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Skocik fährt wie eine gesengte Sau.
Es ist kurz nach drei, es schüttet in Strömen, und niemand, der nicht gut dafür bezahlt wird oder sinnlos besoffen ist, treibt sich jetzt auf der Straße herum. Die idealen Bedingungen, sich zum Beispiel in der scharfen Linkskurve da vom den Tod zu holen.
Aber Skocik ist zumindest so viel Polizist, daß er den Abgang von Donna und meiner Wenigkeit mit der Ergreifung des dichtenden Schlächters koordinieren will. Und so überleben wir die Linkskurve. Knapp. Und vielleicht läßt Skocik später dann sogar Donna oder mich überleben, weil die Rettung eines der Opfer aus den Klauen des Schlächters von Sechshaus bei der Presse einen besseren Eindruck macht als ein glatter Doppelmord.
Donna macht sich ganz andere Sorgen. Sie sitzt neben Brunner auf dem Rücksitz, klappert in ihrem aufgemalten kleinen Schwarzen mit den Zähnen und will von Brunner wissen, bei wem sie ihre Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen geltend machen soll, wenn sie sich im Zuge dieser Aktion den Arsch abfriert.
„Beim Dichter“, sagt Skocik und lacht.
Donna hat Probleme mit dem Humor des Jungbullen und trägt ihm die Amputation entscheidender Weichteile an.
Was wiederum Brunner auf den Plan ruft, der die im Dienstwagen Anwesenden lautstark zu Ruhe, Ordnung und Konzentration mahnt.
Mit einem Wort: Die Nachtfahrt nach Rodenstein verläuft in eher angespannter Atmosphäre.
Irgendwie verständlich. Denn schließlich soll eine Hundertschaft an Scharfschützen, Überwachungsexperten und sonstigen Spezialkriminesern die einsame Festung des Dichters bei unserem Eintreffen dermaßen fest in ihren zweihundert Händen haben, daß Donna und ich nur noch vorzufahren brauchen, aus dem zivilen VW-Passat steigen, anläuten, warten, bis wir vom Hausherrn hereingebeten werden, und dann dabei zusehen, wie effektiv zweihundert Fäuste zuschlagen können.
Ob ihnen die Belagerung von Rodenstein gelungen ist, ohne den Dichter aufzuschrecken, der garantiert wie ein Luchs auf seine beiden späten Gäste lauert, wage ich zu bezweifeln.
Neueste Meldungen liegen nicht vor, weil Skociks Autotelefon, seit wir Hütteldorf passiert haben, jegliche Zusammenarbeit verweigert.
Und auf Brunners Versprechen, bei dieser alles entscheidenden Operation seien nur absolute Spitzenkräfte im Einsatz, geb ich auch nicht viel. Sowas ähnliches hat er mir heute bereits im Belle de Jour erzählt, und ich hab dran geglaubt, bis mich der Dichter völlig unbehelligt ins Chambre Separee entführen konnte.
„Ich frag mich wirklich, warum ich mich auf den Irrsinn eingelassen hab“, sage ich leise vor mich hin.
„Es sind immer die Frauen“, sagt Skocik und biegt, kurz nachdem wir die traurigen Überreste des Hoffmann-Sanatoriums passiert haben, nach rechts ab.
Für Donna würde ich keine solche Strapaz auf mich nehmen, Elfi hockt im Schneidersitz daheim in ihrem Kiva und träumt von Pandas und der Stofftier-Version ihres Gily, und Marlene streichelt und krault in Paris oder Quebec das zerknirschte Ego ihres Gilbert.
„Schwachsinn, Skocik“, sage ich.
Er lacht und zuckt die Schultern. Ein Vollidiot. Ich werd ihm das auch sagen. Später.
„Es gibt eben Leut, Herr Doktor, die wollen alles ganz genau wissen“, meldet sich Brunner von hinten.
Will ich das? Der Akt über den vermeintlichen Jagdunfall des Dr. Stifter anno 1975 war mir eigentlich aufschlußreich genug.
„Nicht ganz genau“, sage ich zu Brunner, „Ziemlich reicht.“