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Pfannkuchen sind eine wunderbare Erfindung. Sie kosten in der Herstellung sechs Cent, sind in ungefähr einer Minute gebacken, und jeder liebt sie. Aus diesem Grund sind sie das perfekte erste (und vorerst einzige) Angebot auf meiner Frühstückskarte. Innerhalb eines Tages habe ich meinen normalen Umsatz damit verdoppelt.

Folglich bin ich richtig gut drauf, während Toto und ich durch Manhattan fahren an diesem sonnigen Dienstagmorgen. Ich singe laut mit zu Totos wie von Zauberhand gelenkter Musikauswahl im Radio, das sich nun auf Lets’get loud von Jennifer Lopez eingestellt hat, ein Song, zu dem Angie und ich einen total kranken Tanz erfunden haben, als wir zehn waren. Das war wahrscheinlich das letzte Mal, dass Angie uncool war. (Natürlich ist es im Alter von zehn Jahren extrem cool, einen Tanz zu erfinden.)

Und ich habe Lina vorhin eine SMS geschickt, um ihr Bescheid zu geben, dass ich heute mit dem SchlankMobil vor ihrer Firma stehe. Auf ihrer Visitenkarte lese ich, dass sie Vizepräsidentin für strategische Entwicklung bei Carus International ist, was immer das heißen mag.

Fröhlich vor mich hinsummend, parke ich den Wagen, twittere meinen Standort, öffne kurz darauf die Luke und rufe: »Pfannkuchen! Frühstückspfannkuchen, glutenfreie Pfannkuchen!«

Ja, das ist zugegebenermaßen schwach, aber es funktioniert. Sobald sich eine Schlange gebildet hat, kann ich aufhören zu schreien. Für einen Food Truck sind Kunden mit glücklichen Gesichtern und vollem Mund die beste Werbung.

Angie hat mir gestern Abend geholfen, neue Salatideen auszutüfteln. Ich habe diese Woche fünf neue, viel raffiniertere Varianten in die Speisekarte aufgenommen, allesamt sehr knackig und schmackhaft – inklusive einer Extraportion Kohlenhydrate mit niedrigem Glyx in Form von Quinoa und Naturreis und inklusive hautnährender Omega Fettsäuren in Form von Mandeln und Avocado … Ich werde auch immer erfinderischer mit Kräutern: Dill, Rosmarin, Basilikum, Minze … damit kann man einen Salat richtig aufpeppen. Und ja, ich habe gerade den Ausdruck »einen Salat aufpeppen« verwendet.

Wie gestern stehen innerhalb von wenigen Minuten fünf Leute an für Pfannkuchen.

»Sie sollten auch fettfreie Ersatzsahne anbieten«, sagt eine klapperdürre Frau.

»Ich glaube, da ist ziemlich viel Chemie drin«, antworte ich so höflich wie möglich. »Wir verwenden hier nur natürliche Zutaten.«

»Aber sie hat null Fett!«, entgegnet sie schrill und stakst auf ihren spindeldürren Beinen davon.

Magersüchtige verirren sich selten zum SchlankMobil, wahrscheinlich trauen sie meinen Kalorienangaben nicht und essen lieber zuckerfreien Wackelpeter als natürliche Lebensmittel. Auf meinem zweiten Internat gab es so viele Mädchen, die magersüchtig waren, dass es praktisch zu einem Trend wurde, so wie Schuhe von Tory Burch oder Handtücher mit eigenem Monogramm auf eine ganz und gar nicht ironische Art.

Um elf sind die Pfannkuchen ausverkauft, und es ist Zeit, den Lunch vorzubereiten. Ich schließe die Verkaufsklappe und mache sauber, als es plötzlich laut an die Hecktür klopft.

Ich öffne die Tür und strecke den Kopf hinaus. »Hallo, kann ich Ihnen helfen?«

Es ist ein Mann, Anfang dreißig, vielleicht vietnamesischer Abstammung. Er macht ein wütendes Gesicht.

»Sie stehen auf meinem Platz.«

»Wie bitte?«

Er deutet über seine Schulter, und ich sehe einen Food Truck, der in zweiter Reihe parkt. Darauf steht Banh Mi Up.

»Das ist mein Platz. Ich stehe hier jeden Montag und Freitag. Von elf bis vier. Also, verschwinden Sie.«

Ich versuche zu antworten, aber meine Stimme lässt mich im Stich. O nein, nicht schon wieder … Ich werde einfach weiterfahren, ich hasse Auseinandersetzungen. Es ist einfacher, klein beizugeben, nicht?

Dann muss ich an die neue, bessere Pia denken. Ich kann das bewältigen. Ich habe auch ein Recht, hier zu sein.

Ich hole tief Luft, und Gott sei Dank kehrt meine Stimme zurück. »Ich sehe hier nirgendwo ein Schild, auf dem Ihr Name steht.«

»Wie bitte? Hören Sie, Miss, ich stehe seit drei Jahren jeden Montag und Freitag hier. Ich bin quasi die Food-Truck-Bewegung.«

Ich steige aus, baue mich vor ihm auf und versuche, ein hochmütiges Gesicht zu machen. »Was ist Ihr Problem?«

Seine Augen werden schmal. »Sie sind mein Problem. Steigen Sie wieder in Ihre kleine erbärmliche Rostlaube und hauen Sie ab, Prinzessin, oder ich rufe die Polizei.«

»Dann rufen Sie die Polizei! Was wird die schon machen? Wenn ich etwas ganz sicher weiß, dann, dass man sich mit einem Food Truck überall hinstellen darf, wo nicht gerade absolutes Halteverbot ist. Wenn Sie jeden Tag am selben Platz Essen verkaufen wollen, dann kaufen Sie sich gefälligst ein verdammtes Restaurant.«

»Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie es zu tun haben!«

»Sie genauso wenig!«

Banh Mi Up zeigt mir den doppelten Stinkefinger (ernsthaft?), steigt in seinen Truck und fährt mit quietschenden Reifen davon.

Ich tätschle Toto liebevoll. Was fällt diesem Kerl ein, Toto als »Rostlaube« zu bezeichnen?

»Gute Arbeit«, sagt eine Stimme.

Ich drehe mich um. Es ist Lina.

»Danke«, sage ich. »O Mann, die Imbisswagenbranche ist ganz schön rabiat.«

»Stimmt«, bestätigt Lina. »Ähnlich wie die Hotel- und Restaurantbranche. Dort geht es zu wie bei einem römischen Gladiatorenkampf.«

Ich lache. »Geht es Ihnen gut?«

»Ich bin gerade auf dem Weg zu einer Fokusgruppe, die von Marktforschern geleitet wird. Die versuchen mir weiszumachen, dass alles Innovative und Neue einfach nicht funktioniert …«

»Spaßig«, sage ich. »Ich habe mich immer gefragt, was Marktforschung wirklich bedeutet.«

»Es bedeutet die Zerstörung von Kreativität. Okay, ich werde gleich eine Rundmail an all meine Kollegen wegen des SchlankMobils schicken, ja?«

»Schreiben Sie hinein, dass man mit dem Passwort ›Lina‹ einen Dollar Preisnachlass auf ein Dessert bekommt«, sage ich.

Lina lacht. »Tolle Idee, aber wir sollten nicht meinen Namen nehmen. Ich bin ohnehin schon als selbstsüchtig verschrien. Das Passwort sollte anders lauten … Brooklyn!«

Lina muss einen großen Einfluss in ihrer Firma haben, weil die Schlange ab Punkt zwölf fast bis zum Ende des Blocks reicht. Einem Kunden schmecken meine fettarmen Brownies so gut, dass er sich ein zweites Mal anstellt und drei weitere kauft, was irgendwie dem Sinn von fettarmer Ernährung widerspricht, aber was soll’s. Nach zwei Stunden, fast alles ist ausverkauft, kommt eine hübsche junge Frau in meinem Alter an die Theke, begleitet von einem bärtigen Mann mit einem kleinen Digital-Camcorder.

»Mein Name ist Becca. Ich bin von Grub Street, dem Feinschmecker- und Restaurant-Blog des New York Magazine. Dürfen wir Sie kurz interviewen für einen Beitrag über die neuesten Food Trucks?«

Ich überlege nicht lange. »Klar!«

»Auf Twitter und in den einschlägigen Blogs gab es viele Stimmen zu Ihrem Truck. Wie sind Sie auf das Konzept gekommen?«

»Das lag für mich auf der Hand. Die Menschen brauchen mittags eine gute, schnelle Mahlzeit, die keinen Blutzucker-Crash verursacht oder einen Heißhunger auf Kohlenhydrate. Die New Yorker sollten nicht wählen müssen zwischen einem vollen Magen und einem tollen Hintern. Man kann gut und günstig und fettarm essen an einem Food Truck – solange es meiner ist.«

Becca grinst. »Das haben Sie gut gesagt.«

Plötzlich höre ich ein schrilles Lachen.

Becca dreht den Kopf zur Seite. »O … mein … Gott …«

Es hämmert an die Hecktür. Nicht schon wieder! Dieser Banh-Mi-Up-Typ hat sie nicht mehr alle! Ich lasse die Verkaufsklappe herunterknallen und öffne.

»Was wollen Sie jetzt schon wieder?«, schreie ich, als ich die Tür aufschwinge.

Aber er ist es nicht.

Es ist Bianca. In ihrem aggressiven Punkster-Look, mit halb rasiertem Schädel, angezogen wie eine Blinde. Und hinter ihr steht Darth Vader mit seiner neuen Aufschrift.

Ich kann nicht anders: Ich lache unkontrolliert los.

»Das warst du, nicht?«, brüllt sie mich an. »Ich habe es erst in der Mittagspause gemerkt, als jemand mich gefragt hat, wie viel es kostet, mich einen Eunuchen fressen zu sehen!«

Ich lache so sehr, dass ich mich an der Heckklappe festhalten muss.

»Gib es zu! Gib es zu!«, kreischt sie.

»Ist das Ihr Truck?«, platzt Becca, die Bloggerin von Grub Street, dazwischen.

»Ja«, antwortet Bianca. »Und wer zum Teufel sind Sie?«

»Wie reizend!«, murmelt Becca und zieht eine Augenbraue hoch. »Ich bin von Grub Street. Eine interessante Marketing-Idee, die Sie da haben.«

Es ist, als würde plötzlich die Sonne in Biancas Gesicht aufgehen. »Ach, hallo! Ich bin Bianca, und das ist mein Food Truck. Ich habe mich der gesunden Backkunst verschrieben!«

Mit einem breiten Grinsen steige ich wieder in meinen Wagen und applaudiere mir im Stillen. Unsere Mission war ein voller Erfolg.