Stimmen der Freunde

KURT PAHLEN

Konsalik und die Musik

Die Musik hat uns zusammengeführt. Und, ich darf es wohl sagen: die Musik hat uns auch zu Freunden gemacht.

An einem festlichen Abend in der von mir sehr geliebten Münchener Oper lernten wir einander kennen; ein gemeinsamer Freund vermittelte die Bekanntschaft. Die Aufführung, der wir beiwohnten, gab den ersten Gesprächsstoff. Heinz G. Konsalik war, ebenso wie ich, begeistert von den Stimmen, die Regie fesselte ihn, das Werk gehörte ohnedies zu seinen Lieblingsopern wie auch zu den meinen. Vom ersten Augenblick dieses ersten Gesprächs an fiel mir zweierlei ganz stark auf: die Lebhaftigkeit, die echte Anteilnahme seines Wesens an einem Gegenstand, der ihn interessiert, und sein tiefes Musikverständnis.

Auf einmal entsann ich mich, in einigen seiner Bücher, die ich gelesen hatte, stets eigenartige und intensive Beziehungen zur Musik entdeckt zu haben. Da wurden Menschen geschildert, die eisenhart durchs Leben gingen, denen kein Gefühlsausbruch zugeschrieben, ja zugetraut werden konnte: aber diese Menschen offenbarten an irgendeiner Wendung des Buches unverhofft ihre Empfänglichkeit der Musik gegenüber, die manchmal das einzige Mittel war, zu ihren irgendwo hinter Panzerungen versteckten Seelen vorzudringen. Da konnte plötzlich und sehr unvermutet ein Satz, ein Nebensatz, stehen, in dem der Leser über die innige Beziehung einer Romangestalt zur Musik aufgeklärt wurde, wenn es etwa hieß, in ihrem kärglichen Gepäck seien ein paar Schallplatten mit klassischer Musik enthalten gewesen, und genaue Angaben darüber folgten, um welche Werke, ja meist sogar, um welche Interpreten es sich handelte. Mich als Musiker hatten solche Stellen stets ein wenig zwiespältig berührt, denn einerseits verwunderte mich die doch wie selbstverständlich hergestellte Verbindung zwischen oft seltsam abwegigen Charakteren und deren scheu verborgenem Sinn für das Zarte und Schöne, andererseits aber empfand ich auch sehr deutlich, daß die zahllosen Hinweise und Anspielungen auf Musik eine außergewöhnliche Vertrautheit mit ihr verrieten.

Noch der gleiche Abend unseres Bekanntwerdens bestätigte mir die Richtigkeit dieses Eindrucks. Konsalik ist nicht nur Musikliebhaber, beweist nicht nur ein hohes Musikverständnis, vielmehr würde ich fast sagen: er ist selbst Musiker. Als ich ihn direkt darauf ansprach, erzählte er mir von seinen intensiven musikalischen Studien, von seinem Jugendtraum, Musiker zu werden, von den äußeren dramatischen Umständen seines Lebens, die ihn von diesem ersehnten Wege ab- und schließlich auf jene andere Bahn brachten, auf der ihm der Durchbruch, der Ruhm beschieden war (er selbst hat es freilich nie so formuliert, nie so ausdrücklich gesagt). Aus jedem seiner Worte an jenem nun schon Jahre zurückliegenden Abend in München sprach seine intensive Liebe zur Musik, seine lebenslange Verbundenheit mit ihr.

Wagner nimmt für ihn den vielleicht wichtigsten Platz im Musikerhimmel ein. Es würde zu weit führen, wollte ich hier untersuchen, was gerade an Wagners tief mythischer, mystischer Musik Konsalik am stärksten bewegt. Für Menschen, die wie Konsalik (und ich) in jedem Augenblick bereit und imstande sind, ihren Geist auf Traumfahrten in unbekannte, nur erahnte Regionen zu schicken, ist die Tonkunst des ›Magiers von Bayreuth‹ immer noch das faszinierende Stimulans, dem kein anderes gleichkommt. Aus den Klängen seines Orchesters steigen Bilder und Gestalten, die irdisches Maß mühelos überragen und trotzdem durchaus real bleiben können.

Hätte Konsalik Musik studiert – er wäre ohne Zweifel ein gefragter Kapellmeister geworden, vielleicht sogar ein Komponist. Sicherlich aber Sänger, denn er ist mit einer schönen, wohlklingenden Stimme begabt, die zur Beglückung vieler Menschen (und seiner selbst) einzusetzen ihm unbändige Freude gemacht hätte. Doch Konsaliks Generation wurde in einen wilden Strudel heftigster, gewaltsamster Ereignisse geworfen, in dem alle Pläne, alle Wünsche zunichte wurden. Was er durchmachte, steht, verschlüsselt und dem allzu Persönlichen entrückt, auf nahezu alle seine Bücher verteilt. Und auf viele von ihnen verteilt finden sich auch die Bekundungen seiner nie begrabenen Liebe zur Musik.

Konsalik ist in der Musik – wie in allem anderen – keineswegs einseitig. Außer Wagner liebt er besonders Beethoven, begreiflicherweise auch Chopin. Denn Chopin war weit mehr als ein weltferner Erträumer abseitiger Inseln der Seele. Konsalik stimmt Schumann zu, der Chopins Musik mit dem großartigen Wort kennzeichnet, in ihr seien ›Kanonen unter Blumen versteckt‹. Konsalik hat die Kanonen erlebt und doch die Blumen darüber nicht vergessen. Und noch ein vierter Komponist ›liegt‹ ihm besonders, der musikalisch wie kein anderer die ihm so wesensgemäße Leidenschaftlichkeit des Slawischen, Russischen repräsentiert: Tschaikowsky.

Die Musik bedeutet zweierlei in Konsaliks Leben: das Schöne an sich, das Reine, Liebenswerte, Erhebende. Und das – vielleicht ideale – Mittel, eine schöpferische Stimmung auszulösen, in der sein Geist dann alle die hundertfach verschlungenen Pfade zu durcheilen imstande ist, die sein Werk uns enthüllt.

WILLY MILLOWITSCH

Mein Freund Konsalik

Die Geschichte unserer Freundschaft begann in München mit einem sonderbaren, glücklichen Zufall: Als ich eines Abends ins Hotel ›Königshof‹ zurückkehre, komme ich eben dazu, wie ein anderer Gast des Hauses einen für mich bestimmten Brief beim Empfang hinterlegen will. Der Mann dort, der mich just eintreten sieht, deutet auf mich. »Da ist ja Herr Millowitsch selbst. Wenn Sie ihm Ihren Brief gleich persönlich übergeben wollen …?« So geschah es denn auch, der Briefschreiber nannte seinen Namen: »Konsalik«, und wir waren uns auf Anhieb äußerst sympathisch. Und dies nicht nur als die zwei ›kölschen Jungs‹, die sich hier unvermutet im weißblauen ›Ausland‹ begegnet waren. Der herzliche Spontankontakt wurde schon am nächsten – mehrfach verlängerten – Abend an der Hotelbar nachhaltig vertieft, auf eine wohlbekannte Weise, die nicht näher erläutert zu werden braucht: Wir lieben beide einen guten Tropfen, und Konsalik ist ein ganz vortrefflicher Weinkenner. Die Szene dieses ›Abends‹ – er endete gegen drei Uhr morgens – hat sich seither, in leichten Abwandlungen, noch oft wiederholt – Konsaliks Spezialität Trockenbeerenauslese spielte jedesmal eine hervorragende Rolle dabei. Lag es an ihr, daß bei den gegenseitigen Besuchen immer etwas ›vergessen‹ wurde? Oder handelte es sich nur um eine liebenswürdige List, den anderen ›gleich morgen‹ noch einmal sprechen zu können? Denn länger als ein paar Tage halten wir es ohne einander sowieso nicht aus, bei jedem Wiedersehen, das nur immer viel zu kurz ist, herrscht himmelhohe Freude.

Natürlich wäre es ein Irrtum, zu glauben, wir hätten einer dem andern nicht mehr zu bieten als fröhliche Zechkumpanei. Wir helfen uns wirklich wechselseitig ›mit Rat und Tat‹, wo es nur geht; auch recht private Dinge werden offen und freimütig besprochen. Daß die beiden Ehefrauen an unserer Freundschaft so verständnisvoll teilnehmen, daß sie selbst mittlerweile unzertrennlich sind, beglückt uns zusätzlich.

Wenn man mich fragte, was ich an der Persönlichkeit meines Freundes Konsalik am meisten schätze, so würde ich antworten: den Humor, das Heitere, lausbübisch Verschmitzte seines Wesens – der Mann scheint ja immer gute Laune zu haben! –, dann aber auch die allgemeine Aufgeschlossenheit, die Vielseitigkeit seiner Interessen – alles kann ihm zu Stoff seiner Romane werden! –, und schließlich, doch nicht zuletzt, der Mangel an jeglicher Selbstgefälligkeit und Eitelkeit, wie man sie bei anderen Prominenten leider mitunter beobachten muß: Konsalik ist immer natürlich, er ›macht‹ nichts ›her‹, ist frei von aller Pose und Gespreiztheit. Immer wieder betont er, daß er sein Talent nur als ein ›geschenktes Glück‹ ansieht, für das er dankbar zu sein hat – wie könnte er sich darauf etwas einbilden? Ich lese prinzipiell alles von Konsalik, unabhängig vom Thema – mich reizt die besondere Machart seiner Romane stets von neuem, sie ist unverwechselbar. Freilich habe ich im Verhältnis nur wenig Zeit zum Lesen, aber ein Urlaub ohne Konsalik-Bücher ist glatt undenkbar. Doch auch zwischendurch, wenn ich mal etwas Luft bekomme, ist Konsalik genau das Richtige. Besonders beeindruckte mich natürlich seinerzeit ›Der Arzt von Stalingrad‹, in den letzten Jahren ›Wer stirbt schon gerne unter Palmen‹, ›Ein Sommer mit Danica‹ und kürzlich ›Das Haus der verlorenen Herzen‹, der ungeheuer spannende Roman um Medizin und Mafia. Was mir vor allem imponiert, sind Konsaliks Frauen, wahre Traumweiber, die einen förmlich umlegen – wo nimmt er die nur immer wieder her?

Schon lange ist es mein Wunsch, daß Freund Konsalik mir einmal eine hübsche Rolle schreibt. Das hat er, was den Film betrifft, bereits vor einiger Zeit mit dem ›Geheimnisträger‹ getan – er verfaßte das sehr amüsante Drehbuch zu dieser Leinwandkomödie, in der ich ein braver Tourist bin, der ahnungslos in das Dickicht diverser Geheimdienste gerät. Eine ergötzliche Satire auf das Agentenunwesen! Wir flogen damals alle miteinander, auch die Frauen, zur Produktion nach Rhodos und verbrachten dort unvergeßliche Wochen der Arbeit, aber auch Entspannung. Der Film sollte irgendwann einmal ins ZDF, doch man zog aus Planungsgründen erst einiges vor und ›vergaß‹ die Sache dann.

Nun hat mir Konsalik, den seine alte Jugend-Liebe zum Theater ja nie verlassen hat, feierlichst ein Stück für mich und meine Bühne versprochen. Es gibt auch schon eine ziemlich ausgereifte Idee dazu und, glaube ich, einige Partien im Entwurf. Gewiß sehe ich ein, daß die Romane vorgehen, und warte geduldig – aber ich bin ganz sicher, daß es nicht allzu lange mehr dauern wird, bis es heißen kann: Willy Millowitsch auf seinem Theater in einer Bombenrolle seines Freundes Heinz G. Konsalik.

HANS GUSTL KERNMAYR

Aus der Laudatio für Heinz G. Konsalik

gehalten am 15.11.76 in Wien

Fleiß, Fleiß und eine unerschöpfliche Phantasie lagen ihm sozusagen schon in der Wiege. Von dem Autor Heinz G. Konsalik kann man nicht sagen: »Er schreibt nur für die Frauen« oder »er schreibt nur für die Männer«. Er schreibt für Männer und Frauen. Heinz G. Konsalik hat allen seinen Lesern, und es ist ein Leserradius von siebenhundert Millionen, noch nie Langeweile ins Haus geliefert. Bei Heinz G. Konsalik ist alles dramatisch, er versetzt keinen seiner Leser in die Lage, erröten zu müssen, zutiefst traurig sein zu müssen. Alles hellt sich auf, alles wird gut, alles wird so, wie es Millionen, Millionen Leser haben wollen.

Man sagt, Heinz G. Konsaliks Bücher sind Markenartikel. Lieber Heinz, darauf kannst Du stolz sein. Aspirin und Penicillin sind auch Markenartikel; zum Nutzen und Frommen der Kranken, sind sie lange, lange auf dem Markt und werden immer auf dem Markt bleiben. Der Name Heinz G. Konsalik ist ebenfalls ein Begriff in vielen Ländern der Erde. Die Weltauflage beträgt 29 Millionen; 374 Lizenzausgaben erschienen bisher in 16 Fremdsprachen …

Lieber Heinz, ich weiß, daß die Kritiker von gestern und heute, vielleicht sind es nicht die morgigen, Dich und viele Deiner Kollegen, die zum Nutzen und Frommen und zur Freude von Millionen und Abermillionen Menschen Bücher schreiben, wie Du es tust, als Trivialschriftsteller einstufen und ihre Werke als ›Trivialliteratur‹ abtun. Kränke Dich nicht, was trivial ist, wissen die vielen Kritiker meiner Meinung nach nicht. Das Leben ist trivial, die Bibel ebenfalls, denn in der Bibel stehen – wenn man es so lesen will – die interessantesten Räubergeschichten und Abenteuer. Ein Schriftsteller, der aufbauend schreibt, nicht zersetzend – und Deine Arbeiten sind aufbauend – kann nicht trivial sein. Das Triviale sehe ich in einer Schreibe, die Geschehnisse um des Effektes willen zu Papier bringt.

Lieber Heinz, wenn Dir jemand sagt, Du seiest ein Trivialschriftsteller, wirf Dich in die Brust und sage: »Gott sei Dank!« Du bist ein großer Könner, ein wirklicher Könner. Wenn ich, als Dein Konkurrent, Dir das bestätige, mußt Du es glauben. Mit mir gibt es Hunderte Millionen Menschen, die genau dasselbe sagen, wenn sie Konsalik lesen, wenn sie Konsalik empfinden, wenn sie Konsalik in die weite Welt folgen, wenn sie Konsaliks Abenteuer miterleben. Und sie sind glücklich dabei …

29 Millionen Bücher in 16 Fremdsprachen sind nicht zufällig entstanden. Dein Buch ›Der Arzt von Stalingrad‹ wurde ein internationaler Bestseller. Das heißt sehr, sehr viel. Denn die ausländischen Verleger haben sich Jahrzehnte gesträubt, ein deutsches Manuskript in die Hand zu nehmen. Ein bedeutender französischer Verleger, Sven Nilsen, Chef eines Großunternehmens auf dem Gebiet des Verlagswesens, Les Presses de la Cité, sagte über Heinz G. Konsalik: »Er ist ein Klassiker unter den Romanautoren!« …

Andere kenntnisreiche und erfahrene Verlagsleute urteilten: »Konsalik ist nicht nur einer der ideenreichsten Romanschriftsteller, er ist einer der fruchtbarsten.« Und weiter schrieb man: »Konsalik versteht es, jedes bittere Ende versöhnlich zu gestalten, wie er überhaupt einfühlsam und ergreifend, aber nie sentimental ist. Heinz G. Konsalik ist Porträtist. Lebendige Abbilder von Menschen, sehenswerte Folklore.« Wer die Romane kennt: ›Der Arzt von Stalingrad‹, ›Russische Sinfonie‹, ›Liebe am Don‹, ›Liebesnächte in der Taiga‹, wer diese Landschaften kennt, weiß, daß Konsalik nicht nur faszinierend schreibt, sondern die Geschichte von Land und Leuten kennt … Lieber Heinz, Du hast nie auf den Kuß der Muse gewartet, diese Musen haben es an sich, sie küssen an falschen Tagen. Auf diesen Kuß hast du verzichtet. Du hast auch nicht das Pferd Pegasus bestiegen. Du hast Deinen Beruf meisterlich, wie es früher die Großen getan, als Handwerk ausgeübt und wirst ihn immer als Meister des Handwerks ausüben. Heinz, lieber Freund und Kollege, Du bist ein Meister. Du hast gewußt, daß Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit und Fleiß, viel Fleiß notwendig sind, damit der Weg, den man gehen will, erfolgreich wird. Du hast nach dem Spruch gelebt: »Hängt mir den Lorbeer noch höher, damit ich nicht lax werde!« …

Heinz G. Konsalik, lieber Heinz, ganz persönlich: ich liebe Dich und mit Dir alle Deine Freunde, alle Gäste, die gekommen sind, um Dir immer wieder zu sagen: es ist eine Wucht und eine Herrlichkeit, daß es Dich gibt.