Konsalik-Filme 1958 - 1976

Ein Film und seine Wirkungen:

›Der Arzt von Stalingrad‹

Der ungeheure Publikumserfolg des ersten großen Konsalik-Romans ›Der Arzt von Stalingrad‹ (1956) wiederholte sich bald darauf, als das Buch mit einer Spitzenbesetzung (O.E. Hasse, Eva Bartok, Hannes Messemer, Mario Adorf) verfilmt wurde. Die Besucher zählten nach Millionen, Film war damals noch ein Massenmedium, in seinen Wirkungen nur dem heutigen Fernsehen vergleichbar. Kein Wunder also, daß der Konsalik-Film, mehr noch als das Buch, in die Strudel heftiger Auseinandersetzungen zwischen Ost und West geriet.

Samariter hinter Stacheldraht
›Der Arzt von Stalingrad‹ uraufgeführt – Ein guter deutscher Film

Man hat von vornherein ein bißchen Angst, wenn sich eine deutsche Filmfirma ein so schwieriges und problematisches Thema wie das Schicksal der Kriegsgefangenen in Rußland vornimmt. Die Wirklichkeit, wie sie sich einst hinter Stacheldraht und zugigen Barackentüren abspielte, war zu entsetzlich, als daß sie mit einem Film nachempfunden werden könnte.

Aber da ist nun wahrhaftig ein Film gelungen, für den unsere Voreingenommenheit und Bedenken nicht zutreffen. Er heißt ›Der Arzt von Stalingrad‹ und wurde von Geza Radvanyi gedreht, einem Regisseur, dem seinerzeit mit ›Irgendwo in Europa‹ einer der besten Filme über die Auswirkungen des letzten Krieges gelang, und der danach leider nur noch unverbindliche Unterhaltungskost fabrizierte. Mit ›Der Arzt von Stalingrad‹ zeigt Radvanyi endlich wieder, was er kann. Und die pompöse Schnulzenfabrik Gloria hat wohl zum ersten Mal einen guten, anspruchsvollen deutschen Film im Programm.

Der Film wirkt zum größten Teil glaubwürdig. Das ist schon viel. Ich glaube, daß er das Milieu eines Gefangenenlagers irgendwo in Rußland richtig trifft und daß er die Situation der Landser, ihre Kümmernisse, Ängste, ihren Jargon genau zeichnet. Sicher war es viel schlimmer, sicher gab es kein Lager, in dem so zärtliche Romanzen zwischen deutschen Plennys und attraktiven russischen Ärztinnen stattgefunden haben, wie der Film sie vorführt. Aber die Untertreibungen sind nicht peinlich, und die beiden Liebesgeschichten bringen in ihrer leisen Unaufdringlichkeit so zarte, tragische und im guten Sinne zu Herzen gehende Nuancen in den Film, daß man sie gern akzeptiert.

Das Beste an diesem Film ist vielleicht seine Fairneß. Er schürt keinen neuen Haß gegen eine Nation, die den meisten aus verständlichen Gründen verhaßt ist. Er bemüht sich zu zeigen, daß es in Rußland genauso viele schlechte und anständige Menschen gibt wie in jedem Land. O.E. Hasse spielt jenen hilfreichen, gütigen Arzt, dessen unentwegte Funktion als Retter in der Not natürlich viel Sentimentalität und Heroismus ausstrahlt. Gottlob sorgt Hasse dafür, daß die Gloriole nicht zu kräftig glitzert, daß sein Edelmut nicht in Edelkitsch ausartet. Und wieder einmal gibt Hannes Messemer in der Rolle eines eiskalten, eifersüchtigen russischen Oberleutnants eine schauspielerische Spitzenleistung. Besonders gut in den Chargen: Siegfried Lowitz und Leonard Steckel.

Eva Bartok ist die Ärztin in russischer Uniform, die sich in einen deutschen Oberarzt verliebt. Gewiß ist Frau Bartok viel besser als in ihren früheren Filmen. Trotzdem konnte auch Radvanyi ihren Hang zur lauten Pose und großäugig ausgespielten Theatralik nicht immer dämpfen. Vera Tschechowa als zweite russische Liebende gefiel mir besser. Mit diesem hübschen Mädchen hat der deutsche Film endlich wieder ein hochbegabtes Nachwuchstalent.

Fazit: ein guter, sehr humaner Film über eine Misere, die hoffentlich nie wieder vorkommt.

Michael Lentz
Westdeutsche Allgemeine, 22.2.58

Heroische Sentimentalität, ein Filmlaster
Zu ›Der Arzt von Stalingrad‹ von Geza von Radvanyi

Als wir in den Kriegsgefangenenlagern waren, hatten wir es unter anderem mit der Ehre nicht leicht. Was konnte schon unsere Ehre noch sein und heißen? Das einzige, was uns damals blieb, war zu schweigen. Es war nicht ein Schweigen aus Trotz oder aus dem gräßlichsten aller Mitleide, aus Selbstmitleid, eher war es ein Schweigen aus Resignation. Wir schwiegen, weil wir den Haß und die Verachtung derer, die uns gefangenhielten, begriffen und weil jedes Wort uns noch würdeloser gemacht hätte.

Das liegt nun hinter uns. Für die einen ist es schon lange her, andere quälen sich noch damit herum. In den Familien derer, die nicht wiederkamen, denkt die eine und der andere zuweilen noch mit Ungewißheit an jene Stätten, in denen der Mann, der Vater, der Bruder starben, an die Lager, von denen sie viel hörten und nichts wissen. Unsere Epoche hat Kollektivleiden ersonnen, sie grausam auferlegt und sie fürchterlich erlitten. Leiden, für die es keinen Glorienschein gibt. Der Gedanke an die Gemarterten in den Konzentrationslagern ist peinigend und wird es immer bleiben. Der Gedanke an Hunderttausende zerlumpter, verhungernder, kranker Kriegsgefangener beider Seiten, die ohne Arzt und Hilfe unbeachtet umkamen, versetzt Überlebende zuweilen in stumpfe Trauer. Nicht jedes Schweigen ist ein Vergessen oder Überspielen. Manche können nicht vergessen.

Und da kommt nun ein Film daher und knüpft an eine sogenannte wirkliche Begebenheit an, nennt sich ›Der Arzt von Stalingrad‹, ist, wie man so sagt, in den tragenden Rollen glänzend besetzt und gespielt, hat Spannung und gruselt die jungen Pärchen in den Kinosesseln. Es ist der Film von einem edlen Mann, der auf die Chance der Heimkehr mit dem ersten Transport nach bitteren Jahren der Hoffnungslosigkeit freiwillig verzichtet und bei seinen Plennys bleibt, die Geschichte vom Stabsarzt Dr. Fritz Böhler aus Würzburg, wo er einmal ein angesehener Chirurg und Gehirnspezialist gewesen war. Diese Geschichte handelt von einem guten Menschen. Sie ist sicher wahr und schön. Aber der Film, den man daraus und darum herum gemacht hat, ist nicht wahr. Die Russen haben dem Deutschen im Lager 5.110/47 verboten zu operieren. Er tut es doch – mit einem Taschenmesser und den Seidenfäden aus dem gestohlenen Kopftuch einer Russin. Das ist gut. Daß er kurz danach die Chance, die ein glücklicher Zufall ihm bietet, nämlich den kleinen Sohn des Kommandanten von einem Gehirntumor zu befreien (was als Chance schon reichlich Kino ist) nicht sofort nutzt, sondern sich erst bitten läßt und große Worte macht »Was sollen meine Männer von mir denken?«, ist – zum Schämen, weil es von jenem Erblaster eingegeben ist, an dem wir immer noch zu kranken scheinen, uns selbst als von der Welt verkannte Heroen zu genießen. Es kann einem dabei übel werden.

Und wie viel mehr, wenn einem solches in einem Film vorgesetzt wird, worin die bildhübsche Kapitänin Kasalinsskaja trotz ihres tiefen Hasses auf die Deutschen dem deutschen Oberarzt, der sie einige Male kräftig angebrüllt hatte, nicht widerstehen kann. Sie gibt sich dem Herrn mit filmischer Deutlichkeit hin. Als Pendant dazu hat die deutsche Filmseele eine minniglich keusche Liebesromanze zwischen der Leutnantin Janina Salja und dem am Blinddarm operierten kindlich naiven Fähnrich Schultheiß gedichtet. Zwei Russinnen im Lager, zwei Deutschen in Liebe anheimfallend. Wenn solche selbstgefällige Rechnung nicht in Völkerversöhnung aufgeht? Und dazu im schlechten Sinne romanhafte Spannungsmomente, ein Streik der Plennys, die Auflehnung wider die Lagerleitung, die geglückte Operation an dem russischen Violinwunderkind, wobei der deutsche Arzt, als er den Chirurgenkittel über die gesteppte Kriegsgefangenenjacke gestreift hat, vom russischen Kollegen mit ›Herr Professor‹ angeredet wird.

Ein Herr Zibaso, der das Drehbuch verfertigte, badet in billigem Edelmut und läßt die Rechnung für uns mit vielen ›Pluspunkten‹ aufgehen. Er ist großmütig genug, uns einen Denunzianten zuzugestehen, der von ›den Männern‹ umgebracht wird. Auf der russischen Seite gibt es außer den zwei hübschen Frauen in Liebe ein Scheusal von einem Oberleutnant, einen Lagerkommandanten mit asiatischen Zügen und einen gescheiten, milden, das System mit angedeuteter Ironie ertragenden Arztmajor, der unserm Professorhelden zur Folie dient.

Man sagt der deutschen Filmkritik gelegentlich nach, sie sei allermeist ethisch und kaum einmal ästhetisch. Wie könnte es anders sein, wenn es um das Moralische so steht, daß die Kritik da ansetzen muß? Im übrigen ist ›Der Arzt von Stalingrad‹ ein Film mit hervorragenden Schauspielern, die durch präzise Darstellung manches von dem ausgleichen, was das Buch verdirbt. Hasse ist von starker Ausstrahlung. In manchen kleinen Gesten ausgezeichnet, so wenn er sich nach der Auseinandersetzung mit seinem vor Leidenschaft rasenden Oberarzt verdrossen und angewidert von dem ganzen Kram einschließlich dem ewigen Einerlei des Elends, zur Wand dreht und sich unter seine kümmerliche Decke zusammenrollt. Wohingegen die Rolle des in die Reihen der rebellierenden Männer tretenden Chefs schlecht zu seiner Intelligenz paßt. Eva Bartok überrascht durch Format und Intelligenz, Hannes Messemer, dessen brillant veristischer SS-Führer in ›Nachts, wenn der Teufel kam‹ unvergessen ist, weiß die Drehbuchschablone des intriganten, eifersüchtigen Scheusals zu einer scharf umrissenen Charakterstudie zu machen. Mario Adorf, der schwachsinnige Mörder desselben Films (›Nachts, wenn der Teufel kam‹), dem man in Amerika einen Oscar zudenkt, während in Deutschland Gerichte gegen ihn aufgeboten werden, vermutlich weil er ausgezeichnet ist, ist ein primitives, hintergründiges Unikum von einem Sanitätsgefreiten, und Leonard Steckel weiß dem russischen Militärarzt Lichter aufzusetzen, die aus dem europäischen Fundus des guten alten Rußland zu stammen scheinen. Der Film bietet eine Fülle von Landsergeschichten und einige Profile des Lagerpersonals, die man als getroffen bezeichnen darf. Das Lager hat sogar Atmosphäre. Die Kamera packt zu und läßt keine Chance aus.

Aber wie es an moralischer Souveränität fehlt, wie sich statt ihrer der alte filmische Kitzel mit Spannung, Gefahr und Leidenschaft einschleicht, so fehlt es auch dem Atmosphärischen an dem entscheidenden Moment: der filmischen Darstellung der unendlich langen Zeit und Hoffnungslosigkeit, die weniger in dramatischen Höhepunkten als im ewigen Einerlei bestand. Aber das alles wäre hinzunehmen, gäbe es nicht den falschen Ton der sentimentalen Tragik aus unverstandenem Edelmut. Sehen wir von den physischen Leiden der Kriegsgefangenschaft ab! Die moralischen waren anders – und schlimmer, als es dieser Film wahrhaben will.

Karl Korn
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.2.58

›Der Arzt von Stalingrad‹
Sowjetische Kriegsgefangenschaft im Spiegel des Films

In den Lichtspieltheatern der Bundesrepublik läuft in diesen Wochen der Film ›Der Arzt von Stalingrad‹, zu dem die Inspiration von der profilierten Persönlichkeit des ehemaligen Lagerarztes Dr. Kohler ausgelöst wurde. Dr. Kohler erwarb sich durch sein Verhalten in der Gefangenschaft das so selten erteilte Prädikat eines Helfers der Menschheit.

Es ist selbstverständlich, daß die ehemaligen Kriegsgefangenen diesem Film besonders interessiert gegenüberstehen, weil sie von ihm erwarten, mit ihrem eigenen Schicksal konfrontiert zu werden, mit einem Stück ihres Lebens schlechthin; es wurde in den Niederungen vieler äußerer Mangelerscheinungen, aber auch auf den höheren Ebenen der Überwindung indifferenter Einstellungen durchkämpft.

Man würde dem Film zuviel zumuten, wollte man von ihm erwarten, er könne eine glaubwürdige Aussage über subjektive menschliche Wandlungen projizieren, die das Leben in der Gefangenschaft bewirkte. Ein solches Wagnis setzt eine Vertiefung voraus, an die sich der deutsche Film mit seiner betonten Rücksichtnahme auf den angeblichen Publikumsgeschmack nur selten heranwagt. Dieser Divina/Gloria-Film geht den risikolosen Mittelweg. Er durchsetzt die düstere Schilderung des Lebens in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager mit starken Handlungseffekten; er münzt bitteres menschliches Leid zu Reportagen um.

Man muß dem Regisseur Geza von Radvanyi bescheinigen, daß er es meisterhaft verstanden hat, den Film auf einer in allen Teilen spannungsreichen Linie zu führen. Um der schon vom Thema her betonten Absicht nicht falsch zu begegnen, daß humanitäre Einstellungen allen Menschen ohne Rücksicht auf ihre politische Unterworfenheit eigen sind, ist man auch bereit, die sehr menschlich gezeichneten russischen Offiziere und Wachmannschaften als glaubwürdig hinzunehmen, wenn sie die eigene Erfahrung auch nicht in einer so rücksichtsvollen Haltung kennengelernt hat. Es soll anerkannt werden, daß der Film durch seine Milderungen vermied, nur in Schwarzweiß zu malen. Damit ist jedoch die Frage nicht ganz beseitigt, ob mit diesen korrigierenden Zeichnungen Wunschbilder hervorgelockt werden, die dazu verführen können, Probleme falsch zu werten, die bis in den politischen Raum der Auseinandersetzung mit dem Dogma des Ostens hineinreichen.

In das echt wirkende Milieu eines russischen Kriegsgefangenenlagers, das noch einmal mit dem düsteren Namen Stalingrad verbunden wird, stellt er den aufopferungsbereiten Stabsarzt Dr. Böhler als überragende Persönlichkeit, die vom Ethos des ärztlichen Berufs beseelt ist und aus dieser Quelle die Kraft schöpft, Helfer, Berater und Führer im guten Sinne des Wortes zu sein. Soweit so gut. Aber es reichte nach der im filmischen Bereich gültigen Regel nicht, um einen publikumswirksamen Streifen zu machen, der nun einmal der erotischen Verwicklungen bedarf. Hier sind es die affektbetonten Beziehungen zwischen dem deutschen Oberarzt des Lagers und der russischen Lagerärztin sowie die romantisch-zarten Bande, die sich zwischen einem Plenny und einer jungen russischen Feldscherin anbahnen. Die auf diese Weise hineingetragenen normativen Effekte steigern die Spannung, die durch die szenisch und schauspielerisch überzeugend herausgearbeitete Auflehnung der Kriegsgefangenen gegen das Spitzeltum und das Maß menschlichen Duldungsvermögens überschreitende Härten bereits auf legalem Wege geschaffen ist.

Es ist müßig, sich über die Frage zu unterhalten, ob sich in den Szenen menschlich-allzumenschlicher Leidenschafts- und Liebesbegegnungen die Wahrheit widerspiegelt. Man wird einer solchen Frage bestenfalls begegnen können mit dem vermutenden Satz: Vielleicht hat es irgendwo so etwas gegeben. Die andere Frage, warum es überhaupt notwendig war, in ein so ernstes Thema eine Liebeskolportage hineinzutragen, wird niemand überzeugend beantworten können.

Im Mittelpunkt des Spiels stehen O.E. Hasse und Eva Bartok, wobei dem männlichen Hauptdarsteller die sympathische Rolle den Weg zur ungeteilten Zustimmung leichter öffnet. Eva Bartoks nuanciertes Spiel machte aus der russischen Ärztin mehr als nur einen schablonisierten Typ. Gut auch die übrigen Darsteller in ihren Hingaben an die Rollen: Hannes Messemer als kalt rechnender Lageradjutant, Walter Reyer als hilfsbereiter, von Unbeherrschtheiten bedrängter Oberarzt, Leonard Stecket als menschlich aufgeschlossener russischer Distriktsarzt, Siegfried Lowitz, als gerissener Denunziant.

›Der Arzt von Stalingrad‹ ist der erste deutsche Film, der über das Leben in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager etwas aussagen will. Die verschobenen Akzente machen ihn zu einem heißen Eisen, an dem sich die Meinungen entzünden werden.

Die an den Anfang und den Schluß des Films vor- und nachgehängten moralisierenden Betrachtungen über die ständige Wiederkehr von Geschehnissen, die oftmals Anlaß zu Katastrophen sind, wirken gezwungen und haben nicht die eindringliche Kraft, die man ihnen wünscht.

Der Heimkehrer, 10.3.58

Ein Film, der uns interessierte: ›Der Arzt von Stalingrad‹

Dieser Film führt in das Elend und und die Ausweglosigkeit der russischen Kriegsgefangenenschaft zurück. Viele Zehntausende waren auf diesen Streifen gespannt, da er ihnen noch einmal dieses eigene, oft furchtbare Erleben wach werden zu lassen versprach, und weil er – das war zu hoffen – eine aufrüttelnde Sprache zu der Sattheit und Trägheit der Herzen unserer Zeit sprechen sollte.

Ist es gelungen? – Wir erkennen es durchaus als ein Verdienst an, daß eine Filmgesellschaft bereit war, einen unbequemen Stoff und ein ›heißes Eisen‹ anzupacken. ›Der Arzt von Stalingrad‹, ein Film der Gloria-Filmgesellschaft, ist, das kann niemand bezweifeln, ein mitreißender Film. Mancher Besucher wird aufgewühlt und erschüttert das Kino verlassen.

Wir können auf seine Handlung nur andeutungsweise eingehen: In den zermürbenden Jahren der Kriegsgefangenschaft im Lager 5.110/47 bei Stalingrad wirkt Stabsarzt Dr. Fritz Böhler (O.E. Hasse) still, ausgleichend, tapfer und voll hoher ärztlicher Verantwortung für seine mitgefangenen Kameraden. Trotz russischen Verbots operiert er mit primitivsten Mitteln einen schwerkranken Gefangenen und entreißt ihn dem sicheren Tode. Aber auch an dem kranken Söhnchen des Lagerkommandanten führt er eine lebensgefährliche Operation mit Erfolg aus, die dem Lager als ›Belohnung‹ die Aufhebung der Kollektivstrafe erwirkt. Dr. Böhler, selbst ein schwerkranker Mann, lehnt es ab, in die Heimat zurückzukehren, weil seiner Ansicht nach sein Platz bei seinen Kameraden ist, die seiner Hilfe bis zuletzt bedürfen.

Gegenspielerin ist Kapitän Alexandra Kasalinsskaja (Eva Bartok), erbarmungslos ihre ›Norm‹ erfüllend, die nur drei Prozent Kranke erlaubt. Oberarzt Dr. Sellnow (Walter Reyer) erreicht später durch seine Bindung mit der schönen Russin manche Erleichterungen für die Kranken, stellt sich aber außerhalb des Kreises seiner Kameraden und wird schließlich von dem Lageradjutanten Oberleutnant Pjotr Markow (Hannes Messemer), der die russische Lagerärztin gleichfalls liebt, am Tage seiner Entlassung niedergeschossen. Major Dr. Kresin, der russische Distriktsarzt (Leonard Steckel), sieht in dem deutschen Kollegen den international bekannten Gehirnchirurgen, mit dem ihn bald ein fast kollegiales Verhältnis verbindet.

Der Film, auch dies mag als ein großes Positivum zu werten sein, spricht keine Sprache des Hasses und drückt nicht nur der einen Seite den Stempel ›gut‹ und der anderen Seite das Siegel ›böse‹ auf. Gewünscht hätte man dem Film, daß er ein wenig tiefer auf die Problematik des Lagerlebens eingegangen wäre. So bleibt es nur bei einigen Andeutungen; zu stark liegt das Übergewicht auf der Auseinandersetzung zwischen den Hauptpersonen. Ein Teil dieser Konflikte hätte ohne weiteres auch auf einem anderen Boden entstehen können als in einem Kriegsgefangenenlager.

Es kann aber heute kaum gehofft werden, daß das Thema ›Kriegsgefangenschaft‹ ohne Kompromisse und ohne Berücksichtigung des sogenannten ›Publikumsgeschmacks‹ filmisch behandelt werden kann. Diese Überlegungen mögen auch bei dem ›Arzt von Stalingrad‹ eine große Rolle gespielt haben.

Wenn auch zu diesem Film nicht ein uneingeschränktes ›Ja‹ gesagt werden kann, Anerkennung und Lob verdienen alle Beteiligten, insbesondere der Regisseur Geza von Radvanyi und die hervorragenden Schauspieler.

Hanns Anders
Die Fackel, April 1958 (
Hg. VdK/Dtschld.)

›Der Arzt von Stalingrad‹ – bester Auslandsfilm
Vichy macht wieder gut, was Wiesbaden versäumt hat

Bei den 9. Internationalen Filmfestspielen in Vichy (Frankreich) wurde der deutsche Film ›Der Arzt von Stalingrad‹ mit dem ersten Preis als bester ausländischer Film ausgezeichnet. Der Hauptdarsteller O.E. Hasse wurde mit dem Prädikat bester Schauspieler des Wettbewerbs bedacht und Eva Bartok, Inhaberin der weiblichen Hauptrolle, erhielt den Ehrenpreis als zweitbeste Schauspielerin im Ausland.

Diese hohe Anerkennung für einen deutschen Film, der als erster die Problematik des Kriegsgefangenenschicksals aufgriff und sie in einer spannungsreichen Handlung auszudeuten versuchte, ist um so überraschender, weil er in der deutschen Presse teilweise recht hart kritisiert wurde und weil vor allen Dingen die ›Filmbewertungsstelle der Länder der Bundesrepublik Deutschland‹ in Wiesbaden es ablehnte, diesen Film mit einem Prädikat auszuzeichnen. Die ablehnende Haltung des Bewertungsausschusses richtete sich gegen das Drehbuch, das nach Ansicht dieses Ausschusses einem bedrückenden Schicksal nicht gerecht wurde, dem eine Unzahl ehemaliger deutscher Kriegsgefangener unterstanden und das für viele von ihnen tödliche Folgen hatte. In der Begründung der ablehnenden Haltung wird immer wieder der Einwand erhoben, die romanhafte Ausschmückung und Abwandlung der Handlung glätte das Milieu allzu sehr und überdecke das eigentliche Thema, nämlich die innere Auseinandersetzung der Kriegsgefangenen mit dem harten Los des Vegetierens in einer menschenunwürdigen Umwelt. Es wird dabei auch vermerkt, daß die Regie nie die Wahrhaftigkeit einer Bildsprache erreicht, die das furchtbare Schicksal zu beschwören imstande gewesen wäre.

Auch an den schauspielerischen Leistungen hatte die Filmbewertungsstelle einiges auszusetzen, wenn sie feststellte, daß durch die engen Grenzen, die das unzulängliche Buch den einzelnen Rollen steckte, diese Leistungen zum Teil hinter dem zurückblieben, was angesichts der Besetzung erwartet werden konnte.

Nach der hohen Bewertung des deutschen Films im Ausland kann man sich des früher schon aufgekommenen Eindrucks noch viel weniger erwehren, daß die deutsche Filmbewertungsstelle sich bei ihrer Beurteilung von einem falschen Objektivismus leiten ließ, der dem deutschen Filmschaffen entschieden mehr schadet als nützt. Zweifellos hat der Film Mängel, die sich für diejenigen Beschauer noch stärker herauskristallisieren werden, die im kommenden Herbst Gelegenheit haben, den zweiten Kriegsgefangenenfilm ›Taiga‹ zu sehen. Es ist indessen eine brennende Frage, ob nicht das Wagnis der deutschen Filmschaffenden im eigenen Land Anerkennung verdient hätte dafür, daß sie sich des düsteren Themas der Kriegsgefangenschaft im ›Arzt von Stalingrad‹ erstmalig annahmen. Sie betraten Neuland, eine Tat, die immerhin Einsatzfreudigkeit erforderte. Das allein hätte schon ein Grund sein können, durch eine Prädikatisierung ermutigend auf die deutsche Filmproduktion einzuwirken, damit sie sich auch in Zukunft bereitwilliger an Stoffe heranwagt, die einschneidende Geschehnisse aus der Nachkriegsgeschichte zur künstlerischen Auswertung und Verdichtung anzubieten haben. Die Filmbewertungsstelle tat das Gegenteil: sie versagte sich jeder weiterreichenden Überlegung.

Die in Vichy vergebene hohe Auszeichnung läßt erkennen, daß es auch andere Maßstäbe gibt, mit denen man ein ehrliches Bemühen werten kann, selbst dann, wenn dieses Bemühen nicht gleich seine Krönung in einem vollendeten Werk findet. Vichy hat gutgemacht, was Wiesbaden versäumte.

So überraschend die Auszeichnung des Films nach der ablehnenden Haltung ist, die ihm in seinem Herstellungsland begegnete, um so weniger scheint es verwunderlich, daß die Russen aus Protest gegen die Zulassung des ›Arzt von Stalingrad‹ ihre Filme von den Festspielen zurückzogen. Das Thema muß ihnen sehr unbequem sein. Um so mutvoller war es, sich mit ihm zu beschäftigen. Diese Tatsache verkannt zu haben, spricht gegen den Weitblick unserer Filmbewertungsstelle.

Der Heimkehrer, 10.7.58

Fast ein Skandal:
Bundesrepublik stößt ›Arzt von Stalingrad‹ zurück
Weltfrontkämpferverband übernimmt internationales Protektorat
Sowjetischer Generalarzt protestiert

Die Bewertung des ersten deutschen Kriegsgefangenenfilmes ›Der Arzt von Stalingrad‹ hat außer der Auszeichnung auf den Filmfestspielen in Vichy als bester ausländischer Film fast weltweite Konturen angenommen. Nicht nur, daß die Sowjets ihre Beteiligung in Vichy wegen dieses Filmes zurückgezogen haben. Moskau hat den für den Bezirk Stalingrad verantwortlichen Generalarzt der Roten Armee veranlaßt, über die Nachrichtenagentur TASS zu verlautbaren, daß die in dem genannten Film gezeigten Verhältnisse im sowjetischen Sanitätswesen nicht der Wahrheit entsprechen und daß ärztliche Hilfeleistung niemals mit politischen oder privaten Forderungen verknüpft worden sei. Die ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen werden sich über diesen Protest ihr eigenes Urteil bilden, weil ihre eigenen Erfahrungen die beste Voraussetzung hierfür bieten.

Nun hat nach einer Vorführung des Films vor dem Präsidenten des Weltfrontkämpferverbandes der Generalsekretär des WFV, Curtis Campaigne, der Divina-Filmproduktion mitgeteilt, »wie sehr wir alle beeindruckt waren von der hohen Qualität dieses ausgezeichneten Filmes, der uns eine sorgfältig ausgearbeitete Botschaft für den Weltfrieden mit einer Massenanziehungskraft zu verbinden scheint, die helfen sollte, die Botschaft auf die breiten Massen zu übertragen. Nach dem, was wir gesehen haben, sind wir entschlossen, die Begünstigung des Filmes auf einem internationalen Plan zu übernehmen.«

Gleichzeitig teilt der Direktor der World Veterans Foundation, R.A. Sandison, der Divina-Filmproduktion aus Paris nach einer Sondervorführung vor dem Rat der World Veterans Foundation mit, daß der Rat beschlossen habe, für den deutschen Film ›Der Arzt von Stalingrad‹ die Patenschaft zu übernehmen. Die World Veterans Foundation ist ein besonderes Kuratorium unter dem Protektorat des Prinzen von Luxemburg und der Präsidentschaft des Prinzen Albert Edouard de Ligne, das als Körperschaft die vielfältigen Aufgaben des Weltfrontkämpferverbandes unterstützt. Diese Körperschaft ist selbständig und im Großherzogtum Luxemburg eingetragen.

Hingegen hat die Filmbewertungsstelle der Bundesrepublik Deutschland, offiziell: ›Filmbewertungsstelle der Länder‹ in Wiesbaden, nun auch in der Revision eine Prädikatisierung des Films ›Der Arzt von Stalingrad‹ unter Vorsitz von Herrn Dr. Karl Korn abgelehnt. Es ist nicht uninteressant, in der Begründung der Ablehnung u.a. zu lesen, daß die filmische Darstellung des Kriegsgefangenenschicksals in Rußland durch ›die Liebesaffäre im Verlauf des Films‹ mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt würde. Wie unrichtig das ist, beweist der Protest des für Stalingrad zuständigen Generalarztes der Roten Armee, der gewiß keinen Protest wegen einer Liebesaffäre erheben würde. Weil die Darstellung des Kriegsgefangenenschicksals – frei von Haßmotiven – bei der Gewahrsamsmacht genau ins Schwarze getroffen hat, ist der Protest erfolgt! Aber unsere Filmbewertungsleute wissen das besser. Nach ihrer Meinung ist in dem Film das typische Kriegsgefangenenelend: »Hunger, Erschöpfung, moralische Zermürbung durch die Zeit kaum angedeutet, geschweige denn angepackt« worden. Nach Meinung der in der Kriegsgefangenschaft sicher sehr erfahrenen Gutachter wird »das Lagerleben insgesamt bis auf ein paar gelungene Bilder von den nächtlichen Baracken sowohl dramaturgisch als auch von der Kamera her nicht realisiert. Die Darstellung der zermürbenden Monotonie des Lagers bleibt der Film schuldig.« Und schließlich wird von Karl Korn das ärztliche Ethos in diesem Film selbst aufs Korn genommen: die ablehnende Begründung der Filmbewertungsstelle wirft dem deutschen Arzt von Stalingrad mangelnde humane ärztliche Gesinnung vor. Schließlich versteigt man sich zu der Zerrbewertung: »Der Film ist ein Beispiel falscher Gefühle«. Das ist denn wohl nun der Gipfel eines Fehlurteils.

Die zuständigen Fachkreise mögen nicht die Hand hochheben, wenn wir uns die Frage erlauben, ob bei solchen oder anderen Themen es nicht angebracht erschiene, die Zusammensetzung der Filmbewertungsstelle der Länder ad hoc durch einen entsprechenden und von der Filmproduktion unabhängigen Fach- oder Erlebniskreis zu erweitern. Es komme niemand mit der Erwiderung, daß dann ein Run der ›Interessenverbände‹ einsetzen würde. Man soll sich nicht unnötig Schwierigkeiten machen. Man soll aber auch nicht Schwierigkeiten aus dem Weg gehen und sich dadurch in die Gefahr begeben, mit blinder Sicherheit danebenzugreifen.

Es ist gewiß nicht in der Absicht der Divina-Filmproduktion oder des Gloria-Verleihs gelegen, nun etwa einen politisch umstrittenen Film zu schaffen. Wir haben einiges an Kritik an diesem Film ›Der Arzt von Stalingrad‹ schon selbst geäußert. Es ist aber außerordentlich fragwürdig, wenn man in Kreisen der Filmbewertungsstelle der Länder an die Beurteilung mit dem belastenden Vorsatz herangegangen sein soll, Ilse Kubaschewski habe doch nur mit dem Namen Stalingrad ein kommerzielles Geschäft verbinden wollen. Ist das die Grundlage für eine künstlerische Beurteilung? Wir meinen, daß das nicht nur eine Instinktlosigkeit, sondern fast ein Skandal ist.

Der Heimkehrer, 25.7.58

Sowjetprotest gegen Stalingrad-Film

Berlin. (Eig. B.) Die Sowjets haben am Wochenende die Absetzung des deutschen Films ›Der Arzt von Stalingrad‹ vom Westberliner Kinoprogramm verlangt. Das ist der zweite alliierte Protest gegen Filmvorführungen in Westberlin innerhalb weniger Wochen. Ende Juni hatte der französische Stadtkommandant in Berlin gegen die Aufführung des amerikanischen Films ›Wege zum Ruhm‹ protestiert und die weitere Vorführung des Films im französischen Sektor kurzerhand verboten. Der sowjetische Protest gegen den ›Arzt von Stalingrad‹ erfolgte drei Monate nach dessen Premiere am Kurfürstendamm.

Westfälische Rundschau, 28.7.58

Ehrenvolle Anerkennung

Mit dem Beschluß des Weltfrontkämpferbundes, den deutschen Film ›Arzt von Stalingrad‹ auf internationaler Basis zu fördern, hat sich auch die ›Deutsche Stiftung für Kriegsinvaliden von Israel‹ solidarisch erklärt. Die Deutsche Stiftung hat nach einer Mitteilung ihres Direktors Gidon Rynar ebenfalls das Patronat für diesen Film übernommen, gegen dessen Aufführung in Westberlin der Protokollchef bei der sowjetischen Botschaft in Ostberlin protestiert hat. Die ›Deutsche Stiftung für Kriegsinvaliden von Israel‹ hebt hervor, daß die Auswahl von besonders zu fördernden Filmen durch den Weltfrontkämpferbund und die Stiftung nicht nach politischen, sondern nach rein humanitären Gesichtspunkten erfolge.

Westfälische Rundschau, 2.8.58

Der ›Arzt von Stalingrad‹ lügt
Dr. Rocholl entlarvt die Antisowjethetze eines westdeutschen Film-Machwerks

Berlin (EB). Empörende Einzelheiten über den lügenstrotzenden antisowjetischen Hetzfilm ›Der Arzt von Stalingrad‹ und das diesem Film zugrunde liegende Buch gleichen Titels enthüllt Kreisarzt Dr. Horst Rocholl im ›Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger Offiziere‹. Dr. Rocholl hat in der Zeit der sowjetischen Kriegsgefangenschaft 1943 und 1950/52 mit dem sogenannten ›Arzt von Stalingrad‹, dem heute in Köln lebenden Dr. Ottmar Kohler, zusammengearbeitet. Aus eigener Anschauung zerschlägt er Stück für Stück die gemeinen Lügen, die in Buch und Film enthalten sind. Seine Ausführungen unterstreichen anschaulich die Bedeutung des ernsten Protestes, den die sowjetische Botschaft gegen die Vorführung des Films in Westberlin erhoben hat.

Wie Dr. Rocholl belegt, ist Kohler nie leitender Arzt des Stalingrader Kriegsgefangenen-Hospitals gewesen; die Leitung lag in sowjetischen Händen. Kohler hat es auch nicht abgelehnt, 1949 nach Deutschland zurückzukehren, weil er angeblich den Kriegsgefangenen weiter helfen wollte, sondern er wurde von einem sowjetischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Über den Grund seiner Verurteilung schweigt er aus verständlichen Gründen.

Kohler hat auch in Stalingrad nie mit primitivsten Mitteln arbeiten müssen. Ihm stand ein ausreichend eingerichteter Operationsraum zur Verfügung. Dr. Rocholl widerlegt aus eigener Anschauung, daß Kohler mit ›Schusterzwirn‹ Operationsnähte auszuführen brauchte, sondern stets Seide und Catgut hatte. Kohler, der sich unverschämt über die kriegsbedingte zeitweilige Knappheit an medizinischen Materialien hinwegsetzt, berichtet mit keinem Wort, wie viele sowjetische Krankenschwestern bei der Pflege typhuskranker Kriegsgefangener ihr Leben opferten. Kohler hat sich auch niemals als ›Held‹ handgreiflich gegen sowjetische Ärzte betätigt, sondern wühlte im Verborgenen und begegnete den Ärzten mit unterwürfiger Zuvorkommenheit.

Nachdrücklich widerlegt Dr. Rocholl die antisowjetische Hetze des Buches und Filmes, daß diejenigen Sowjetmenschen, die den Kriegsgefangenen hilfsbereit entgegenkamen, angeblich als schlechte Bürger ihres Landes betrachtet worden seien. Es war im Gegenteil ein Wesenszug des Humanismus der Sowjetmenschen, daß sie alles taten, um die Kriegsgefangenen ausreichend zu versorgen und sie zu pflegen, wenn sie krank waren. Auf der anderen Seite gibt das Buch einige nazistische Bestialitäten zwar zu, beschönigt sie anschließend aber sofort. Einem sowjetischen Chirurgen wird dagegen nachgesagt, er habe an einem Kriegsgefangenen experimentieren wollen. Ein solcher Arzt hat ebensowenig existiert wie eine sowjetische Ärztin, die angeblich mit einer Reitpeitsche im Lager herumlief und Kriegsgefangene prügeln lassen wollte. Hier haben die nazistischen KZ-Ärzte Modell gestanden. Dr. Rocholls Ausführungen, aus denen man noch viele Beispiele zitieren könnte, belegen, daß Buch und Film über den ›Arzt von Stalingrad‹ revanchistische und militaristische Machwerke sind, die dazu dienen sollen, einen neuen Krieg ideologisch vorbereiten zu helfen.

Berliner Zeitung (Ost-Berlin), 2.8.58

Armer ›Arzt von Stalingrad‹
Dem Kreml unbequem – Pankow ›bellt‹ mit

Wohl kein Film stand in der vergangenen Zeit so im Mittelpunkt eines kulturpolitischen Streites wie der Gloria-Streifen ›Arzt von Stalingrad‹. In der Bundesrepublik wurde der Film nicht prädikatisiert. Dafür hat aber der Weltfrontkämpferverband das internationale Protektorat übernommen. Jetzt schießt Moskau gegen den Film scharf. Kein Wunder! Daß die Sowjets aber gleich das Bolschoi-Ballett dagegen aufbieten, ist grotesk. Das Ballett durfte im Rahmen des Vichy-Festivals in dem französischen Kurort nicht auftreten, weil eben dieser Film dort gezeigt wurde. Daß es sich bei dem Film um menschliche Probleme handelt und nicht um politische – wie es der Bürgermeister von Vichy den Sowjets darlegte –, können die Sowjets nicht begreifen. Also: Bolschoi-Ballett, njet!

Wie Moskau sich räuspert, so hustet natürlich die SED. Ein Film über die sowjetische Gefangenschaft! Nein, nein! Das ist ja »eines der übelsten antisowjetischen Machwerke«, schreit das Ostberliner SED-Organ ›Neues Deutschland‹ und möchte am liebsten eine Gefangenschaft in der Sowjetunion nicht wahrhaben. Ja, wenn noch eine prokommunistische Propaganda und ein aktiver und positiver Antifa-Funktionär darin vorkämen, aber so: ganz ohne Sichel und Hammer!?

Der Berliner Senatsdirektor Klein ist, Gott sei Dank, anderer Meinung. »Die Aufführung von Filmen unterliegt in Westberlin keiner besonderen Zensur«, war seine Antwort an die sowjetische Botschaft in Ostberlin, ließ den Film weiterspielen und den Ostberliner Blätterwald weiter rauschen. Ja, ja, die Meinungsfreiheit in Westberlin und Westdeutschland!

Der Heimkehrer, 10.8.58

Dem ›Arzt von Stalingrad‹ folgten mit ›Strafbataillon 999‹ und ›Liebesnächte in der Taiga‹ ähnlich publikumswirksame Filme nach vielgelesenen Konsalik-Romanen. Mit Harald Philipp und Jürgen Goslar fand Konsalik zwei Regisseure, deren Arbeit ihm in besonderem Maße als kongenial erschien. Auch die Problematik der adäquaten Umsetzung einer Romanvorlage ins Drehbuch schien befriedigend gelöst: Sowohl Philipp wie Goslar verfaßten ihre Drehbücher selbst oder bestimmten sie entscheidend mit, im Falle ›Strafbataillon‹ war – neben dem Qualität verbürgenden Wolfgang Menge – auch der Autor in eigener Person beteiligt. Schließlich schrieb dieser für seinen Freund Willy Millowitsch allein und ohne die Voraus-Produktion eines Romans das – völlig neue – Buch zum Humor-Film ›Der Geheimnisträger‹ (1976).

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Auf Signiertournee: Hannover/Berlin

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Österreich-Tournee: Konsalik-Shirts in Klosterneuburg

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Konsalik wird vom österreichischen Bundespräsidenten
Dr. Kirchschläger empfangen