(Antwort Heinz G. Konsaliks) 14.1.1978

Liebes Fräulein … …

durch Auslandsreisen, Signier-Tourneen und andere dringende Verpflichtungen komme ich erst heute dazu, Ihnen für Ihren Brief vom 7.12. zu danken. Es hat mich sehr gefreut, daß Sie Ihre Facharbeit gerade über mich schreiben wollen … viel Glück dazu und eine gute Zensur!

Um nun Ihre Fragen zu beantworten –, was ich gerne tue –, numeriere ich sie wie Sie, so daß Sie kontinuierlich damit arbeiten können.

Fangen wir also an:

1. Der Beruf des Schriftstellers war mir – wie man so sagt – von vornherein vorgegeben. Mit 10 Jahren bereits schrieb ich meinen ersten Roman … über einen Indianerstamm, die Pawnees. – Mit 14 Jahren dann eine schon ernst zu nehmende Novelle, mit 17 Jahren publizierte ich bereits laufend in Kölner Zeitungen Kurzgeschichten und Feuilletons. – Man kann also sagen: Aus einer Berufung wurde Beruf. Talent ist angeboren, – lernen kann man nur das ›technische‹ Rüstzeug.
2. Ich rechne mich zur Kategorie der Unterhaltungsschriftsteller, wobei ›Unterhaltung‹ so zu verstehen ist, daß man ernsthafte Themen, Anliegen, menschliche, soziale oder politische Probleme nicht trocken abhandelt, sondern sie volkstümlich ›verpackt‹ in eine Sprache, in eine Handlung und in eine Form, die jedermann versteht. Es hat in meinen Augen keinen Sinn, nur für 500 Intellektuelle zu schreiben … meine Aufgabe als Schriftsteller ist die Breitenwirkung. Das Fräulein hinterm Ladentisch soll mich ebenso verstehen und von meinen Büchern begeistert sein wie der Direktor auf seiner Chef-Etage. Wenn mir das gelungen ist – und die Auflagenzahlen sprechen dafür –, habe ich mein Ziel erreicht. Man kann dazu auch ›Volksschriftsteller‹ sagen … das wäre sogar ein Ehrentitel. Waren Emile Zola oder Balzac etwas anderes?
3. Ich habe bisher 74 Bücher geschrieben. Da die Themen sehr unterschiedlich sind und z.B. abenteuerliche Storys weniger Zeit benötigen als ärztliche Themen, ist für jedes Buch der nötige Zeitaufwand vorhanden. Es gibt Bücher von mir, die vorher fast 2 Jahre lang recherchiert werden, ehe sie geschrieben werden. Das Niederschreiben nach solch langen ›stillen‹ Vorbereitungen ist dann im Verhältnis zur Vorarbeit kurz. Ich bin ein fleißiger Arbeiter, der keine 40-Stunden-Woche kennt. Würde ich allerdings gewerkschaftlich denken mit 38-Stunden-Woche, freiem Samstag und Sonntag, hätte ich gewiß nie so viele Bücher schreiben können. – Eins der wichtigsten Fundamente – das ist eine ewig gültige, uralte Weisheit – ist Fleiß. Sind Ausdauer und Selbstdisziplin. Man kann nicht etwas Außerordentliches leisten, wenn man nur auf die Freizeit hinarbeitet, wie es heute modern ist.
4. Die Frage ist eigentlich mit meiner Antwort Nr. 2 beantwortet. Hinzuzufügen wäre vielleicht noch, daß alle Bücher aus dem Kriegserleben ›Warnbücher‹ an die Jugend sein sollen: Nie wieder Krieg! Und daß sie die Verlogenheit der ›Heldenverehrung‹ aufdecken sollen, denn der Tod da draußen an der Front ist kein glorreicher ›Heldentod‹, sondern das dreckigste Krepieren, das es gibt! – Irgendwie – bei 73 Büchern es einzeln aufzuzählen, wäre hier unmöglich – hat jeder Roman von mir ein Anliegen. Es geht dabei nicht um Gefühle oder Emotionen, sondern um Wahrheiten, die man im guten, fetten Leben so schnell vergißt.
5. Ein Gut-und-Böse-Schema gibt es nicht. Das Schema ist der Mensch selbst. Im täglichen Leben – das werden Sie sehen, wenn Sie älter sind und selbst nach allen Seiten boxen müssen – wohnen Gut und Böse so eng zusammen, daß ein Philosoph einmal gesagt hat: »Es gibt keinen guten Menschen, es gibt keinen bösen Menschen … es gibt nur den Menschen, und der übertrifft alles!« (Ich glaube, es war Sartre). So ist auch in den Romanen das Gut-Böse-Verhältnis bewußt herausgearbeitet, weil der Leser ein Anrecht darauf hat, ausgeleuchtete Charaktere in den Büchern zu finden und nicht verschwommene Gestalten, die er nicht einordnen kann. Dazu kennt er ja selbst zu viele Typen aus seiner nächsten Umgebung, die er genau einordnen kann … und da liest er dann einen Roman, wo alle Menschen wie im Nebel schweben. Das ist keine Realität mehr! Aber der Leser – mein Leser – will, bei allen sonstigen Illusionen, die Romane wecken, wenigstens in den Personen des Buches reale Figuren sehen, mit denen er sich selbst oder seine Umgebung identifizieren kann.
Um es vorwegzunehmen: Das ist eines der Geheimnisse, warum meine Romane bisher eine Weltauflage von 29 Millionen in 17 Sprachen haben. Der Leser ›spürt‹ den Menschen im Buch … das Gute und das Böse. Und so schrecklich es klingt: Der Mensch ist von Natur zunächst böse! Erst Erziehung, religiöses Ethos, Intelligenz und Erfahrungen überdecken das Böse. Ich sage bewußt ›überdecken‹ … den ›edlen, guten Menschen‹ gibt es nicht, auch wenn Brecht ihn im ›Guten Menschen von Sezuan‹ beschrieb. Das ist Schwarz-Weiß-Dichtung. Auch ein Albert Schweitzer war nicht nur ›gut‹ … er war als Mensch (gottseidank) mit genug Schattenseiten behaftet.
6. Ihre Frage 6 ist mit den obigen Antworten – glaube ich – deutlich geklärt. Ich will den Menschen in seiner ganzen Vielfalt zeigen … im eigenen gewöhnten Milieu und in Ausnahmesituationen. Und ich will zeigen, zu was der Mensch fähig ist … ganz gleich, wo er steht und was er macht. – Das ist ein Thema, das man nie ausschöpfen kann.
7. Nein. – Wenn man Menschen beschreibt, hat man eine Vielfalt von Schicksalen in der Hand. Jeder Mensch erlebt im Laufe eines Erdendaseins eine Reihe ›Romane‹. Selbst wenn einer in einer Fabrik am Automaten sitzt und 50 Jahre lang tagaus-tagein die gleiche Feder stanzt … ist das nicht ein grandioses menschliches Thema?! 50 Jahre eine Feder stanzen … 20 mm lang, 0,4 mm dünn … und sonst nichts!Und wenn man einen Roman schreibt, hat man zehn oder zwanzig Menschenschicksale zu beschreiben, Schicksale, die sich mit den anderen verquicken. Das ist Leben … und meine Bücher sollen das Leben widerspiegeln.
8. Die Werbung übernimmt der Verlag. Ich habe keinen Einfluß darauf.
9. Zuerst gibt es ein Exposé, das die Rohhandlung fixiert. Dann, beim Schreiben selbst, entstehen durch die zum Eigenleben erwachten Romanpersonen so viele andere Handlungen, die man vorher gar nicht ahnen kann. Die Generallinie des Romans aber bleibt … nur die Wege zum Ziel verlaufen oft anders als geplant, eben, weil die Personen mich als Autor dazu zwingen.
10. Auch diese Frage ist oben beantwortet worden. Vorarbeiten können bis zu 2 Jahren dauern, manchmal sogar 3 Jahre … ich bereite z.B. jetzt eine Roman-Trilogie seit 15 Jahren vor und bin mit den Vorarbeiten noch nicht am Ende! – Die Niederschrift ist dann kürzer. Bei Nichtbeachtung von Uhrzeiten und Stundenzahl (denn manchmal geht es bis in die Nacht hinein) muß ich für die Niederschrift 4 - 5 Monate rechnen, manchmal sogar weniger, je nach Thema und Länge des Romans.
11. Der gleiche Typ Frau, wie Sie meinen, stimmt nicht. Sie haben sich allerdings mit ›Strafbataillon 999‹, ›Natascha‹ und ›Der Arzt von Stalingrad‹ gerade 3 Romane ausgesucht, die a) in Rußland spielen, b) sowjetische Ärztinnen als Hauptfiguren haben und c), sei es im Krieg oder im Frieden, russische Gebiete in der Taiga, an Wolga und Don berühren, die Menschen zu ganz bestimmten Charakteren formen.
Lesen Sie den Nobelpreisträger Scholochow. ›Der stille Don‹. ›Neuland unterm Pflug‹, ›Ernte am Don‹, ›Geschichten vom Don‹ … Sie werden immer die gleichen Menschen finden in tausenden Variationen. – Das ist ja das Verblüffende und gleich Erschreckende am Menschen: Jeder ist eine individuelle Variation des anderen. Wenn ein Schriftsteller ehrlich sein will, muß er das zeigen.
12. Happy-End. – Warum nicht? Es gibt genug Autoren, die ihren Lesern am Ende die Lösung der Konflikte selbst überlassen. Das verwirrt den Leser, und er kauft solche Bücher nicht mehr. – Und was heißt Happy-End? Wenn z.B. im Strafbataillon 999 am Schluß ein neues Bataillon nach Rußland zieht, nachdem das alte völlig vernichtet wurde … ist das ein Happy-End? Oder wenn – wie in Natascha – am Schluß die große Sehnsucht nach Rußland zurückbleibt, die Leere in der Emigration, die innere Träne nach der verlassenen Heimat … ist das happy? Und wenn im Arzt von Stalingrad von 364.000 deutschen Soldaten nur noch 6.000 übrigblieben und dann aus der Gefangenschaft zurückkommen … ist das ein Happy-End? Andererseits – und das ist ja der Wille eines jeden Menschen – möchte man Probleme gelöst haben, im täglichen Leben wie im Roman. Wie sähe die Welt aus, wenn jeder sagen würde: Laß alles so laufen, wie's läuft, warum soll ich's ändern?! – Jeder will in seinem Leben eine kleine Insel voll Glück und Zufriedenheit haben … was ist das anderes als das ganz große Happy-End?! Und warum soll ein Roman, der Leben beschreiben will, gerade dieses Happy-End aussparen? Das wäre eine unrealistische Masche.
13. Viele – nicht die meisten – meiner Romane spielen in Rußland, weil ich in Rußland war, als Kriegsberichterstatter, und weil ich dieses Land und seine Menschen liebe. Nicht den Kommunismus, nicht den Bolschewismus – das kann wirklich keiner von mir verlangen –, aber dieses riesige Land mit seinen Taigawäldern und Seen, Steppen und Strömen, unendlichen Sonnenblumenfeldern und bizarren Felsen, mit seinem Bodenreichtum und seiner Jahrtausende alten Jungfräulichkeit (man nennt ja in Rußland Sibirien das ›jungfräuliche Land‹ … das alles ist so schön und prägt den Menschen so tief, daß man nicht wieder davon loskommt, wenn man es erlebt hat. Hinzu kommt, daß mein Name KONSALIK (weit über Generationen zurückverfolgt) aus dem Bulgarischen kommt. Von den Rosenfeldern von Kasanlik. Die ›ostische Seele‹ steckt also in mir.
14. Warum nicht? Liebe kennt keine Grenzen. Liebe kennt auch keine Zeitumstände. Und Liebe ist – neben Hunger und Durst – die stärkste Triebfeder im Leben eines Menschen. Gäbe es ›Tristan und Isolde‹ ohne die Liebe Wagners zu Mathilde Wesendonck? Gäbe es Chopins wundervolle Nocturnes ohne die Liebe zu George Sand? Hat Liebe nicht ganze Abschnitte der Weltgeschichte verändert, wie bei Cäsar und Cleopatra, oder bei Marc Anton und Cleopatra? Wäre die gesamte Renaissance denkbar ohne das Fundament großer Lieben?
Warum also sollen sich Deutsche und Russen nicht lieben?
15. Der Gottglaube der Russen ist nie gestorben. Seit fast 60 Jahren nun schon hat man die Kirchen in Sowjetrußland bedrängt, verboten, geschlossen, Wodkafabriken aus ihnen gemacht, Getreidelager, Theater … die Popen (Priester) arbeiteten weiter, und das Volk schlich in die geheimen Gottesdienste. Dann lockerte man den Druck, weil man einsah, daß es besser sei, Bolschewismus und Gott nebeneinander leben zu lassen. Und seitdem gibt es in Rußland – wenn auch reduziert – wieder öffentliche Gottesdienste in Kirchen, es gibt den Patriarchen von Moskau, die Metropoliten von Leningrad und Minsk … und der nächtliche Ostergottesdienst in den Kirchen rund um Stalingrad (heute!) gehört zu den ergreifendsten Erlebnissen. Ich habe viele Fotos davon.
16. Das Ende einer Liebe zwischen einer Russin zu einem Deutschen mit Tragik. Warum? – Noch heute ist es ungeheuer schwer, als Deutscher oder überhaupt Ausländer eine Russin zu heiraten und aus Rußland mitzunehmen. Allein in meinem Bekanntenkreis haben zwei Herren Russinnen drüben geheiratet. Sie brauchten 2 Jahre, bis die Ehefrauen endlich, unter größten Schwierigkeiten, die Ausreiseerlaubnis erhielten. Man schaltete sogar den KGB (Sowj. Geheimdienst) ein, drohte mit Deportationen, Verhaftungen usw. Und das nicht etwa vor einigen Jahren, sondern jetzt!
Vor Jahren war eine Ehe zwischen Russinnen und Ausländern fast unmöglich! Da halfen nur Entführungen über Japan oder den Iran, über Finnland oder die Ostsee … jedes Schicksal – Sie sehen, wie das Leben automatisch Stoffe liefert – ein neuer Roman (mit Happy-End!).
Warum das so ist? Man sollte die Sowjets fragen, was sie unter Freiheit verstehen. Auch das ein Romanthema über Rußland. Die Phantasie eines Autors kann gar nicht so umfangreich und turbulent sein, wie die Politiker laufend verrückte Realitäten schaffen. Und wenn man einen ehrlichen Roman schreibt, muß das eben hinein: Eine russisch-deutsche Liebe ist auch heute noch immer eine kleine Tragödie. – Das ist eine politische Wahrheit.
17. Ja. Nach dem Krieg haben die Frauen der kriegsgefangenen deutschen Soldaten auf ihre Männer gewartet. Es war eine Zeit, in der die Frau über sich selbst hinauswuchs. Hunderte Frauen warteten z.B. im Auffanglager Friedland monatelang auf die Rückkehr ihrer Männer aus Rußland. Hunderttausende schickten Fotos an das Rote Kreuz und ließen nachforschen. Und auch heute noch gibt es Tausende von Frauen, die immer noch hoffen, daß ihr Mann – der als vermißt gilt – einmal zurückkommt, weil man ja weiß, daß es in Rußland Schweigelager gibt und man Soldaten als Kriegsverbrecher zu lebenslang Sibirien verurteilt hat, nur weil sie an einer Straßenkreuzung standen und den Verkehr regelten. Urteilsbegründung: ›Mithilfe beim Aufmarsch zur Vernichtung der Sowjetrepublik‹.
Was die deutschen Frauen in den Jahren nach dem Krieg geleistet haben, ist einmalig in der Geschichte. Sie haben die Ruinen weggeräumt, sie haben den Mörtel von den alten Ziegeln geklopft und mit den Steinen neue Häuser gebaut, immer in dem festen Glauben: Es wird besser! Unsere Männer kommen einmal zurück. Wir müssen ein neues Leben aufbauen. Die Generation, die heute im Wohlstand aufwächst, kann so etwas kaum begreifen: Man lebte in noch erhaltenen abgestützten Kellern und fing das Regenwasser auf, weil alle Leitungen zerstört waren. Der Wohlstand der Deutschen hat seinen Anfang genommen 1945 mit den arbeitenden Händen der Frauen.
18. Frage 18 ist mit den obigen Antworten voll beantwortet. Nie wieder Krieg … denn bei dem nächsten Krieg gibt es keine Sieger und Besiegten … nicht einmal mehr Lebende oder Überlebende. Die Perfektion der Atomwaffen bedeutet das totale Ende.
19. Ist oben beantwortet.
20. Die Schauplätze stimmen. Es gibt die Orte, es sieht dort auch so aus, wie im Roman beschrieben. Nur die Personen sind frei erfunden, das heißt, auch die Personen sind dort möglich, sie können dort leben, nur heißen sie anders.
Und was die Kriegsszenen betrifft … sogar ein Autor wie ich muß eine Grenze einhalten. Wenn ich bestimmte Kriegsszenen so schreiben würde, wie sie wirklich waren (also nicht abgemildert), überstiege das das Maß des Erträglichen. Sie sollten mal gesehen haben, wenn ein Granatsplitter einen Bauch aufreißt, und der Verwundete schreiend, seine hervorquellenden Därme festhaltend, über die Erde kriecht. Oder wenn ein Mensch voll vom Strahl eines Flammenwerfers erfaßt wird und sekundenschnell im glühenden Öl skelettiert wird. So etwas kann man kaum beschreiben.
21. Ihre Frage 21 ist auch schon beantwortet. Ich war Kriegsberichter in Rußland und habe an verschiedenen Frontabschnitten viel gesehen.
22. Kriege und Liebe … das ist ein Traum wie Krieg und Frieden. In allen Kriegen gab es Liebe, die die Fronten verwischte. Einen Kriegsroman mit Liebesszenen zu schreiben, ist deshalb natürlich, eben weil es ein wahrhaftiger Roman sein soll. Krieg ist etwas Allumfassendes: Es wird darin nicht nur gestorben, sondern auch gezeugt. Eben, weil Kriege von Menschen gemacht werden.
Das ist unser alter Ausgangspunkt: Den Menschen ohne Maske in seiner Vielfalt so beschreiben, wie er ist. Romantisch und brutal, schöpferisch und zerstörend … wir sind nun einmal so!
23. Partisanen! – Erstens war der Partisaneneinsatz in Rußland ab 1943 ebenso wichtig wie der Fronteinsatz, weil der gesamte Nachschub von ihnen gestört wurde, zweitens habe ich selbst einen Partisanenangriff erlebt (ich lag damals schwerverwundet in einem Notlazarett), drittens ist vom Kriegsrecht her der Einsatz zivilisierter Terror- und Tötungstrupps (und das waren die Partisanen, auch wenn man sie heute als Helden vergöttert) für den Soldaten das Hinterhältigste und Gemeinste, was es gibt, weil er seinen Gegner nie erkennen kann, und viertens war die Grausamkeit der Partisanen, war ihr Fanatismus so groß, daß die Bekämpfung der Partisanen einen großen Teil des russischen Krieges ausmachte. Darum bei mir, in meinen Romanen, immer wieder die Partisanenszenen … Rußland ohne Partisanen wäre damals kein Rußland gewesen.
24. Das stimmt nicht. Ich diskutiere das Partisanenproblem genau durch, z.B. in dem Roman ›Die Rollbahn‹, der fast zu 70 % eigenes Erleben oder das Leben meiner Frau enthält. In den drei von Ihnen ausgewählten Romanen ist die Problematik angeschnitten … die Diskrepanz zwischen Vaterlandsverteidigern und getarnten Mördern aus dem Hintergrund. Man wird da nie zu einer Wertung kommen … Recht hat immer der Sieger!
25. Ärzte! Sie werden in allen 74 Romanen von mir einen Arzt oder ein medizinisches Problem als Handlungsträger finden. Es gibt kein Konsalik-Buch ohne Arzt. – Warum? Ich hatte selbst angefangen, Medizin zu studieren, aber bin dann übergewechselt zu Theaterwissenschaft, Literaturgeschichte und Zeitungswissenschaft. – Später habe ich das bereut … es gibt genug schreibende Ärzte. – Dieses ›Nicht-Arztsein‹ ist so zu einer Art Trauma geworden. In einen Konsalik-Roman muß ein Arzt hinein.
So gibt es ja auch eine ganze Reihe spezifisch medizinische Romane mit rein medizinischen Themen, in denen ich – theoretisch – Behandlungsmethoden entwickelt habe, die später aufgenommen wurden und heute zum Allgemeingut der Ärzte gehören. Ich habe z.B. lange vor Barnard eine Herztransplantation in allen Einzelheiten beschrieben, als es noch hieß, das sei völliger Wahnsinn!
In meinem neuen Roman ›Das Haus der verlorenen Herzen‹, der im Februar bei Bertelsmann herauskommt, habe ich z.B. wieder eine völlig neue Methode der Herzverpflanzung entwickelt, an die noch niemand gedacht hat. Das ganze natürlich ›eingepackt‹ in eine spannende Romanhandlung, damit es jeder versteht. Man kann so etwas auch wissenschaftlich schreiben … aber wer liest es dann?! Auch dieser Roman wurde lange vorbereitet … ich war in Kapstadt bei Barnard am OP-Tisch, ich habe in Deutschland Herzoperationen am offenen Herzen mitgemacht … und erst dann geschrieben.
26. Was in ›Strafbataillon‹ an Schikanen steht, stimmt. Diese Strafbataillone – es gab in der damaligen deutschen Wehrmacht drei von ihnen: 333, 666 und 999, wovon 999 das schlimmste war – übertrafen an Vorgesetztensadismus alles, was man nur denken kann. Ob Schanzen unter Feindbeschuß, ob Räumen von Minenfeldern mit der bloßen Hand (das war noch harmlos) … es gab nichts, was menschlicher Erfindungsgeist an Gemeinheit nicht an diesen Männern ausgelassen hätte.
27. Diese Frage ist mit 26 beantwortet. Wissen Sie übrigens, daß der Bundesminister Egon Franke selbst einmal als Verurteilter im Strafbataillon 999 gewesen war? Er wird heute noch blaß, wenn er daran denkt – – –
28. Luka in ›Natascha‹, dieses Urbild russischer Kraft, ist ein Hüne. Warum soll er eine Übertreibung sein? Haben Sie noch keinen 2-Meter-Mann gesehen, vollgepackt mit Muskeln? So einen Catcher-Typ? Nicht anders müssen Sie sich Luka vorstellen: Ein Berg von Mensch, aus Knochen, Muskeln und Sehnen … aber mit einem weichen, zärtlichen Gemüt, wie man es oft bei solchen Kraftprotzen findet. Das ist ein psychologisches Phänomen: Diese Hünen sind innerlich weich wie Butter, und wenn sie mal heiraten, nehmen sie sich zierliche, kleine Frauchen, die sie auf einer Hand tragen können.
Der stärkste Mann der Welt, der russische Weltmeister im Schwergewichtheben, Wassilij, ist privat sanft wie ein Kind. Aber wehe, wenn man ihn reizt! Und da haben Sie es: Ein Russe der stärkste Mann der Welt. Und in ›Natascha‹ ist es Luka, ebenfalls ein Riesenkerl. Eine Urkraft, die Rußlands ewiges Leben versinnbildlichen soll … denn Rußland ist so gut wie Ewigkeit. Wenn der Westen längst degeneriert und morbid ist, wird Rußland noch immer jung sein. Dieses Volk, Jahrtausende alt, wird niemals alt … das ungeheure Land erneuert die Menschen immer wieder. Es ist rätselhaft, warum das kein westlicher Politiker einsieht.
29. Es gab solche Frauen wie Natascha in meinem Roman. Es wird immer solche Frauen geben … nicht in der Regel, sondern als Ausnahme. Deshalb war Natascha auch einen Roman wert! Dazu das Spezifische der ›russischen Seele‹, die wir Westeuropäer nie begreifen lernen. Auch hier prägt die Landschaft über Jahrhunderte hinweg die Menschen mit, vor allem ihre Seele.
30. Frauen als Ärzte. – Es war im Krieg, und gerade in den Gefangenenlagern, fast schon Sitte, daß die ärztliche Betreuung der Kriegsgefangenen von Ärztinnen wahrgenommen wurde. Die Ersten Untersuchungen, die Selektionen – ›arbeitsfähig – nicht arbeitsfähig‹ –, oft Todesurteile, denn arbeitsfähig hieß Arbeit im Wald, in den Kohlegruben, in Erzbergwerken, in Steinbrüchen – wurden zu 90 % von Ärztinnen ausgesprochen. In den Gefangenenlagern war die Macht der Ärztinnen berüchtigt.
Auch heute, im modernen Rußland, ist das Verhältnis der Medizinstudenten männlich – weiblich erstaunlich, 35 : 65 zugunsten der Frauen. In den Kliniken sind Ärztinnen viel in leitenden Stellen, vor allem in den Sanatorien (siehe Solschenizyn, ›Krebsstation‹). Über ganz Rußland verstreut: Ärztinnen. Bei Neusiedlungen in Sibirien: Ärztinnen! Rußland ist heute der Staat, der die meisten Ärztinnen in der Welt hat. Warum? Ich weiß es nicht.
31. Die Flucht sowjetischer Künstler in den Westen ist ja Legion. Ob Nurejew, der beste Tänzer der Welt, ob Rostropowitsch, der beste Cellist der Welt, ob Solschenizyn oder Schachweltmeister Kortschnoi, ob Turner oder Wissenschaftler … wer erkannt hat, was der Bolschewismus wirklich ist, versucht, ihm zu entkommen. Aber wo sie auch sein werden, soviel Geld sie hier im goldenen Westen verdienen werden, – sie werden immer Russen bleiben und immer voller Heimweh stecken. Ein Russe ohne Rußland ist ein gespaltener Mensch! Es gibt, glaube ich, keinen Menschen, der seine Heimat so innig liebt wie ein Russe. Aber er flüchtet, weil die Politiker ihm die Luft zum Leben und zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit nehmen. – So auch ›Natascha‹. Alle Opernbühnen der Welt liegen ihr zu Füßen … sie aber sitzt am Ufer der Seine und weint, wenn sie an Rußland denkt.
32. Und deshalb habe ich Natascha geschrieben, um zu zeigen, was in einem Menschenleben möglich ist an Glück und Leid, an Sehnsucht und Erfüllung, an politischer Sturheit und menschlicher Größe. Ein Roman über einen Menschen für die Menschen … weiter nichts. – Aber ich glaube, das ist genug. Denn meine Leser verstehen mich: 29 Millionen Buchkäufer in 17 Sprachen und in 398 Auslandsausgaben. Der Erfolg gibt dem Autor recht, wenn er sagt: Ich schreibe, um alle anzusprechen.


Und so glaube ich, daß ich Ihnen damit geholfen habe, eine gute Arbeit zu schreiben. – Viel Glück!

Mit besten Grüßen (Konsalik)

Lauenburg, den 24.01.77

Sehr geehrter Herr Günther!

Mit großem Interesse habe ich in ›Die Welt‹ vom 22.01.77 den Aufsatz über Sie mit dem Titel ›Rußland und Arztberuf‹ gelesen.

Man kann nur bedauern, daß Sie das Medizinstudium abgebrochen haben. Menschen Ihres Formates fehlen im Arztberuf.

Mir wird schwindelig, wenn ich lese: »Geschätzte Gesamtauflage: Über 22 Millionen«. Von meinem Buch sind bislang 60.000 verkauft. Da bekommt man ja direkt Komplexe!

Auch ich bin Jahrgang 1921. Meine Haarpracht ist ähnlich dicht wie die Ihrige. Ich hoffe immer, daß das auch etwas mit dem Denken zu tun hat. Bei Ihnen zweifele ich jedenfalls nicht daran.

Das wollte ich Ihnen schnell schreiben, bevor ich es vergesse. Oder mich mit zuviel Arbeit herausreden kann.

In Verbundenheit bin ich Ihr sehr ergebener
JULIUS HACKETHAL
(abgedruckt im WELT-Report)

[Herrsching, …]

Sehr verehrter Herr Konsalik!

Für Ihr phantastisches Buch ›Liebe am Don‹ meinen allerherzlichsten Dank. Diese wunderbare Liebesgeschichte, verwoben mit den grauenhaftesten Begebenheiten von damals bis in die heutige Zeit, hat mich tief ergriffen, es ist schwer, das Buch aus der Hand zu legen.

Diese Abhandlung kann doch nicht allein Phantasie sein – Sie müssen es erlebt haben! – Selten hat mich ein Buch derart gefesselt und berührt. Welch eine Gnade, derartig schreiben zu können! Mir fehlt die Ausdruckskraft, um Ihnen zu sagen, was mich an diesem Buch am glücklichsten gemacht hat. Nur eines ist sicher, ich bewundere Sie aus vollstem Herzen und werde mir Ihre sämtlichen Werke besorgen.

Es muß was Wunderbares sein, eine derartige hundertprozentige schöpferische Begabung zu besitzen und Millionen damit zu beglücken.

In Bewunderung und Dankbarkeit Ihre

CAMILLA HORN

Herrn und Frau

Heinz, G. Konsalik

Elisabethenhof

534 Bad Honnef 6/BRD

Wien, 4. Jänner 1977

Meine lieben Freunde!

Erst heute komme ich dazu, mich bei Ihnen herzlichst für das wunderbare Buch

EIN HIMMEL VOLLER STERNE

zu bedanken. Wie alle Bücher von Konsalik ist auch dieses Buch ein Meisterwerk an Spannung und Faszination.

Die allgemein gültigen Themen sind für jeden Leser etwas, womit er sich identifizieren kann.

Die geniale Schreibweise, niveauvoll und doch für jeden verständlich, macht die Lektüre der Konsalik-Bücher zu einem wahren Genuß.

Ich bin sehr glücklich und stolz, diesen Band mit der persönlichen herzlichen Widmung zu besitzen. Alle anderen Konsalik-Bücher habe ich schon immer in meiner Bibliothek gehabt, denn ich gehöre zu den Millionen echter Verehrerinnen des Meisters.

Mit tausend Herzensgrüßen und den innigsten besten Wünschen für ein glückliches 1977 Ihnen und Ihren Lieben verbleibe ich in aufrichtigster Bewunderung Ihre

EINZI STOLZ