Lieder
[Ausgabe 1771]
1. Band der »Vermischten Schriften«, Berlin (Voss) 1771.
lieder
Antwort eines trunknen Dichters
Der trunkne Dichter lobt den Wein
Die sieben und vierzigste Ode Anakreons
Die wider den Cäsar verschwornen Helden
An die Leier
Töne, frohe Leier,
Töne Lust und Wein!
Töne, sanfte Leier,
Töne Liebe drein!
Wilde Krieger singen,
Haß und Rach’ und Blut
In die Laute singen,
Ist nicht Lust, ist Wut.
Zwar der Heldensänger
Sammelt Lorbeern ein;
Ihn verehrt man länger.
Lebt er länger? Nein.
Er vergräbt im Leben
Sich in Tiefsinn ein:
Um erst dann zu leben,
Wann er Staub wird sein.
Lobt sein göttlich Feuer,
Zeit und Afterzeit!
Und an meiner Leier
Lobt die Fröhlichkeit.
Die Namen
Ich fragte meine Schöne:
Wie soll mein Lied dich nennen?
Soll dich als Dorimene,
Als Galathee, als Chloris,
Als Lesbia, als Doris,
Die Welt der Enkel kennen?
Ach! Namen sind nur Töne:
Sprach meine holde Schöne.
Wähl’ selbst. Du kannst mich Doris,
Und Galathee und Chloris,
Und – wie du willst mich nennen;
Nur nenne mich die Deine.
Die Küsse
Ein Küßchen, das ein Kind mir schenket,
Das mit den Küssen nur noch spielt,
Und bei dem Küssen noch nichts denket,
Das ist ein Kuß, den man nicht fühlt.
Ein Kuß, den mir ein Freund verehret,
Das ist ein Gruß, der eigentlich
Zum wahren Küssen nicht gehöret:
Aus kalter Mode küßt er mich.
Ein Kuß, den mir mein Vater gibet,
Ein wohlgemeinter Segenskuß,
Wenn er sein Söhnchen lobt und liebet,
Ist etwas, das ich ehren muß.
Ein Kuß von meiner Schwester Liebe
Steht mir als Kuß nur so weit an,
Als ich dabei mit heißerm Triebe
An andre Mädchen denken kann.
Ein Kuß, den Lesbia mir reichet,
Den kein Verräter sehen muß,
Und der dem Kuß der Tauben gleichet;
Ja, so ein Kuß, das ist ein Kuß.
Die Gewißheit
Ob ich morgen leben werde,
Weiß ich freilich nicht:
Aber, wenn ich morgen lebe,
Daß ich morgen trinken werde,
Weiß ich ganz gewiß.
Die Betrübnis
Der Dichter und sein Freund
Der Freund
Freund! welches Unglück, welche Reue
Macht dir so bittern Schmerz?
Der Dichter
Ach Freund! sie flieht, die Ungetreue!
Und sie besaß mein Herz.
Der Freund
Um eine Falsche dich betrüben?
Du bist ja klug genug.
Der Dichter
O schweig! das heißt nicht lieben,
Läßt uns die Liebe klug.
Antwort eines trunknen Dichters
Ein trunkner Dichter leerte
Sein Glas auf jeden Zug;
Ihn Warnte sein Gefährte:
Hör’ auf! du hast genug.
Bereit vom Stuhl zu sinken,
Sprach der: Du bist nicht klug;
Zu viel kann man wohl trinken,
Doch nie trinkt man genug.
Das aufgehobene Gebot
Elise
Siehst du Wein im Glase blinken,
Lerne von mir deine Pflicht:
Trinken kannst du, du kannst trinken;
Doch betrinke dich nur nicht.
Lysias
Wallt dein Blut von Jugendtrieben,
Lerne von mir deine Pflicht:
Lieben kannst du, du kannst lieben;
Doch verliebe dich nur nicht.
Elise
Bruder! ich mich nicht verlieben?
Lysias
Schwester! ich mich nicht betrinken?
Elise
Wie verlangst du das von mir?
Lysias
Wie verlangst du das von mir?
Elise
Lieber mag ich gar nicht lieben.
Lysias
Lieber mag ich gar nicht trinken.
Beide
Geh nur, ich erlaub’ es dir.
Die Beredsamkeit
Freunde, Wasser machet stumm:
Lernet dieses an den Fischen.
Doch beim Weine kehrt sichs um:
Dieses lernt an unsern Tischen.
Was für Redner sind wir nicht,
Wenn der Rheinwein aus uns spricht!
Wir ermahnen, streiten, lehren;
Keiner will den andern hören.
Die Haushaltung
Zankst du schon wieder? sprach Hans Lau
Zu seiner lieben Ehefrau.
»Versoffner, unverschämter Mann« – – –
Geduld, mein Kind, ich zieh’ mich an – –
»Wo nun schon wieder hin?«
Zu Weine. Zank’ du alleine.
»Du gehst? – – Verdammtes Kaffeehaus!
Ja! blieb’ er nur die Nacht nicht aus.
Gott! ich soll so verlassen sein? –
Wer pocht? – – Herr Nachbar? – – nur herein!
Mein böser Teufel ist zu Weine:
Wir sind alleine.«
Der Regen
Der Regen hält noch immer an!
So klagt der arme Bauersmann;
Doch eher stimm’ ich nicht mit ein,
Es regne denn in meinen Wein.
Die Stärke des Weins
Wein ist stärker als das Wasser:
Dies gestehn auch seine Hasser.
Wasser reißt wohl Eichen um,
Und hat Häuser umgerissen:
Und ihr wundert euch darum,
Daß der Wein mich umgerissen?
Der Sonderling
So bald der Mensch sich kennt,
Sieht er, er sei ein Narr;
Und gleichwohl zürnt der Narr,
Wenn man ihn also nennt.
So bald der Mensch sich kennt,
Sieht er, er sei nicht klug;
Doch ists ihm lieb genug,
Wenn man ihn weise nennt.
Ein jeder, der mich kennt,
Spricht: welcher Sonderling!
Nur diesem ists Ein Ding,
Wie ihn die Welt auch nennt.
Der alte und der junge Wein
Ihr Alten trinkt, euch jung und froh zu trinken:
Drum mag der junge Wein
Für euch, ihr Alten, sein.
Der Jüngling trinkt, sich alt und klug zu trinken:
Drum muß der alte Wein
Für mich, den Jüngling, sein.
Die Türken
Die Türken haben schöne Töchter,
Und diese scharfe Keuschheitswächter;
Wer will, kann mehr als Eine frein:
Ich möchte schon ein Türke sein.
Wie wollt’ ich mich der Lieb’ ergeben!
Wie wollt’ ich liebend ruhig leben,
Und – – Doch sie trinken keinen Wein;
Nein, nein, ich mag kein Türke sein.
Alexander
Der Weise sprach zu Alexandern:
»Dort, wo die lichten Welten wandern,
Ist manches Volk, ist manche Stadt.«
Was tut der Mann von tausend Siegen?
Die Memme weint, daß, dort zu kriegen,
Der Himmel keine Brücken hat.
Ists wahr, was ihn der Weise lehret,
Und finden, was zur Welt gehöret,
Daselbst auch Wein und Mädchen statt:
So lasset, Brüder, Tränen fließen,
Daß, dort zu trinken und zu küssen,
Der Himmel keine Brücken hat.
Die Schöne von hinten
Sieh Freund! sieh da! was geht doch immer
Dort für ein reizend Frauenzimmer?
Der neuen Tracht Vollkommenheit,
Der engen Schritte Nettigkeit,
Die bei der kleinsten Hindrung stocken,
Der weiße Hals voll schwarzer Locken,
Der wohlgewachsne schlanke Leib,
Verrät ein junges art’ges Weib.
Komm Freund! komm, laß uns schneller gehen,
Damit wir sie von vorne sehen.
Es muß, triegt nicht der hintre Schein,
Die Venus oder Phyllis sein.
Komm, eile doch! – O welches Glücke!
Jetzt sieht sie ungefähr zurücke.
Was wars, das mich entzückt gemacht?
Ein altes Weib in junger Tracht.
An eine kleine Schöne
Kleine Schöne, küsse mich.
Kleine Schöne, schämst du dich?
Küsse geben, Küsse nehmen,
Darf dich jetzo nicht beschämen.
Küsse mich noch hundertmal!
Küß’ und merk’ der Küsse Zahl.
Ich will dir, bei meinem Leben!
Alle zehnfach wiedergeben,
Wenn der Kuß kein Scherz mehr ist,
Und du zehn Jahr älter bist.
Nach der 15. Ode Anakreons
Was frag’ ich nach dem Großsultan,
Und Mahomets Gesetzen?
Was geht der Perser Schach mich an,
Mit allen seinen Schätzen?
Was sorg’ ich ihrer Kriegesart,
Und ihrer Treffen halben?
Kann ich nur meinen lieben Bart
Mit Spezereien salben.
Kann ich nur mein gesalbtes Haupt
Mit Rosen stolz umschließen,
Und, wenn mir sie ein Mädchen raubt,
Das Mädchen strafend küssen.
Ein Tor sorgt für die künft’ge Zeit.
Für heute will ich sorgen.
Wer kennt, mit weiser Gründlichkeit,
Den Ungewissen Morgen?
Was soll ich hier, so lang’ ich bin,
Mich um die Zukunft kränken?
Ich will mit kummerlosem Sinn
Auf Wein und Liebe denken.
Denn plötzlich steht er da, und spricht,
Der grimme Tod: »Von dannen!
Du trinkst, du küssest länger nicht!
Trink’ aus! küß’ aus! Von dannen!«
Das Paradies
Sein Glück für einen Apfel geben,
O Adam, welche Lüsternheit!
Statt deiner hätt’ ich sollen leben,
So wär’ das Paradies noch heut. –
Wie aber, wenn alsdann die Traube
Die Probefrucht gewesen wär’?
Wie da, mein Freund? – Ei nun, ich glaube –
Das Paradies wär’ auch nicht mehr.
Die Gespenster
Der Alte
O Jüngling! sei so ruchlos nicht,
Und leugne die Gespenster.
Ich selbst sah eins beim Mondenlicht
Aus meinem Kammerfenster,
Das saß auf einem Leichenstein:
Drum müssen wohl Gespenster sein.
Der JÜNgling
Ich wende nichts dawider ein;
Es müssen wohl Gespenster sein.
Der Alte
Als meiner Schwester Sohn verschied,
(Das sind nunmehr zehn Jahre!)
Sah seine Magd, die trefflich sieht,
Des Abends eine Bahre,
Und oben drauf ein Totenbein:
Drum müssen wohl Gespenster sein.
Der JÜNgling
Ich wende nichts dawider ein;
Es müssen wohl Gespenster sein.
Der Alte
Und als mein Freund im Treffen blieb,
Das Frankreich jüngst verloren,
Hört’ seine Frau, wie sie mir schrieb,
Mit ihren eignen Ohren
Zu Mitternacht drei Eulen schrein:
Drum müssen wohl Gespenster sein.
Der JÜNgling
Ich wende nichts dawider ein;
Es müssen wohl Gespenster sein.
Der Alte
In meinem Keller selbst gehts um.
Ich hör’ oft ein Gesause;
Doch werden die Gespenster stumm,
Ist nur mein Sohn zu Hause.
Denk’ nur, sie saufen meinen Wein:
Das müssen wohl Gespenster sein.
Der JÜNgling
Ich wende nichts dawider ein;
Doch wünscht’ ich eins davon zu sein.
Der Alte
Auch weiß ich nicht, was manche Nacht
In meiner Tochter Kammer
Sein Wesen hat, bald seufzt, bald lacht;
Oft bringt mirs Angst und Jammer.
Ich weiß, das Mädchen schläft allein;
Drum müssen es Gespenster sein.
Der JÜNgling
Ich wende nichts dawider ein;
Doch wünscht’ ich ihr Gespenst zu sein.
Der trunkne Dichter lobt den Wein
Mit Ehren, Wein, von dir bemeistert,
Und deinem flüß’gen Feu’r begeistert,
Stimm ich zum Danke, wenn ich kann,
Ein dir geheiligt Loblied an.
Doch wie? in was für kühnen Weisen
Werd’ ich, o Göttertrank, dich preisen?
Dein Ruhm, hör’ ihn summarisch an,
Ist, daß ich ihn nicht singen kann.
Lob der Faulheit
Faulheit, jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen. –
O – – wie – – sau – – er – – wird es mir, – –
Dich – – nach Würden – – zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.
Höchstes Gut! wer dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben – –
Ach! – – ich – – gähn’ – – ich – – werde matt – –
Nun – – so – – magst du – – mirs vergeben,
Daß ich dich nicht singen kann;
Du verhinderst mich ja dran.
Die Faulheit
Fleiß und Arbeit lob’ ich nicht.
Fleiß und Arbeit lob’ ein Bauer.
Ja, der Bauer selber spricht,
Fleiß und Arbeit wird ihm sauer.
Faul zu sein, sei meine Pflicht;
Diese Pflicht ermüdet nicht.
Bruder, laß das Buch voll Staub.
Willst du länger mit ihm wachen?
Morgen bist du selber Staub!
Laß uns faul in allen Sachen,
Nur nicht faul zu Lieb’ und Wein,
Nur nicht faul zur Faulheit sein.
Die Planetenbewohner
Mit süßen Grillen sich ergötzen,
Einwohner in Planeten setzen,
Eh man aus sichern Gründen schließt,
Daß Wein in den Planeten ist:
Das heißt zu früh bevölkern.
Freund, bringe nur zuerst aufs reine,
Daß in den neuen Welten Weine,
Wie in der, die wir kennen, sind:
Und glaube mir, dann kann ein Kind
Auf seine Trinker schließen.
Der Geschmack der Alten
Ob wir, wir Neuern, vor den Alten
Den Vorzug des Geschmacks erhalten,
Was les’t ihr darum vieles nach,
Was der und jener Franze sprach?
Die Franzen sind die Leute nicht,
Aus welchen ein Orakel spricht.
Ich will ein neues Urteil wagen.
Geschmack und Witz, es frei zu sagen,
War bei den Alten allgemein.
Warum? sie tranken alle Wein.
Doch ihr Geschmack war noch nicht fein;
Warum? sie mischten Wasser drein.
Die lügenhafte Phyllis
Mein Dämon spricht:
Kind, lüge nicht!
Sonst werd’ ich strafen müssen,
Und dich zur Strafe küssen.
Er droht mir, sieht verdrüßlich aus,
Und strafet mich schon im voraus.
Sonst log ich nicht.
Nun seit er spricht:
Du sollst mir fein mit Küssen
Die losen Lügen büßen,
Red’ ich kein wahres Wörtchen mehr.
Nun, Schwestern, sagt, wo kömmt das her?
Die sieben und vierzigste Ode Anakreons
Alter tanze! Wenn du tanzest,
Alter, so gefällst du mir!
Jüngling, tanze! Wenn du tanzest,
Jüngling, so gefällst du mir.
Alter, tanze, trotz den Jahren!
Welche Freude, wenn es heißt:
Alter, du bist alt an Haaren,
Blühend aber ist dein Geist!
Nachahmung dieser Ode
Jüngling, lebst du nicht in Freuden,
Jüngling, o, so haß’ ich dich!
Alter, lebst du nicht in Freuden,
Alter, o so haß’ ich dich!
Jüngling, trauerst du in Jahren,
Wo die Pflicht sich freuen heißt? –
Schäme dich! so frisch an Haaren,
Jüngling, und so schwach an Geist!
Der Wunsch
Wenn ich, Augenlust zu finden,
Unter schatticht kühlen Linden
Schielend auf und nieder gehe,
Und ein häßlich Mädchen sehe,
Wünsch’ ich plötzlich blind zu sein.
Wenn ich, Augenlust zu finden,
Unter schatticht kühlen Linden
Schielend auf und nieder gehe,
Und ein schönes Mädchen sehe,
Möcht’ ich lauter Auge sein.
Der größte Mann
Laßt uns den Priester Orgon fragen:
Wer ist der größte Mann?
Mit stolzen Mienen wird er sagen:
Wer sich zum kleinsten machen kann.
Laßt uns den Dichter Kriton hören:
Wer ist der größte Mann?
Er wird es uns in Versen schwören:
Wer ohne Mühe reimen kann.
Laßt uns den Hofmann Damis fragen:
Wer ist der größte Mann?
Er bückt sich lächelnd; das will sagen:
Wer lächeln und sich bücken kann.
Wollt ihr vom Philosophen wissen,
Wer ist der größte Mann?
Aus dunkeln Reden müßt ihr schließen:
Wer ihn verstehn und grübeln kann.
Was darf ich jeden Toren fragen:
Wer ist der größte Mann?
Ihr seht, die Toren alle sagen:
Wer mir am nächsten kommen kann.
Wollt ihr den klügsten Toren fragen:
Wer ist der größte Mann?
So fraget mich; ich will euch sagen:
Wer trunken sie verlachen kann.
Der Irrtum
Den Hund im Arm, mit bloßen Brüsten,
Sah Lotte frech herab.
Wie mancher ließ sichs nicht gelüsten,
Daß er ihr Blicke gab.
Ich kam gedankenvoll gegangen
Und sahe steif heran.
Ha! denkt sie, der ist auch gefangen,
Und lacht mich schalkhaft an.
Allein, gesagt zur guten Stunde,
Die Jungfer irrt sich hier.
Ich sah nach ihrem bunten Hunde:
Es ist ein artig Tier.
An den Wein
Wein, wenn ich dich jetzo trinke,
Wenn ich dich als Jüngling trinke,
Sollst du mich in allen Sachen
Dreist und klug, beherzt und weise,
Mir zum Nutz, und dir zum Preise,
Kurz, zu einem Alten machen.
Wein, werd’ ich dich künftig trinken,
Werd’ ich dich als Alter trinken,
Sollst du mich geneigt zum Lachen,
Unbesorgt für Tod und Lügen,
Dir zum Ruhm, mir zum Vergnügen,
Kurz, zu einem Jüngling machen.
Phyllis an Damon
Lehre mich, o Damon, singen,
Singen, wie du trunken singst.
Laß auch mich dir Lieder bringen,
Wie du mir begeistert bringst.
Wie du mich willst ewig singen,
Möcht’ auch ich dich ewig singen.
Durch des Weines Feuerkräfte,
Nur durch sie singst du so schön.
Aber diese Göttersäfte
Darf ich schmachtend nur besehn.
Dir riet Venus Wein zu trinken,
Mir riet sie, ihn nicht zu trinken.
Was wird nun mein Lied beleben,
Kann es dieser Trank nicht sein? –
Wie? Du willst mir Küsse geben?
Küsse, feuriger, als Wein? –
Damon, ach! nach deinen Küssen
Werd’ ich wohl verstummen müssen.
Für wen ich singe
Ich singe nicht für kleine Knaben,
Die voller Stolz zur Schule gehn,
Und den Ovid in Händen haben,
Den ihre Lehrer nicht verstehn.
Ich singe nicht für euch, ihr Richter,
Die ihr voll spitz’ger Gründlichkeit
Ein unerträglich Joch dem Dichter,
Und euch die Muster selber seid.
Ich singe nicht den kühnen Geistern,
Die nur Homer und Milton reizt;
Weil man den unerschöpften Meistern
Die Lorbeern nur umsonst begeizt.
Ich singe nicht, durch Stolz gedrungen,
Für dich, mein deutsches Vaterland.
Ich fürchte jene Lästerzungen,
Die dich bis an den Pol verbannt.
Ich singe nicht für fremde Reiche.
Wie käm’ mir solch ein Ehrgeiz ein?
Das sind verwegne Autorstreiche.
Ich mag nicht übersetzet sein.
Ich singe nicht für fromme Schwestern,
Die nie der Liebe Reiz gewinnt,
Die, wenn wir munter singen, lästern,
Daß wir nicht alle Schmolcken sind.
Ich singe nur für euch, ihr Brüder,
Die ihr den Wein erhebt, wie ich.
Für euch, für euch sind meine Lieder.
Singt ihr sie nach: o Glück für mich!
Ich singe nur für meine Schöne,
O muntre Phyllis, nur für dich.
Für dich, für dich sind meine Töne.
Stehn sie dir an, so küsse mich.
Die schlafende Laura
Nachlässig hingestreckt,
Die Brust mit Flor bedeckt,
Der jedem Lüftchen wich,
Das säuselnd ihn durchstrich,
Ließ unter jenen Linden
Mein Glück mich Lauren finden.
Sie schlief, und weit und breit
Schlug jede Blum’ ihr Haupt zur Erden,
Aus mißvergnügter Traurigkeit,
Von Lauren nicht gesehn zu werden.
Sie schlief, und weit und breit
Erschallten keine Nachtigallen,
Aus weiser Furchtsamkeit,
Ihr minder zu gefallen,
Als ihr der Schlaf gefiel,
Als ihr der Traum gefiel,
Den sie vielleicht jetzt träumte,
Von dem, ich hoff’ es, träumte,
Der staunend bei ihr stand,
Und viel zu viel empfand,
Um deutlich zu empfinden,
Um noch es zu empfinden,
Wie viel er da empfand.
Ich ließ mich sanfte nieder,
Ich segnete, ich küßte sie,
Ich segnete, und küßte wieder:
Und schnell erwachte sie.
Schnell taten sich die Augen auf.
Die Augen? – nein, der Himmel tat sich auf.
Der Donner
Es donnert! – Freunde, laßt uns trinken!
Der Frevler und der Heuchler Heer
Mag knechtisch auf die Kniee sinken.
Es donnert! – Macht die Gläser leer!
Laßt Nüchterne, laßt Weiber zagen!
Zeus ist gerecht, er straft das Meer:
Sollt’ er in seinen Nektar schlagen?
Der müßige Pöbel
Um einen Arzt und seine Bühne
Stand mit erstaunungsvoller Miene
Die leicht betrogne Menge
In lobendem Gedränge.
Ein weiser Trinker ging vorbei,
Und schriee: welche Polizei!
So müßig hier zu stehen?
Kann nicht das Volk zu Weine gehen?
Die Musik
Ein Orpheus spielte; rings um ihn,
Mit lauschendem Gedränge,
Stand die erstaunte Menge,
Durchs Ohr die Wollust einzuziehn.
Ein Trinker kam von ungefähr,
Und taumelte den Weg daher.
Schnell faßt’ er sich, blieb horchend stehn,
Und ward entzückt, und schriee: schön!
So schön, als wenn bei meinem wackern Wirte
Das helle Paßglas klirrte!
An den Horaz
Horaz, wenn ich mein Mädchen küsse,
Entflammt von unserm Gott, dem Wein,
Dann seh ich, ohne kritsche Schlüsse,
Dich tiefer als zehn Bentleys ein.
Dann fühl’ ich sie, die süßen Küsse,
Die ein barbarscher Biß verletzt,
Sie, welche Venus, nebst dem Bisse,
Mit ihres Nektars Fünfteil netzt.(1)
Dann fühl’ ich, mehr als ich kann sagen,
Die Göttin, durch die Laura küßt,
Wie sie sich Amathunts entschlagen,
Und ganz in mich gestürzet ist.(2)
Sie herrscht im Herzen, sie gebietet;
Und Laura löscht die Phyllis aus.
Sie herrscht im Herzen? nein, sie wütet;
Denn Laura hält mich ab vom Schmaus.
Niklas
Mein Esel sicherlich
Muß klüger sein, als ich.
Ja, klüger muß er sein!
Er fand sich selbst in Stall hinein,
Und kam doch von der Tränke.
Man denke!
Die Küsse
Der Neid, o Kind,
Zählt unsre Küsse:
Drum küß’ geschwind
Ein Tausend Küsse;
Geschwind du mich,
Geschwind ich dich!
Geschwind, geschwind,
O Laura, küsse
Manch Tausend Küsse:
Damit er sich
Verzählen müsse.
Der schwörende Liebhaber
Ich schwör’ es dir, o Laura, dich zu hassen;
Gerechten Haß schwör’ ich dir zu.
Ich schwör’ es allen Schönen, sie zu hassen;
Weil alle treulos sind, wie du.
Ich schwör’ es dir, vor Amors Ohren,
Daß ich – – ach! daß ich falsch geschworen.
Trinklied
Voll, voll, voll,
Freunde, macht euch voll!
Wein, Wein, Wein,
Freunde, schenkt ihn ein!
Küßt, küßt, küßt,
Die euch wieder küßt!
Voll von Wein,
Voll von Liebe,
Voll von Wein und Liebe,
Freunde, voll zu sein,
Küßt und schenket ein!
Der Verlust
Alles ging für mich verloren,
Als ich Sylvien verlor.
Du nur gingst nicht mit verloren,
Liebe, da ich sie verlor!
Der Genuß
So bringst du mich um meine Liebe,
Unseliger Genuß? Betrübter Tag für mich!
Sie zu verlieren, – meine Liebe, –
Sie zu verlieren, wünscht’ ich dich?
Nimm sie, den Wunsch so mancher Lieder,
Nimm sie zurück, die kurze Lust!
Nimm sie, und gib der öden Brust,
Der ewig öden Brust, die beßre Liebe wieder!
Das Leben
Sechs Tage kannt’ ich sie,
Und liebte sie sechs Tage.
Am siebenten erblaßte sie,
Dem ersten meiner ew’gen Klage.
Noch leb’ ich, zauderndes Geschick!
Ein pflanzengleiches Leben.
O Himmel, ist für den kein Glück,
Dem du Gefühl und Herz gegeben!
O! nimm dem Körper Wärm’ und Blut,
Dem du die Seele schon genommen!
Hier, wo ich wein’, und wo sie ruht,
Hier laß den Tod auf mich herab gebeten kommen!
Was hilft es, daß er meine Jahre
Bis zu des Nestors Alter spare?
Ich habe, Trotz der grauen Haare,
Womit ich dann zur Grube fahre,
Sechs Tage nur geliebt,
Sechs Tage nur gelebt.
Die Biene
Als Amor in den goldnen Zeiten
Verliebt in Schäferlustbarkeiten
Auf bunten Blumenfeldern lief,
Da stach den kleinsten von den Göttern,
Ein Bienchen, das in Rosenblättern,
Wo es sonst Honig holte, schlief.
Durch diesen Stich ward Amor klüger.
Der unerschöpfliche Betrüger
Sann einer neuen Kriegslist nach:
Er lauscht’ in Rosen und Violen;
Und kam ein Mädchen sie zu holen,
Flog er als Bien’ heraus, und stach.
Die Liebe
Ohne Liebe
Lebe, wer da kann.
Wenn er auch ein Mensch schon bliebe,
Bleibt er doch kein Mann.
Süße Liebe,
Mach’ mein Leben süß!
Stille nie die regen Triebe
Sonder Hindernis.
Schmachten lassen
Sei der Schönen Pflicht!
Nur uns ewig schmachten lassen,
Dieses sei sie nicht.
Der Tod
Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
(Bildet euch mein Schrecken ein!)
Kam der Tod zu mir herein.
Drohend schwang er seine Hippe,
Drohend sprach das Furchtgerippe:
Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!
Lieber Tod, sprach ich mit Tränen,
Solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh, da stehet Wein für dich!
Lieber Tod verschone mich!
Lächelnd greift er nach dem Glase;
Lächelnd macht ers auf der Base,
Auf der Pest, Gesundheit leer;
Lächelnd setzt ers wieder her.
Fröhlich glaub’ ich mich befreiet,
Als er schnell sein Drohn erneuet.
Narre, für dein Gläschen Wein
Denkst du, spricht er, los zu sein?
Tod, bat ich, ich möcht’ auf Erden
Gern ein Mediziner werden.
Laß mich: ich verspreche dir
Meine Kranken halb dafür.
Gut, wenn das ist, magst du leben:
Ruft er. Nur sei mir ergeben.
Lebe, bis du satt geküßt,
Und des Trinkens müde bist.
O! wie schön klingt dies den Ohren!
Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Brüderschaft!
Ewig muß ich also leben,
Ewig! denn, beim Gott der Reben!
Ewig soll mich Lieb’ und Wein,
Ewig Wein und Lieb’ erfreun!
Der Faule
Rennt dem scheuen Glücke nach!
Freunde, rennt euch alt und schwach!
Ich nehm’ Teil an eurer Müh:
Die Natur gebietet sie.
Ich, damit ich auch was tu, –
Seh’ euch in dem Lehnstuhl zu.
Der Flor
O Reize voll Verderben!
Wir sehen euch, und sterben.
O Augen, unser Grab!
O Chloris, darf ich flehen?
Dich sicher anzusehen,
Laß erst den Flor herab!
Die wider den Cäsar verschwornen Helden
Cassius. Decimus. Brutus. Cimber
Cassius
Jetzt, Helden, laßt uns rühmlich sterben,
Eh Rom noch Königsfesseln trägt.
Wer sollte nicht mit Lust verderben,
Wenn ihn der Staat mit niederschlägt?
Decimus
Ja – aber ohne Rache sterben,
Und ohne Nutz dem Vaterland – –
Freund, das heißt pöbelhaft verderben.
Und wozu hätt’ ich Mut und Hand?
Cassius
O Brutus! voller tiefen Sorgen
Seh’ ich dein Herz für Rom zerteilt.
O Freund! noch Einen freien Morgen,
So hat die Knechtschaft uns ereilt.
Brutus
Wenn Cäsar Rom will unterdrücken,
Muß Brutus ihn zur Strafe ziehn.
Ich will den Dolch ins Herz ihm drücken:
Mit Zittern zwar, doch drück’ ich ihn.
Cassius
Du? deinem Freunde? Brutus! Götter!
Rom steht, wenn Brutus Brutus ist.
Schon war ein Brutus Roms Erretter;
Komm! zeige, daß du beide bist.
Cimber
Auch ich will alles mit euch wagen;
Auch ich muß ohne König sein.
Denn könnt’ ich einen Herrn ertragen,
Ertrüg’ ich allererst den Wein.
Die Ente
Ente, wahres Bild von mir,
Wahres Bild von meinen Brüdern!
Ente, jetzo schenk’ ich dir
Auch ein Lied von meinen Liedern.
Oft und oft muß dich der Neid
Zechend auf dem Teiche sehen.
Oft sieht er aus Trunkenheit
Taumelnd dich in Pfützen gehen.
Auch ein Tier – – o das ist viel!
Hält den Satz für wahr und süße,
Daß, wer glücklich leben will,
Fein das Trinken lieben müsse.
Ente, ists nicht die Natur,
Die dich stets zum Teiche treibet?
Ja, sie ists; drum folg’ ihr nur.
Trinke, bis nichts übrig bleibet.
Ja, du trinkst und singst dazu.
Neider nennen es zwar schnadern;
Aber, Ente, ich und du
Wollen nicht um Worte hadern.
Wem mein Singen nicht gefällt,
Mag es immer Schnadern nennen.
Will uns nur die neid’sche Welt
Als versuchte Trinker kennen.
Aber, wie betaur’ ich dich,
Daß du nur mußt Wasser trinken.
Und wie glücklich schätz’ ich mich,
Wenn mir Weine dafür blinken!
Armes Tier, ergib dich drein.
Laß dich nicht den Neid verführen.
Denn des Weins Gebrauch allein
Unterscheidet uns von Tieren.
In der Welt muß Ordnung sein.
Menschen sind von edlern Gaben.
Du trinkst Wasser, und ich Wein;
So will es die Ordnung haben.
Die drei Reiche der Natur
Ich trink’, und trinkend fällt mir bei,
Warum Naturreich dreifach sei.
Die Tier’ und Menschen trinken, lieben,
Ein jegliches nach seinen Trieben:
Delphin und Adler, Floh und Hund
Empfindet Lieb’, und netzt den Mund.
Was also trinkt und lieben kann,
Wird in das erste Reich getan.
Die Pflanze macht das zweite Reich,
Dem ersten nicht an Güte gleich:
Sie liebet nicht, doch kann sie trinken;
Wenn Wolken träufelnd niedersinken,
So trinkt die Zeder und der Klee,
Der Weinstock und die Aloe.
Drum, was nicht liebt, doch trinken kann,
Wird in das zweite Reich getan.
Das Steinreich macht das dritte Reich;
Und hier sind Sand und Demant gleich:
Kein Stein fühlt Durst und zarte Triebe,
Er wächset ohne Trunk und Liebe.
Drum, was nicht hebt noch trinken kann,
Wird in das letzte Reich getan.
Denn ohne Lieb’ und ohne Wein,
Sprich, Mensch, was bleibst du noch? – – Ein Stein.
Das Alter
Nach der eilften Ode Anakreons
Euch, lose Mädchen, hör’ ich sagen:
»Du bist ja alt, Anakreon.
Sieh her! du kannst den Spiegel fragen,
Sieh, deine Haare schwinden schon;
Und von den trocknen Wangen
Ist Blut’ und Reiz entflohn.« –
Wahrhaftig! ob die Wangen
Noch mit dem Lenze prangen,
Wie, oder ob den Wangen
Der kurze Lenz vergangen,
Das weiß ich nicht; doch was ich weiß,
Will ich euch sagen: daß ein Greis,
Sein Bißchen Zeit noch zu genießen,
Ein doppelt Recht hat, euch zu küssen.
An die Schwalbe
Die zwölfte Ode Anakreons
Schwatzhafteste der Schwalben, sprich,
Was tu ich dir? wie straf ich dich?
Soll ich dich um die Schwingen
Mit meiner Schere bringen?
Soll ich, zu deiner Pein,
Ein andrer Tereus sein?
Und willst du gern der Progne gleichen?
Mußt du, zu frühe Schwätzerin,
Mußt du von meiner Schäferin
Mir meinen schönen Traum verscheuchen?
Die Kunstrichter und der Dichter
Die Kunstrichter
Ihr Dichter! seid des Stoffes voll,
Den eure Muse singen soll:
Alsdann gerät das Lied euch wohl.
Der Dichter
Wohl! wohl! ihr Herren Richter, wohl!
Seht her! ich bin des Stoffes voll,
Den meine Muse singen soll;
Ich bin, ich bin des Weines voll:
Und doch gerät kein Lied mir wohl.
Die Kunstrichter
Du bist des Stoffes allzu voll,
Den deine Muse singen soll:
Darum gerät kein Lied dir wohl.
An die Kunstrichter
Schweigt, unberauschte, finstre Richter!
Ich trinke Wein, und bin ein Dichter.
Tut mir es nach, und trinket Wein,
So seht ihr meine Schönheit ein.
Sonst wahrlich, unberauschte Richter,
Sonst wahrlich seht ihr sie nicht ein!
Oden
[Ausgabe 1771]
2. Teil der »Vermischten Schriften«, Berlin (Voss), 1771/1784.
oden
I. Der Eintritt des 1752sten Jahres
II. Auf eine vornehme Vermählung
VI. Der Eintritt des Jahres 1753 in Berlin
I. Der Eintritt des 1752sten Jahres
Im Spiel, dem Huld und Macht
Die Welt zur Bühne gab, das Weisheit ausgedacht,
In diesem Spiel zur kurzen Szen’ erlesen,
Jahr! Zeit, für Sterbliche gewesen!
Für ihn, der eh du kamst, dich als gekommen sah,
Für Gott noch da!
So wie ein Strom, der aus der Erde bricht,
Und wenig Meilen rollt, und wieder sich verkriecht,
Bist du, aus der du dich ergossen,
Zur Ewigkeit, – die Gott, mit aller Welten Last,
Im Zipfel seines Kleides faßt, –
Zur Ewigkeit zurück geflossen.
Vom Dürftigen verseufzt, mit tränenvollen Blicken
Des Reuenden verfolgt, zurück gewünscht vom Tor,
Vom Glücklichen erwähnt mit trunkenem Entzücken:
Jahr, welche Botschaft von der Erde, –
Jetzt unwert jenes Rufs: Sie werde! –
Bringst du dem Himmel vor?
Botschaft ach! vom Triumph des Lasters über Tugend,
Hier vordem ihrem liebsten Sitz;
Von Vätern böser Art; Botschaft von schlimmrer Jugend;
Von Feinden Gottes, stolz auf Witz;
Botschaft von feiler Ehr, womit die Schmach sich schmücket;
Von ungerechtem Recht, das arme Fromme drücket.
Botschaft, daß die Natur längst unsrer müde worden,
Die dort mit Flüssen Feuers schreckt,
Das paradiesische Gefilde überdeckt,
Und dort, geschäftig im Ermorden,
Der aufgebotnen Pest
Die gift’gen Schwingen schütteln läßt.
Botschaft von hingerißnen Göttern
Der einst durch sie regierten Welt;
Botschaft von finstern Kriegeswettern,
Die hier ein Gott zurücke hält,
Und dort ein Gott, der grausamer verfährt,
Mit immer neuen Blitzen nährt.
Doch Botschaft auch von einem Lande,
Wo Friederich den weichen Zepter führt,
Und Ruh und Glück, im schwesterlichen Bande,
Die Schwellen seines Thrones ziert;
Des Thrones, ungewiß, ob ihn mehr Vorsicht schützt,
Als Liebe stützt.
O ihr, die Friedrich liebt, weil er geliebt will sein,
Ihr Völker jauchzt ihm zu! Der Himmel stimmet ein.
Auf! strebt, daß er mit diesem Jahre,
Wenn er sie jetzt nicht schon erfährt,
Die wicht’ge Botschaft froh erfahre:
Ihr wäret eures Friedrichs wert.
II. Auf eine vornehme Vermählung
Paar, das, vom Glück geliebt, auch Liebe glücklich macht, –
Sie, die ein fühlend Herz, und nicht die Ahnen schätzet,
Und nicht der Würden saure Pracht,
Und nicht der Taten Glanz, die man in Marmor ätzet –
Er kömmt, hier ist er schon, der schönste deiner Tage,
Der schönste, weil die Lieb’ ihn schmückt,
Und ihr erfüllter Wunsch der Hoffnung süße Plage
Im Wechselkuß erstickt.
Dort in Aurorens Reich, am Quell vom ew’gen Licht,
Wo unsre Tage stehn, die Wieg und Grab umgrenzen –
Ein sterblich Auge zählt sie nicht –
Dort sah, Beglückte glaubts, der Dichter eure glänzen!
Schnell hob sich dieser Tag, kenntbar am Rosenkränze,
Aus der gemeinen Tage Schar.
Es wuchs sein Glanz, und wuchs und überstieg am Glanze
Den Tag, der euch gebar.
So wie ein Bach, der in der Wüste schleicht,
Vergebens sein Kristall auf lauter Kieseln rollet,
Wenn ihn der Wandrer nicht erreicht,
Dem er den süßen Trunk, und dann das Schlaflied zollet:
So fließt in kalter Still, in ungenoßnen Stunden,
In Tagen, die Verdruß umhüllt,
Das faule Leben fort, die traurigen Sekunden, –
Wenn sie nicht Liebe füllt.
Fühlt ihr es, selig Paar? Und selig, wer es fühlt!
Der Mensch, sich selbst ein Feind, kehrt oft den blinden Rücken
Der Wollust zu, auf die er zielt,
Sucht in Zerstreuung Ruh, und Ruhm in Bubenstücken.
Seht sie, vom Traum getäuscht, in Sorg’ und Lüsten schweben,
Dem fräß’gen Strudel unsrer Zeit!
Dann wägt ihr Glück und sagt: Gebt ihr für all’ ihr Leben
So einen Tag als heut?
Dort sinnt, in banger Nacht, ein Sklav von flücht’gem Ruhm
Von Amt auf Ämter hin. Der Märtyrer der Titel,
Des kranken Wahnes Eigentum,
Schämt sich, vor lauter Ehr, auch nicht entehrter Mittel.
Hier häuft der bleiche Geiz das Geld zur eignen Plage,
Und atmet kaum vor Hunger mehr.
Sagt, liebend Paar, gebt ihr für ihre ganzen Tage
So einen Tag, als der?
Er selbst, der kühne Held, wenn er vom Kriegsgott glüht –
Du weißt es, Bräutigam! – sprich, wenn im blut’gen Streite,
Er starr mit Einem Blicke sieht,
Vor sich den wilden Tod, und Ewigkeit zur Seite;
Wenn er, da über ihm die Himmel Famen hören,
Für Friedrichen und durch ihn siegt – –
Bist du – gesteh es nur der Menschlichkeit zu Ehren –
So schön, als jetzt vergnügt?
O Braut, preß’ ihm dies Nein – vermag dein Reiz es doch –
Aus der bewegten Brust. Und ja, dir wird ers sagen.
Der sanften Lieb unschimpflich Joch
Ward auch vom Tapfersten im Lorbeerkranz getragen.
Nur tolle Härte wähnt, es trät’ ein zärtlich Herze
Dem Mut, dem stählern Mut, zu nah.
Er selbst, der Krieger Gott, voll Blut und Staub und Schwärze,
Mars kennt Cytheren ja.
Den Prunk der großen Welt, und die verlarvte Stadt
Floh zwar seit langer Zeit die Gottheit holder Liebe.
Wo Buhlerei den Tempel hat,
Sind, die Verliebte sind, Verräter oder Diebe.
Sie floh zur stillen Flur, wo, bei gelaßner Jugend,
Die Einfalt Schöne schöner macht.
Da brannt’ ihr Rauchaltar! – Doch jüngst hat sie die Tugend
Zu euch zurück gebracht.
Sie kam. Ich sah den Zug; ein Dichter sieht ihn nur.
Der Frühling, vor ihr her, verscheuchte Frost und Wetter,
Und Weste folgten ihrer Spur,
Und in den Westen lacht’ ein Schwarm der Liebesgötter.
Es führten Tugend sie und Lust in enger Mitten,
Lust, welche nie der Liebe fehlt,
Und nie die Tugend haßt; und unter ihren Tritten
Ward auch der Stein beseelt.
Zu euch, glückselig Paar, zu euch zog dieser Zug.
Verbergt die Göttin nicht! Sie glüht in euren Blicken;
(Die sind sie zu verraten gnug,)
Sie, die euch mehr beglückt, als Schätz’ und Stand beglücken.
Verbergt die Liebe nicht! Das Laster mag sie hassen,
Denn das soll ewig sich nicht freun.
Wie traurig wird die Flur, die sie um euch verlassen,
Den Schäferinnen sein!
III. Abschied eines Freundes
Schon hast du, Freund, der letzten letzte Küsse
Auf nasse Wangen uns gedrückt;
Schon schon, beim Zaudern unentschloßner Füße,
Den schnellen Geist vorweg geschickt.
Für uns dahin! Doch nein, dem Arm entführet,
Wirst du dem Herzen nicht entführt.
Dies Herz, o Freund, einmal von dir gerühret,
Bleibt ewig, trau! von dir gerührt.
Erwarte nicht ein täuschend Wortgepränge,
Für unsre Freundschaft viel zu klein.
Empfindung haßt der Reime kalte Menge,
Und wünscht unausposaunt zu sein.
Ein feuchter Blick sind ihre Zaubertöne;
Ein schlagend Herz ihr rührend Lied.
Sie schweigt beredt, sie stockt, sie stammelt schöne,
Ums stärkre Wort umsonst bemüht.
Es winken dir beneidenswerte Fluren,
Nur unsers Neides minder wert.
Zieh hin! und find’ auch da der Vorsicht goldne Spuren,
Um dich besorgt, von dir verehrt.
Dort(1) herrscht die Ruh, dort ist der Lärm vergangen,
Der hier(2) noch Musen stören darf,
Seit Pallas gern, auf Friederichs Verlangen,
Die spitze Lanze von sich warf.
IV. An den Herrn N**
Freund, noch sind ich und du dem Glücke
Ein leichter Schleiderball.
Und doch belebt auf seine Tücke
Kein beißend Lied den Widerhall?
Der Tor gedeiht, der Spötter steiget,
Dem Bösen fehlt kein Heil.
Verdienst steht nach, und fühlt gebeuget
Ein lohnend Amt dem Golde feil.
Auf, Freund! die Geißel zu erfassen,
Die dort vermodern will.
Seit Juvenal sie fallen lassen,
Liegt sie, Triumph ihr Laster! still.
Geduld! Schon rauscht sie durch die Lüfte,
Blutgierig rauscht sie her!
Verbergt, verbergt die bloße Hüfte!
Ein jeder Schmiß ein gift’ger Schwär!
Erst räche dich, dich Freund der Musen.
Du rächest sie in dir!
Doch dann auch mich, in dessen Busen
Ein Geist sich regt, zu gut für hier.
Vielleicht, daß einst in andern Welten
Wir minder elend sind.
Die Tugend wird doch irgends gelten.
Das Gute kömmt nicht gern geschwind.
V. Der Tod eines Freundes
Hat, neuer Himmelsbürger, sich
Dein geistig Ohr nicht schon des Klagetons entwöhnet,
Und kann ein banges Ach um dich,
Das hier und da ein Freund bei stillen Tränen stöhnet,
Dir unterm jauchzenden Empfangen
Der bessern Freunde hörbar sein,
So sei nicht für die Welt, mit unserm Schmerz zu prangen,
Dies Lied: es sei für dich, für dich allein!
Wann war es, da auch dich noch junge Rosen zierten?
(Doch nein, die Rosen ziertest du!)
Da Freud’ und Unschuld dich, im Tal der Hoffnung, führten
Dem Alter und der Tugend zu?
Gesichert folgten wir: als schnell aus schlauen Hecken,
Der Unerbittliche sich wies,
Und dich, den Besten, uns zu schrecken,
Nicht dich zu strafen, von uns riß.
Wie ein geliebtes Weib vom steilen Ufer blicket
Dem Schiffe nach, das ihre Kron’ entreißt:
Sie steht, ein Marmorbild, zu Stunden unverrücket;
In Augen ist ihr ganzer Geist:
So standen wir betäubt und angeheftet,
Und sannen dir mit starren Sinnen nach,
Bis sich der Schmerz durch Schmerz entkräftet,
Und strömend durch die Augen brach.
Was weinen wir? Gleich einer Weibersage,
Die im Entstehn schon halb vergessen ist,
Flohst du dahin! – Geduld! noch wenig Tage,
Und wenige dazu, so sind wir, was du bist.
Ja, wenn der Himmel uns die Palme leicht erringen,
Die Krone leicht ersiegen läßt,
So werden wir, wie du, das Alter überspringen,
Des Lebens unschmackhaften Rest.
Was wartet unser? – Ach! ein unbelohnter Schweiß,
Im Joch des Amts bei reifen Jahren,
Für andrer Wohl erschöpft, als unbrauchbarer Greis
Hinunter in die Gruft zu fahren.
Doch deiner wartet? – – Nein! was kannst du noch erwarten
Im Schoß der vollen Seligkeit?
Nur wir, auf blindes Glück, als Schiffer ohne Karten,
Durchkreuzen ihn, den faulen Pfuhl der Zeit.
Vielleicht – noch ehe du dein Glücke wirst gewohnen,
Noch ehe du es durchempfunden hast –
Flieht einer von uns nach in die verklärten Zonen,
Für dich ein alter Freund, und dort ein neuer Gast.
Wen wird – verborgner Rat! – die nahe Reise treffen
Aus unsrer jetzt noch frischen Schar?
O Freunde, laßt euch nicht von süßer Hoffnung äffen!
Zum Wachsamsein verbarg Gott die Gefahr.
Komm ihm, wer er auch sei, verklärter Geist, entgegen,
Bis an das Tor der bessern Welt,
Und führ’ ihn schnell, auf dir dann schon bekannten Wegen,
Hin, wo die Huld Gerichte hält.
Wo um der Weisheit Thron der Freundschaft Urbild schwebet,
In seraphinschem Glanze schwebt,
Verknüpft uns einst ein Band, ein Band von ihr gewebet;
Zur ew’gen Dauer fest gewebt!
VI. Der Eintritt des Jahres 1753 in Berlin
Wie zaudernd ungern sich die Jahre trennen mochten,
Die eine Götterhand
Durch Kränze mancher Art, mit Pracht und Scherz durchflochten,
Uns in einander wand!
So träg, als hübe sich ein Adler in die Lüfte,
Den man vom Raube scheucht:
Noch schwebt er drüber her, und witternd fette Düfte,
Entflieht er minder leicht.
Welch langsam Phänomen durchstreicht des Äthers Wogen,
Dort wo Saturn gebeut?
Ist es? Es ists, das Jahr, das reuend uns entflogen,
Es fliegt zur Ewigkeit.
Das reuend uns entflog, Dir Friedrich zuzusehen,
Kein Säkulum zu sein;
Mit Deinem ganzen Ruhm belastet fort zu gehen,
Und sich der Last zu freun.
Noch oft soll manches Jahr so traurig von uns fliegen,
Noch oft, zu unserm Glück.
Vom Himmel bist Du, Herr, zu uns herabgestiegen;
Kehr’ spät! kehr’ spät zurück!
Laß Dich noch lange, Herr, den Namen Vater reizen,
Und den: menschlicher Held!
Dort wird der Himmel zwar nach seiner Zierde geizen;
Doch hier braucht Dich die Welt.
Noch seh’ ich mich für Dich mit raschen Richteraugen
Nach einem Dichter um.
Dort einer! hier und da! Sie taugen viel, und taugen
Doch nichts für Deinen Ruhm.
Ist er nicht etwa schon, und singt noch wenig Ohren,
Weil er die Kräfte wiegt:
So werd’ er dieses Jahr, der seltne Geist, geboren,
Der diesen Kranz erfliegt.
Wenn er der Mutter dann sich leicht vom Herzen windet,
O Muse, lach’ ihn an!
Damit er Feur und Witz dem Edelmut verbindet,
Poet und Biedermann.
Hört! oder täuschen mich beliebte Rasereien?
Nein, nein, ich hör’ ihn schon.
Der Heere ziehend Lärm sind seine Melodeien,
Und Friedrich jeder Ton!
VII. Der 24ste Jänner in Berlin
Welch leichter Morgentraum ließ, auf den heil’gen Höhen,
Der Musen Fest um Friedrichs Bild
Mich bei Aurorens Glanz mit frommem Schauer sehen,
Der noch, der noch die Seele füllt.
Ein Traum? nein, nein, kein Traum. Ich sah mit wachem Sinne,
Die Musen tanzten darum her.
Wach ward ich nah dabei Cäsars und Solons inne,
Doch keinen, daß er neidisch wär’.
Ein süßer Silberton durchzitterte die Lüfte,
Bis in des Ohres krummen Gang;
Die Blumen brachen auf, und streuten Balsamdüfte;
Der Berg lag lauschend; Klio sang:
»Heil dir! festlicher Tag, der unsern Freund geboren.
Ein König, Schwestern, unser Freund!
Heil dir! uns neues Reich, zum Schauplatz ihm erkoren,
Dem frommen Krieger, niemands Feind.
Laßt freudig um sein Bild, voll Majestät in Blicken,
Der Tänze Hieroglyphen ziehn!
Einst, Schwestern, tanzen wir, mit trunkenerm Entzücken,
Einst, freut euch, tanzen wir um ihn!«
Einst tanzen wir um ihn? Prophetin banger Schrecken!
Nie werde dieses Wort erfüllt!
Nie mög’ ein Morgenrot zu diesem Glück euch wecken!
Tanzt, Musen, ewig um sein Bild!
VIII. An seinen Bruder
Auch dich hat, da du wardst geboren,
Die Muse lächelnd angeblickt;
Auch du hast dich dem Schwarm der Toren
Auf jungen Flügeln kühn entrückt!
Ihm nach, dem Liebling des Mäcenen!
Ihm nach, sein Name sporne dich!
Er lehrte dich, das Laster höhnen;
Er mache dich ihm fürchterlich!
O! schnitten wir mit gleichem Fluge
Die Lüfte durch zur Ewigkeit!
O! schilderte mit Einem Zuge
Zwei Brüder einst die Richterzeit!
»Die zwei, so soll die Nachwelt sprechen,
Betaumelte kein Modewahn,
Die Sprache schön zu radebrechen,
Zu stolz für eine Nebenbahn.«
Betritt der Alten sichre Wege!
Ein Feiger nur geht davon ab.
Er suchet blumenreichre Stege,
Und findet seines Ruhmes Grab.
Doch lerne früh das Lob entbehren,
Das hier die Scheelsucht vorenthält.
Gnug, wann versetzt in höhre Sphären,
Ein Nachkomm uns ins Helle stellt!
IX. Der Eintritt des Jahres 1754 in Berlin
Wem tönt dies kühnre Lied? dies Lied, zu wessen Lobe,
Hört es noch manche späte Welt?
Hier steh’ ich, sinne nach, und glüh’ und stampf’ und tobe,
Und suche meiner Hymnen Held.
Wer wird es sein? Vielleicht im blut’gen Panzerkleide
Des Krieges fürchterlicher Gott?
Um ihn tönt durch das Feld gedungner Krieger Freude,
Und der Erwürgten lauter Tod.
Wie, oder ists vielmehr in fabellosen Zeiten
Ein neuer göttlicher Apoll,
Der, schwer entbehrt, mit schnell zurückberufnen Saiten
Den Himmel wieder füllen soll?
Wo nicht, so werde der der Vorwurf meiner Lieder,
Der sich als Themis Rächer wies,
Und dessen frommes Schwert der gift’gen Zanksucht Hyder
Nur drei von tausend Köpfen ließ.
Doch ihn, Apoll und Mars, in Friedrichen vereinet,
Vereine, mein Gesang, auch du!
Wann einst ein junger Held bei seinem Grabe weinet,
So zähl’ ihm seine Taten zu!
Fang an von jenem Tag’ – Doch, welch ein neues Feuer
Reißt mich vom niedern Staub’ empor?
Auch Könige sind Staub! Seid ihnen treu; dem treuer,
Der sie zu besserm Staub’ erkor.
Wer wird, voll seines Geists, mir seinen Namen melden?
Sein Nam’ ist ihm allein bewußt.
Er ist der Fürsten Fürst, er ist der Held der Helden;
Er füllt die Welt und meine Brust.
Er rief sie aus des Nichts nur ihm folgsamen Schlunde;
Er ruft sie noch, daß sie besteht.
Sie bebt, sie wankt, so oft ein Hauch aus seinem Munde
Den Fluch in ihre Sphären weht.
O dreimal Schrecklicher! – – doch voller Quell des Guten,
Du bist der Schreckliche nicht gern.
Den weiten Orient zerfleischen deine Ruten;
Uns, Vater, zeigst du sie von fern.
Wie, daß des Undanks Frost die trägen Lippen bindet,
Volk, dem er Heil, wie Flocken, gibt!
Ihm dank’ es, wenn ein Jahr in süßer Ruh verschwindet;
Ihm dank’ es, daß dich Fried’rich liebt.
Sinngedichte
[Ausgabe 1771]
1. Band der »Vermischten Schriften«, Berlin (Voss) 1771.
sinngedichte
1. Die Sinngedichte an den Leser
3. Auf den neuern Teil dieser Sinngedichte
15. Die Ewigkeit gewisser Gedichte
16. Auf das Jungfernstift zu **
22. An das Bild der Gerechtigkeit, in dem Hause eines Wucherers, nebst der Antwort
23. Auf einen adeligen Dummkopf
24. An eine würdige Privatperson
28. Im Namen eines gewissen Poeten, dem der König von Preußen eine goldene Dose schenkte
29. Auf den falschen Ruf von Nigrinens Tode
56. Grabschrift auf ebendenselben
59. Auf eine Liebhaberin des Trauerspiels
60. Auf ein Schlachtstück von Hugtenburg
67. Grabschrift eines Unglücklichen, welcher zuletzt in einem Schiffbruche umkam
69. Auf eine Bildsäule des Amor
76. Entschuldigung wegen unterlassenen Besuchs
91. Auf einen gewissen Dichter
97. Auf die schöne Tochter eines schlechten Poeten
105. Auf einen gewissen Leichenredner
110. Der spielsüchtige Deutsche
111. Das Pferd Friedrich Wilhelms auf der Brücke zu Berlin
113. Eine Gesundheit auf die Gesundheiten
114. Auf einen unnützen Bedienten
116. Themis über ihr Bildnis in dem Hause eines Richters
119. Auf die Genesung einer Buhlerin
120. An zwei liebenswürdige Schwestern
124. An ein Paar arme verwaisete Mädchen
132. Die Vorspiele der Versöhnung
138. Grabschrift der Tochter eines Freundes, die vor der Taufe starb
140. Auf den einäugigen Spieler Pfiff
1. Die Sinngedichte an den Leser
Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? – Nein.
Wir wollen weniger erhoben,
Und fleißiger gelesen sein.
2. Ebendieselben
Wir möchten gern dem Kritikus gefallen:
Nur nicht dem Kritikus vor allen.
Warum? Dem Kritikus vor allen
Wird auch kein Sinngedicht gefallen.
3. Auf den neuern Teil dieser Sinngedichte
Ins zweimal neunte Jahr, mit stummer Ungeduld,
Bewahrt’, auf Besserung, sie mein verschwiegnes Pult.
Was sie nun besser sind, das läßt sich leicht ermessen:
Mein Pult bewahrte sie; ich hatte sie vergessen.
4. Der Stachelreim
Erast, der gern so neu als eigentümlich spricht,
Nennt einen Stachelreim sein leidig Sinngedicht.
Die Reime hör’ ich wohl; den Stachel fühl’ ich nicht.
5. Nikander
Nikandern glückte jüngst ein trefflich Epigramm,
So fein, so scharf, als je von Kästnern eines kam.
Nun schwitzt er Tag und Nacht, ein zweites auszuhecken.
Vergebens; was er macht, verdirbt.
So sticht ein Bienchen uns, und läßt den Stachel stecken,
Und martert sich, und stirbt.
6. An den Marull
Groß willst du, und auch artig sein?
Marull, was artig ist, ist klein.
7. Merkur und Amor
Merkur und Amor zogen
Auf Abenteuer durch das Land.
Einst wünscht sich jener Pfeil und Bogen;
Und gibt für Amors Pfeil und Bogen
Ihm seinen vollen Beutel Pfand.
Mit so vertauschten Waffen zogen,
Und ziehn noch, beide durch das Land.
Wenn jener Wucher sucht mit Pfeil und Bogen,
Entzündet dieser Herzen durch das Pfand.
8. Thrax und Stax
Stax. Thrax! eine taube Frau zu nehmen!
O Thrax, das nenn’ ich dumm.
Thrax. Ja freilich, Stax! ich muß mich schämen.
Doch sieh, ich hielt sie auch für stumm.
9. Der geizige Dichter
Du fragst, warum Semir ein reicher Geizhals ist?
Semir, der Dichter? er, den Welt und Nachwelt liest?
Weil, nach des Schicksals ew’gem Schluß,
Ein jeder Dichter darben muß.
10. Auf Lucinden
Sie hat viel Welt, die muntere Lucinde.
Durch nichts wird sie mehr rot gemacht.
Zweideutigkeit und Schmutz und Schand’ und Sünde,
Sprecht was ihr wollt: sie winkt euch zu, und lacht.
Erröte wenigstens, Lucinde,
Daß nichts dich mehr erröten macht!
11. Auf die Europa
Als Zeus Europen lieb gewann,
Nahm er, die Schöne zu besiegen,
Verschiedene Gestalten an,
Verschieden ihr verschiedlich anzuliegen.
Als Gott zuerst erschien er ihr;
Dann als ein Mann, und endlich als ein Tier.
Umsonst legt er, als Gott, den Himmel ihr zu Füßen:
Stolz fliehet sie vor seinen Küssen.
Umsonst fleht er, als Mann, in schmeichelhaftem Ton:
Verachtung war der Liebe Lohn.
Zuletzt – mein schön Geschlecht, gesagt zu deinen Ehren! –
Ließ sie – von wem? – vom Bullen sich betören.
12. Pompils Landgut
Auf diesem Gute läßt Pompil
Nun seine sechste Frau begraben.
Wem trug jemals ein Gut so viel?
Wer möchte so ein Gut nicht haben?
13. Widerruf des Vorigen
Ich möchte so ein Gut nicht haben.
Denn sollt’ ich auch die sechste drauf begraben:
Könnt’ ich doch leicht – nicht wahr, Pompil? –
Sechs gute Tage nur erlebet haben.
14. An die Herren X und Y
Welch Feuer muß in eurem Busen lodern!
Ihr habt den Mut, euch kühn herauszufodern.
Doch eure Klugheit hält dem Mute das Gewicht:
Ihr fodert euch, und stellt euch nicht.
15. Die Ewigkeit gewisser Gedichte
Verse, wie sie Bassus schreibt,
Werden unvergänglich bleiben: –
Weil dergleichen Zeug zu schreiben,
Stets ein Stümper übrig bleibt.
16. Auf das Jungfernstift zu **
Denkt, wie gesund die Luft, wie rein
Sie um dies Jungfernstift muß sein!
Seit Menschen sich besinnen,
Starb keine Jungfer drinnen.
17. An den Doktor Sp**
Dein Söhnchen läßt dich nie den Namen Vater hören:
Herr Doktor ruft es dich. Ich dankte dieser Ehren! –
Die Mutter wollt’ es wohl so früh nicht lügen lehren?
18. Auf den Mnemon
Ist Mnemon nicht ein seltner Mann!
Wie weit er sich zurück erinnern kann!
Bis an die ersten Kinderpossen:
Wie viel er Vögel abgeschossen,
Wie manches Mädchen er begossen;
Bis an das Gängelband, bis an die Ammenbrust,
Ist, was er litt und tat, ihm alles noch bewußt.
Zwar alles glaub’ ich nicht; ich glaub’ indessen,
Die Zeit ist ihm noch unvergessen,
Als seine Mutter Dorilis
Noch nicht nach seinem Vater hieß.
19. Baus Gast
So oft Kodyll mich sieht zu Baven schmausen gehen,
Beneidet mich Kodyll. Der Tor!
Das Mahl bei Baven kömmt mir teuer gnug zu stehen:
Er liest mir seine Verse vor.
20. Auf den Rufus
Weiß ichs, was Rufus mag so viel Gelehrten schreiben?
Dies weiß ich, daß sie ihm die Antwort schuldig bleiben.
21. Auf Dorinden
Ist nicht Dorinde von Gesicht
Ein Engel? – Ohne Zweifel. –
Allein ihr plumper Fuß? – Der hindert nicht.
Sie ist ein Engel von Gesicht,
Von Huf ein Teufel.
22. An das Bild der Gerechtigkeit, in dem Hause eines Wucherers, nebst der Antwort
Gerechtigkeit! wie kömmst du hier zu stehen?
Hat dich dein Hausherr schon gesehen?
»Wie meinst du, Fremder, diese Frage?
Er sieht und übersieht mich alle Tage.«
23. Auf einen adeligen Dummkopf
Das nenn’ ich einen Edelmann!
Sein Ur-Ur-Ur-Ur-Älterahn
War älter Einen Tag, als unser aller Ahn.
24. An eine würdige Privatperson
Gibt einst der Leichenstein von dem, was du gewesen,
Dem Enkel, der dich schätzt, so viel er braucht, zu lesen,
So sei die Summe dies: »Er lebte schlecht und recht,
Ohn’ Amt und Gnadengeld, und niemands Herr noch Knecht.«
25. Auf die Iris
Der Iris blühend volle Brust
Reizt uns, o D*, zu welcher Lust!
Doch ihr erbärmliches Gesichte,
O D*, macht Reiz und Lust zu nichte.
Sieh, Freund, so liegen Frost und Flammen,
Und Gift und Gegengift beisammen.
26. Auf Frau Trix
Frau Trix besucht sehr oft den jungen Doktor Klette.
Argwohnet nichts! Ihr Mann liegt wirklich krank zu Bette.
27. Auf Lukrins Grab
Welch tötender Gestank hier, wo Lukrin begraben,
Der unbarmherz’ge Filz! – Ich glaube gar, sie haben
Des Wuchrers Seele mit begraben.
28. Im Namen eines gewissen Poeten, dem der König von Preußen eine goldene Dose schenkte
Die goldne Dose, – denkt nur! denkt! –
Die König Friedrich mir geschenkt,
Die war – was das bedeuten muß? –
Statt voll Dukaten, voll Helleborus.
29. Auf den falschen Ruf von Nigrinens Tode
Es sagte, sonder alle Gnade,
Die ganze Stadt Nigrinen tot.
Was tat die Stadt in dieser Not?
Ein Zehnteil von der Stadt sprach: Schade!
Doch als man nach und nach erfuhr, daß das Geschrei
Ein bloßes blindes Lärmen sei:
So holten, was zuvor das eine Zehnteil sprach,
Die andern neune nach.
30. Auf den Gargil
Mit richtrisch scharfem Kiel durchackert seine Lieder
Gargil. Ins neunte Jahr schreibt, löscht und schreibt er wieder.
Sein Lied ist Lieb’ und Wein. Kann man es ihm verdenken,
Daß er der Nachwelt will vollkommne Possen schenken?
31. Die Flucht
»Ich flieh, um öfter noch zu streiten!«
Rief Fix, der Kern von tapfern Leuten.
Das hieß: (so übersetz’ ich ihn)
Ich flieh, um öfter noch zu fliehn.
32. Die Wohltaten
Wär’ auch ein böser Mensch gleich einer lecken Bütte,
Die keine Wohltat hält: dem ungeachtet schütte –
Sind beides, Bütt’ und Mensch nicht allzu morsch und alt, –
Nur deine Wohltat ein. Wie leicht verquillt ein Spalt!
33. An einen Geizigen
Ich dich beneiden? – Tor! Erspar’, ererb’, erwirb,
Hab’ alles! – Brauche nichts, laß alles hier, und stirb!
34. Hinz und Kunz
Hinz. Was doch die Großen alles essen!
Gar Vogelnester; eins, zehn Taler wert.
Kunz. Was? Nester? Hab’ ich doch gehört,
Daß manche Land und Leute fressen.
Hinz. Kann sein! kann sein, Gevattersmann!
Bei Nestern fingen die denn an.
35. Auf eine lange Nase
O aller Nasen Nas’! Ich wollte schwören,
Das Ohr kann sie nicht schnauben hören.
36. Auf Stipsen
Stips ist, trotz einem Edelmann,
Ein Dummkopf und ein braver Degen;
Borgt, wie ein frecher Edelmann;
Zahlt, wie ein Edelmann, mit Schlägen;
Verprasset sein und anderer Vermögen,
Wie ein geborner Edelmann:
Und doch – wer kann dergleichen Torheit fassen? –
Will Stips sich noch erst adeln lassen.
37. Auf den Sanktulus
Dem Alter nah, und schwach an Kräften,
Entschlägt sich Sanktulus der Welt
Und allen weltlichen Geschäften,
Von denen keins ihm mehr gefällt.
Die kleine trübe Neige Leben
Ist er in seinem Gott gemeint,
Der geistlichen Beschauung zu ergeben;
Ist weder Vater mehr, noch Bürger mehr, noch Freund.
Zwar sagt man, daß ein trauter Knecht
Des Abends durch die Hintertüre
Manch hübsches Mädchen zu ihm führe.
Doch, böse Welt, wie ungerecht!
Ihm so was übel auszulegen!
Auch das geschieht bloß der Beschauung wegen.
38. An Grillen
Sei kürzer! sprichst du, Grill. Schweig, Grill! du bist nicht klug.
Ist das dir kurz genug?
39. An den Salomon
Hochweiser Salomon! dein Spruch,
»Daß unter Tausenden kein gutes Weib zu finden«,
Gehört – gerad’ heraus – zu deinen Zungensünden;
Und jeder Fluch ist minder Fluch,
Als dieser schöne Sittenspruch.
Wer sie bei Tausenden will auf die Probe nehmen,
Wie du getan, hochweiser Mann,
Muß sich bei Tausenden der Probe freilich schämen,
Wird drüber wild, und lästert dann.
40. Auf ebendenselben
Daß unter Tausenden ein weiser Mann
Kein gutes Weibchen finden kann:
Das wundert mich recht sehr.
Doch wundert mich noch mehr,
Daß, unter Tausenden, ein weiser Mann
Nicht Eine gut sich machen kann.
41. Das böse Weib
Ein einzig böses Weib lebt höchstens in der Welt:
Nur schlimm, daß jeder seins für dieses einz’ge hält.
42. An den Aemil
Mit Unrecht klagest du, treuherziger Aemil,
Daß man so selten nur auf deine Worte bauen,
Mit Gleichem Gleiches dir gar nicht vergelten will:
Wer allen alles traut, dem kann man wenig trauen.
43. Trux an den Sabin
Ich hasse dich, Sabin; doch weiß ich nicht weswegen:
Genug, ich hasse dich. Am Grund’ ist nichts gelegen.
44. Antwort des Sabin
Haß’ mich, so viel du willst! doch wüßt’ ich gern, weswegen:
Denn nicht an deinem Haß, am Grund’ ist mir gelegen.
45. An einen Lügner
Du magst so oft, so fein, als dir nur möglich, lügen:
Mich sollst du dennoch nicht betriegen.
Ein einzigmal nur hast du mich betrogen:
Das kam daher, du hattest nicht gelogen.
46. Auf Trill und Troll
Ob Trill mehr, oder Troll mehr zu beneiden ist,
Trill, der Dorindens Bild, Troll, der Dorinden küßt:
Das möcht’ ich wohl entschieden wissen, –
Da beide sie gemalt nur küssen.
47. Entscheidung des Vorigen
Ich denke, Trill ist noch am besten dran:
Weil ihn das Bild nicht wieder küssen kann.
48. An die **
Du fragst: Wer gibt für meinen Sohn
Mir einen Namen an?
Für deinen Sohn, und wessen Sohn? –
Du schweigest? – Nenn’ ihn Pan.
49. Auf Alandern
Alander, hör’ ich, ist auf mich gewaltig wild;
Er spöttelt, lästert, lügt und schilt.
Kennt mich der gute Mann? – Er kennt mich nicht, ich wette.
Doch was? als ob nicht auch sein Bruder an der Kette
Auf die am heftigsten, die er nicht kennet, billt.
50. Auf einen Brand zu **
Ein Hurenhaus geriet um Mitternacht in Brand.
Schnell sprang, zum Löschen oder Retten,
Ein Dutzend Mönche von den Betten.
Wo waren die? Sie waren – – bei der Hand.
Ein Hurenhaus geriet in Brand.
51. An Einen
Du schmähst mich hinterrücks? das soll mich wenig kränken.
Du lobst mich ins Gesicht? das will ich dir gedenken!
52. Grabschrift des Nitulus
Hier modert Nitulus, jungfräulichen Gesichts,
Der durch den Tod gewann: er wurde Staub aus Nichts.
53. Auf den Kodyll
Der kindische Kodyll wird keiner Steigrung satt,
Läßt keinen Krämer laufen,
Kauft alles, was er sieht: um alles, was er hat,
Bald wieder zu verkaufen.
54. An den Pompil
Ich halte Spielen zwar für keine Sünde:
Doch spiel’ ich eher nicht, Pompil,
Als bis ich keinen finde,
Der mir umsonst Gesellschaft leisten will.
55. Auf den Tod eines Affen
Hier liegt er nun, der kleine, liebe Pavian,
Der uns so manches nachgetan!
Ich wette, was er itzt getan,
Tun wir ihm alle nach, dem lieben Pavian.
56. Grabschrift auf ebendenselben
Hier faulet Mimulus, ein Affe.
Und leider! leider! welch ein Affe!
So zahm, als in der Welt kein Affe;
So rein, als in der Welt kein Affe;
So keusch, als in der Welt kein Affe;
So ernst, als in der Welt kein Affe;
So ohne Falsch. O welch ein Affe!
Damit ichs kurz zusammen raffe:
Ein ganz originaler Affe.
57. Auf die Phasis
Von weitem schon gefiel mir Phasis sehr:
Nun ich sie in der Nähe
Von Zeit zu Zeiten sehe,
Gefällt sie mir – auch nicht von weitem mehr.
58. Auf Nickel Fein
In Jahresfrist, verschwor sich Nickel Fein,
Ein reicher, reicher Mann zu sein.
Auch wär’ es, traun! nach seinem Schwur gegangen,
Hätt’ man ihn nicht vor Jahresfrist gehangen.
59. Auf eine Liebhaberin des Trauerspiels
Ich höre, Freund, dein ernstes, schönes Kind
Will sich des Lachens ganz entwöhnen,
Kömmt in den Schauplatz nur, wenn süße Tränen
Da zu vergießen sind. –
Wie? fehlt es ihr bereits an schönen Zähnen?
60. Auf ein Schlachtstück von Hugtenburg
Furchtbare Täuscherei! Bramarbas stand vor ihr,
Ward blaß, und zitterte, und fiel, und rief: Quartier!
61. Auf den Hablador
Habladors Mund, Utin, ist dir ein Mund zum Küssen?
Wie er spricht, spricht dir niemand nicht? –
Wie sollte so ein Mann auch nicht zu sprechen wissen?
Er tut ja nichts, als daß er spricht.
62. Auf den Mison
Ich warf dem Mison vor, daß ihn so viele hassen.
Je nun! wen lieb’ ich denn? sprach Mison ganz gelassen.
63. Der reiche Freier
Ein Bettler ging auf Freiersfüßen,
Und sprach zu einer Magd, die er nach Wunsche fand:
Nimm mich! Sie fragt: worauf? »Auf diese dürre Hand:
Die soll uns wohl ernähren müssen!«
Die Magd besann sich kurz, und gab ihm ihre Hand.
64. Auf den Rufinus
Rufinus endet nichts, er fängt nur alles an.
Ob alles? Lesbia, sprich doch! du kennst den Mann.
65. Hänschen Schlau
»Es ist doch sonderbar bestellt«,
Sprach Hänschen Schlau zu Vetter Fritzen,
»Daß nur die Reichen in der Welt
Das meiste Geld besitzen.«
66. An die Dorilis
Dein Hündchen, Dorilis, ist zärtlich, tändelnd, rein:
Daß du es also leckst, soll das mich wundern? nein!
Allein dein Hündchen lecket dich:
Und dieses wundert mich.
67. Grabschrift eines Unglücklichen, welcher zuletzt in einem Schiffbruche umkam
Hier warfen mich die Wellen an das Land.
Hier grub mich tot, mit frommer Hand,
Ein Fischer in den leichten Sand.
Dein Mitleid, Leser, ist bei mir nicht angewandt!
Im Sturme scheitern und ersaufen,
Hieß mir Unglücklichem, mit Sturm in Hafen laufen.
68. An einen schlechten Maler
Ich saß dir lang’ und oft: warum denn, Meister Steffen?
Ich glaube fast, mich nicht von ungefähr zu treffen.
69. Auf eine Bildsäule des Amor
Hier blieb, als Amor, sich noch mächtiger zu sehen,
Eleonora ward, sein Körper geistlos stehen.
70. Auf ebendieselbe
So lieb euch, Kinder, Ruh und Glück:
Zurück von ihm, dem Schalke! weit zurück! –
(Ich hätte viel für diesen Rat gegeben!)
Er stellt sich so nur ohne Leben.
71. Auf ebendieselbe
Kommt diesem Amor nicht zu nah,
Und stört ihn nicht in seinem Staunen!
Noch steht er so, in Einem süßen Staunen,
Seit er Philinden sah.
72. Auf ebendieselbe
Die Unschuld naht sich ihm, und bebt:
Sie fühlt, sie fühlt es, daß er lebt.
73. Auf ebendieselbe
O Chloe, halte deinen Blick
Von diesem Schalke ja zurück!
Gesetzt, er wär’ auch ohne Leben:
Was er nicht hat, das kann dein Blick ihm geben.
74. Auf den Fabull
Fabull verschließet alle Kisten
Vor Freunden, Dienern, Weib und Kind,
Damit sich niemand läßt gelüsten
Zu sehen, daß sie ledig sind.
75. Auf den trägen Y
Mit dir und über dich zu lachen,
Soll ich ein Sinngedichte machen?
Gut! daß du ohne Müh kannst lachen,
So will ichs sonder Einfall machen.
76. Entschuldigung wegen unterlassenen Besuchs
So wahr ich lebe, Freund, ich wollte ganze Tage
Und ganze Nächte bei dir sein:
Um mich mit dir die ganzen Tage,
Die ganzen Nächte zu erfreun.
Doch tausend Schritte sinds, die unsre Wohnung trennen;
Und hundert wohl noch oben drein.
Und wollt’ ich sie auch gern, die tausend Schritte, rennen,
Und jene hundert oben drein:
So weiß ich doch, daß ich am Ende
Des langen Wegs, dich zwanzigmal nicht fände.
Denn öfters bist du nicht zu Hause,
Und manchmal bist du’s nicht für mich:
Wenn nach dem langen Zirkelschmause
Der kleinste Gast dir hinderlich.
Ich wollte, wie gesagt, gern tausend Schritte rennen,
Dich, liebster Freund, dich sehn zu können:
Doch, allzu weiter Freund, dich nicht zu sehn,
Verdreußt michs, Einen nur zu gehn.
77. An den Paul
Es scheinet, daß du, Paul, der einz’ge Trunkne bist:
Denn du willst nüchtern sein, wo keiner nüchtern ist.
78. Velt und Polt
Zum Henker! fluchte Polt zu Velten,
Mußt du mich einen Lügner schelten?
Zum Henker! fluchte Velt zu Polten,
Ich einen Lügner dich gescholten?
Das leugst du, Polt, in deinen Hals,
Das leugst du, als ein Schelm, und als – – –
Ha! das hieß Gott dich sprechen, Velten!
Denn Lügner laß ich mich nicht schelten.
79. Der kranke Stax
»Komm’ ich vom Lager auf, und gibt Gott Fried’ im Staat«,
Gelobt der kranke Stax, »so werd’ ich ein Soldat.«
80. Die blaue Hand
Ein Richter war, der sah nicht wohl:
Ein Färber kömmt, der schwören soll.
Der Färber hebt die blaue Hand;
Da ruft der Richter: Unverstand!
Wer schwört im Handschuh? Handschuh aus!
Nein! ruft der Färber; Brill’ heraus!
81. Der Schuster Franz
Es hat der Schuster Franz zum Dichter sich entzückt.
Was er als Schuster tat, das tut er noch: er flickt.
82. Das Mädchen
Zum Mädchen wünscht’ ich mir – und wollt’ es, ha! recht lieben –
Ein junges, nettes, tolles Ding,
Leicht zu erfreun, schwer zu betrüben,
Am Wuchse schlank, im Gange flink,
Von Aug’ ein Falk,
Von Mien’ ein Schalk;
Das fleißig, fleißig liest:
Weil alles, was es liest,
Sein einzig Buch – der Spiegel ist;
Das immer gaukelt, immer spricht,
Und spricht und spricht von tausend Sachen,
Versteht es gleich das Zehnte nicht
Von allen diesen tausend Sachen:
Genug, es spricht mit Lachen,
Und kann sehr reizend lachen.
Solch Mädchen wünscht’ ich mir! – Du, Freund, magst deine Zeit
Nur immerhin bei schöner Sittsamkeit,
Nicht ohne seraphin’sche Tränen,
Bei Tugend und Verstand vergähnen.
Solch einen Engel
Ohn’ alle Mängel
Zum Mädchen haben:
Das hieß’ ein Mädchen haben? –
Heißt eingesegnet sein, und Weib und Hausstand haben.
83. Auf den Fell
Als Fell, der Geiferer, auf dumpfes Heu sich streckte,
Stach ihn ein Skorpion. Was meint ihr, daß geschah!
Fell starb am Stich? – Ei ja doch, ja!
Der Skorpion verreckte.
84. An den Herrn D*
Dein Epigramm, o D*, ist fein!
Es hat mich trefflich durchgezogen;
Und ist, vollkommen schön zu sein,
Erstunken und erlogen.
85. An einen geizigen Vater
Verlangt dein Kind ein Freier,
Der wenig nach der Mitgift fragt;
So denke, was das Sprichwort sagt:
Sehr wohlfeil ist sehr teuer.
86. Auf den Kauz
Wer sagt, daß Meister Kauz Satiren auf mich schreibt?
Wer nennt geschrieben das, was ungelesen bleibt?
87. Auf den Lupan
Des beißigen Lupans Befinden wollt ihr wissen?
Der beißige Lupan hat jüngst ins Gras gebissen.
88. An den Leser
Du dem kein Epigramm gefällt,
Es sei denn lang und reich und schwer:
Wo sahst du, daß man einen Speer,
Statt eines Pfeils, vom Bogen schnellt?
89. An den Herrn von Dampf
Dein Diener, Herr von Dampf, ruft: Platz da! vor dir her.
Wenn ich an deiner Stelle wär’,
Den Diener wollt’ ich besser brauchen:
Du kannst dir freien Weg ja durchs Gedränge – hauchen.
90. An ebendenselben
Dem hast du nur die Hand, und dem den Kuß beschieden.
Ich, gnädger Herr von Dampf! bin mit der Hand zufrieden.
91. Auf einen gewissen Dichter
Ihn singen so viel mäß’ge Dichter,
Ihn preisen so viel dunkle Richter,
Ihn ahmt so mancher Stümper nach,
Ihm nicht zum Ruhm, und sich zur Schmach.
Freund, dir die Wahrheit zu gestehen,
Ich bin zu dumm es einzusehen,
Wie sich für wahr Verdienst ein solcher Beifall schicket.
Doch so viel seh’ ich ein,
Das Singen, das den Frosch im tiefen Schlamm entzücket,
Das Singen muß ein Quaken sein.
92. An den Wesp
Nur Neues liebest du? nur Neues willst du machen?
Du bist, mein guter Wesp, sehr neu in allen Sachen.
93. An den Trill
Bald willst du, Trill, und bald willst du dich nicht beweiben:
Bald dünkt dichs gut, bald nicht, ein Hagestolz zu bleiben.
Ich soll dir raten? Wohl! Tu, was dein Vater tat:
Bleib frei; heirate nicht! – Da hast du meinen Rat.
94. An ebendenselben
Du nennest meinen Rat ein schales Sinngedicht?
Trill, einen andern Rat bekömmst du wahrlich nicht.
Zum Hängen und zum Freien
Muß niemand Rat verleihen.
95. An die Fuska
Sei nicht mit deinem roten Haar
So äußerst, Fuska, unzufrieden!
Ward dir nicht schönes braunes Haar,
So ward dir braune Haut beschieden.
96. Auf den Tod des D. Mead
Als Mead am Styx erschien, rief Pluto voller Schrecken:
Weh mir! nun kömmt er gar, die Toten zu erwecken.
97. Auf die schöne Tochter eines schlechten Poeten
Der Vater reimt und suchet allen,
Nicht wenig Kennern, zu gefallen.
Die Tochter buhlt: o! straft sie nicht!
Das gute Kind will allen,
Wie ihres Vaters Reim, gefallen.
98. Auf ebendieselbe
Dein braunes Mädchen, Freund, ist schön:
Das muß ihr auch der Neid gestehn.
So schön, daß man es ganz vergißt,
Daß sie ein wenig buhlrisch ist;
So schön, daß man es gar vergißt,
Daß ihr Papa ein Reimschmied ist.
99. Auf den Sextus
Die, der Ein Auge fehlt, die will sich Sextus wählen?
Ein Auge fehlet ihr, ihm müssen beide fehlen.
100. Kunz und Hinz
Kunz. Hinz, weißt du, wer das Pulver hat erfunden?
Der leid’ge böse Geist.
Hinz. Wer hat dir, Kunz, das aufgebunden?
Ein Pfaffe wars, der Berthold heißt.
Kunz. Sei drum! so ward mir doch nichts aufgebunden.
Denn sieh! Pfaff’ oder böser Geist
Ist Maus wie Mutter, wie mans heißt.
101. Auf den Bav
Ein schlechter Dichter Bav? ein schlechter Dichter? nein!
Denn der muß wenigstens ein guter Reimer sein.
102. Auf Dorinden
Sagt nicht, die ihr Dorinden kennt,
Daß sie aus Eitelkeit nur in die Kirchen rennt;
Daß sie nicht betet, und nicht höret,
Und andre nur im Beten störet.
Sie bat, (mein eignes Ohr ist Zeuge;
Denn ihre Schönheit geht allmählig auf die Neige)
Sie bat mit ernstlichen Gebärden:
»Laß unser Angesicht, Herr, nicht zu Schanden werden!«
103. Auf die Galathee
Die gute Galathee! Man sagt, sie schwärz’ ihr Haar;
Da doch ihr Haar schon schwarz, als sie es kaufte, war.
104. Auf die Hütte des Irus
Vorbei verwegner Dieb! denn unter diesem Dache,
In jedem Winkel hier, hält Armut treue Wache.
105. Auf einen gewissen Leichenredner
O Redner! dein Gesicht zieht jämmerliche Falten,
Indem dein Maul erbärmlich spricht.
Eh du mir sollst die Leichenrede halten,
Wahrhaftig, lieber sterb’ ich nicht!
106. Das schlimmste Tier
Wie heißt das schlimmste Tier mit Namen?
So fragt’ ein König einen weisen Mann.
Der Weise sprach: von wilden heißts Tyrann,
Und Schmeichler von den zahmen.
107. Auf die Magdalis
Die alte reiche Magdalis
Wünscht mich zum Manne, wie ich höre.
Reich wäre sie genug, das ist gewiß;
Allein so alt! – Ja, wenn sie älter wäre!
108. Auf Lorchen
Lorchen heißt noch eine Jungfer. Wisset, die ihrs noch nicht wißt:
So heißt Lucifer ein Engel, ob er gleich gefallen ist.
109. Klimps
Der alte fromme Klimps, bei jedem Bissen Brot,
Den er genoß, sprach: Segne Gott!
Den schönen Spruch nicht halb zu lassen, sprach
Und stirb! sein frommes Weib mit Hiobs Weib’ ihm nach.
110. Der spielsüchtige Deutsche
So äußerst war, nach Tacitus Bericht,
Der alte Deutsch’ aufs Spiel erpicht,
Daß, wenn er ins Verlieren kam,
Er endlich keinen Anstand nahm,
Den letzten Schatz von allen Schätzen,
Sich selber, auf das Spiel zu setzen.
Wie unbegreiflich rasch! wie wild!
Ob dieses noch vom Deutschen gilt?
Vom deutschen Manne schwerlich. – Doch,
Vom deutschen Weibe gilt es noch.
111. Das Pferd Friedrich Wilhelms auf der Brücke zu Berlin
Ihr bleibet vor Verwundrung stehn,
Und zweifelt doch an meinem Leben?
Laßt meinen Reiter mir die Ferse geben:
So sollt ihr sehn!
112. Auf die feige Mumma
Wie kömmts, daß Mumma vor Gespenstern flieht,
Sie, die doch täglich eins im Spiegel sieht?
113. Eine Gesundheit auf die Gesundheiten
Weg, weg mit Wünschen, Reimen, Schwänken!
Trinkt fleißig, aber trinket still!
Wer wird an die Gesundheit denken,
Wenn man die Gläser leeren will?
114. Auf einen unnützen Bedienten
Im Essen bist du schnell, im Gehen bist du faul.
Iß mit den Füßen, Freund, und nimm zum Gehn das Maul.
115. Der Schwur
Ich schwöre Lalagen, daß sonder ihre Küsse,
Kein königliches Glück mein Leben mir versüße.
Dies schwör’ ich ihr im Ernst, wofern sie sich ergibt;
Und schwör’ es ihr im Scherz, wofern sie mich nicht liebt.
116. Themis über ihr Bildnis in dem Hause eines Richters
Womit, o Zeus, hab’ ich den Schimpf verschuldet,
Daß man mein Bild in diesem Hause duldet?
117. Der Furchtsame
Kaum seh’ ich den Donner die Himmel umziehen,
So flieh’ ich zum Keller hinein.
Was meint ihr? ich suchte den Donner zu fliehen?
Ihr irrt euch; ich suche den Wein.
118. An den Herrn V.
Du ladest zwanzig Schmauser ein,
Wovon ich keinen kenn’; und dann mich oben drein.
Doch zürnst du, und erstaunst, warum ich nicht erscheine?
Ich schmause, Freund, nicht gern alleine.
119. Auf die Genesung einer Buhlerin
Dem Tode wurde jüngst vom Pluto anbefohlen,
Die Lais unsrer Stadt nach jener Welt zu holen.
Sie war so alt doch nicht, und reizte manchen noch,
Durch Willigkeit und Scherz in ihr gemächlich Joch.
»Was?« sprach der schlaue Tod, der ökonomisch denket,
Und nicht, wie man wohl glaubt, den Wurfpfeil blindlings schwenket:
»Die Lais brächt’ ich her? das wäre dumm genung!
Nein! Ärzt’ und Huren – nein! die hol’ ich nicht so jung!«
120. An zwei liebenswürdige Schwestern
Reiz, Jugend, Unschuld, Freud’ und Scherz
Gewinnen euch ein jedes Herz;
Und kurz: Ihr brauchet eures gleichen,
Den Grazien, in nichts, als an der Zahl, zu weichen.
121. An den Silius
Mein Urteil, Silius, von deiner Überschrift,
Dies Urteil soll nichts gelten,
Weil es die Reime nur betrifft?
Was kann man sonst als Reim’ an einem Reimer schelten?
122. Auf den D. Klystill
Klystill, der Arzt – (der Mörder sollt’ ich sagen – )
Will niemands frühern Tod mehr auf der Seele tragen,
Und gibt, aus frommer Reu, sich zum Husaren an;
Um das nie mehr zu tun, was er so oft getan.
123. Auf Muffeln
Freund Muffel schwört bei Gott und Ehre,
Ich kost’ ihn schon so manche Zähre. –
Nun? frommer Mann, wenn das auch wäre;
Was kostet dich denn deine Zähre?
124. An ein Paar arme verwaisete Mädchen
Ihr holden Kinder, daß ihr Waisen seid,
Das ist mir herzlich, herzlich leid.
Auch bin ich euch zu dienen gern erbötig
Mit Gut und Blut; euch, die ihr, ohne Streit,
Das beste Blut des besten Blutes seid.
Nur, Kinder, daß ihr arme Waisen seid,
Das sei euch selber ja nicht leid!
Nun habt ihr keines Vormunds nötig.
125. An den Vax
Du lobest Tote nur? Vax, deines Lobes wegen
Hab’ ich blutwenig Lust, mich bald ins Grab zu legen.
126. Auf den Cytharist
Jahr aus, Jahr ein reimt Cytharist
Zweihundert Vers’ in Einem Tage;
Doch drucken läßt er nichts. Entscheidet mir die Frage,
Ob er mehr klug, mehr unklug ist.
127. Der beste Wurf
An ein Paar Brettspieler
Zwei Vierer wünschest du, und du verlangst zwei Einer:
Der beste Wurf im Brett bleibt darum dennoch – keiner.
128. Auf den Maler Klecks
Mich malte Simon Klecks so treu, so meisterlich,
Daß aller Welt, so gut als mir, das Bildnis glich.
129. Auf einen Zweikampf
Warum zog das erzürnte Paar,
Sistan, und wer sein Gegner war,
Die Degen? Aller Welt zum Schrecken
Sie – friedlich wieder einzustecken.
130. Auf den Ursin
Ursin ist ärgerlich, und geht mir auf die Haut,
Daß ich ihm jüngst mein Buch, den Phädon, weggenommen;
Gelesen hab’ er ihn, allein noch nicht verdaut.
Ja, ja! zu Stande wär’ er bald damit gekommen:
Sein Windspiel, oder er, hat ihn schon brav gekaut.
131. Auf den Veit
Veit ist ein witz’ger Kopf, und zählet sechzig? – Mein!
Er hat noch lange hin, ein kluger Kopf zu sein.
132. Die Vorspiele der Versöhnung
Korinne schwur, mich zu vergessen:
Und doch kann sie mich nicht vergessen.
Wo sie mich sieht, und wo sie kann,
Fängt sie auf mich zu lästern an.
Doch warum tut sie das? warum erhitzt sie sich?
Ich wette was, noch liebt sie mich.
Ich schwur, Korinnen zu vergessen:
Und doch kann ich sie nicht vergessen.
Wo ich sie seh, und wo ich kann,
Fang’ ich mich zu entschuld’gen an.
Doch warum tu ich das? und warum schweig’ ich nie?
Ich wette was, noch lieb’ ich sie.
133. Auf den Pfriem
Pfriem ist nicht bloß mein Freund; er ist mein andres Ich.
Dies sagt er nicht allein, dies zeigt er meisterlich.
Er steckt in seinen Sack ein Geld, das mit gehöret,
Und tut mit Dingen groß, die ihn mein Brief gelehret.
134. Auf den Avar
Avar stirbt, und vermacht dem Hospital das Seine,
Damit sein Erbe nicht verstellte Tränen weine.
135. Seufzer eines Kranken
Hier lieg’ ich schwach und siech;
Und ach! die liebe Sophilette
Weicht keinen Schritt von meinem Bette.
O! daß der Himmel mich
Von beiden Übeln bald errette!
136. Auf den Laar
Daß Laar nur müßig geh, wie kann man dieses sagen?
Hat er nicht schwer genug an seinem Wanst zu tragen?
137. Ihr Wille und sein Wille
ER. Nein, liebe Frau, das geht nicht an:
Ich muß hier meinen Willen haben.
Sie. Und ich muß meinen haben, lieber Mann.
ER. Unmöglich!
Sie. Was? nicht meinen Willen haben?
Schon gut! so sollst du mich in Monatsfrist begraben.
ER. Den Willen kannst du haben.
138. Grabschrift der Tochter eines Freundes, die vor der Taufe starb
Hier lieget, die Beate heißen sollte,
Und lieber sein, als heißen wollte.
139. Auf den Marius
Dem Marius ward prophezeiet,
Sein Ende sei ihm nah.
Nun lebet er drauf los; verschwelgt, verspielt, verstreuet:
Sein End’ ist wirklich da!
140. Auf den einäugigen Spieler Pfiff
Indem der Spieler Pfiff – erzürnte Götter! –
Durch einen schlimmen Wurf ein Auge jüngst verlor:
»Brav, Kamerade!« rief ein Spötter;
»Du gibst uns jedem nun Ein Auge vor.«
141. An einen Autor
Mit so bescheiden stolzem Wesen
Trägst du dein neustes Buch – welch ein Geschenk! – mir an.
Doch, wenn ichs nehme, grundgelehrter Mann,
Mit Gunst: muß ich es dann auch lesen?
142. Auf den Ley
Der gute Mann, den Ley bei Seite dort gezogen!
Was Ley ihm sagt, das ist erlogen.
Wie weiß ich das? – Ich hör’ ihn freilich nicht:
Allein ich seh doch, daß er spricht.
143. Die Sinngedichte über sich selbst
Weiß uns der Leser auch für unsre Kürze Dank?
Wohl kaum. Denn Kürze ward durch Vielheit leider! lang.
144. Abschied an den Leser
Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,
Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:
So sei mir wenigstens für das verbunden,
Was ich zurück behielt.
Sinngedichte
[Nachlese]
sinngedichte, nachlese
Auf das Heldengedichte Herrmann
Nachahmung des 84ten Sinngedichts im 3ten Buche des Martials
Auf das Gedicht »Die Sündflut«
Auf den Herrn M** den Erfinder der Quadratur des Zirkels
Auf einen elenden komischen Dichter
Auf des Herrn K* Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte
M. Paul Christian Weiß: Abraham ein Logicus]
Antwort auf die Frage: wer ist der große Duns?
Auf den Streit des Herrn Bosens mit den Wittenbergischen Theologen
Unter das Bildnis des Königs von Preußen
Als der Herzog Ferdinand die Rolle des Agamemnons, des ersten Feldherrn der Griechen, spielte
Lobspruch des schönen Geschlechts 1747
In eines Schauspielers Stammbuch
[Warum ich wieder Epigramme mache] 1779
Über das Bildnis eines Freundes
Grabschrift auf Voltairen 1779
[Auf Albert Wittenberg und Johann Jakob Dusch]
[In Friedrich Ludwig Schröders Stammbuch]
[Grabschrift auf einen Gehenkten]
An den Herrn R.
Es freuet mich, mein Herr, daß Ihr ein Dichter seid.
Doch seid Ihr sonst nichts mehr, mein Herr? Das ist mir leid.
Auf einen bekannten Dichter
Den nennt der Dichter Mars, und die nennt er Cythere;
Hier kommen Grazien, hier Musen ihm die Quere.
Apoll, Minerva, Zeus verschönern was er spricht;
Wen er zum Gott nicht macht, den lobt er lieber nicht.
Ihr, die ihr ihn der Welt verachtungswert gewiesen,
Trotz allen Tugenden, die er verstellt gepriesen;
Wenn er die Götter all auf fertger Zunge trägt,
Was wunderts euch, daß er im Herzen keinen hegt?
Der Zwang
Ich habe keinen Stoff zum Lachen,
Und soll ein Sinngedichte machen.
Doch wahrlich, Stoffs genug zum Lachen,
Ich soll ein Sinngedichte machen.
Auf das Heldengedichte Herrmann
Dem Dichter, welcher uns den Herrmann hergesungen,
Ist wahrlich, G** sagts, ein Meisterstück gelungen.
Und ich, ich sag es auch. Wir müssen es verstehn.
Nur wünscht ich vom Geschick, noch eins von ihm zu sehn.
Und was? Ein Trauerspiel. Ein Trauerspiel? Wovon?
Wenn mein Rat etwas gilt, so seis vom Phaeton.
Gespräch
X. Soll ich vergebens flehn,
Und keinen Brief von dir in Versen sehn?
Du schenkst ja wohl an Schlechtre deine Lieder.
L. Nun wohl, das nächstemal will ich in Versen schreiben.
X. Topp! und ich schreibe dir gewiß in Versen wieder.
L. So? Großen Dank! Nun laß ichs bleiben.
Turan
Die Knabenliebe log dem redlichen Turan
Der ungerechte Pöbel an.
Die Lügen zu bestrafen,
Was konnt er anders tun, als bei der Schwester schlafen?
Sertor
Sagt nicht, daß seiner Frau, dem Inventar der Zeit,
Sertor den Tod gewünscht. Was sonst? Die Ewigkeit.
An den Dorilas
Sagt nicht, daß Dorilas sich schämt, mit mir zu gehen.
Sein Rock ists, der sich schämt, bei meinem sich zu sehen.
Auf die Thestylis
Die schiele Thestylis hat Augen in dem Kopfe,
So hat ein Luchs sie nicht.
Glaubt ihr, sie sieht euch ins Gesicht,
So sieht sie nach dem Hosenknopfe.
Auf den Sophron
Damit er einst was kann von seinen Eltern erben;
So lassen sie ihn jetzt vor Hunger weislich sterben.
Nachahmung des 84ten Sinngedichts im 3ten Buche des Martials
Was macht dein Weib? Das heißt im mystischen Verstand,
Wenn man es Staxen fragt: Stax, was macht deine Hand?
Auf das Gedicht »Die Sündflut«
Durch den ersten Regenbogen
Sprach der Mund, der nie gelogen:
Keine Sündflut komme mehr,
Über Welt und Menschen her.
Die ihr dies Versprechen höret,
Menschen sündigt ungestöret!
Kommt die zweite Sündflut schon,
Sie trifft nur den Helicon.
Auf den Urban
Er widersprach – – Was kann an ihm gemeiner sein?
Und widerlegte nicht – – Auch das ist ihm gemein.
Charlotte
Die jüngst ließ ihren guten Mann begraben,
Charlotte wünscht, statt seiner, mich zu haben.
Gewiß Charlott ist klug.
Wir haben uns vor dem schon oft gesehen,
Drum glaub ich wohl, die Sache möchte gehen,
Wär ich nur dumm genug.
Auf den Herrn M** den Erfinder der Quadratur des Zirkels
Der mathematsche Theolog,
Der sich und andre nie betrog,
Saß zwischen zweimal zweien Wänden,
Mit archimedscher Düsternheit,
Und hatte – – welche Kleinigkeit!
Des Zirkels Vierung unter Händen.
Kühn schmäht er auf das x + z
(Denn was ist leichter als geschmäht?)
Als ihn der Hochmut sacht und sachte
Bei seinen Zahlen drehend machte.
So wie auf einem Fuß der Bube
Sich dreht, und dreht sich endlich dumm,
So ging die tetragonsche Stube,
Und Stuhl und Tisch mit ihm herum.
O Wunder, schrie er, o Natur!
Da hab ich sie, des Zirkels Quadratur.
Auf einen elenden komischen Dichter
Ein elend jämmerliches Spiel
Schrieb Koromandels stumpfer Kiel,
Als er in der Entzückung dachte,
Daß er wohl Plautos schamrot machte,
Und daß kein Molier
Ihm zu vergleichen wär.
Er, der sie beide kennt,
Wie ich den großen Mogul kenne,
Und sie zu kennen brennt,
So wie ich ihn zu kennen brenne.
Er, der der Feinheit keuscher Ohren,
Dem Witz, den Regeln, dem Verstand,
Den lächerlichsten Krieg geschworen,
Der je im Reich der Sittenlehr entstand;
Für ihn ein unentdecktes Land!
Doch muß ich, kritisch zu verfahren,
Dem Leser treulich offenbaren,
Daß ich an seinem Stücke
Auch etwas Treffliches erblicke.
Und was? – – Er macht damit, Trotz einem komschen Werke!
Voll ungeborgter Stärke,
Den dümmsten Witzling in der Welt,
Den je ein Schauplatz vorgestellt,
Unnachzuahmend lächerlich.
Und wen denn? Welche Frage! Sich.
Auf – – – –
Dem schlauesten Hebräer in B**
Dem kein Betrug zu schwer, kein Kniff zu schimpflich schien,
Dem Juden, der im Lügen,
Im Schachern und Betriegen,
Trotz Galgen und Gefahr,
Mehr als ein Jude war,
Dem Helden in der Kunst zu brellen,
Kams ein – – – Was gibt der Geiz nicht seinen Sklaven ein!
Von Frankreichs Witzigen den Witzigsten zu schnellen.
Wer kann das sonst als – – – – sein?
Recht, V** wars, der von dem schrecklichen Oedip,
Den saubern Witz bis zu Montperniaden trieb.
Schon war die Schlinge schlau geschlungen;
Schon war sein Fuß dem Unglück wankend nah,
Schon schien die List dem Juden als gelungen,
Als der Betrieger schnell sich selbst gefangen sah.
Sagt Musen, welcher Gott stand hier dem Dichter bei,
Und wies ihm unverhüllt verhüllte Schelmerei?
Wer sonst, als der fürs Geld den frommen Tor betrog, Wenn er vom Dreifuß selbst Orakelsprüche log?
Er, der Betrug und List aus eigner Übung kennet,
Durch den V** gebrannt, und jeder Dichter brennet.
Ja, ja, du wachtest selbst für deinen braven Sohn,
Apoll, und Spott und Reu ward seines Feindes Lohn.
Du selbst – – doch wackrer Gott dich aus dem Spiel zu lassen,
Und kurz und gut den Grund zu fassen,
Warum die List,
Dem Juden nicht gelungen ist;
So fällt die Antwort ohngefähr:
Herr V ** war ein größrer Schelm als er.
Auf – – –
»O käm der große Geist bald in dies rauhe Land,
Wohin aus Frankreichs Rom mich Nasos Glück verbannt,
So wär doch einer hier, noch außer mir zu finden,
In dessen Munde sich Geschmack und Witz verbinden.
Komm Voltair! – –« A ** gnug! der Himmel hört dein Flehn.
Er kömmt, und läßt sogleich des Geistes Proben sehn.
»Was? ruft er; A** hier? Wenn mich der König liebt,
So weiß ich, daß er stracks dem Schurken Abschied gibt.«
Auf des Herrn K* Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte
K* unternimmt ein schwer Geschäfte,
Der Welt zum Unterricht.
Er schätzet die lebendgen Kräfte,
Nur seine schätzt er nicht.
[Auf eine Dissertation des
M. Paul Christian Weiß: Abraham ein Logicus]
O Neid, dies Werk wirst du verschonen müssen!
Mit Tantum abest fängt es an.
Nur eines fehlet noch daran!
Mit parum adest sollt es schließen.
Ein anders
Die Logik Abrahams? Wer hätte das gedacht?
Vielleicht daß Weiß sich bald an Sarens Physik macht.
Antwort auf die Frage: wer ist der große Duns?
Der Mann in – –, welchen Gott
Nicht schuf zum Dichter und Kunstrichter,
Der, dümmer als ein Hottentott,
Sagt, er und S *** wären Dichter;
Der Philip Zesen unsrer Zeit;
Der Büttel der Sprachreinigkeit
In Ober- und in Niedersachsen,
Der alle Worte Lands verweist,
Die nicht auf deutschem Boden wachsen;
Der große Mann, der stark von Leib
Ein kleines artigs freundlichs Weib
Kalt, wie er denkt und schreibt, umarmt,
Das aber seiner sich erbarmt,
Und gleicher Meinung ist und bleibt,
Und wider ihn nicht denkt nicht schreibt,
Weil es den Zank der Ehe scheut,
Und lieber aus Gefälligkeit
Sich an des Manns Gedanken bindet;
Der Mann der unter uns
Viel große Geister findet,
Der ist der große Duns!
Auf Rabners Tod
als nach welchem erst die übrigen Schriften desselben an das Licht kommen sollen
Der Steuerrat tritt ab, dem Satyr Platz zu machen:
Es weine, wer da will; ich, spitze mich auf Lachen.
Auf den Streit des Herrn Bosens mit den Wittenbergischen Theologen
Er hat den Pabst gelobt, und wir, zu Luthers Ehre,
Wir sollten ihn nicht schelten?
Den Pabst, den Pabst gelobt? Wenns noch der Teufel wäre
So ließen wir es gelten.
Unter das Bildnis des Königs von Preußen
Wer kennt ihn nicht?
Die hohe Miene spricht
Den Denkenden. Der Denkende allein
Kann Philosoph, kann Held, kann beides sein.
[Doppelter Nutzen einer Frau]
Zweimal taugt eine Frau – für die mich Gott bewahre! –
Einmal im Hochzeitbett, und einmal auf der Bahre.
Auf ein Karussell
Freund, gestern war ich – wo? – Wo alle Menschen waren.
Da sah ich für mein bares Geld
So manchen Prinz, so manchen Held,
Nach Opernart geputzt, als Führer fremder Scharen,
Da sah ich manche flinke Speere
Auf mancher zugerittnen Mähre
Durch eben nicht den kleinsten Ring,
Der unter tausend Sonnen hing,
(O Schade, daß es Lampen waren!)
Oft, sag ich, durch den Ring
Und öfter noch darneben fahren.
Da sah ich – ach was sah ich nicht,
Da sah ich, daß beim Licht
Kristalle Diamanten waren;
Da sah ich, ach du glaubst es nicht,
Wie viele Wunder ich gesehen.
Was war nicht prächtig, groß und königlich?
Kurz dir die Wahrheit zu gestehen,
Mein halber Taler dauert mich.
[Nutzen eines fernen Garten]
A. Was nutzt dir nun dein ferner Garten? he?
B. Daß ich dich dort nicht seh!
Der Blinde
Niemanden kann ich sehn, auch mich sieht niemand an:
Wie viele Blinde seh’ ich armer, blinder Mann.
Kunz und Hinz
Gevatter Hinz, rief Kunz, was trinken wir?
Zuerst Wein oder Bier?
Gevatter, sagte Hinz, Gevatter, folge mir
Erst Wein, und dann – kein Bier.
[Auf einen Sechszigjährigen]
Wer sechszig Jahr gelebt, und noch
Des Lebens sich nicht kann begeben,
Dem wünsch ich – wünscht ers selber doch –
Bis zu der Kinder Spott zu leben.
[Der Arme]
Sollt einem Armen wohl des Todes Furcht entfärben?
Der Arme lebet nicht: so kann er auch nicht sterben.
An den Dümm
Wie? Eselsohren, Dümm, hätt’ ich dir beigelegt?
Gewiß nicht! Ohren nur, so wie sie Midas trägt.
Die große Welt
Die Waage gleicht der großen Welt
Das Leichte steigt, das Schwere fällt.
In ein Stammbuch 1779
Wer Freunde sucht, ist sie zu finden wert:
Wer keinen hat, hat keinen noch begehrt.
Die Verleumdung 1745
»Du nennst mich vom gestrigen Rausche noch trunken?
Vom gestrigen Rausche? das spricht
Ein« – – Fasse dich, schimpfe nur nicht!
Ich weiß wohl, du hast bis am Morgen getrunken.
Als der Herzog Ferdinand die Rolle des Agamemnons, des ersten Feldherrn der Griechen, spielte
1.
Vorstellen und auch sein
Kann Ferdinand allein.
2.
Stax spricht: Er spielt ihn schlecht!
Auch das wär’ recht;
Denn seine eigne Rollen
Muß man nicht spielen wollen.
3.
Mit Gunst,
Als Ekhof so den Agamemnon spielte,
Das, das war Kunst.
Daß aber Ferdinand sich selber spielte,
Hm! was für Kunst.
Lobspruch des schönen Geschlechts 1747
Wir Männer stecken voller Mängel;
Es leugne, wer es will!
Die Weiber gegen uns sind Engel.
Nur taugen, wie ein Kenner will,
Drei kleine Stück’ – und die sind zu erraten, –
An diesen Engeln nicht gar zu viel!
Gedanken, Wort und Taten.
In eines Schauspielers Stammbuch
Kunst und Natur
Sei auf der Bühne Eines nur;
Wenn Kunst sich in Natur verwandelt,
Dann hat Natur mit Kunst gehandelt.
In ein Stammbuch, dessen Besitzer versicherte, daß sein Freund ohne Mängel und sein Mädchen ein Engel sei. 1778
Trau keinem Freunde sonder Mängel
Und lieb ein Mädchen, keinen Engel.
[Warum ich wieder Epigramme mache] 1779
Daß ich mit Epigrammen wieder spiele
Ich, armer Willebald,
Das macht, wie ich an mehrerm fühle,
Das macht, ich werde alt.
In ein Stammbuch
Ein Kirchhof ist,
Mein frommer Christ,
Dies Büchelein,
Wo bald kann sein
Dein Leichenstein
Ein Kreuzelein!
Über das Bildnis eines Freundes
Der mir gefällt,
Gefiel er minder gleich der Welt.
In ein Stammbuch
in welchem die bereits Verstorbenen mit einem †
bezeichnet waren.
1779
Hier will ich liegen! denn hier bekomm’ ich doch
Wenn keinen Leichenstein, ein Kreuzchen noch.
Sittenspruch 1779
Man würze, wie man will, mit Widerspruch die Rede:
Wird Würze nur nicht Kost, und Widerspruch nicht Fehde.
Auf die Katze des Petrarch
Nach dem Lateinischen des Antonio Querci; in den Inscriptionibus agri Pataviani
Warum der Dichter Hadrian
Die Katzen so besonders leiden kann?
Das läßt sich leicht ermessen!
Daß seine Verse nicht die Mäuse fressen.
Sittenspruch
Bav selbst hat manchen guten Schauer;
Wär’ Eselstrab auch nur von Dauer.
Grabschrift auf Voltairen 1779
Hier liegt – wenn man euch glauben wollte,
Ihr frommen Herr’n! – der längst hier liegen sollte.
Der liebe Gott verzeih aus Gnade
Ihm seine Henriade,
Und seine Trauerspiele,
Und seiner Verschen viele:
Denn was er sonst ans Licht gebracht,
Das hat er ziemlich gut gemacht.
[An Saal]
An Dir, mein Saal, als Freund und Richter,
Lob ich Geschmack und Redlichkeit Bekennst
Du von mir ungescheut
Ich sei ein beßrer Freund als Dichter!
Auf das Alter
Dem Alter nicht, der Jugend sei’s geklagt,
Wenn uns das Alter nicht behagt.
[Auf Albert Wittenberg und Johann Jakob Dusch]
Wie Ast und Busch:
So Wittenberg und Dusch.
Wie Ries’ und Zwerg
So Dusch und Wittenberg.
[In Friedrich Ludwig Schröders Stammbuch]
Daß Beifall dich nicht stolz, nicht Tadel furchtsam mache!
Des Künstlers Schätzung ist nicht jedes Fühlers Sache!
Denn auch den Blinden brennt das Licht,
Und wer dich fühlte, Freund, verstand dich darum nicht.
[Auf Johann von Döring]
Am Körper klein, am Geiste noch viel kleiner,
Schämst du des Salzes dich, drum schämt das Salz sich deiner.
[Grabschrift auf einen Gehenkten]
Hier ruht er, wenn der Wind nicht weht!
[Grabschrift auf Kleist]
O Kleist! dein Denkmal dieser Stein? –
Du wirst des Steines Denkmal sein.
[In Johann Gottlieb Burckhardts Stammbuch]
Des Geists der Wahrheit rühmt sich bald
Die Kirche jedes Ortes;
Und alles zwingende Gewalt
Wird Kraft des wahren Wortes.
[Unvollendeter Entwurf eines Sinngedichts]
Auf heut zu mir zu Gaste dich zu bieten,
Und du, Procill, du kömmst. In Zukunft will
Ich mich für so ein gut Gedächtnis hüten.