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Elfi macht Spaghetti. Ich mach den Wein auf. Und nach dem ersten Achtel einigen wir uns darauf, daß ein Leben in Lebensgefahr auch seine angenehmen Seiten haben kann.
Unten vorm Haus wachen zwei Fachleute über unser Wohlergehen, Brunner und der Schlächter sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und lassen uns in Frieden, und Donna hat heute Ausgang (oder kiefelt an ihrer fatalen Männerpolitik), also können sich Elfi und ich völlig ungestört im Speisesektor des Wohnparks an Nudeln al dente, Sugo aus der Dose und einer Flasche wohltemperierten Chianti delektieren.
Das Tischgespräch ist auch nicht ohne.
„Du kannst gern fernsehen, oder Platten hören oder dich in die Badewanne legen“, sagt Elfi.
„Super“, sage ich.
„Schon komisch“, sagt Elfi dann nach einem Schluck Wein.
„Was?“
„Nix. Nicht so wichtig.“
„Sag.“
„Daß du da bist.“
„Schicksal.“
„Meinst?“
„Weiß nicht.“
„Ich find’s angenehm.“
„Detto.“
„Ich hab mir dich ja ganz anders vorgestellt. Viel fertiger. Und nicht so nett.“
Ich gebe Elfi, der Netten, das Kompliment zurück und wechsle rasch, sozusagen aus Gründen der inneren Sicherheit, auf neutrales Terrain.
„Was macht die AAS eigentlich in einem Animierlokal? Ich persönlich hätt mir vom Fürsten Astaroth einen originelleren Partyraum erwartet. Die Kapuzinergruft zumindest. Oder ein Bierzelt am Friedhof der Namenlosen.“
„Du bist nicht am Laufenden“, lacht Elfi, „Provokation und Blasphemie passen nicht ins neue Marketingkonzept. Die AAS expandiert, erschließt neue Märkte und Käuferschichten. Und die Kundschaft der Zukunft will ihren Gummischwanz und ihr Leder-Outfit für den strengen Abend zu zweit, aber von den Mächten der Finsternis will sie nix wissen.“
Das ist der Weg aller Dinge. Da hat einer eine Vision, kämpft mit einer Handvoll Jünger und Getreuen jahrelang ums nackte Überleben, und wenn das Ding dann endlich greift, ist es nach einer starken Saison reif fürs Familienprogramm. Glattgebügelt, eingeebnet, ausgelutscht.
Die AAS steht vor dem Ausverkauf. Astaroth und Behemoth sollten sich schleunigst nach neuen Botschaftern umschauen. Vielleicht haben sie das aber auch schon längst getan, und unser Mann, der Schlächter von Sechshaus, schnetzelt Donnas Lover in ihrem Auftrag? Brunner sollte morgen nicht vergessen, ihn danach zu fragen.
„Die Thanksgiving-Party findet heuer zum Beispiel erstmals in Las Vegas statt“, plaudert Elfi, „im Veranstaltungssaal irgendeines Monsterhotels mit angeschlossenem Casino. Da wird’s ungefähr so hart hergehen wie am Maturaball. Irgendwie schade. Aber andererseits: so wirklich Bock auf sowas wie letztes Jahr hab ich sowieso nicht, nachdem was in den letzten Tagen alles passiert ist.“
„Und die Party morgen? Worauf darf man sich freuen?“
„Vergiß es. War nicht meine Idee. Das gehört auch zum neuen Marketingplan und findet überall in Europa statt, wo die AAS mehr als 25 Kunden hat. Den Abonnenten der News und allen Kunden, die im letzten Jahr brav aus dem Katalog bestellt haben, wird bei Speis und Trank die neue Kollektion vorgeführt. Apropos: Der Jungbulle, der mir immer unter den Rock schaut, hat heute meine Einladungsliste mitgehen lassen. Er hat sich dabei so patschert angestellt, daß es ein Blinder merken hätt müssen, aber ich hab besser nix gsagt.“
Mit Bewachern vom Kaliber eines Skocik kann man so richtig beruhigt dem morgigen Abend entgegenblicken.
Ich behalte die in mir aufkeimende Panik lieber für mich. Sollte dieser Abend der letzte in Elfis kurzem Leben sein, dann hat sie es sich verdient, finde ich, ihn so gemütlich und sorgenfrei wie möglich zu verbringen.
Sie hat Lust auf eine Dokumentation über das Leben einer Pandabärenfamilie im Schweizer Fernsehen. Ich entscheide mich für eine Stunde in der Wanne. Als Untermieter einer Duschkabine, der den Luxus eines Wannenbades nur von den Sonnentagen seines Tourneelebens kennt, lasse ich mir diese rare Gelegenheit natürlich nicht entgehen.
Als ich bis zum Kinn in zart duftendem Schaum versinke, und mir ganz fest vornehme, Brunner für seine famose Idee in mein heutiges Nachtgebet einzuschließen, fallen mir prompt die Augen zu. Schöne Bilder von Marlene ziehen durch meinen Kopf, musikalisch begleitet von Willie Nelsons ewigen Melodien. Aber nach und nach schleichen sich häßlich sägende Mißtöne aus dem Repertoire von „Mom & Dead“ ein, Willie und Marlene halten sich eine Zeitlang wacker, ziehen aber schließlich in einem himmelblauen 57er-Chevy ab, in Richtung mexikanische Grenze, und alle Abscheulichkeiten der letzten Tage formieren sich zu einem Veitstanz durch meine Birne. Die sozusagen unwichtigen und bereits abgefrühstückten Monstrositäten verschwinden nach einem kurzen Solo vom Tanzboden, und am Ende bleibt nur noch ein Pärchen übrig: Elfi“Donna“ Tomschik und der Schlächter von Sechshaus.
Sie legen einen fulminanten Linkswalzer aufs Parkett, einen schneidigen Tango, aber beim anschließenden Slow Fox kommt der Herr der Dame wohl zu nah, und sie läßt ihn ganz einfach stehen.
Ich kenne den jungen Mann, der auch im Frack ein gute Figur macht. Ich weiß, daß er einen weißen Citröen fährt, im Mörderspiel von Trainer und Trash nur mit einer kleinen Nebenrolle bedacht wurde und Donna auch sein Herz zu Füßen legte, wenn ihn das nicht daran hindern würde, den Nebenbuhlern die Herzen aus der Brust zu schneiden.
Ich weiß, wer mir seit vergangenen Mittwoch den Urlaub versaut, und daß ich ihm das morgen auf der AAS-Party auch in aller Deutlichkeit sagen werde. Den Rest können dann Brunner und Skocik erledigen
Und noch was weiß ich, als ich wie neugeboren aus der Wanne steige: Wenn ich die Party überlebe, suche ich mir umgehend eine neue Wohnung. Zimmer, Küche, Kabinett. Und Bad.
Mit Wanne.