Vierter Aufzug

Erster Auftritt

Szene: in den Kreuzgängen des Klosters.

Der Klosterbruder und bald darauf der Tempelherr.

Klosterbruder.

Ja, ja! er hat schon Recht, der Patriarch!

Es hat mir freilich noch von alle dem

Nicht viel gelingen wollen, was er mir

So aufgetragen. – Warum trägt er mir

Auch lauter solche Sachen auf? – Ich mag

Nicht fein sein; mag nicht überreden; mag

Mein Näschen nicht in alles stecken; mag

Mein Händchen nicht in allem haben. – Bin

Ich darum aus der Welt geschieden, ich

Für mich; um mich für andre mit der Welt

Noch erst recht zu verwickeln?

Tempelherr mit Hast auf ihn zukommend.

Guter Bruder!

Da seid Ihr ja. Ich hab’ Euch lange schon

Gesucht.

Klosterbruder.

Mich, Herr?

Tempelherr. Ihr kennt mich schon nicht mehr?

Klosterbruder.

Doch, doch! Ich glaubte nur, daß ich den Herrn

In meinem Leben wieder nie zu sehn

Bekommen würde. Denn ich hofft’ es zu

Dem lieben Gott. – Der liebe Gott, der weiß

Wie sauer mir der Antrag ward, den ich

Dem Herrn zu tun verbunden war. Er weiß,

Ob ich gewünscht, ein offnes Ohr bei Euch

Zu finden; weiß, wie sehr ich mich gefreut,

Im Innersten gefreut, daß Ihr so rund

Das alles, ohne viel Bedenken, von

Euch wies’t, was einem Ritter nicht geziemt. –

Nun kommt Ihr doch; nun hats doch nachgewirkt!

Tempelherr.

Ihr wißt es schon, warum ich komme? Kaum

Weiß ich es selbst.

Klosterbruder. Ihr habts nun überlegt;

Habt nun gefunden, daß der Patriarch

So Unrecht doch nicht hat; daß Ehr’ und Geld

Durch seinen Anschlag zu gewinnen; daß

Ein Feind ein Feind ist, wenn er unser Engel

Auch siebenmal gewesen wäre. Das,

Das habt Ihr nun mit Fleisch und Blut erwogen,

Und kommt, und tragt Euch wieder an. – Ach Gott!

Tempelherr.

Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrieden.

Deswegen komm’ ich nicht; deswegen will

Ich nicht den Patriarchen sprechen. Noch,

Noch denk’ ich über jenen Punkt, wie ich

Gedacht, und wollt’ um alles in der Welt

Die gute Meinung nicht verlieren, deren

Mich ein so grader, frommer, lieber Mann

Einmal gewürdiget. – Ich komme bloß,

Den Patriarchen über eine Sache

Um Rat zu fragen ...

Klosterbruder. Ihr den Patriarchen?

Ein Ritter, einen – Pfaffen?

Sich schüchtern umsehend.

Tempelherr. Ja; – die Sach’

Ist ziemlich pfäffisch.

Klosterbruder. Gleichwohl fragt der Pfaffe

Den Ritter nie, die Sache sei auch noch

So ritterlich.

Tempelherr. Weil er das Vorrecht hat,

Sich zu vergehn; das unser einer ihm

Nicht sehr beneidet. – Freilich, wenn ich nur

Für mich zu handeln hätte; freilich, wenn

Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte:

Was braucht’ ich Euers Patriarchen? Aber

Gewisse Dinge will ich lieber schlecht,

Nach andrer Willen, machen; als allein

Nach meinem, gut. – Zudem, ich seh nun wohl,

Religion ist auch Partei; und wer

Sich drob auch noch so unparteiisch glaubt,

Hält, ohn’ es selbst zu wissen, doch nur seiner

Die Stange. Weil das einmal nun so ist:

Wirds so wohl recht sein.

Klosterbruder. Dazu schweig’ ich lieber.

Denn ich versteh den Herrn nicht recht.

Tempelherr. Und doch! –

(Laß sehn, warum mir eigentlich zu tun!

Um Machtspruch oder Rat? – Um lautern, oder

Gelehrten Rat?) – Ich dank’ Euch, Bruder; dank’

Euch für den guten Wink. – Was Patriarch? –

Seid Ihr mein Patriarch! Ich will ja doch

Den Christen mehr im Patriarchen, als

Den Patriarchen in dem Christen fragen. –

Die Sach’ ist die ...

Klosterbruder.

Nicht weiter, Herr, nicht weiter!

Wozu? – Der Herr verkennt mich. – Wer viel weiß,

Hat viel zu sorgen; und ich habe ja

Mich Einer Sorge nur gelobt. – O gut!

Hört! seht! Dort kömmt, zu meinem Glück, er selbst.

Bleibt hier nur stehn. Er hat Euch schon erblickt.

Zweiter Auftritt

Der Patriarch, welcher mit allem geistlichen

Pomp den einen Kreuzgang heraufkömmt,

und die Vorigen.

Tempelherr.

Ich wich ihm lieber aus. – Wär’ nicht mein Mann! –

Ein dicker, roter, freundlicher Prälat!

Und welcher Prunk!

Klosterbruder. Ihr solltet ihn erst sehn,

Nach Hofe sich erheben. Itzo kömmt

Er nur von einem Kranken.

Tempelherr. Wie sich da

Nicht Saladin wird schämen müssen!

Patriarch indem er näher kömmt, winkt dem Bruder.

Hier! –

Das ist ja wohl der Tempelherr. Was will

Er?

Klosterbruder.

Weiß nicht.

Patriarch auf ihn zugehend, indem der Bruder und das Gefolge zurücktreten.

Nun, Herr Ritter! – Sehr erfreut

Den braven jungen Mann zu sehn! – Ei, noch

So gar jung! – Nun, mit Gottes Hülfe, daraus

Kann etwas werden.

Tempelherr. Mehr, ehrwürd’ger Herr,

Wohl schwerlich, als schon ist. Und eher noch,

Was weniger.

Patriarch. Ich wünsche wenigstens,

Daß so ein frommer Ritter lange noch

Der lieben Christenheit, der Sache Gottes

Zu Ehr und Frommen blühn und grünen möge!

Das wird denn auch nicht fehlen, wenn nur fein

Die junge Tapferkeit dem reifen Rate

Des Alters folgen will! – Womit wär’ sonst

Dem Herrn zu dienen?

Tempelherr. Mit dem nämlichen,

Woran es meiner Jugend fehlt: mit Rat.

Patriarch.

Recht gern! – Nur ist der Rat auch anzunehmen.

Tempelherr.

Doch blindlings nicht?

Patriarch. Wer sagt denn das? – Ei freilich

Muß niemand die Vernunft, die Gott ihm gab,

Zu brauchen unterlassen, – wo sie hin

Gehört. – Gehört sie aber überall

Denn hin? – O nein! – Zum Beispiel: wenn uns Gott

Durch einen seiner Engel, – ist zu sagen,

Durch einen Diener seines Worts, – ein Mittel

Bekannt zu machen würdiget, das Wohl

Der ganzen Christenheit, das Heil der Kirche,

Auf irgend eine ganz besondre Weise

Zu fördern, zu befestigen: wer darf

Sich da noch unterstehn, die Willkür des,

Der die Vernunft erschaffen, nach Vernunft

Zu untersuchen? und das ewige

Gesetz der Herrlichkeit des Himmels, nach

Den kleinen Regeln einer eiteln Ehre

Zu prüfen? – Doch hiervon genug. – Was ist

Es denn, worüber unsern Rat für itzt

Der Herr verlangt?

Tempelherr. Gesetzt, ehrwürd’ger Vater,

Ein Jude hätt’ ein einzig Kind, – es sei

Ein Mädchen, – das er mit der größten Sorgfalt

Zu allem Guten auferzogen, das

Er liebe mehr als seine Seele, das

Ihn wieder mit der frömmsten Liebe liebe.

Und nun würd’ unser einem hinterbracht,

Dies Mädchen sei des Juden Tochter nicht;

Er hab’ es in der Kindheit aufgelesen,

Gekauft, gestohlen, – was Ihr wollt; man wisse,

Das Mädchen sei ein Christenkind, und sei

Getauft; der Jude hab’ es nur als Jüdin

Erzogen; laß es nur als Jüdin und

Als seine Tochter so verharren: – sagt,

Ehrwürd’ger Vater, was wär’ hierbei wohl

Zu tun?

Patriarch.

Mich schaudert! – Doch zu allererst

Erkläre sich der Herr, ob so ein Fall

Ein Faktum oder eine Hypothes’.

Das ist zu sagen: ob der Herr sich das

Nur bloß so dichtet, oder obs geschehn,

Und fortfährt zu geschehn.

Tempelherr. Ich glaubte, das

Sei eins, um Euer Hochehrwürden Meinung

Bloß zu vernehmen.

Patriarch. Eins? – Da seh der Herr

Wie sich die stolze menschliche Vernunft

Im Geistlichen doch irren kann. – Mit nichten!

Denn ist der vorgetragne Fall nur so

Ein Spiel des Witzes: so verlohnt es sich

Der Mühe nicht, im Ernst ihn durchzudenken.

Ich will den Herrn damit auf das Theater

Verwiesen haben, wo dergleichen pro

Et contra sich mit vielem Beifall könnte

Behandeln lassen. – Hat der Herr mich aber

Nicht bloß mit einer theatral’schen Schnurre

Zum besten; ist der Fall ein Faktum; hätt’

Er sich wohl gar in unsrer Diözes’,

In unsrer lieben Stadt Jerusalem,

Eräugnet: – ja alsdann –

Tempelherr. Und was alsdann?

Patriarch, Dann wäre mit dem Juden fördersamst

Die Strafe zu vollziehn, die päpstliches

Und kaiserliches Recht so einem Frevel,

So einer Lastertat bestimmen.

Tempelherr. So?

Patriarch.

Und zwar bestimmen obbesagte Rechte

Dem Juden, welcher einen Christen zur

Apostasie verführt, – den Scheiterhaufen, –

Den Holzstoß –

Tempelherr. So?

Patriarch. Und wie vielmehr dem Juden,

Der mit Gewalt ein armes Christenkind

Dem Bunde seiner Tauf entreißt! Denn ist

Nicht alles, was man Kindern tut, Gewalt? –

Zu sagen: – ausgenommen, was die Kirch’

An Kindern tut.

Tempelherr. Wenn aber nun das Kind,

Erbarmte seiner sich der Jude nicht,

Vielleicht im Elend umgekommen wäre?

Patriarch.

Tut nichts! der Jude wird verbrannt. – Denn besser,

Es wäre hier im Elend umgekommen,

Als daß zu seinem ewigen Verderben

Es so gerettet ward. – Zu dem, was hat

Der Jude Gott denn vorzugreifen? Gott

Kann, wen er retten will, schon ohn’ ihn retten.

Tempelherr.

Auch Trotz ihm, sollt’ ich meinen, – selig machen.

Patriarch. Tut nichts! der Jude wird verbrannt.

Tempelherr. Das geht

Mir nah’! Besonders, da man sagt, er habe

Das Mädchen nicht sowohl in seinem, als

Vielmehr in keinem Glauben auferzogen,

Und sie von Gott nicht mehr nicht weniger

Gelehrt, als der Vernunft genügt.

Patriarch. Tut nichts!

Der Jude wird verbrannt ... Ja, wär’ allein

Schon dieserwegen wert, dreimal verbrannt

Zu werden! – Was? ein Kind ohn’ allen Glauben

Erwachsen lassen? – Wie? die große Pflicht

Zu glauben, ganz und gar ein Kind nicht lehren?

Das ist zu arg! – Mich wundert sehr, Herr Ritter,

Euch selbst ...

Tempelherr. Ehrwürd’ger Herr, das übrige,

Wenn Gott will, in der Beichte. Will gehn.

Patriarch. Was? mir nun

Nicht einmal Rede stehn? – Den Bösewicht,

Den Juden mir nicht nennen? – mir ihn nicht

Zur Stelle schaffen? – O da weiß ich Rat!

Ich geh sogleich zum Sultan. – Saladin,

Vermöge der Kapitulation,

Die er beschworen, muß uns, muß uns schützen;

Bei allen Rechten, allen Lehren schützen,

Die wir zu unsrer allerheiligsten

Religion nur immer rechnen dürfen!

Gottlob! wir haben das Original.

Wir haben seine Hand, sein Siegel. Wir! –

Auch mach’ ich ihm gar leicht begreiflich, wie

Gefährlich selber für den Staat es ist,

Nichts glauben! Alle bürgerliche Bande

Sind aufgelöset, sind zerrissen, wenn

Der Mensch nichts glauben darf. – Hinweg! hinweg

Mit solchem Frevel! ..

Tempelherr. Schade, daß ich nicht

Den trefflichen Sermon mit beßrer Muße

Genießen kann! Ich bin zum Saladin

Gerufen.

Patriarch.

Ja? – Nun so – Nun freilich – Dann –

Tempelherr.

Ich will den Sultan vorbereiten, wenn

Es Eurer Hochehrwürden so gefällt.

Patriarch.

O, oh! – Ich weiß, der Herr hat Gnade funden

Vor Saladin! – Ich bitte meiner nur

Im besten bei ihm eingedenk zu sein. –

Mich treibt der Eifer Gottes lediglich.

Was ich zu viel tu, tu ich ihm. – Das wolle

Doch ja der Herr erwägen! – Und nicht wahr,

Herr Ritter? das vorhin Erwähnte von

Dem Juden, war nur ein Problema? – ist

Zu sagen-

Tempelherr.

Ein Problema. Geht ab.

Patriarch. (Dem ich tiefer

Doch auf den Grund zu kommen suchen muß.

Das wär’ so wiederum ein Auftrag für

Den Bruder Bonafides.) – Hier, mein Sohn!

Er spricht im Abgehn mit dem Klosterbruder.

Dritter Auftritt

Szene: ein Zimmer im Palaste des Saladin, in welches von Sklaven eine Menge Beutel getragen, und auf dem Boden neben einander gestellt werden.

Saladin und bald darauf Sittah.

Saladin der dazu kömmt.

Nun wahrlich! das hat noch kein Ende. – Ist

Des Dings noch viel zurück?

Ein Sklave. Wohl noch die Hälfte.

Saladin. So tragt das übrige zu Sittah. – Und

Wo bleibt Al-Hafi? Das hier soll sogleich

Al-Hafi zu sich nehmen. – Oder ob

Ichs nicht vielmehr dem Vater schicke? Hier

Fällt mir es doch nur durch die Finger. – Zwar

Man wird wohl endlich hart; und nun gewiß

Solls Künste kosten, mir viel abzuzwacken.

Bis wenigstens die Gelder aus Ägypten

Zur Stelle kommen, mag das Armut sehn

Wies fertig wird! – Die Spenden bei dem Grabe,

Wenn die nur fortgehn! Wenn die Christenpilger

Mit leeren Händen nur nicht abziehn dürfen!

Wenn nur –

Sittah. Was soll nun das? Was soll das Geld

Bei mir?

Saladin. Mach dich davon bezahlt; und leg’

Auf Vorrat, wenn was übrig bleibt.

Sittah. Ist Nathan

Noch mit dem Tempelherrn nicht da?

Saladin. Er sucht

Ihn aller Orten.

Sittah. Sieh doch, was ich hier,

Indem mir so mein alt Geschmeide durch

Die Hände geht, gefunden.

Ihm ein klein Gemälde zeigend.

Saladin. Ha! mein Bruder!

Das ist er, ist er! – War er! war er! ah! –

Ah wackrer lieber Junge, daß ich dich

So früh verlor! Was hätt’ ich erst mit dir,

An deiner Seit’ erst unternommen! – Sittah,

Laß mir das Bild. Auch kenn’ ichs schon: er gab

Es deiner ältern Schwester, seiner Lilla,

Die eines Morgens ihn so ganz und gar

Nicht aus den Armen lassen wollt’. Es war

Der letzte, den er ausritt. – Ah, ich ließ

Ihn reiten, und allein! – Ah, Lilla starb

Vor Gram, und hat mirs nie vergeben, daß

Ich so allein ihn reiten lassen. – Er

Blieb weg!

Sittah. Der arme Bruder!

Saladin. Laß nur gut

Sein! – Einmal bleiben wir doch alle weg! –

Zudem, – wer weiß? Der Tod ists nicht allein,

Der einem Jüngling seiner Art das Ziel

Verrückt. Er hat der Feinde mehr; und oft

Erliegt der Stärkste gleich dem Schwächsten. – Nun,

Sei wie ihm sei! – Ich muß das Bild doch mit

Dem jungen Tempelherrn vergleichen; muß

Doch sehn, wie viel mich meine Phantasie

Getäuscht.

Sittah. Nur darum bring’ ichs. Aber gib

Doch, gib! Ich will dir das wohl sagen; das

Versteht ein weiblich Aug am besten.

Saladin zu einem Türsteher, der hereintritt.

Wer

Ist da? – der Tempelherr? – Er komm’!

Sittah. Euch nicht

Zu stören: ihn mit meiner Neugier nicht

Zu irren –

Sie setzt sich seitwärts auf einen Sofa

und läßt den Schleier fallen.

Saladin. Gut so! gut! – (Und nun sein Ton!

Wie der wohl sein wird! – Assads Ton

Schläft auch wohl wo in meiner Seele noch!)

Vierter Auftritt

Der Tempelherr und Saladin.

Tempelherr. Ich, dein Gefangner, Sultan ...

Saladin. Mein Gefangner?

Wem ich das Leben schenke, werd’ ich dem

Nicht auch die Freiheit schenken?

Tempelherr. Was dir ziemt

Zu tun, ziemt mir, erst zu vernehmen, nicht

Vorauszusetzen. Aber, Sultan, – Dank,

Besondern Dank dir für mein Leben zu

Beteuern, stimmt mit meinem Stand’ und meinem

Charakter nicht. – Es steht in allen Fällen

Zu deinen Diensten wieder.

Saladin. Brauch es nur

Nicht wider mich! – Zwar ein Paar Hände mehr,

Die gönnt’ ich meinem Feinde gern. Allein

Ihm so ein Herz auch mehr zu gönnen, fällt

Mir schwer. – Ich habe mich mit dir in nichts

Betrogen, braver junger Mann! Du bist

Mit Seel und Leib mein Assad. Sieh! ich könnte

Dich fragen: wo du denn die ganze Zeit

Gesteckt? in welcher Höhle du geschlafen?

In welchem Ginnistan, von welcher guten

Div diese Blume fort und fort so frisch

Erhalten worden? Sieh! ich könnte dich

Erinnern wollen, was wir dort und dort

Zusammen ausgeführt. Ich könnte mit

Dir zanken, daß du Ein Geheimnis doch

Vor mir gehabt! Ein Abenteuer mir

Doch unterschlagen: – Ja, das könnt’ ich; wenn

Ich dich nur säh’, und nicht auch mich. – Nun, mags!

Von dieser süßen Träumerei ist immer

Doch so viel wahr, daß mir in meinem Herbst

Ein Assad wieder blühen soll. – Du bist

Es doch zufrieden, Ritter?

Tempelherr. Alles, was

Von dir mir kömmt, – sei was es will – das lag

Als Wunsch in meiner Seele.

Saladin. Laß uns das

Sogleich versuchen. – Bliebst du wohl bei mir?

Um mir? – Als Christ, als Muselmann: gleich viel!

Im weißen Mantel, oder Jamerlonk;

Im Tulban, oder deinem Filze: wie

Du willst! Gleich viel! Ich habe nie verlangt,

Daß allen Bäumen Eine Rinde wachse.

Tempelherr.

Sonst wärst du wohl auch schwerlich, der du bist:

Der Held, der lieber Gottes Gärtner wäre.

Saladin.

Nun dann; wenn du nicht schlechter von mir denkst:

So wären wir ja halb schon richtig?

Tempelherr. Ganz!

Saladin ihm die Hand bietend. Ein Wort?

Tempelherr einschlagend.

Ein Mann! – Hiermit empfange mehr

Als du mir nehmen konntest. Ganz der Deine!

Saladin. Zu viel Gewinn für einen Tag! zu viel! –

Kam er nicht mit?

Tempelherr. Wer?

Saladin. Nathan.

Tempelherr frostig. Nein. Ich kam

Allein.

Saladin.

Welch eine Tat von dir! Und welch

Ein weises Glück, daß eine solche Tat

Zum Besten eines solchen Mannes ausschlug.

Tempelherr. Ja, ja!

Saladin. So kalt? – Nein, junger Mann! wenn Gott

Was Gutes durch uns tut, muß man so kalt

Nicht sein! – selbst aus Bescheidenheit so kalt

Nicht scheinen wollen!

Tempelherr. Daß doch in der Welt

Ein jedes Ding so manche Seiten hat! –

Von denen oft sich gar nicht denken läßt,

Wie sie zusammenpassen!

Saladin. Halte dich

Nur immer an die best’, und preise Gott!

Der weiß, wie sie zusammenpassen. – Aber,

Wenn du so schwierig sein willst, junger Mann:

So werd’ auch ich ja wohl auf meiner Hut

Mich mit dir halten müssen? Leider bin

Auch ich ein Ding von vielen Seiten, die

Oft nicht so recht zu passen scheinen mögen.

Tempelherr.

Das schmerzt! – Denn Argwohn ist so wenig sonst

Mein Fehler –

Saladin. Nun, so sage doch, mit wem

Dus hast? – Es schien ja gar, mit Nathan. Wie?

Auf Nathan Argwohn? du? – Erklär’ dich! sprich!

Komm, gib mir deines Zutrauns erste Probe.

Tempelherr.

Ich habe wider Nathan nichts. Ich zürn’

Allein mit mir –

Saladin. Und über was?

Tempelherr. Daß mir

Geträumt, ein Jude könn’ auch wohl ein Jude

Zu sein verlernen; daß mir wachend so

Geträumt.

Saladin. Heraus mit diesem wachen Traume!

Tempelherr.

Du weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was

Ich für sie tat, das tat ich, – weil ichs tat.

Zu stolz, Dank einzuernten, wo ich ihn

Nicht säete, verschmäht ich Tag für Tag

Das Mädchen noch einmal zu sehn. Der Vater

War fern; er kömmt; er hört; er sucht mich auf;

Er dankt; er wünscht, daß seine Tochter mir

Gefallen möge; spricht von Aussicht, spricht

Von heitern Fernen. – Nun, ich lasse mich

Beschwatzen, komme, sehe, finde wirklich

Ein Mädchen ... Ah, ich muß mich schämen, Sultan! –

Saladin.

Dich schämen? – daß ein Judenmädchen auf

Dich Eindruck machte: doch wohl nimmermehr?

Tempelherr.

Daß diesem Eindruck, auf das liebliche

Geschwätz des Vaters hin, mein rasches Herz

So wenig Widerstand entgegen setzte! –

Ich Tropf! ich sprang zum zweitenmal ins Feuer. –

Denn nun warb ich, und nun ward ich verschmäht.

Saladin. Verschmäht?

Tempelherr. Der weise Vater schlägt nun wohl

Mich platterdings nicht aus. Der weise Vater

Muß aber doch sich erst erkunden, erst

Besinnen. Allerdings! Tat ich denn das

Nicht auch? Erkundete, besann ich denn

Mich erst nicht auch, als sie im Feuer schrie? –

Fürwahr! bei Gott! Es ist doch gar was Schönes,

So weise, so bedächtig sein!

Saladin. Nun, nun!

So sieh doch einem Alten etwas nach!

Wie lange können seine Weigerungen

Denn dauern? Wird er denn von dir verlangen,

Daß du erst Jude werden sollst?

Tempelherr. Wer weiß!

Saladin.

Wer weiß? – der diesen Nathan besser kennt.

Tempelherr.

Der Aberglaub’, in dem wir aufgewachsen,

Verliert, auch wenn wir ihn erkennen, darum

Doch seine Macht nicht über uns. – Es sind

Nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.

Saladin.

Sehr reif bemerkt! Doch Nathan wahrlich, Nathan..

Tempelherr.

Der Aberglauben schlimmster ist, den seinen

Für den erträglichern zu halten ...

Saladin. Mag

Wohl sein! Doch Nathan...

Tempelherr. Dem allein

Die blöde Menschheit zu vertrauen, bis

Sie hellern Wahrheitstag gewöhne; dem

Allein ...

Saladin. Gut! Aber Nathan! – Nathans Los

Ist diese Schwachheit nicht.

Tempelherr. So dacht’ ich auch! ...

Wenn gleichwohl dieser Ausbund aller Menschen

So ein gemeiner Jude wäre, daß

Er Christenkinder zu bekommen suche,

Um sie als Juden aufzuziehn: – wie dann?

Saladin. Wer sagt ihm so was nach?

Tempelherr. Das Mädchen selbst,

Mit welcher er mich körnt, mit deren Hoffnung

Er gern mir zu bezahlen schiene, was

Ich nicht umsonst für sie getan soll haben: –

Dies Mädchen selbst, ist seine Tochter – nicht;

Ist ein verzettelt Christenkind.

Saladin. Das er

Dem ungeachtet dir nicht geben wollte?

Tempelherr heftig.

Woll’ oder wolle nicht! Er ist entdeckt.

Der tolerante Schwätzer ist entdeckt!

Ich werde hinter diesen jüd’schen Wolf

Im philosoph’schen Schafpelz, Hunde schon

Zu bringen wissen, die ihn zausen sollen!

Saladin ernst.

Sei ruhig, Christ!

Tempelherr. Was? ruhig Christ? – Wenn Jud’

Und Muselmann, auf Jud’, auf Muselmann

Bestehen: soll allein der Christ den Christen

Nicht machen dürfen?

Saladin noch ernster. Ruhig, Christ!

Tempelherr gelassen. Ich fühle

Des Vorwurfs ganze Last, – die Saladin

In diese Silbe preßt! Ah, wenn ich wüßte,

Wie Assad, – Assad sich an meiner Stelle

Hierbei genommen hätte!

Saladin. Nicht viel besser! –

Vermutlich, ganz so brausend! – Doch, wer hat

Denn dich auch schon gelehrt, mich so wie er

Mit Einem Worte zu bestechen? Freilich

Wenn alles sich verhält, wie du mir sagest:

Kann ich mich selber kaum in Nathan finden. –

Indes, er ist mein Freund, und meiner Freunde

Muß keiner mit dem andern hadern. – Laß

Dich weisen! Geh behutsam! Gib ihn nicht

Sofort den Schwärmern deines Pöbels Preis!

Verschweig, was deine Geistlichkeit, an ihm

Zu rächen, mir so nahe legen würde!

Sei keinem Juden, keinem Muselmanne

Zum Trotz ein Christ!

Tempelherr. Bald wärs damit zu spät!

Doch Dank der Blutbegier des Patriarchen,

Des Werkzeug mir zu werden graute!

Saladin. Wie?

Du kamst zum Patriarchen eher, als

Zu mir?

Tempelherr.

Im Sturm der Leidenschaft, im Wirbel

Der Unentschlossenheit! – Verzeih! – Du wirst

Von deinem Assad, fürcht’ ich, ferner nun

Nichts mehr in mir erkennen wollen.

Saladin. Wär’

Es diese Furcht nicht selbst! Mich dünkt, ich weiß,

Aus welchen Fehlern unsre Tugend keimt.

Pfleg’ diese ferner nur, und jene sollen

Bei mir dir wenig schaden. – Aber geh!

Such du nun Nathan, wie er dich gesucht;

Und bring’ ihn her. Ich muß euch doch zusammen

Verständigen. – Wär’ um das Mädchen dir

Im Ernst zu tun: sei ruhig. Sie ist dein!

Auch soll es Nathan schon empfinden, daß

Er ohne Schweinefleisch ein Christenkind

Erziehen dürfen! – Geh!

Der Tempelherr geht ab, und Sittah verläßt

den Sofa.

Fünfter Auftritt

Saladin und Sittah.

Sittah. Ganz sonderbar!

Saladin.

Gelt, Sittah? Muß mein Assad nicht ein braver,

Ein schöner junger Mann gewesen sein?

Sittah.

Wenn er so war, und nicht zu diesem Bilde

Der Tempelherr vielmehr gesessen! – Aber

Wie hast du doch vergessen können dich

Nach seinen Eltern zu erkundigen?

Saladin.

Und ins besondre wohl nach seiner Mutter?

Ob seine Mutter hier zu Lande nie

Gewesen sei? – Nicht wahr?

Sittah. Das machst du gut!

Saladin.

O, möglicher wär’ nichts! Denn Assad war

Bei hübschen Christendamen so willkommen,

Auf hübsche Christendamen so erpicht,

Daß einmal gar die Rede ging – Nun, nun;

Man spricht nicht gern davon. – Genug; ich hab

Ihn wieder! – will mit allen seinen Fehlern,

Mit allen Launen seines weichen Herzens

Ihn wieder haben! – Oh! das Mädchen muß

Ihm Nathan geben. Meinst du nicht?

Sittah. Ihm geben?

Ihm lassen!

Saladin. Allerdings! Was hätte Nathan,

So bald er nicht ihr Vater ist, für Recht

Auf sie? Wer ihr das Leben so erhielt,

Tritt einzig in die Rechte des, der ihr

Es gab.

Sittah. Wie also, Saladin? wenn du

Nur gleich das Mädchen zu dir nähmst? Sie nur

Dem unrechtmäßigen Besitzer gleich

Entzögest?

Saladin. Täte das wohl Not?

Sittah. Not nun

Wohl eben nicht! – Die liebe Neubegier

Treibt mich allein, dir diesen Rat zu geben.

Denn von gewissen Männern mag ich gar

Zu gern, so bald wie möglich, wissen, was

Sie für ein Mädchen lieben können.

Saladin. Nun,

So schick’ und laß sie holen.

Sittah. Darf ich, Bruder?

Saladin.

Nur schone Nathans! Nathan muß durchaus

Nicht glauben, daß man mit Gewalt ihn von

Ihr trennen wolle.

Sittah. Sorge nicht.

Saladin. Und ich,

Ich muß schon selbst sehn, wo Al-Hafi bleibt.

Sechster Auftritt

Szene: die offne Flur in Nathans Hause, gegen die Palmen zu; wie im ersten Auftritte des ersten Aufzuges. Ein Teil der Waren und Kostbarkeiten liegt ausgekramt, deren eben daselbst gedacht wird.

Nathan und Daja.

Daja. O, alles herrlich! alles auserlesen!

O, alles – wie nur Ihr es geben könnt.

Wo wird der Silberstoff mit goldnen Ranken

Gemacht? Was kostet er? – Das nenn’ ich noch

Ein Brautkleid! Keine Königin verlangt

Es besser.

Nathan. Brautkleid? Warum Brautkleid eben?

Daja. Je nun! Ihr dachtet daran freilich nicht,

Als Ihr ihn kauftet. – Aber wahrlich, Nathan,

Der und kein andrer muß es sein! Er ist

Zum Brautkleid wie bestellt. Der weiße Grund;

Ein Bild der Unschuld: und die goldnen Ströme,

Die aller Orten diesen Grund durchschlängeln;

Ein Bild des Reichtums. Seht Ihr? Allerliebst!

Nathan.

Was witzelst du mir da? Von wessen Brautkleid

Sinnbilderst du mir so gelehrt? – Bist du

Denn Braut?

Daja. Ich?

Nathan. Nun wer denn?

Daja. Ich? – lieber Gott!

Nathan.

Wer denn? Von wessen Brautkleid sprichst du denn? –

Das alles ist ja dein, und keiner andern.

Daja.

Ist mein? Soll mein sein? – Ist für Recha nicht?

Nathan. Was ich für Recha mitgebracht, das liegt

In einem andern Ballen. Mach! nimm weg!

Trag deine Siebensachen fort!

Daja. Versucher!

Nein, wären es die Kostbarkeiten auch

Der ganzen Welt! Nicht rühr an! wenn Ihr mir

Vorher nicht schwört, von dieser einzigen

Gelegenheit, dergleichen Euch der Himmel

Nicht zweimal schicken wird, Gebrauch zu machen.

Nathan.

Gebrauch? von was? – Gelegenheit? wozu?

Daja.

O stellt Euch nicht so fremd! – Mit kurzen Worten!

Der Tempelherr liebt Recha: gebt sie ihm,

So hat doch einmal Eure Sünde, die

Ich länger nicht verschweigen kann, ein Ende.

So kömmt das Mädchen wieder unter Christen;

Wird wieder was sie ist; ist wieder, was

Sie ward: und Ihr, Ihr habt mit all’ dem Guten,

Das wir Euch nicht genug verdanken können,

Nicht Feuerkohlen bloß auf Euer Haupt

Gesammelt.

Nathan. Doch die alte Leier wieder?-

Mit einer neuen Saite nur bezogen,

Die, fürcht’ ich, weder stimmt noch hält.

Daja. Wie so?

Nathan.

Mir wär’ der Tempelherr schon recht. Ihm gönnt’

Ich Recha mehr als einem in der Welt.

Allein ... Nun, habe nur Geduld.

Daja. Geduld?

Geduld, ist Eure alte Leier nun

Wohl nicht?

Nathan. Nur wenig Tage noch Geduld! ...

Sieh doch! – Wer kömmt denn dort? Ein Klosterbruder?

Geh, frag’ ihn was er will.

Daja. Was wird er wollen?

Sie geht auf ihn zu und fragt.

Nathan. So gib! – und eh’ er bittet. – (Wüßt’ ich nur

Dem Tempelherrn erst beizukommen, ohne

Die Ursach meiner Neugier ihm zu sagen!

Denn wenn ich sie ihm sag’, und der Verdacht

Ist ohne Grund: so hab’ ich ganz umsonst

Den Vater auf das Spiel gesetzt.) – Was ists?

Daja. Er will Euch sprechen.

Nathan. Nun, so laß ihn kommen;

Und geh indes.

Siebenter Auftritt

Nathan und der Klosterbruder.

Nathan. (Ich bliebe Rechas Vater

Doch gar zu gern! – Zwar kann ichs denn nicht bleiben,

Auch wenn ich aufhör’, es zu heißen? – Ihr,

Ihr selbst werd’ ichs doch immer auch noch heißen,

Wenn sie erkennt, wie gern ichs wäre.) – Geh! –

Was ist zu Euern Diensten, frommer Bruder?

Klosterbruder.

Nicht eben viel. – Ich freue mich, Herr Nathan,

Euch annoch wohl zu sehn.

Nathan. So kennt Ihr mich?

Klosterbruder.

Je nu; wer kennt Euch nicht? Ihr habt so manchem

Ja Euern Namen in die Hand gedrückt.

Er steht in meiner auch, seit vielen Jahren.

Nathan nach seinem Beutel langend.

Kommt, Bruder, kommt; ich frisch’ ihn auf.

Klosterbruder. Habt Dank!

Ich würd’ es Ärmern stehlen; nehme nichts. –

Wenn Ihr mir nur erlauben wollt, ein wenig

Euch meinen Namen aufzufrischen. Denn

Ich kann mich rühmen, auch in Eure Hand

Etwas gelegt zu haben, was nicht zu

Verachten war.

Nathan. Verzeiht! – Ich schäme mich –

Sagt, was? – und nehmt zur Buße siebenfach

Den Wert desselben von mir an.

Klosterbruder. Hört doch

Vor allen Dingen, wie ich selber nur

Erst heut an dies mein Euch vertrautes Pfand

Erinnert worden.

Nathan. Mir vertrautes Pfand?

Klosterbruder.

Vor kurzem saß ich noch als Eremit

Auf Quarantana, unweit Jericho.

Da kam arabisch Raubgesindel, brach

Mein Gotteshäuschen ab und meine Zelle,

Und schleppte mich mit fort. Zum Glück entkam

Ich noch, und floh hierher zum Patriarchen,

Um mir ein ander Plätzchen auszubitten,

Allwo ich meinem Gott in Einsamkeit

Bis an mein selig Ende dienen könne.

Nathan. Ich steh auf Kohlen, guter Bruder. Macht

Es kurz. Das Pfand! das mir vertraute Pfand!

Klosterbruder.

Sogleich, Herr Nathan. – Nun, der Patriarch

Versprach mir eine Siedelei auf Tabor,

Sobald als eine leer; und hieß inzwischen

Im Kloster mich als Laienbruder bleiben.

Da bin ich itzt, Herr Nathan; und verlange

Des Tags wohl hundertmal auf Tabor. Denn

Der Patriarch braucht mich zu allerlei,

Wovor ich großen Ekel habe. Zum

Exempel:

Nathan. Macht, ich bitt’ Euch!

Klosterbruder. Nun, es kömmt! –

Da hat ihm jemand heut’ ins Ohr gesetzt:

Es lebe hier herum ein Jude, der

Ein Christenkind als seine Tochter sich

Erzöge.

Nathan. Wie? Betroffen.

Klosterbruder.

Hört mich nur aus! – Indem

Er mir nun aufträgt, diesem Juden stracks,

Wo möglich, auf die Spur zu kommen, und

Gewaltig sich ob eines solchen Frevels

Erzürnt, der ihm die wahre Sünde wider

Den heil’gen Geist bedünkt; – das ist, die Sünde,

Die aller Sünden größte Sünd’ uns gilt,

Nur daß wir, Gott sei Dank, so recht nicht wissen,

Worin sie eigentlich besteht: – da wacht

Mit einmal mein Gewissen auf; und mir

Fällt bei, ich könnte selber wohl vor Zeiten

Zu dieser unverzeihlich großen Sünde

Gelegenheit gegeben haben. – Sagt:

Hat Euch ein Reitknecht nicht vor achtzehn Jahren

Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen?

Nathan.

Wie das? – Nun freilich – allerdings –

Klosterbruder. Ei, seht

Mich doch recht an! – Der Reitknecht, der bin ich.

Nathan. Seid Ihr?

Klosterbruder.

Der Herr, von welchem ichs Euch brachte,

War – ist mir recht – ein Herr von Filneck. – Wolf

Von Filneck!

Nathan. Richtig!

Klosterbruder. Weil die Mutter kurz

Vorher gestorben war; und sich der Vater

Nach – mein’ ich – Gazza plötzlich werfen mußte,

Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte:

So sandt ers Euch. Und traf ich Euch damit

Nicht in Darun?

Nathan. Ganz recht!

Klosterbruder. Es wär’ kein Wunder,

Wenn mein Gedächtnis mich betrög’. Ich habe

Der braven Herrn so viel gehabt; und diesem

Hab’ ich nur gar zu kurze Zeit gedient.

Er blieb bald drauf bei Askalon; und war

Wohl sonst ein lieber Herr.

Nathan. Ja wohl! ja wohl!

Dem ich so viel, so viel zu danken habe!

Der mehr als einmal mich dem Schwert entrissen!

Klosterbruder.

O schön! So werd’t Ihr seines Töchterchens

Euch um so lieber angenommen haben.

Nathan. Das könnt Ihr denken.

Klosterbruder. Nun, wo ist es denn?

Es ist doch wohl nicht etwa gar gestorben? –

Laßts lieber nicht gestorben sein! – Wenn sonst

Nur niemand um die Sache weiß: so hat

Es gute Wege.

Nathan. Hat es?

Klosterbruder. Traut mir, Nathan!

Denn seht, ich denke so! Wenn an das Gute,

Das ich zu tun vermeine, gar zu nah

Was gar zu Schlimmes grenzt: so tu ich lieber

Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar

So ziemlich zuverlässig kennen, aber

Bei weiten nicht das Gute. – War ja wohl

Natürlich; wenn das Christentöchterchen

Recht gut von Euch erzogen werden sollte:

Daß Ihrs als Euer eigen Töchterchen

Erzögt. – Das hättet Ihr mit aller Lieb’

Und Treue nun getan, und müßtet so

Belohnet werden? Das will mir nicht ein.

Ei freilich, klüger hättet Ihr getan;

Wenn Ihr die Christin durch die zweite Hand

Als Christin auferziehen lassen: aber

So hättet Ihr das Kindchen Eures Freunds

Auch nicht geliebt. Und Kinder brauchen Liebe,

Wärs eines wilden Tieres Lieb’ auch nur,

In solchen Jahren mehr, als Christentum.

Zum Christentume hats noch immer Zeit.

Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm

Vor Euern Augen aufgewachsen ist,

So bliebs vor Gottes Augen, was es war.

Und ist denn nicht das ganze Christentum

Aufs Judentum gebaut? Es hat mich oft

Geärgert, hat mir Tränen gnug gekostet,

Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten,

Daß unser Herr ja selbst ein Jude war.

Nathan.

Ihr, guter Bruder, müßt mein Fürsprach sein,

Wenn Haß und Gleisnerei sich gegen mich

Erheben sollten, – wegen einer Tat –

Ah, wegen einer Tat! – Nur Ihr, Ihr sollt

Sie wissen! – Nehmt sie aber mit ins Grab!

Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht,

Sie jemand andern zu erzählen. Euch

Allein erzähl’ ich sie. Der frommen Einfalt

Allein erzähl’ ich sie. Weil die allein

Versteht, was sich der gottergebne Mensch

Für Taten abgewinnen kann.

Klosterbruder. Ihr seid

Gerührt, und Euer Auge steht voll Wasser?

Nathan. Ihr traft mich mit dem Kinde zu Darun.

Ihr wißt wohl aber nicht, daß wenig Tage

Zuvor, in Gath die Christen alle Juden

Mit Weib und Kind ermordet hatten; wißt

Wohl nicht, daß unter diesen meine Frau

Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich

Befunden, die in meines Bruders Hause,

Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt

Verbrennen müssen.

Klosterbruder. Allgerechter!

Nathan. Als

Ihr kamt, hatt’ ich drei Tag’ und Nächt’ in Asch’

Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. –

Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet,

Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht;

Der Christenheit den unversöhnlichsten

Haß zugeschworen –

Klosterbruder. Ach! Ich glaubs Euch wohl!

Nathan.

Doch nun kam die Vernunft allmählig wieder.

Sie sprach mit sanfter Stimm’: »und doch ist Gott!

Doch war auch Gottes Ratschluß das! Wohlan!

Komm! übe, was du längst begriffen hast;

Was sicherlich zu üben schwerer nicht,

Als zu begreifen ist, wenn du nur willst.

Steh auf!« – Ich stand! und rief zu Gott: ich will!

Willst du nur, daß ich will! – Indem stiegt Ihr

Vom Pferd’, und überreichtet mir das Kind,

In Euern Mantel eingehüllt. – Was Ihr

Mir damals sagtet; was ich Euch: hab’ ich

Vergessen. So viel weiß ich nur; ich nahm

Das Kind, trugs auf mein Lager, küßt’ es, warf

Mich auf die Knie’ und schluchzte: Gott! auf Sieben

Doch nun schon Eines wieder!

Klosterbruder. Nathan! Nathan!

Ihr seid ein Christ! – Bei Gott, Ihr seid ein Christ!

Ein beßrer Christ war nie!

Nathan. Wohl uns! Denn was

Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir

Zum Juden! – Aber laßt uns länger nicht

Einander nur erweichen. Hier brauchts Tat!

Und ob mich siebenfache Liebe schon

Bald an dies einz’ge fremde Mädchen band;

Ob der Gedanke mich schon tötet, daß

Ich meine sieben Söhn’ in ihr aufs neue

Verlieren soll: – wenn sie von meinen Händen

Die Vorsicht wieder fodert, – ich gehorche!

Klosterbruder.

Nun vollends! – Eben das bedacht’ ich mich

So viel, Euch anzuraten! Und so hats

Euch Euer guter Geist schon angeraten!

Nathan. Nur muß der erste beste mir sie nicht

Entreißen wollen!

Klosterbruder. Nein, gewiß nicht!

Nathan. Wer

Auf sie nicht größre Rechte hat, als ich;

Muß frühere zum mindsten haben –

Klosterbruder. Freilich!

Nathan. Die ihm Natur und Blut erteilen.

Klosterbruder. So

Mein’ ich es auch!

Nathan. Drum nennt mir nur geschwind

Den Mann, der ihr als Bruder oder Ohm,

Als Vetter oder sonst als Sipp verwandt:

Ihm will ich sie nicht vorenthalten – Sie,

Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde

Zu sein erschaffen und erzogen ward. –

Ich hoff’, Ihr wißt von diesem Euern Herrn

Und dem Geschlechte dessen, mehr als ich.

Klosterbruder.

Das, guter Nathan, wohl nun schwerlich! – Denn

Ihr habt ja schon gehört, daß ich nur gar

Zu kurze Zeit bei ihm gewesen.

Nathan. Wißt

Ihr denn nicht wenigstens, was für Geschlechts

Die Mutter war? – War sie nicht eine Stauffin?

Klosterbruder.

Wohl möglich! – Ja, mich dünkt.

Nathan. Hieß nicht ihr Bruder

Conrad von Stauffen? – und war Tempelherr?

Klosterbruder.

Wenn michs nicht triegt. Doch halt! Da fällt mir ein,

Daß ich vom selgen Herrn ein Büchelchen

Noch hab’. Ich zogs ihm aus dem Busen, als

Wir ihn bei Askalon verscharrten.

Nathan. Nun?

Klosterbruder.

Es sind Gebete drin. Wir nennens ein

Brevier. – Das, dacht’ ich, kann ein Christenmensch

Ja wohl noch brauchen. – Ich nun freilich nicht –

Ich kann nicht lesen –

Nathan. Tut nichts! – Nur zur Sache.

Klosterbruder.

In diesem Büchelchen stehn vorn und hinten,

Wie ich mir sagen lassen, mit des Herrn

Selbsteigner Hand, die Angehörigen

Von ihm und ihr geschrieben.

Nathan. O erwünscht!

Geht! lauft! holt mir das Büchelchen. Geschwind!

Ich bin bereit mit Gold es aufzuwiegen;

Und tausend Dank dazu! Eilt! lauft!

Klosterbruder. Recht gern!

Es ist Arabisch aber, was der Herr

Hineingeschrieben. Ab.

Nathan. Einerlei! Nur her! –

Gott! wenn ich doch das Mädchen noch behalten,

Und einen solchen Eidam mir damit

Erkaufen könnte! – Schwerlich wohl! – Nun, fall’

Es aus, wie’s will! – Wer mag es aber denn

Gewesen sein, der bei dem Patriarchen

So etwas angebracht? Das muß ich doch

Zu fragen nicht vergessen. – Wenn es gar

Von Daja käme?

Achter Auftritt

Daja und Nathan.

Daja eilig und verlegen.

Denkt doch, Nathan!

Nathan. Nun?

Daja. Das arme Kind erschrak wohl recht darüber!

Da schickt ...

Nathan. Der Patriarch?

Daja. Des Sultans Schwester,

Prinzessin Sittah ...

Nathan. Nicht der Patriarch?

Daja.

Nein, Sittah! – Hört Ihr nicht? – Prinzessin Sittah

Schickt her, und läßt sie zu sich holen.

Nathan. Wen?

Läßt Recha holen? – Sittah läßt sie holen? –

Nun; wenn sie Sittah holen läßt, und nicht

Der Patriarch ...

Daja. Wie kommt Ihr denn auf den?

Nathan.

So hast du kürzlich nichts von ihm gehört?

Gewiß nicht? Auch ihm nichts gesteckt?

Daja. Ich? ihm?

Nathan. Wo sind die Boten?

Daja. Vorn.

Nathan. Ich will sie doch

Aus Vorsicht selber sprechen. Komm! – Wenn nur

Vom Patriarchen nichts dahinter steckt. Ab.

Daja. Und ich – ich fürchte ganz was anders noch.

Was gilts? die einzige vermeinte Tochter

So eines reichen Juden wär’ auch wohl

Für einen Muselmann nicht übel? – Hui,

Der Tempelherr ist drum. Ist drum: wenn ich

Den zweiten Schritt nicht auch noch wage; nicht

Auch ihr noch selbst entdecke, wer sie ist! –

Getrost! Laß mich den ersten Augenblick,

Den ich allein sie habe, dazu brauchen!

Und der wird sein – vielleicht nun eben, wenn

Ich sie begleite. So ein erster Wink

Kann unterwegens wenigstens nicht schaden.

Ja, ja! Nur zu! Itzt oder nie! Nur zu! Ihm nach.

Fünfter Aufzug

Erster Auftritt

Szene: das Zimmer in Saladins Palaste, in welches die Beutel mit Geld getragen worden, die noch zu sehen.

Saladin und bald darauf verschiedne Mamelucken.

Saladin im Hereintreten.

Da steht das Geld nun noch! Und niemand weiß

Den Derwisch aufzufinden, der vermutlich

Ans Schachbrett irgendwo geraten ist,

Das ihn wohl seiner selbst vergessen macht; –

Warum nicht meiner? – Nun, Geduld! Was gibts?

Ein Mameluck.

Erwünschte Nachricht, Sultan! Freude, Sultan! ..

Die Karawane von Kahira kömmt;

Ist glücklich da! mit siebenjährigem

Tribut des reichen Nils.

Saladin. Brav, Ibrahim!

Du bist mir wahrlich ein willkommner Bote! –

Ha! endlich einmal! endlich! – Habe Dank

Der guten Zeitung.

Der Mameluck wartend.

(Nun? nur her damit!)

Saladin.

Was wart’st du? – Geh nur wieder.

Der Mameluck. Dem Willkommnen

Sonst nichts?

Saladin. Was denn noch sonst?

Der Mameluck. Dem guten Boten

Kein Botenbrod? – So wär ich ja der erste,

Den Saladin mit Worten abzulohnen,

Doch endlich lernte? – Auch ein Ruhm! – Der erste,

Mit dem er knickerte.

Saladin. So nimm dir nur

Dort einen Beutel.

Der Mameluck. Nein, nun nicht! Du kannst

Mir sie nun alle schenken wollen.

Saladin. Trotz! –

Komm her! Da hast du zwei. – Im Ernst? er geht?

Tut mirs an Edelmut zuvor? – Denn sicher

Muß ihm es saurer werden, auszuschlagen,

Als mir zu geben. – Ibrahim! – Was kömmt

Mir denn auch ein, so kurz vor meinem Abtritt

Auf einmal ganz ein andrer sein zu wollen? –

Will Saladin als Saladin nicht sterben? –

So mußt’ er auch als Saladin nicht leben.

Ein Zweiter Mameluck.

Nun, Sultan! ...

Saladin. Wenn du mir zu melden kömmst ...

Zweiter Mameluck.

Daß aus Ägypten der Transport nun da!

Saladin. Ich weiß schon.

Zweiter Mameluck. Kam ich doch zu spät!

Saladin. Warum

Zu spät? – Da nimm für deinen guten Willen

Der Beutel einen oder zwei.

Zweiter Mameluck. Macht drei!

Saladin.

Ja, wenn du rechnen kannst! – So nimm sie nur.

Zweiter Mameluck.

Es wird wohl noch ein dritter kommen, – wenn

Er anders kommen kann.

Saladin. Wie das?

Zweiter Mameluck. Je nu;

Er hat auch wohl den Hals gebrochen! Denn

Sobald wir drei der Ankunft des Transports

Versichert waren, sprengte jeder frisch

Davon. Der Vorderste, der stürzt; und so

Komm ich nun vor, und bleib’ auch vor bis in

Die Stadt; wo aber Ibrahim, der Lecker,

Die Gassen besser kennt.

Saladin. O der Gestürzte!

Freund, der Gestürzte! – Reit ihm doch entgegen.

Zweiter Mameluck.

Das werd ich ja wohl tun! – Und wenn er lebt:

So ist die Hälfte dieser Beutel sein. Geht ab.

Saladin.

Sieh, welch ein guter edler Kerl auch das! –

Wer kann sich solcher Mamelucken rühmen?

Und wär’ mir denn zu denken nicht erlaubt,

Daß sie mein Beispiel bilden helfen? – Fort

Mit dem Gedanken, sie zu guter Letzt

Noch an ein anders zu gewöhnen! ...

Ein Dritter Mameluck. Sultan, ...

Saladin. Bist dus, der stürzte?

Dritter Mameluck. Nein. Ich melde nur, –

Daß Emir Mansor, der die Karawane

Geführt, vom Pferde steigt ...

Saladin. Bring ihn! geschwind! –

Da ist er ja! –

Zweiter Auftritt

Emir Mansor und Saladin.

Saladin. Willkommen, Emir! Nun,

Wie ists gegangen? – Mansor, Mansor, hast

Uns lange warten lassen!

Mansor. Dieser Brief

Berichtet, was dein Abulkassem erst

Für Unruh in Thebais dämpfen müssen:

Eh’ wir es wagen durften abzugehen.

Den Zug darauf hab’ ich beschleuniget

So viel, wie möglich war.

Saladin. Ich glaube dir! –

Und nimm nur, guter Mansor, nimm sogleich ...

Du tust es aber doch auch gern? ... nimm frische

Bedeckung nur sogleich. Du mußt sogleich

Noch weiter; mußt der Gelder größern Teil

Auf Libanon zum Vater bringen.

Mansor. Gern!

Sehr gern!

Saladin. Und nimm dir die Bedeckung ja

Nur nicht zu schwach. Es ist um Libanon

Nicht alles mehr so sicher. Hast du nicht

Gehört? Die Tempelherrn sind wieder rege.

Sei wohl auf deiner Hut! – Komm nur! Wo hält

Der Zug? Ich will ihn sehn; und alles selbst

Betreiben. – Ihr! ich bin sodann bei Sittah.

Dritter Auftritt

Szene: die Palmen vor Nathans Hause, wo der

Tempelherr auf und nieder geht.

Ins Haus nun will ich einmal nicht. – Er wird

Sich endlich doch wohl sehen lassen! – Man

Bemerkte mich ja sonst so bald, so gern! –

Wills noch erleben, daß er sichs verbittet,

Vor seinem Hause mich so fleißig finden

Zu lassen. – Hm! – ich bin doch aber auch

Sehr ärgerlich. – Was hat mich denn nun so

Erbittert gegen ihn? – Er sagte ja:

Noch schlüg’ er mir nichts ab. Und Saladin

Hats über sich genommen, ihn zu stimmen. –

Wie? sollte wirklich wohl in mir der Christ

Noch tiefer nisten, als in ihm der Jude? –

Wer kennt sich recht? Wie könnt ich ihm denn sonst

Den kleinen Raub nicht gönnen wollen, den

Er sichs zu solcher Angelegenheit

Gemacht, den Christen abzujagen? – Freilich;

Kein kleiner Raub, ein solch Geschöpf! – Geschöpf?

Und wessen? – Doch des Sklaven nicht, der auf

Des Lebens öden Strand den Block geflößt,

Und sich davon gemacht? Des Künstlers doch

Wohl mehr, der in dem hingeworfnen Blocke

Die göttliche Gestalt sich dachte, die

Er dargestellt? – Ach! Rechas wahrer Vater

Bleibt, Trotz dem Christen, der sie zeugte – bleibt

In Ewigkeit der Jude. – Wenn ich mir

Sie lediglich als Christendirne denke,

Sie sonder alles das mir denke, was

Allein ihr so ein Jude geben konnte: –

Sprich, Herz, – was wär’ an ihr, das dir gefiel?

Nichts! wenig! Selbst ihr Lächeln, wär’ es nichts

Als sanfte schöne Zuckung ihrer Muskeln;

Wär’, was sie lächeln macht, des Reizes unwert,

In den es sich auf ihrem Munde kleidet: –

Nein; selbst ihr Lächeln nicht! Ich hab’ es ja

Wohl schöner noch an Aberwitz, an Tand,

An Höhnerei, an Schmeichler und an Buhler,

Verschwenden sehn! – Hats da mich auch bezaubert?

Hats da mir auch den Wunsch entlockt, mein Leben

In seinem Sonnenscheine zu verflattern? –

Ich wüßte nicht. Und bin auf den doch launisch,

Der diesen höhern Wert allein ihr gab?

Wie das? warum? – Wenn ich den Spott verdiente,

Mit dem mich Saladin entließ! Schon schlimm

Genug, daß Saladin es glauben konnte!

Wie klein ich ihm da scheinen mußte! wie

Verächtlich! – Und das alles um ein Mädchen? –

Curd! Curd! das geht so nicht. Lenk’ ein! Wenn vollends

Mir Daja nur was vorgeplaudert hätte,

Was schwerlich zu erweisen stünde? – Sieh,

Da tritt er endlich, in Gespräch vertieft,

Aus seinem Hause! – Ha! mit wem! – Mit ihm?

Mit meinem Klosterbruder? – Ha! so weiß

Er sicherlich schon alles! ist wohl gar

Dem Patriarchen schon verraten! – Ha!

Was hab’ ich Querkopf nun gestiftet! – Daß

Ein einz’ger Funken dieser Leidenschaft

Doch unsers Hirns so viel verbrennen kann! –

Geschwind entschließ dich, was nunmehr zu tun!

Ich will hier seitwärts ihrer warten; – ob

Vielleicht der Klosterbruder ihn verläßt.

Vierter Auftritt

Nathan und der Klosterbruder.

Nathan im Näherkommen.

Habt nochmals, guter Bruder, vielen Dank!

Klosterbruder. Und Ihr desgleichen!

Nathan. Ich? von Euch? wofür?

Für meinen Eigensinn, Euch aufzudringen,

Was Ihr nicht braucht? – Ja, wenn ihm Eurer nur

Auch nachgegeben hätt’; Ihr mit Gewalt

Nicht wolltet reicher sein, als ich.

Klosterbruder. Das Buch

Gehört ja ohnedem nicht mir; gehört

Ja ohnedem der Tochter; ist ja so

Der Tochter ganzes väterliches Erbe. –

Je nu, sie hat ja Euch. – Gott gebe nur,

Daß Ihr es nie bereuen dürft, so viel

Für sie getan zu haben!

Nathan. Kann ich das?

Das kann ich nie. Seid unbesorgt!

Klosterbruder. Nu, nu!

Die Patriarchen und die Tempelherren ...

Nathan. Vermögen mir des Bösen nie so viel

Zu tun, daß irgend was mich reuen könnte:

Geschweige, das! – Und seid Ihr denn so ganz

Versichert, daß ein Tempelherr es ist,

Der Euern Patriarchen hetzt?

Klosterbruder. Es kann

Beinah kein andrer sein. Ein Tempelherr

Sprach kurz vorher mit ihm; und was ich hörte,

Das klang darnach.

Nathan. Es ist doch aber nur

Ein einziger itzt in Jerusalem.

Und diesen kenn’ ich. Dieser ist mein Freund.

Ein junger, edler, offner Mann!

Klosterbruder. Ganz recht;

Der nämliche! – Doch was man ist, und was

Man sein muß in der Welt, das paßt ja wohl

Nicht immer.

Nathan. Leider nicht. – So tue, wers

Auch immer ist, sein Schlimmstes oder Bestes!

Mit Euerm Buche, Bruder, trotz’ ich allen;

Und gehe graden Wegs damit zum Sultan.

Klosterbruder.

Viel Glücks! Ich will Euch denn nur hier verlassen.

Nathan.

Und habt sie nicht einmal gesehn? – Kommt ja

Doch bald, doch fleißig wieder. – Wenn nur heut

Der Patriarch noch nichts erfährt! – Doch was?

Sagt ihm auch heute, was Ihr wollt.

Klosterbruder. Ich nicht.

Lebt wohl! Geht ab.

Nathan. Vergeßt uns ja nicht, Bruder! – Gott!

Daß ich nicht gleich hier unter freiem Himmel

Auf meine Kniee sinken kann! Wie sich

Der Knoten, der so oft mir bange machte,

Nun von sich selber löset! – Gott! wie leicht

Mir wird, daß ich nun weiter auf der Welt

Nichts zu verbergen habe! daß ich vor

Den Menschen nun so frei kann wandeln, als

Vor dir, der du allein den Menschen nicht

Nach seinen Taten brauchst zu richten, die

So selten seine Taten sind, o Gott! –

Fünfter Auftritt

Nathan und der Tempelherr,

der von der Seite auf ihn zu kömmt.

Tempelherr.

He! wartet, Nathan; nehmt mich mit!

Nathan. Wer ruft? –

Seid Ihr es, Ritter? Wo gewesen, daß

Ihr bei dem Sultan Euch nicht treffen lassen?

Tempelherr.

Wir sind einander fehl gegangen. Nehmts

Nicht übel.

Nathan. Ich nicht; aber Saladin ...

Tempelherr. Ihr wart nur eben fort..

Nathan. Und spracht ihn doch?

Nun, so ists gut.

Tempelherr. Er will uns aber beide

Zusammen sprechen.

Nathan. Desto besser. Kommt

Nur mit. Mein Gang stand ohnehin zu ihm. –

Tempelherr.

Ich darf ja doch wohl fragen, Nathan, wer

Euch da verließ?

Nathan. Ihr kennt ihn doch wohl nicht?

Tempelherr.

Wars nicht die gute Haut, der Laienbruder,

Des sich der Patriarch so gern zum Stöber

Bedient?

Nathan. Kann sein! Beim Patriarchen ist

Er allerdings.

Tempelherr. Der Pfiff ist gar nicht übel:

Die Einfalt vor der Schurkerei voraus

Zu schicken.

Nathan. Ja, die dumme; – nicht die fromme.

Tempelherr. An fromme glaubt kein Patriarch.

Nathan. Für den

Nun steh ich. Der wird seinem Patriarchen

Nichts Ungebührliches vollziehen helfen.

Tempelherr.

So stellt er wenigstens sich an. – Doch hat

Er Euch von mir denn nichts gesagt?

Nathan. Von Euch?

Von Euch nun namentlich wohl nichts. – Er weiß

Ja wohl auch schwerlich Euern Namen?

Tempelherr. Schwerlich.

Nathan. Von einem Tempelherren freilich hat

Er mir gesagt ...

Tempelherr. Und was?

Nathan. Womit er Euch

Doch ein für allemal nicht meinen kann!

Tempelherr.

Wer weiß? Laßt doch nur hören.

Nathan. Daß mich einer

Bei seinem Patriarchen angeklagt ...

Tempelherr.

Euch angeklagt? – Das ist, mit seiner Gunst –

Erlogen. – Hört mich, Nathan! – Ich bin nicht

Der Mensch, der irgend etwas abzuleugnen

Im Stande wäre. Was ich tat, das tat ich!

Doch bin ich auch nicht der, der alles, was

Er tat, als wohl getan verteid’gen möchte.

Was sollt’ ich eines Fehls mich schämen? Hab’

Ich nicht den festen Vorsatz ihn zu bessern?

Und weiß ich etwa nicht, wie weit mit dem

Es Menschen bringen können? – Hört mich, Nathan! –

Ich bin des Laienbruders Tempelherr,

Der Euch verklagt soll haben, allerdings. –

Ihr wißt ja, was mich wurmisch machte! was

Mein Blut in allen Adern sieden machte!

Ich Gauch! – ich kam, so ganz mit Leib und Seel’

Euch in die Arme mich zu werfen. Wie

Ihr mich empfingt – wie kalt – wie lau – denn lau

Ist schlimmer noch als kalt; wie abgemessen

Mir auszubeugen Ihr beflissen wart;

Mit welchen aus der Luft gegriffnen Fragen

Ihr Antwort mir zu geben scheinen wolltet:

Das darf ich kaum mir itzt noch denken, wenn

Ich soll gelassen bleiben. – Hört mich, Nathan! –

In dieser Gärung schlich mir Daja nach,

Und warf mir ihr Geheimnis an den Kopf,

Das mir den Aufschluß Euers rätselhaften

Betragens zu enthalten schien.

Nathan. Wie das?

Tempelherr.

Hört mich nur aus! – Ich bildete mir ein,

Ihr wolltet, was Ihr einmal nun den Christen

So abgejagt, an einen Christen wieder

Nicht gern verlieren. Und so fiel mir ein,

Euch kurz und gut das Messer an die Kehle

Zu setzen.

Nathan. Kurz und gut? und gut? – Wo steckt

Das Gute?

Tempelherr.

Hört mich, Nathan! – Allerdings:

Ich tat nicht recht! – Ihr seid wohl gar nicht schuldig. –

Die Närrin Daja weiß nicht was sie spricht –

Ist Euch gehässig – Sucht Euch nur damit

In einen bösen Handel zu verwickeln –

Kann sein! kann sein! – Ich bin ein junger Laffe,

Der immer nur an beiden Enden schwärmt;

Bald viel zu viel, bald viel zu wenig tut –

Auch das kann sein! Verzeiht mir, Nathan.

Nathan. Wenn

Ihr so mich freilich fasset –

Tempelherr. Kurz, ich ging

Zum Patriarchen! – hab’ Euch aber nicht

Genannt. Das ist erlogen, wie gesagt!

Ich hab ihm bloß den Fall ganz allgemein

Erzählt, um seine Meinung zu vernehmen. –

Auch das hätt’ unterbleiben können: ja doch! –

Denn kannt’ ich nicht den Patriarchen schon

Als einen Schurken? Konnt’ ich Euch nicht selber

Nur gleich zur Rede stellen? – Mußt ich der

Gefahr, so einen Vater zu verlieren,

Das arme Mädchen opfern? – Nun, was tuts?

Die Schurkerei des Patriarchen, die

So ähnlich immer sich erhält, hat mich

Des nächsten Weges wieder zu mir selbst

Gebracht. – Denn hört mich, Nathan; hört mich aus! –

Gesetzt; er wüßt’ auch Euern Namen: was

Nun mehr, was mehr? – Er kann Euch ja das Mädchen

Nur nehmen, wenn sie niemands ist, als Euer.

Er kann sie doch aus Euerm Hause nur

Ins Kloster schleppen. – Also – gebt sie mir!

Gebt sie nur mir; und laßt ihn kommen. Ha!

Er solls wohl bleiben lassen, mir mein Weib

Zu nehmen. – Gebt sie mir; geschwind! – Sie sei

Nun Eure Tochter, oder sei es nicht!

Sei Christin, oder Jüdin, oder keines!

Gleich viel! gleich viel! Ich werd’ Euch weder itzt

Noch jemals sonst in meinem ganzen Leben

Darum befragen. Sei, wie’s sei!

Nathan. Ihr wähnt

Wohl gar, daß mir die Wahrheit zu verbergen

Sehr nötig?

Tempelherr.

Sei, wie’s sei!

Nathan. Ich hab’ es ja

Euch – oder wem es sonst zu wissen ziemt –

Noch nicht geleugnet, daß sie eine Christin,

Und nichts als meine Pflegetochter ist. –

Warum ichs aber ihr noch nicht entdeckt? –

Darüber brauch’ ich nur bei ihr mich zu

Entschuldigen.

Tempelherr. Das sollt Ihr auch bei ihr

Nicht brauchen. – Gönnts ihr doch, daß sie Euch nie

Mit andern Augen darf betrachten! Spart

Ihr die Entdeckung doch! – Noch habt Ihr ja,

Ihr ganz allein, mit ihr zu schalten. Gebt

Sie mir! Ich bitt’ Euch, Nathan; gebt sie mir!

Ich bins allein, der sie zum zweitenmale

Euch retten kann – und will.

Nathan. Ja – konnte! konnte!

Nun auch nicht mehr. Es ist damit zu spät.

Tempelherr. Wie so? zu spät?

Nathan. Dank sei dem Patriarchen ...

Tempelherr.

Dem Patriarchen? Dank? ihm Dank? wofür?

Dank hätte der bei uns verdienen wollen?

Wofür? wofür?

Nathan. Daß wir nun wissen, wem

Sie anverwandt; nun wissen, wessen Händen

Sie sicher ausgeliefert werden kann:

Tempelherr.

Das dank’ ihm – wer für mehr ihm danken wird!

Nathan.

Aus diesen müßt Ihr sie nun auch erhalten;

Und nicht aus meinen.

Tempelherr. Arme Recha! Was

Dir alles zustößt, arme Recha! Was

Ein Glück für andre Waisen wäre, wird

Dein Unglück! – Nathan! – Und wo sind sie, diese

Verwandte?

Nathan. Wo sie sind?

Tempelherr. Und wer sie sind?

Nathan. Besonders hat ein Bruder sich gefunden,

Bei dem Ihr um sie werben müßt.

Tempelherr. Ein Bruder?

Was ist er, dieser Bruder? Ein Soldat?

Ein Geistlicher? – Laßt hören, was ich mir

Versprechen darf.

Nathan. Ich glaube, daß er keines

Von beiden – oder beides ist. Ich kenn’

Ihn noch nicht recht.

Tempelherr. Und sonst?

Nathan. Ein braver Mann!

Bei dem sich Recha gar nicht übel wird

Befinden.

Tempelherr.

Doch ein Christ! – Ich weiß zu Zeiten

Auch gar nicht, was ich von Euch denken soll: –

Nehmt mirs nicht ungut, Nathan. – Wird sie nicht

Die Christin spielen müssen, unter Christen?

Und wird sie, was sie lange gnug gespielt,

Nicht endlich werden? Wird den lautern Weizen,

Den Ihr gesä’t, das Unkraut endlich nicht

Ersticken? – Und das kümmert Euch so wenig?

Dem ungeachtet könnt Ihr sagen – Ihr? –

Daß sie bei ihrem Bruder sich nicht übel

Befinden werde?

Nathan. Denk’ ich! hoff’ ich! – Wenn

Ihr ja bei ihm was mangeln sollte, hat

Sie Euch und mich denn nicht noch immer?

Tempelherr. Oh!

Was wird bei ihm ihr mangeln können! Wird

Das Brüderchen mit Essen und mit Kleidung,

Mit Naschwerk und mit Putz, das Schwesterchen

Nicht reichlich gnug versorgen? Und was braucht

Ein Schwesterchen denn mehr? – Ei freilich: auch

Noch einen Mann! – Nun, nun; auch den, auch den

Wird ihr das Brüderchen zu seiner Zeit

Schon schaffen; wie er immer nur zu finden!

Der Christlichste der Beste! – Nathan, Nathan!

Welch einen Engel hattet Ihr gebildet,

Den Euch nun andre so verhunzen werden!

Nathan. Hat keine Not! Er wird sich unsrer Liebe

Noch immer wert genug behaupten.

Tempelherr. Sagt

Das nicht! Von meiner Liebe sagt das nicht!

Denn die läßt nichts sich unterschlagen; nichts.

Es sei auch noch so klein! Auch keinen Namen! –

Doch halt! – Argwohnt sie wohl bereits, was mit

Ihr vorgeht?

Nathan. Möglich; ob ich schon nicht wüßte,

Woher?

Tempelherr.

Auch eben viel; sie soll – sie muß

In beiden Fällen, was ihr Schicksal droht,

Von mir zuerst erfahren. Mein Gedanke,

Sie eher wieder nicht zu sehn, zu sprechen,

Als bis ich sie die Meine nennen dürfe,

Fällt weg. Ich eile ...

Nathan. Bleibt! wohin?

Tempelherr. Zu ihr!

Zu sehn, ob diese Mädchenseele Manns genug

Wohl ist, den einzigen Entschluß zu fassen

Der ihrer würdig wäre!

Nathan. Welchen?

Tempelherr. Den:

Nach Euch und ihrem Bruder weiter nicht

Zu fragen –

Nathan. Und?

Tempelherr. Und mir zu folgen; – wenn

Sie drüber eines Muselmannes Frau

Auch werden müßte.

Nathan. Bleibt! Ihr trefft sie nicht.

Sie ist bei Sittah, bei des Sultans Schwester.

Tempelherr. Seit wenn? warum?

Nathan. Und wollt Ihr da bei ihnen

Zugleich den Bruder finden: kommt nur mit.

Tempelherr.

Den Bruder? welchen? Sittahs oder Rechas?

Nathan.

Leicht beide. Kommt nur mit! Ich bitt’ Euch, kommt!

Er führt ihn fort.

Sechster Auftritt

Szene: in Sittahs Harem.

Sittah und Recha in Unterhaltung begriffen.

Sittah.

Was freu ich mich nicht deiner, süßes Mädchen! –

Sei so beklemmt nur nicht! so angst! so schüchtern! –

Sei munter! sei gesprächiger! vertrauter!

Recha. Prinzessin, ...

Sittah. Nicht doch! nicht Prinzessin! Nenn

Mich Sittah, – deine Freundin, – deine Schwester.

Nenn mich dein Mütterchen! – Ich könnte das

Ja schier auch sein. – So jung! so klug! so fromm!

Was du nicht alles weißt! nicht alles mußt

Gelesen haben!

Recha. Ich gelesen? – Sittah,

Du spottest deiner kleinen albern Schwester.

Ich kann kaum lesen.

Sittah. Kannst kaum, Lügnerin!

Recha.

Ein wenig meines Vaters Hand! – Ich meinte,

Du sprächst von Büchern.

Sittah. Allerdings! von Büchern.

Recha.

Nun, Bücher wird mir wahrlich schwer zu lesen! –

Sittah. Im Ernst?

Recha. In ganzem Ernst. Mein Vater liebt

Die kalte Buchgelehrsamkeit, die sich

Mit toten Zeichen ins Gehirn nur drückt,

Zu wenig.

Sittah. Ei, was sagst du! – Hat indes

Wohl nicht sehr Unrecht! – Und so manches, was

Du weißt..?

Recha. Weiß ich allein aus seinem Munde.

Und könnte bei dem meisten dir noch sagen,

Wie? wo? warum? er michs gelehrt.

Sittah. So hängt

Sich freilich alles besser an. So lernt

Mit eins die ganze Seele.

Recha. Sicher hat

Auch Sittah wenig oder nichts gelesen!

Sittah.

Wie so? – Ich bin nicht stolz aufs Gegenteil. –

Allein wie so? Dein Grund! Sprich dreist. Dein Grund?

Recha.

Sie ist so schlecht und recht; so unverkünstelt;

So ganz sich selbst nur ähnlich ...

Sittah. Nun?

Recha. Das sollen

Die Bücher uns nur selten lassen: sagt

Mein Vater.

Sittah. O was ist dein Vater für

Ein Mann!

Recha. Nicht wahr?

Sittah. Wie nah er immer doch

Zum Ziele trifft!

Recha. Nicht wahr? – Und diesen Vater –

Sittah. Was ist dir, Liebe?

Recha. Diesen Vater –

Sittah. Gott!

Du weinst?

Recha. Und diesen Vater – Ah! es muß

Heraus! Mein Herz will Luft, will Luft ...

Wirft sich, von Tränen überwältiget, zu ihren Füßen.

Sittah. Kind, was

Geschieht dir? Recha?

Recha. Diesen Vater soll –

Soll ich verlieren!

Sittah. Du? verlieren? ihn?

Wie das? – Sei ruhig! – Nimmermehr! – Steh auf!

Recha.

Du sollst vergebens dich zu meiner Freundin,

Zu meiner Schwester nicht erboten haben!

Sittah.

Ich bins ja! bins! – Steh doch nur auf! Ich muß

Sonst Hülfe rufen.

Recha die sich ermannt und aufsteht.

Ah! verzeih! vergib! –

Mein Schmerz hat mich vergessen machen, wer

Du bist. Vor Sittah gilt kein Winseln, kein

Verzweifeln. Kalte, ruhige Vernunft

Will alles über sie allein vermögen.

Wes Sache diese bei ihr führt, der siegt!

Sittah. Nun dann?

Recha. Nein; meine Freundin, meine Schwester

Gibt das nicht zu! Gibt nimmer zu, daß mir

Ein andrer Vater aufgedrungen werde!

Sittah. Ein andrer Vater? aufgedrungen? dir?

Wer kann das? kann das auch nur wollen, Liebe?

Recha. Wer? Meine gute böse Daja kann

Das wollen, – will das können. – Ja; du kennst

Wohl diese gute böse Daja nicht?

Nun, Gott vergeb’ es ihr! – belohn’ es ihr!

Sie hat mir so viel Gutes, – so viel Böses

Erwiesen!

Sittah. Böses dir? – So muß sie Gutes

Doch wahrlich wenig haben.

Recha. Doch! recht viel,

Recht viel!

Sittah. Wer ist sie?

Recha. Eine Christin, die

In meiner Kindheit mich gepflegt; mich so

Gepflegt! – Du glaubst nicht! – Die mir eine Mutter

So wenig missen lassen! – Gott vergelt’

Es ihr! – Die aber mich auch so geängstet!

Mich so gequält!

Sittah. Und über was? warum?

Wie?

Recha.

Ach! die arme Frau, – ich sag’ dirs ja –

Ist eine Christin; – muß aus Liebe quälen; –

Ist eine von den Schwärmerinnen, die

Den allgemeinen, einzig wahren Weg

Nach Gott, zu wissen wähnen!

Sittah. Nun versteh’ ich!

Recha. Und sich gedrungen fühlen, einen jeden,

Der dieses Wegs verfehlt, darauf zu lenken. –

Kaum können sie auch anders. Denn ists wahr,

Daß dieser Weg allein nur richtig führt:

Wie sollen sie gelassen ihre Freunde

Auf einem andern wandeln sehn, – der ins

Verderben stürzt, ins ewige Verderben?

Es müßte möglich sein, denselben Menschen

Zur selben Zeit zu lieben und zu hassen. –

Auch ists das nicht, was endlich laute Klagen

Mich über sie zu führen zwingt. Ihr Seufzen,

Ihr Warnen, ihr Gebet, ihr Drohen hätt’

Ich gern noch länger ausgehalten; gern!

Es brachte mich doch immer auf Gedanken,

Die gut und nützlich. Und wem schmeichelts doch

Im Grunde nicht, sich gar so wert und teuer,

Von wems auch sei, gehalten fühlen, daß

Er den Gedanken nicht ertragen kann,

Er müß’ einmal auf ewig uns entbehren!

Sittah. Sehr wahr!

Recha. Allein – allein – das geht zu weit!

Dem kann ich nichts entgegensetzen; nicht

Geduld, nicht Überlegung; nichts!

Sittah. Was? wem?

Recha. Was sie mir eben itzt entdeckt will haben.

Sittah. Entdeckt? und eben itzt?

Recha. Nur eben itzt!

Wir nahten, auf dem Weg’ hierher, uns einem

Verfallnen Christentempel. Plötzlich stand

Sie still; schien mit sich selbst zu kämpfen; blickte

Mit nassen Augen bald gen Himmel, bald

Auf mich. Komm, sprach sie endlich, laß uns hier

Durch diesen Tempel in die Richte gehn!

Sie geht; ich folg’ ihr, und mein Auge schweift

Mit Graus die wankenden Ruinen durch.

Nun steht sie wieder; und ich sehe mich

An den versunknen Stufen eines morschen

Altars mit ihr. Wie ward mir? als sie da

Mit heißen Tränen, mit gerungnen Händen,

Zu meinen Füßen stürzte ...

Sittah. Gutes Kind!

Recha. Und bei der Göttlichen, die da wohl sonst

So manch Gebet erhört, so manches Wunder

Verrichtet habe, mich beschwor; – mit Blicken

Des wahren Mitleids mich beschwor, mich meiner

Doch zu erbarmen! – Wenigstens, ihr zu

Vergeben, wenn sie mir entdecken müsse,

Was ihre Kirch’ auf mich für Anspruch habe.

Sittah. (Unglückliche! – Es ahndte mir!)

Recha. Ich sei

Aus christlichem Geblüte; sei getauft;

Sei Nathans Tochter nicht; er nicht mein Vater! –

Gott! Gott! Er nicht mein Vater! – Sittah! Sittah!

Sieh mich aufs neu’ zu deinen Füßen ...

Sittah. Recha!

Nicht doch! steh auf! – Mein Bruder kömmt! steh auf!

Siebender Auftritt

Saladin und die Vorigen.

Saladin. Was gibts hier, Sittah?

Sittah. Sie ist von sich! Gott!

Saladin. Wer ists?

Sittah. Du weißt ja ...

Saladin. Unsers Nathans Tochter?

Was fehlt ihr?

Sittah. Komm doch zu dir, Kind! – Der Sultan ...

Recha die sich auf den Knieen zu Saladins Füßen schleppt, den Kopf zur Erde gesenkt.

Ich steh nicht auf! nicht eher auf! – mag eher

Des Sultans Antlitz nicht erblicken! – eher

Den Abglanz ewiger Gerechtigkeit

Und Güte nicht in seinen Augen, nicht

Auf seiner Stirn bewundern ...

Saladin. Steh ... steh auf!

Recha. Eh er mir nicht verspricht ...

Saladin. Komm! ich verspreche ...

Sei was es will!

Recha. Nicht mehr, nicht weniger,

Als meinen Vater mir zu lassen; und

Mich ihm! – Noch weiß ich nicht, wer sonst mein Vater

Zu sein verlangt; – verlangen kann. Wills auch

Nicht wissen. Aber macht denn nur das Blut

Den Vater? nur das Blut?

Saladin der sie aufhebt. Ich merke wohl! –

Wer war so grausam denn, dir selbst – dir selbst

Dergleichen in den Kopf zu setzen? Ist

Es denn schon völlig ausgemacht? erwiesen?

Recha.

Muß wohl! Denn Daja will von meiner Amm’

Es haben.

Saladin. Deiner Amme!

Recha. Die es sterbend

Ihr zu vertrauen sich verbunden fühlte.

Saladin.

Gar sterbend! – Nicht auch faselnd schon? – Und wärs

Auch wahr! – Ja wohl: das Blut, das Blut allein

Macht lange noch den Vater nicht! macht kaum

Den Vater eines Tieres! gibt zum höchsten

Das erste Recht, sich diesen Namen zu

Erwerben! – Laß dir doch nicht bange sein! –

Und weißt du was? Sobald der Väter zwei

Sich um dich streiten: – laß sie beide; nimm

Den dritten! – Nimm dann mich zu deinem Vater!

Sittah. O tu’s! o tu’s!

Saladin. Ich will ein guter Vater,

Recht guter Vater sein! – Doch halt! mir fällt

Noch viel was Bessers bei. – Was brauchst du denn

Der Väter überhaupt? Wenn sie nun sterben?

Bei Zeiten sich nach einem umgesehn,

Der mit uns um die Wette leben will!

Kennst du noch keinen? ...

Sittah. Mach sie nicht erröten!

Saladin. Das hab’ ich allerdings mir vorgesetzt.

Erröten macht die Häßlichen so schön:

Und sollte Schöne nicht noch schöner machen? –

Ich habe deinen Vater Nathan; und

Noch einen – einen noch hierher bestellt.

Errätst du ihn? – Hierher! Du wirst mir doch

Erlauben, Sittah?

Sittah. Bruder!

Saladin. Daß du ja

Vor ihm recht sehr errötest, liebes Mädchen!

Recha. Vor wem? erröten? ...

Saladin. Kleine Heuchlerin!

Nun so erblasse lieber! – Wie du willst

Und kannst! –

Eine Sklavin tritt herein, und nahet sich Sittah.

Sie sind doch etwa nicht schon da?

Sittah zur Sklavin.

Gut! laß sie nur herein. – Sie sind es, Bruder!

Letzter Auftritt

Nathan und der Tempelherr zu den Vorigen.

Saladin. Ah, meine guten lieben Freunde! – Dich,

Dich, Nathan, muß ich nur vor allen Dingen

Bedeuten, daß du nun, sobald du willst,

Dein Geld kannst wiederholen lassen! ...

Nathan. Sultan! ..

Saladin. Nun steh ich auch zu deinen Diensten ...

Nathan. Sultan! ..

Saladin. Die Karawan’ ist da. Ich bin so reich

Nun wieder, als ich lange nicht gewesen. –

Komm, sag’ mir, was du brauchst, so recht was Großes

Zu unternehmen! Denn auch ihr, auch ihr,

Ihr Handelsleute, könnt des baren Geldes

Zu viel nie haben!

Nathan. Und warum zuerst

Von dieser Kleinigkeit? – Ich sehe dort

Ein Aug’ in Tränen, das zu trocknen, mir

Weit angelegner ist. Geht auf Recha zu. Du hast geweint?

Was fehlt dir? – bist doch meine Tochter noch?

Recha. Mein Vater! ..

Nathan. Wir verstehen uns. Genug! –

Sei heiter! Sei gefaßt! Wenn sonst dein Herz

Nur dein noch ist! Wenn deinem Herzen sonst

Nur kein Verlust nicht droht! – Dein Vater ist

Dir unverloren!

Recha. Keiner, keiner sonst!

Tempelherr.

Sonst keiner? – Nun! so hab’ ich mich betrogen.

Was man nicht zu verlieren fürchtet, hat

Man zu besitzen nie geglaubt, und nie

Gewünscht. – Recht wohl! recht wohl! – Das ändert, Nathan,

Das ändert alles! – Saladin, wir kamen

Auf dein Geheiß. Allein, ich hatte dich

Verleitet: itzt bemüh dich nur nicht weiter!

Saladin.

Wie gach nun wieder, junger Mann! – Soll alles

Dir denn entgegen kommen? alles dich

Erraten?

Tempelherr.

Nun du hörst ja! siehst ja, Sultan!

Saladin.

Ei wahrlich! – Schlimm genug, daß deiner Sache

Du nicht gewisser warst!

Tempelherr. So bin ichs nun.

Saladin. Wer so auf irgend eine Wohltat trotzt,

Nimmt sie zurück. Was du gerettet, ist

Deswegen nicht dein Eigentum. Sonst wär’

Der Räuber, den sein Geiz ins Feuer jagt,

So gut ein Held, wie du!

Auf Recha zugehend,um sie dem Tempelherrn zuzuführen.

Komm, liebes Mädchen,

Komm! Nimms mit ihm nicht so genau. Denn wär’

Er anders; wär’ er minder warm und stolz:

Er hätt’ es bleiben lassen, dich zu retten.

Du mußt ihm eins fürs andre rechnen. – Komm!

Beschäm ihn! tu, was ihm zu tun geziemte!

Bekenn’ ihm deine Liebe! trage dich ihm an!

Und wenn er dich verschmäht; dirs je vergißt,

Wie ungleich mehr in diesem Schritte du

Für ihn getan, als er für dich ... Was hat

Er denn für dich getan? Ein wenig sich

Beräuchern lassen! ist was Rechts! – so hat

Er meines Bruders, meines Assad, nichts!

So trägt er seine Larve, nicht sein Herz.

Komm, Liebe ...

Sittah. Geh! geh, Liebe, geh! Es ist

Für deine Dankbarkeit noch immer wenig;

Noch immer nichts.

Nathan. Halt Saladin! halt Sittah!

Saladin. Auch du?

Nathan. Hier hat noch einer mit zu sprechen ...

Saladin.

Wer leugnet das? – Unstreitig, Nathan, kömmt

So einem Pflegevater eine Stimme

Mit zu! Die erste, wenn du willst. – Du hörst,

Ich weiß der Sache ganze Lage.

Nathan. Nicht so ganz! –

Ich rede nicht von mir. Es ist ein andrer;

Weit, weit ein andrer, den ich, Saladin,

Doch auch vorher zu hören bitte.

Saladin. Wer?

Nathan. Ihr Bruder!

Saladin. Rechas Bruder?

Nathan. Ja!

Recha. Mein Bruder?

So hab ich einen Bruder?

Tempelherr aus seiner wilden stummen Zerstreuung auffahrend.

Wo? wo ist

Er, dieser Bruder? Noch nicht hier? Ich sollt’

Ihn hier ja treffen.

Nathan. Nur Geduld!

Tempelherr äußerst bitter. Er hat

Ihr einen Vater aufgebunden: – wird

Er keinen Bruder für sie finden?

Saladin. Das

Hat noch gefehlt! Christ! ein so niedriger

Verdacht wär über Assads Lippen nicht

Gekommen. – Gut! fahr nur so fort!

Nathan. Verzeih

Ihm! – Ich verzeih ihm gern. – Wer weiß, was wir

An seiner Stell’, in seinem Alter dächten!

Freundschaftlich auf ihn zugehend.

Natürlich, Ritter! – Argwohn folgt auf Mißtraun! –

Wenn Ihr mich Euers wahren Namens gleich

Gewürdigt hättet ...

Tempelherr. Wie?

Nathan. Ihr seid kein Stauffen!

Tempelherr. Wer bin ich denn?

Nathan. Heißt Curd von Stauffen nicht!

Tempelherr.

Wie heiß ich denn?

Nathan. Heißt Leu von Filneck.

Tempelherr. Wie?

Nathan. Ihr stutzt?

Tempelherr. Mit Recht! Wer sagt das?

Nathan. Ich; der mehr,

Noch mehr Euch sagen kann. Ich straf’ indes

Euch keiner Lüge.

Tempelherr. Nicht?

Nathan. Kann doch wohl sein,

Daß jener Nam’ Euch ebenfalls gebührt.

Tempelherr.

Das sollt ich meinen! – (Das hieß Gott ihn sprechen!)

Nathan. Denn Eure Mutter – die war eine Stauffin.

Ihr Bruder, Euer Ohm, der Euch erzogen,

Dem Eure Eltern Euch in Deutschland ließen,

Als, von dem rauhen Himmel dort vertrieben,

Sie wieder hier zu Lande kamen: – Der

Hieß Curd von Stauffen; mag an Kindesstatt

Vielleicht Euch angenommen haben! – Seid

Ihr lange schon mit ihm nun auch herüber

Gekommen? Und er lebt doch noch?

Tempelherr. Was soll

Ich sagen? – Nathan! – Allerdings! So ists!

Er selbst ist tot. Ich kam erst mit der letzten

Verstärkung unsers Ordens. – Aber, aber –

Was hat mit diesem allen Rechas Bruder

Zu schaffen?

Nathan. Euer Vater ...

Tempelherr. Wie? auch den

Habt Ihr gekannt? Auch den?

Nathan. Er war mein Freund.

Tempelherr.

War Euer Freund? Ists möglich, Nathan! ...

Nathan. Nannte

Sich Wolf von Filneck; aber war kein Deutscher ...

Tempelherr. Ihr wißt auch das?

Nathan. War einer Deutschen nur

Vermählt; war Eurer Mutter nur nach Deutschland

Auf kurze Zeit gefolgt ...

Tempelherr. Nicht mehr! Ich bitt’

Euch! – Aber Rechas Bruder? Rechas Bruder ...

Nathan. Seid Ihr!

Tempelherr. Ich? ich ihr Bruder?

Recha. Er mein Bruder?

Sittah. Geschwister!

Saladin. Sie Geschwister!

Recha will auf ihn zu. Ah! mein Bruder!

Tempelherr tritt zurück.

Ihr Bruder!

Recha hält an, und wendet sich zu Nathan.

Kann nicht sein! nicht sein! – Sein Herz

Weiß nichts davon! – Wir sind Betrieger! Gott!

Saladin zum Tempelherrn.

Betrieger? wie? Das denkst du? kannst du denken?

Betrieger selbst! Denn alles ist erlogen

An dir: Gesicht und Stimm und Gang! Nichts dein!

So eine Schwester nicht erkennen wollen! Geh!

Tempelherr sich demütig ihm nahend.

Mißdeut’ auch du nicht mein Erstaunen, Sultan!

Verkenn’ in einem Augenblick’, in dem

Du schwerlich deinen Assad je gesehen,

Nicht ihn und mich!

Auf Nathan zueilend.

Ihr nehmt und gebt mir, Nathan!

Mit vollen Händen beides! – Nein! Ihr gebt

Mir mehr, als Ihr mir nehmt! unendlich mehr!

Recha um den Hals fallend.

Ah meine Schwester! meine Schwester!

Nathan. Blanda

Von Filneck!

Tempelherr. Blanda? Blanda? – Recha nicht?

Nicht Eure Recha mehr? – Gott! Ihr verstoßt

Sie! gebt ihr ihren Christennamen wieder!

Verstoßt sie meinetwegen! – Nathan! Nathan!

Warum es sie entgelten lassen? sie!

Nathan.

Und was? – O meine Kinder! meine Kinder! –

Denn meiner Tochter Bruder wär mein Kind

Nicht auch, – sobald er will?

Indem er sich ihren Umarmungen überläßt,

tritt Saladin mit unruhigem Erstaunen zu seiner

Schwester.

Saladin. Was sagst du, Schwester?

Sittah. Ich bin gerührt ...

Saladin. Und ich, – ich schaudere

Vor einer größern Rührung fast zurück!

Bereite dich nur drauf, so gut du kannst.

Sittah. Wie?

Saladin. Nathan, auf ein Wort! ein Wort! –

Indem Nathan zu ihm tritt, tritt Sittah zu demGeschwister, ihm ihre Teilnehmung zu bezeigen;

und Nathan und Saladin sprechen leiser.

Hör! hör doch, Nathan! Sagtest du vorhin

Nicht –?

Nathan. Was?

Saladin. Aus Deutschland sei ihr Vater nicht

Gewesen; ein geborner Deutscher nicht.

Was war er denn? wo war er sonst denn her?

Nathan. Das hat er selbst mir nie vertrauen wollen.

Aus seinem Munde weiß ich nichts davon.

Saladin.

Und war auch sonst kein Frank? kein Abendländer?

Nathan. O! daß er der nicht sei, gestand er wohl. –

Er sprach am liebsten Persisch ...

Saladin. Persisch? Persisch?

Was will ich mehr? – Er ists! Er war es!

Nathan. Wer?

Saladin.

Mein Bruder! ganz gewiß! Mein Assad! ganz

Gewiß!

Nathan. Nun, wenn du selbst darauf verfällst: –

Nimm die Versichrung hier in diesem Buche!

Ihm das Brevier überreichend.

Saladin es begierig aufschlagend.

Ah! seine Hand! Auch die erkenn’ ich wieder!

Nathan.

Noch wissen sie von nichts! Noch stehts bei dir

Allein, was sie davon erfahren sollen!

Saladin indes er darin geblättert.

Ich meines Bruders Kinder nicht erkennen?

Ich meine Neffen – meine Kinder nicht?

Sie nicht erkennen? ich? Sie dir wohl lassen?

Wieder laut.

Sie sinds! sie sind es, Sittah, sind! Sie sinds!

Sind beide meines ... deines Bruders Kinder!

Er rennt in ihre Umarmungen.

Sittah ihm folgend.

Was hör’ ich! – Konnts auch anders, anders sein! –

Saladin zum Tempelherrn.

Nun mußt du doch wohl, Trotzkopf, mußt mich lieben!

Zu Recha.

Nun bin ich doch, wozu ich mich erbot?

Magst wollen, oder nicht!

Sittah. Ich auch! ich auch!

Saladin zum Tempelherrn zurück.

Mein Sohn! mein Assad! meines Assads Sohn!

Tempelherr.

Ich deines Bluts! – So waren jene Träume,

Womit man meine Kindheit wiegte, doch –

Doch mehr als Träume! Ihm zu Füßen fallend.

Saladin ihn aufhebend. Seht den Bösewicht!

Er wußte was davon, und konnte mich

Zu seinem Mörder machen wollen! Wart!

Unter stummer Wiederholung allerseitiger

Umarmungen fällt der Vorhang.