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„Red nicht so viel. Schau!“
Katharina ist schwer gereizt. Jeder Mensch, der länger als fünf Minuten neben dem Trainer am Beifahrersitz der froschgrünen Rostlaube sitzt, reagiert so oder ähnlich.
Ich halte den Trainer ja für den schlechtesten Autofahrer aller Zeiten. Darum sitze ich am liebsten direkt hinter ihm. Da sehe ich nicht, was er nicht sieht.
Der Trainer hat in seiner übervollen Birne die naive Vorstellung, die anderen Verkehrsteilnehmer würden für ihn auf Kleinigkeiten wie Vorrang, Einbahn oder rote Ampeln achten. Und weil ihn das Fahren auf Grund dieses Aberglaubens nicht auslastet, sucht er sich eine Nebenbeschäftigung, die ihn geistig auf Trab hält.
Auf der kurzen Fahrt von der Längenfeldgasse zum Gasthaus Quell entwirft er zum Beispiel ein neues Merchandising-Konzept für „Mom & Dead“. Der ärmliche Verkaufsstand muß einem Zelt aus schwarzer Baufolie weichen, in dem die gesamte Produktpalette der AAS angeboten wird und vom Publikum hinter Paravants auch gleich an- und ausprobiert werden kann. In weiterer Folge wäre ein mobiles Piercing-Studio angesagt, und das ist erst der Anfang.
Weiter kommt er nicht, denn Katharina nervt offensichtlich nicht nur der Fahrstil ihres Gatten.
„Jetzt schau endlich! Und du auch, Kurtl!“ sagt sie. „Der Citröen da hinten!“
Hinter uns chauffiert Freund Turbo in seinem schwarzen Leichenwagen, einem alten Mercedes-Combi mit getönten Scheiben, Donna und einen Steve mit norddeutschem Akzent, der uns als A&R-Manager von“Thunder“-Records vorgestellt wurde und dessen ebenso unverständliches wie unermüdliches Gequatsche ein Gespräch mit Donna bisher unmöglich gemacht hat.
„Das is doch der Turbo“, sagt der Trainer.
„Dahinter!“ kommt Katharina langsam in Rage. „Der weiße Citröen. Der fährt uns schon die ganze Zeit hinterher.“
„Darf er das nicht?“ legt der Trainer den Grundstein für einen ernsthaften Ehezwist.
„Kurtl, bitte sag dem Schwachkopf, daß in der Nacht, als dieser Wickerl ermordet wurde, gleich da vorn in der Sechshauser Straße ein weißer PKW gesehen wurde.“
„Ein weißer oder beiger PKW“, korrigiert sie der Trainer. „Und davon gibt’s relativ viele in Wien.“
„Da hat er recht, der Trainer“, sage ich.
Aber Katharina bleibt dabei. Wir werden verfolgt, von einem weißen Citröen, mit - was weiß man? - dem Schlächter von Sechshaus am Steuer. Und der wird als nächstes nicht die Donna umbringen, denn die ist eine Frau, sagt Katharina, die jeden Tag in Drachenblut badet und folglich unverwundbar ist, sondern den Turbo, den Dampfplauderer aus der Piefkei, den Trainer oder mich.
„Und was ist mit dir?“ fragt der Trainer, als wir uns vorm Quell einparken. „Du bist aus’m Schneider?“
„Ich reiß ihm die Eier aus, so schnell kann der gar nicht schauen“, sagt Katharina und klettert aus dem Wagen.
Der Leichenwagen hält hinter uns. Kein weißer Citröen, auch kein anderes Fahrzeug ist ihm auf den Fersen.
„Jetzt ist er weg“, sagt Katharina.
Aber die Sache nagt an ihr. Sie faßt sich den verdutzten Turbo.
„Ist dir beim Herfahren was aufgefallen?“
„Ja“, sagt er. „Leider.“
Dann tippt sich der erklärte Drogengegner an die Nase und deutet mit dem Kopf auf Donna und Steve.
„Und euch?“ übergeht Katharina Turbos Wink.
„Habt ihr was gesehen?“
„Nö“, macht Steve. „Gab’s ’n UFO?“
„Meinst du den weißen Citröen?“ sagt Donna. „Ich hab zuerst geglaubt, der gehört zu uns. Und jetzt is er weg.“ „Doch’n UFO“, lacht Steve und macht für den Trainer und mich den Entertainer. „Vielleicht mit ganz vielen scharfen Bräuten an Bord. Und wir lassen die heißen Muschis ziehen. Scheiße, Jungs, was?“
„Ganz große Scheiße“, sage ich.