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Fräulein Lux fegte mit hektischen Bewegungen die Glasscherben zusammen, entfernte auch den kleinsten Splitter vom Linoleumboden, indem sie mit dem feuchten Zeigefinger mal hierhin und mal dorthin tippte; ab und zu verlor sie die Hälfte des Aufgefegten von der Schaufel, weil sie zitterte, und begann von Neuem. Ihre Bluse war schon durchgeschwitzt. Das Beruhigungsmittel, das sie bekommen hatte, begann nur allmählich zu wirken. Ansonsten war sie, da sie im Augenblick der Explosion hinter dem kleinen Mauervorsprung gesessen hatte, der beim Umbau als Rest einer Zwischenwand zurückgeblieben war, als einzige unverletzt geblieben.

Kuhring stand am Fenster und sah auf den Parkplatz hinaus, wo inzwischen ein volles Dutzend Polizeibeamter aktiv geworden war. Er hatte sich beim Sturz vom Stuhl die linke Hand verstaucht und war vom Arzt mit einem elastischen Verband versorgt worden. Er war noch immer kreidebleich, und die Jodflecken auf seinem Gesicht wirkten wie Rost auf dem weißen Emaille einer Badewanne. Er hatte am meisten von den herumfliegenden Glassplittern abgekriegt. Jetzt fischte er nun schon die sechste Zigarette seit der Detonation aus der zerknautschten Packung.

Zumpe kam stöhnend von der Toilette herauf, die rechte Hand flach auf den Magen gepreßt. Seine Hose war nicht richtig zugeknöpft, und Spritzer auf dem hellgrauen Jackett ließen darauf schließen, daß er sich erbrochen hatte. Ohnehin anfällig nach den täglichen Auseinandersetzungen mit seiner Frau und bei den Mahlzeiten auf Tabletten angewiesen, hatte der Schock sofort zu einem Gallenanfall geführt. In seinem Ekel vor allem Eßbaren warf er Kuhrings Frühstücksbrote, die auf der Erde herumlagen, in den Papierkorb und deckte eine alte Zeitung darüber. Er war vom Explosionsdruck zu Boden geschleudert worden, hatte sich aber lediglich einige Prellungen zugezogen, die im Augenblick so wenig schmerzten, daß er sie über dem heißen Puckern seiner Galle fast vergaß. Schon begann sich die Bauchspeicheldrüse zu regen. Heftiger auch wurde sein Sodbrennen, und als sich seine Magenwände so zusammenkrampften, daß er laut aufstöhnte, wußte er, daß die Heilung seiner Gastritis und seines Magengeschwürs um Monate zurückgeworfen worden war.

Brockmüller saß zurückgelehnt in einem Sessel, der ansonsten den Herren Vorstandsmitgliedern vorbehalten war, wenn sie hier zusammenkamen, um neue Projekte zu erörtern. Er war noch immer benommen und nahm das Geschehen um sich herum nicht anders wahr, als wäre er gerade aus einer langen Narkose erwacht. Mit einem Eisbeutel, den einer der inzwischen abgerückten Sanitäter herbeigezaubert hatte, versuchte er, die zur Größe eines Hühnereies anschwellende Beule am Hinterkopf zu bekämpfen. Ihm schien, als sei er vorhin wie ein Torpedo auf die Kante des Aktenschrankes zugeschossen. Trotz allem war ihm irgendwie behaglich zumute, fast so euphorisch wie im Moment eines großen Erfolges. Ich habe überlegt, hämmerte es in seinem Hirn, ich habe überlebt! Seine Todesahnungen waren richtig und falsch zugleich gewesen. Jetzt war alles überstanden; jetzt würde er sein Kind zu sehen bekommen.

Ihnen allen fiel es schwer zu begreifen, was geschehen war. Kuhrings Wagen war in die Luft geflogen, urplötzlich, ohne jeden sichtbaren Anlaß. Morgens um 9 Uhr 11. Fest stand auch, der metertiefe Krater bewies es, daß der Sprengkörper unter der Rasendecke gelegen hatte. Jetzt suchte ein Spezialist mit einer blitzenden Sonde, die irgendwie an eine ihrer Bohnermaschinen erinnerte, nach weiteren Blindgängern – denn niemand bezweifelte, daß hier ein Überbleibsel aus dem letzten Weltkrieg seine späte Wirkung gezeitigt hatte. Nach bald dreißig Jahren mußte aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen der Zünder plötzlich aktiviert worden sein.

In der ersten Panik waren sie auf die Straße gestürzt, auch Brockmüller, und dann in einem nahen Restaurant vom Notarzt und einigen Sanitätern versorgt worden; etwa nach einer Stunde war ihnen aber vom Einsatzleiter erlaubt worden, in das Gebäude zurückzukehren, da keine unmittelbare Gefahr mehr bestehe.

Während draußen die Reporter fotografierten, aber noch keine Erlaubnis zum Betreten des Hauses erhielten, warteten sie in ihrem demolierten Konferenzzimmer, ohne eigentlich eine Vorstellung von dem zu haben, was nun kommen sollte. Konnte man so einfach weiterarbeiten? Würde die Haus- und Grundstücksverwaltung einen Glaser schicken? Rückte eine Kolonne an, um den Schrott von Kuhrings Wagen einzusammeln? Ließ sich jemand von der Versicherung sehen, um zu prüfen, ob sich das Reparieren von Zumpes und Brockmüllers Auto noch lohnte? Kam möglicherweise der Generaldirektor selber zur Mansfelder Straße, um zu sehen, wie es bei ihnen aussah? Eine Vorschrift, die das Verhalten nach einer Explosion regelte, gab es überraschenderweise nicht.

«Ich trink erst mal einen», sagte Kuhring. «Wer will denn noch ‘n Cognac?»

Brockmüller und die Lux wollten, Zumpe schüttelte sich.

Sie stürzten jeder zwei bis an den Rand gefüllte Gläser hinunter wie Wasser.

Kuhring erregte sich. «Owi, dieser Blödmann, hat natürlich wieder den richtigen Riecher gehabt! Jeden Morgen hockt er hier – heute sitzt er beim Zahnarzt, oder weiß der Teufel wo.»

«Wie gut, daß du dir vor zwei Monaten einen neuen Wagen gekauft hast», sagte Brockmüller.

«Wie im Krieg», stöhnte die Lux. «Wie im Krieg!»

«Hört doch endlich auf!» schrie Kuhring. «Muß denn jeder seinen Senf dazugeben?»

Zumpe blickte auf. «Ich hab doch gar nichts gesagt.»

Kuhring war nahe daran, sich auf ihn zu stürzen, da klingelte das Telefon. Er riß den Hörer hoch.

«Kuhring. Ja…!?» Sein Gesicht, eben noch wutverzerrt, erstarrte. Es war, als hätte ihn ein plötzlicher Kälteschock getroffen und für alle Ewigkeiten in dieser Pose fixiert.

Brockmüller, der dicht neben dem niedrigen Telefontischchen saß, konnte alles verstehen, was der Mann am anderen Ende der Leitung verlauten ließ. Kein Wunder, denn er schrie, und seine Stimme überschlug sich.

«Hier Mannhardt – Mordkommission. Ihr Kollege Ossianowski hat Selbstmord begangen und angekündigt, Sie alle in die Luft zu jagen…»

«Hier ist schon eine…» würgte Kuhring hervor.

«Dann los, raus auf die Straße!»

«Ja!»

Kuhring warf den Hörer auf den Tisch und stürzte zur Tür. Brockmüller stieß auf dem Flur mit Zumpe zusammen, die Lux verfing sich mit dem Blusenärmel; die Klinke ratschte ihn auf. Sie prallten gegen die Mauer, die draußen am Zaun von Neugierigen, Reportern und Polizeibeamten gebildet wurde.

«Weg hier!» schrie Kuhring. «Das Haus kann jeden Augenblick in die Luft fliegen.»

Alle ergriffen die Flucht; wie eine Herde wälzten sie sich hundert, hundertfünfzig Meter die Mansfelder Straße entlang, kamen erst allmählich an der Ecke Konstanzer Straße zum Stehen, als den vordersten die Luft ausging. Da standen sie dann und starrten auf die alte Villa zurück, die friedlich, wenn auch leicht beschädigt, in der Morgensonne lag. Ein paar Polizisten hatten die Nerven behalten und begannen, die Straße für den Durchgangsverkehr zu sperren und die Bewohner der umliegenden Häuser zu bitten, ihre Wohnungen vorübergehend zu räumen. Zwei Funkstreifenwagen mit Blaulicht rasten heran, von einem Mannschaftswagen sprangen Bereitschaftspolizisten.

Brockmüller verfolgte alles aufmerksam und glaubte dennoch nicht, daß es tatsächlich geschah. Das konnte nicht sein, das gab’s doch nicht. Ein Fiebertraum vielleicht, ja. In der Realität war so etwas logischerweise ebenso unmöglich wie das plötzliche Auftauchen eines zweiten Erdenmondes. Sein Kopf schmerzte noch immer, und von neuem rotierte ein Vers in den Schaltkreisen seines Gehirns:… weil, so schloß er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf. Und es hallte nach, daß es ihn fast verrückt machte:… sein darfsein darf… sein darf.

Er fummelte eine grünliche Tablette aus einer kleinen Schachtel, schluckte sie hinunter und ersetzte das nicht vorhandene Wasser, mit dem sie eingenommen werden sollte, durch reichlich Speichel. Kaum war sie im Magen unten, fühlte er sich besser, obwohl sie unmöglich schon wirken konnte.

Die Villa stand immer noch. Aber er sah förmlich, wie sie mit Donnergetöse auseinanderflog und eine riesige Staubwolke zum Himmel stieg. Er zitterte geradezu in der Erwartung, daß es nun endlich passierte. Es quälte ihn, daß alles ruhig blieb. Heftig schwitzend erwartete er auf die Erlösung der Detonation.

Sekunden vergingen, Minuten, und alles blieb ruhig. Allmählich bekam er sich wieder unter Kontrolle. Als er sich umwandte, sah er, daß Kuhring, Zumpe und die Lux inzwischen mit dem Generaldirektor sprachen, der an seinem schwarzen Mercedes lehnte. Offensichtlich hatte ihm Kuhring schon auseinandergesetzt, was geschehen war. Brockmüller ging auf die Gruppe zu und durchbrach den Kordon der Umstehenden.

«Alles überstanden?» Donnersmarck nickte ihm zu.

«Ja, danke…» Sie hatten sich ein paarmal bei Besprechungen gesehen, und der Generaldirektor kannte nicht mal seinen Namen.

«Ich versteh das alles nicht!» sagte Kuhring. «Sie können uns glauben, daß wir ein Betriebsklima hatten, das gar nicht besser sein konnte!» Obwohl er Donnersmarck von der Wiege an zu kennen behauptete, und als dessen bester Freund und Kumpel galt, duzte er ihn niemals, wenn andere dabei waren. Damit wollte er nachdrücklich unterstreichen, daß er nicht das war, wofür ihn alle hielten: der Protege dieses Mannes. «Ossianowski hat sich bei uns wohl gefühlt; er hat nie zu erkennen gegeben, daß ihm was nicht paßte.»

Brockmüller grinste und warf einen verstohlenen Blick zu Zumpe hinüber. Natürlich mußte Kuhring so argumentieren, wenn er vermeiden wollte, daß man seine Führungsqualitäten in Zweifel zog.

Die Lux, offensichtlich bemüht, Donnersmarck zu gefallen und dadurch eines fernen Tages die Chance zu erhalten, in sein Vorzimmer überzusiedeln, gab Kuhring recht. «Für mich ist es ebenso unverständlich, warum sich Herr Ossianowski an uns rächen will: wir sind doch bestens miteinander ausgekommen, Herr Direktor. Er hat sich bei uns wohl gefühlt, das Büro war sein eigentliches Zuhause – in Kladow draußen hatte er ja niemanden.»

Nun vergaß auch Zumpe seine Gallenschmerzen. «Das stimmt, Herr Donnersmarck; wir alle hier haben uns nichts vorzuwerfen. Owi… äh, Ossianowski war voll integriert bei uns. Sicher, er hatte seine kleinen Eigenheiten, seine Schrullen – aber die haben wir doch schließlich alle, nicht wahr? Besser als bei uns hätte er’s doch nirgends haben können. Gerade in so einer kleinen Gruppe – da konnte man Rücksicht auf ihn nehmen. Im Februar haben wir ihn sogar als unseren Sprecher zur Tagung nach Bad Harzburg geschickt, Akademie für Führungskräfte… Ich versteh das alles nicht.»

Brockmüller blieb nichts weiter übrig, als nun auch etwas mehr oder minder Sinnvolles zum Thema zu sagen, denn Schweigen wurde in dieser Managerwelt zumindest als Dummheit ausgelegt, wenn es einem nicht gar den Verdacht der Obstruktion einbrachte. «Ich habe ja nur so nebenbei ein paar Semester Psychologie gehört, aber Herr Ossianowski war nicht nur ein ausgeprägter Misanthrop – er war schon ein ausgewachsener Psychopath! Sein Menschenhaß, verbunden mit seinen anarchistischen Gedanken – das ist brisant. Wir kriegen es nun zu spüren.»

Donnersmarck nickte und versprach, alles in seinen Kräften Stehende für ihre persönliche Sicherheit zu tun. Dann ließ er sich zur Vorstandssitzung zurückfahren, die er eben in aller Eile verlassen hatte.

Die Begegnung mit einem Aufsichtsrats- oder einem Vorstandsmitglied eines Konzerns ist für einen Untergebenen normalerweise ein ebenso elementares Ereignis wie für den ABC-Schützen das Hereinplatzen des Rektors in den Unterricht. Sogar in einer solchen Ausnahmesituation war dieser Effekt zu bemerken, und Brockmüller, Zumpe und die Lux – nicht ganz so Kuhring – standen beeindruckt und verwirrt herum, bis der schwarze Mercedes endgültig verschwunden war. Auch fehlten ihnen die passenden Worte, um den Auftritt ihres obersten Kriegsherrn angemessen zu kommentieren. Schnoddrigkeit war fehl am Platze, zunächst jedenfalls.

Schließlich meinte Kuhring: «Da kann man sagen, was man will: Ich find’s großartig, daß er sich gleich an Ort und Stelle informiert hat.»

«Ist schon ein bombiger Kerl», sagte Zumpe.

Kuhring funkelte ihn an. «Wie meinst du denn das?»

«Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich dir gegenüber noch sage, was ich meine!»

«Kannst du auch gar nicht – du hast ja noch nie ‘ne eigene Meinung gehabt.»

«Über dich schon.»

«Paß bloß auf!»

Brockmüller konnte dem erregten Dialog nicht länger folgen, denn zu seinem Entsetzen erkannte er am Rande der Menge Annelie. Mein Gott, und das im achten Monat! Wenn sie erfuhr, was… Eine Fehlgeburt!

Du wirst deinen Sohn nie zu sehen kriegen.

Diese verdammte Stimme wieder!

Dann war die Ahnung richtig, dann starb nicht er, sondern… Er stürzte zu ihr, wühlte sich durch die Menge.

Sie war in ihrem Zweitwagen gekommen, einem alten 500er Fiat, der nur noch von Rost zusammengehalten wurde. Sie parkte ihn immer, wenn sie kam, hinter der Villa, um dann mit Bus oder Taxi zum Zoo zu fahren und dort einzukaufen. Wie oft hatte er ihr in den letzten Tagen gesagt: Laß das, es ist zu gefährlich! Aber sie hörte ja nicht.

Wenn sie nun erfuhr, daß sein Leben bedroht war, und wohl ihres und das des Kindes auch… Der Schock, der Abort, der Tod des Kleinen! Ihm wurde schwarz vor Augen. Um alles in der Welt – sie durfte nichts erfahren!

Doch als er sie erreichte, da wußte sie’s schon. Einige der Passanten hatten inzwischen alles mitgekriegt.

«Mensch!» rief sie. «Endlich macht euch mal einer Feuer unterm Arsch!»

Brockmüller, der sie eben noch tröstend in die Arme nehmen wollte, prallte zurück. Einmal war er wütend, daß sie seine Angst so abtat, zum anderen haßte er den Slang. Neuköllner Hinterhof!

«Ich find’s nicht so lächerlich!» fuhr er sie an.

«Du lebst ja noch.»

«Mensch, das ist hier blutiger Ernst und kein Happening!» Er hatte einen Tränenstrom erwartet und daß sie hilflos schluchzend an seinem Halse hing.

«Meinst du, ich bin so verrückt und reg mich auf?»

«Wär dir wohl egal gewesen, wenn ich draufgegangen wäre?»

«Du spielst das alles auch noch hoch, du Idiot!» Sie wandte sich ab.

Brockmüller stand verdattert da.

«Ja, ja», sagte ein alter Mann neben ihm. «Schwangere Frauen!»

Sicherlich, irgendein Instinkt bewahrte sie davor, sich übermäßig zu erschrecken und das Ganze hochzuspielen, aber… Also, eine Frau, die ihren Mann liebt, die verhält sich nicht so! Ein wenig Mitgefühl, ein wenig Trost, ein paar Worte, daß man Angst gehabt hat, den anderen zu verlieren… Schön und gut: sie war schnoddrig und unterkühlt; sie haßte Phrasen, sie war links und emanzipiert und hart im Nehmen, aber dennoch…

Brockmüllers Lippen schmeckten nach Grünspan.

Er hätte sterben können. Er schwebte noch immer in Lebensgefahr. Und sie tat so, als hätte er sich bloß mal eben beim Rasieren geschnitten… Sie kam ihm nicht nur fremd vor – er fühlte plötzlich sogar eine heftige Abneigung gegen diese Frau, die seinen Namen trug und ein Kind von ihm erwartete.

Seine Stimmung erreichte ihren Tiefpunkt und seine Augen wurden feucht, als er sie mit Kuhring scherzen sah. Und Kuhring, der eben noch nahe daran gewesen war, Zumpe an die Gurgel zu springen – Kuhring lachte plötzlich.

Eifersucht schoß in ihm auf und ein ganz bestimmter Gedanke… Kuhring und Annelie kannten sich schon von der Werksschule her, wo Kuhring in nebenamtlicher Tätigkeit Buchführung und Warenkunde unterrichtet hatte. Später waren sie im Apparatewerk jahrelang im selben Büro beschäftigt gewesen – und er hatte sie bald zu seiner Gruppenleiterin gemacht. Und schließlich hatte er, Brockmüller, durch eben diesen Kontakt seine Stelle bei der Sondergruppe bekommen.

Die beiden unterhielten sich angeregt, und Annelie schien das Ganze für ‘ne riesige Cocktailparty im Freien zu halten. Mein Gott, war ihr denn nicht klar, was hier geschehen war? Eine Bombe war explodiert, in der Villa tickten womöglich weitere Zünder, Owi war tot, und er hatte allen Kollegen den Tod versprochen!

«Hallo, Doktor!»

Zumpe und die Lux kamen auf ihn zu; zwischen ihnen ging ein untersetzter Mann. Halbschwergewicht, der recht bärbeißig dreinblickte. Scharfgeschnittenes, nicht unsympathisches Gesicht, lässig gekleidet, ein bißchen verstört.

«Das ist Oberkommissar Mannhardt!» rief die Lux. «Er will uns sprechen.»

Auch das noch! Brockmüller wollte weg, sich irgendwo verstecken, seine Ruhe haben. Sollten die doch ihren Scheiß alleine machen!

Als er Mannhardt die Hand hinstreckte, wurde er von hinten angerempelt und gegen die Schulter des Kriminalbeamten geworfen. Er fuhr herum: ihr Briefträger. Ein junger Spund, rücksichtslos.

«Ich muß hier durch!»

«Das geht jetzt nicht», sagte Mannhardt. «Hier kann jede Sekunde was explodieren. Die Straße ist gesperrt.»

«Schön, geh ick eben ins Amt zurück.»

«Moment mal…» Mannhardt überlegte eine Sekunde. «Sagen Sie mal, haben Sie was für die Sondergruppe dabei?»

«Sondergruppe für Systemplanung», fügte die Lux hinzu.

«Ja, ick jloobe schon.» Der junge Mann nahm ein Briefbund aus seiner Karre und überflog die Anschriften. «Nee, hier nich… Aber da war doch wat…» Er suchte in einer anderen Tasche und förderte ein Päckchen zutage. «Hier…»

Mannhardt nahm das Päckchen in die Hand, und man sah ihm an, daß es schwerer war, als er vermutet hatte. Er drehte es herum und las laut: «Absender: Otto-Wilhelm Ossianowski…»

«Ein Sprengstoffpaket!» schrie Brockmüller.