Glenton unterbrach ihn und fuhr in derselben ruhigen, belustigten Stimme fort: »Die Türen des Fahrerhauses sind abgeschlossen, und die Fenster bleiben geschlossen. Dabei bleibt es, wenn der Lastwagen keinen Unfall baut. Die Türen sind besonders stabil, und die Fenster und die Windschutzscheibe sind aus kugelsicherem Glas.«
Riley rieb sich mit dem Rücken seiner rechten Hand über den kahlwerdenden Schädel. »Bob, für einen Witz ist mir die Zeit zu schade.«
»Was heißt das?«
»Das heißt, daß ich nicht länger bleibe.«
»Sie sind also nicht interessiert?«
»Nicht mal eine Million interessiert mich, wenn ich die Polizei im Nacken habe, sobald ich sie aufhebe. Ich mache bei dem Job nicht mit.«
»Warum nicht?«
Riley senkte den Kopf, und das Sonnenlicht, das durchs Fenster einfiel, schnitt den Kopf exakt in zwei Hälften. Die eine glänzte hell, und die andere lag im Schatten. »Der Job ist unausführbar.«
»Der Meinung bin ich nicht.« Glenton gab sich amüsiert.
Riley wurde wütend. »Sie sagen, daß ich die Türen nicht unter zwanzig Minuten durchbrennen kann. Was passiert denn, wenn ich angefangen habe, wenn es uns überhaupt gelingt, den Lastwagen zu stoppen? Die Wächter schlagen Alarm, und die Bullen sammeln mich ein, und Sie auch.«
Auch Croft war wütend. »Und wie wollen Sie den Lastwagen anhalten? Und wenn er angehalten hat, wie kommen wir dann an die Kerle im Fahrerhaus dran, wenn die Türen abgeschlossen und das Glas kugelsicher ist?«
»Wir wollen nicht an sie ran«, erwiderte Glenton.
»Wir lassen sie also ruhig da sitzen, während wir versuchen, die Tür aufzuschweißen?«
»Genau.«
»Und niemand wird sich darum kümmern, was da eigentlich passiert?«
»Genau.«
»Und die Wächter schreien nicht nach den Bullen?«
»Doch, sie werden schreien.«
»Irre doof«, schnarrte Weston, und seine Stimme klang noch schriller. Glenton nippte an seinem Gin Tonic. Er zog an der Zigarette und tupfte sie behutsam im Aschenbecher ab, wohl bewußt, daß alle seine Bewegungen verfolgt wurden.
Niemand rührte sich. Sie waren alle der Meinung, daß man den Job nicht ausführen konnte, was auf der Hand lag … Trotzdem wußten sie, daß Glenton ein Mann war, der schon einige gute Jobs organisiert hatte, wenn auch noch keinen so großen. Er war kein Anfänger. Aber wie konnte er es für möglich halten, einen gepanzerten Lastwagen zu entführen und auszurauben?
»Ist jemand noch interessiert?« fragte Glenton.
Alle blieben. Es war nicht einfach, seinen Anteil von hunderttausend Pfund sausen zu lassen.