BODO HARENBERG
Heinz G. Konsalik: Rekordmann der Buchmesse
Unter den Autoren, die in diesem Jahr zur Messe kommen, ist keiner, der mithalten könnte mit Heinz G. Konsalik: Keiner hat so viele Bücher geschrieben wie Heinz G. Konsalik, keiner hat mit allen seinen Büchern eine auch nur annähernd vergleichbare Gesamtauflage erreicht wie Heinz G. Konsalik, keiner vermag mit solcher Zuverlässigkeit sein jährliches Pensum zu absolvieren wie Konsalik, kaum einer, der ein Publikum von so weit oben bis so weit unten erreicht. Wer ist dieser Mann? Bodo Harenberg hat ihn auf seinem Anwesen bei Königswinter besucht.
… Mittlerweile steht der Name Konsalik auf rund 70 Romanen, die in 17 Sprachen und fast 25 Millionen Exemplaren (1979: 80 Romane, Gesamtauflage 42 Millionen. D. Verl.) erschienen sind. Alle Jahre kommen mindestens zwei Hardcovers und meist zwei Taschenbuch-Originalausgaben hinzu. In Zahlen: 500 Seiten in 4 Monaten.
Daß ihm eines Tages nichts mehr einfällt, »das jibbetet nich, das steckt irgendwie drin«.
Heinz G. Konsalik, heute auf den Umschlägen nur noch als Konsalik ausgewiesen, weiß dies, seit er mit 10 Jahren den ersten Roman in ein Schulheft schrieb. Als er 14 war, wußte er schon, wie Titel klingen müssen (›Heimat kehre wieder‹), mit 15 schrieb er Kurzgeschichten für eine Kölner Tageszeitung, als Student auch theaterwissenschaftliche Essays.
»Aber mein Weg als Schriftsteller war irgendwie vorbestimmt, durch die Begabung, die Phantasie, die man nicht lernen kann, die ist angeboren.«
Seine Leser lieben diese Phantasie, seit 1956 ›Der Arzt von Stalingrad‹ erschienen ist. Die Idee dazu stammte von Medienmanager Josef von Ferenczy, der eigentlich Hans G. Kernmayr mit der Ausarbeitung des Stoffes beauftragt hatte, dann jedoch, als dieser nicht überkam, den Auftrag an Konsalik weitergab.
»Irgendwie«, weiß Konsalik heute, »steckt diese ostische Seele in dem Konsalik drin.« Er läßt es geschehen, daß er als ›Kölner mit russischer Seele‹ apostrophiert wird, wehrt sich auch nicht, wenn er von Lesern gelegentlich ›als richtiger Russe‹ angesehen wird.
Warum auch: Er hat seine Helden ›Unter dem Himmel von Kasakstan‹ auftreten lassen, mit den ›Verdammten der Taiga‹ gelitten, von der ›Liebe am Don‹ und von der schönen ›Ninotschka‹ berichtet, er durchlebte als Autor ›Liebesnächte in der Taiga‹ und ›Liebe in St. Petersburg‹.
Sieben deutsche Verlage hat er bisher beschäftigt, seine Romane zwischen Buchdeckel zu bringen.
Inzwischen gibt es einen Rahmenvertrag, der Ordnung in das Erscheinen der Konsalik-Novitäten bringen soll. Ein Abkommen mit der Verlagsgruppe Bertelsmann sieht vor, daß Bertelsmann alle Buchrechte wahrnimmt (ausgenommen bleiben Fortsetzungsromane für Zeitungen und Zeitschriften, die weiter von der Agentur Ferenczy verwaltet und verwertet werden). Zwar behält er sich vor, auch weiterhin dazwischenzufahren (»Holla, da habt ihr was falsch gemacht, da werde ich munter«), in der Hauptsache jedoch ist er froh, daß er nun nicht mehr um ›all diesen bürokratischen Kram‹ bemüht sein muß.
Er kann auf einen Mann vertrauen, der zur Familie gehört: Reinhold G. Stecher, Verlagsleiter von C. Bertelsmann, ist sein Schwiegersohn. Von ihm stammt auch die Idee, daß man das Werk eines Mannes ›von derart ungewöhnlicher Produktivität‹ besser koordinieren und auch intensiver auswerten müsse. Was nunmehr geschieht: Konsalik-Romane sind in den letzten zwei Jahren häufiger ins Ausland verkauft worden, als in den 20 Jahren zuvor. Der Bertelsmann-Lesering wird im ersten Quartal 1979 erstmals einen Konsalik als Hauptvorschlagsband bringen und ähnliches mehr.
Die Novitäten werden zwischen Hestia und Bertelsmann brüderlich geteilt: Ein Roman pro Jahr für Hestia, einer für Bertelsmann.
Die Vermutung, daß er mit beiden Verlagen Verträge ausgehandelt hat, die ihm – wie etwa Grass oder Lenz, Simmel oder Bieler – um die 17 Prozent Honorar einbringen, entkräftet er mit dem Hinweis ›auf das Stück Germanentreue‹, das in ihm sei. Sein Honorar beginnt nach wie vor bei 10, steigt auf 12 und endet bei 15 % – je nach Auflage.
Erträge, die aus den Abschlüssen mit Buchgemeinschaften fließen, teilt er 50 : 50, Vorabdrucke werden mit 60 : 40 zu seinen Gunsten abgerechnet. Vorschüsse ›finden nur im üblichen Rahmen statt‹. Gezahlt wird bei Ablieferung des Exposés und in drei weiteren Raten.
An diesen Absprachen hat er seit Jahr und Tag nicht gerüttelt: »Warum auch? Mir geht es gut, und das genügt mir. 63 % meiner Einnahmen gehen ans Finanzamt, warum also sollte ich feilschen?«
Das Gutgehen findet auf jenem Weitblick-Hügel in Ägidienberg im Siebengebirge statt, von dem er selbst sagt, daß er sagenumwoben sei, vom dem seine Nachbarn jedoch als dem ›Konsalik-Hügel‹ sprechen. Mittlerweile stehen auf dem Grund drei Bungalows – einer fürs Schreiben, einer als Schwimm- und Sporthalle, einer zum Wohnen. Dazu kommen ein Rosengarten sowie Stallungen für Pferde (2).
Die Geschäfte daheim führt Frau Elsbeth. Was auch nicht anders geht: Er selbst sitzt 15 Stunden pro Tag an der Maschine, bis er ›wie ein nasser Sack‹ seiner Familie vor die Füße fällt. Aber er beklagt nichts: »Dat muß alles aus mir raus.«
Was aus ihm heraus und aufs Papier kommt, wird mit vier Durchschlägen geschrieben und hernach keines Blickes mehr gewürdigt. Er gibt es so an den Verlag, wie es aus ihm herauskommt, ohne einen Buchstaben zu verbessern: »Es sitzt in meinem Kopf.«
Daß er Schreibe-Neger beschäftigt, hat man ihm angesichts seiner Produktivität immer wieder unterstellt. Er gibt zu, den Versuch unternommen zu haben, »aber nach der Hälfte habe ich den Kerl rausgeschmissen«.
Heute ist genau eingeteilt, wer was von ihm bekommt. Die Hardcovers gehen, wie erwähnt, an Hestia und Bertelsmann. Die Romane, die zuerst im ›Goldenen Blatt‹ von Gustav Lübbe erscheinen, kommen hernach als Bastei-Lübbe-Taschenbücher heraus. Fortsetzungsromane für ›Bild‹ werden anschließend bei Heyne verwertet. ›Reguläre‹ Taschenbücher gingen bisher ebenfalls an Heyne, nunmehr jedoch vorwiegend an Goldmann.
Er ist stolz darauf, daß er weiß, wie sein Leser ›denkt und fühlt‹, daß seine Bücher mehr gekauft werden als die des Nobelpreisträgers Heinrich Böll. Es geniert ihn auch nicht, daß er Ereignisse oder Gestalten, Wendungen oder Hintergründe, die seine Verlage in aller Welt für besonders verkaufsträchtig halten, auf Wunsch in die Handlung einflicht. »Warum denn nicht?«, fragt er.
Die Themen, die er sich heute sucht, machen nicht mehr an der russischen Grenze halt. Flugzeugentführung und Geiselnahme, Kalter Krieg und verblassendes Wirtschaftswunder – Konsalik hat die Gedanken immer im Wind, wenn er, umgeben von allerlei Nachschlagewerken und sonstigen Materialien, die ihm exakte Ortsbeschreibungen liefern, auf die Tasten seiner mechanischen Schreibmaschine schlägt (die elektrische, die er von der Familie zu Weihnachten bekam, hat er schnellstens wieder weggestellt).
Ob es ihn wurmt, daß ihn etablierte Kritiker nicht ebenso wie seine Leser lieben? »Nein, ich schreibe nur für meine Leser, ich bin Volksschriftsteller.« Überdies hat er Trost von seinem Freund Gustl Kernmayr erfahren: »Wenn dir jemand sagt, du wärst ein Trivial-Schriftsteller, wirf dich in die Brust und sage: ›Gott sei Dank‹!«.
(›Buchreport‹ Nr. 43/1978)