14 »Kann eine ganze Partei ADHS haben?«

Nach 100 Tagen als Piratin endet meine Schonfrist und ich ziehe die erste Zwischenbilanz

Es ist der 14. August. Mein Smartphone meldet einen wichtigen Termin: »100 Tage Piraten«. Auch das noch! Was brachte mich bloß auf die Idee, dieses Ereignis in meinen Kalender einzutragen? Ach richtig, es war Anfang Mai, ich berichtete einer Studienfreundin beim Mittagessen von meinem neuen Piratinnenleben und sie witzelte daraufhin: »Na ja, wir sprechen uns in hundert Tagen ...!«

Nach hundert Tagen endet ja bekanntermaßen die Warmlaufphase für Politiker, der Anfängerbonus verfällt. Diese Tradition hat ihre Ursprünge angeblich in Napoleons Zeiten und wurde von US-Präsident Franklin D. Roosevelt als politische Schonfrist etabliert, so stand es jedenfalls mal in der Zeitung. Nach hundert Tagen sollen Politiker sich eingearbeitet haben und erste Erfolge präsentieren – sonst droht die öffentliche Demontage.

Und seit die Piraten in vier Landtagen sitzen, werden auch sie von Journalisten zur öffentlichen Manöverkritik aufgefordert. Just diese Woche fragte Zeit Online den Parteivorsitzenden Bernd Schlömer: »Herr Schlömer, Sie sind jetzt gut hundert Tage Parteichef der Piraten. Was haben Sie bisher erreicht?« Schlömers Antwort las sich bemerkenswert unspektakulär für den Vorsitzenden einer Partei, die doch eigentlich angetreten war, vieles ganz anders zu machen als die Konkurrenz. Er behauptete, es sei den Piraten gelungen, die »öffentliche Debatte über die angebliche Meinungslosigkeit der Piratenpartei etwas aufzubrechen«. Ach wirklich? Da musste ich was verpasst haben.

Wie in einer Endlosschleife wiederholen Journalisten und Wissenschaftler seit Wochen: Um langfristig Erfolg zu haben, brauche eine Partei Themen und Ziele. Doch die Piraten hätten auf vielen Politikfeldern noch immer kein Programm und zu vielen aktuellen Problemen wie der Euro-Krise oder dem Syrienkonflikt keine Haltung. Ja, sie wüssten bisher nicht einmal, ob sie eigentlich wirtschafts-, sozial- oder linksliberal seien.

Wenn ich den Medienberichten glaube, dann steht es inzwischen längst nicht mehr so toll um meine Partei wie noch vor drei Monaten, als ich Piratin wurde. Ungefähr zeitgleich mit meinem Parteieintritt begannen Journalisten, sich zur Abwechslung kollektiv um die Zukunft der Piraten zu sorgen. Die Umfragewerte der Partei näherten sich wieder der Fünf-Prozent-Marke – und in den Überschriften standen plötzlich nicht mehr Worte wie »attackieren« und »entern«, sondern es war von »Flaute« oder »kentern« die Rede.

Vor zwei Wochen schließlich erklärte der Spiegel den von ihm selbst eifrig mitbefeuerten Rummel um die Neuen für beendet: »Nach den großen Wahlerfolgen der Piraten scheint der Hype um die neue Partei erst einmal vorbei.« Vieles, was kürzlich noch als Stärke der Piraten galt, wurde plötzlich zu ihrem Fluch erklärt: Der »Charme des Dilettantismus« verliere allmählich seinen Reiz für die Bürger. Parteichef Bernd Schlömer sei ein »Antivorsitzender«, den Piraten fehle eine Führungsfigur, aus »dem Mitmachwirrwarr« erwachse nicht automatisch »konsistente Politik« – und überhaupt seien die Piraten doch letztlich eine »Partei des Zufalls und der Einzelkämpfer«.

Wer wollte da widersprechen? Nur: Das alles hatte doch auch schon vor drei Monaten gestimmt, als die Piraten allerorten noch als schrullig-chaotische Gewinnertruppe präsentiert wurden. Mir persönlich jedenfalls kommen die Piraten heute nicht sonderlich anders vor als noch vor hundert Tagen. Im Gegenteil. Mir fällt nichts ein, was die Situation der Partei im August grundsätzlich von jener im Mai unterscheiden würde – weder im Guten noch im Schlechten.

Ihr chronischer Dilettantismus hat mich vom ersten Tag an je nach Laune mal amüsiert und mal genervt. Auch ich verliere im »Mitmachwirrwarr« regelmäßig die Orientierung. Meine Stimmung schwankt zwischen Euphorie und Frustration. Zeit für eine schonungslose Zwischenbilanz:

Frau Geisler, Sie sind jetzt gut hundert Tage Mitglied in der Piratenpartei. Was haben Sie bisher erreicht?

Geht gleich los. Ich muss nur noch eben kurz bei Twitter nachsehen, was es da Neues gibt. Oje, gerade hat Simon Kowalewski, der »Radikalfeminist« aus dem Abgeordnetenhaus, getwittert: »Bei mir hat sich der Verdacht auf Lyme-Borreliose bestätigt«, wer Anfang Juni beim Sommer-Camp der Piraten im Havelland dabei gewesen sei und »komische Symptome« habe – »sofort zum Doc!«. Was auch immer er damit meinen mag, mir geht es prima. Aber auch sein Kollege Lauer hat wieder etwas zu melden. Bei Twitter ist auf Christopher Lauer, den Fraktionschef der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, wirklich Verlass. Der 28-Jährige ist dort quasi immer auf Sendung. Gerade schreibt er: »Manche Sachen kann man sich in der Tat nicht ausdenken.« Das habe ich mir allerdings auch oft gedacht in den vergangenen hundert Tagen! Vielleicht sollte ich das mal schnell retweeten?

Ach richtig, hundert Tage Piratenpartei. Was ich persönlich bisher erreicht habe?

Ich bin twittersüchtig geworden. Viele Piraten nutzen diese Palaver-Plattform exzessiv. Und wenn ich nichts verpassen und wahrgenommen werden will, muss auch ich regelmäßig bei Twitter reinlesen und mich wenigstens gelegentlich zu Wort melden. Ob das ein Erfolg ist, sollen andere bewerten. Immerhin 32 Personen haben inzwischen meinen Twitter-Feed abonniert – vor hundert Tagen waren es sieben. Das ist ein Plus von mehr als 400 Prozent. Einerseits. Andererseits sind 32 Follower natürlich ein Witz, verglichen mit den 33.132 Leuten, die sich für die Tweets der Parteiikone Marina Weisband interessieren.

Auch außerhalb des Netzes ist meine Erfolgsbilanz bisher übersichtlich. Ich habe vor dem Kanzleramt gegen das Betreuungsgeld demonstriert, was außer mir niemand mitbekommen hat. Ich habe an einem Sonntag im August rund drei Stunden am Infostand meiner Crew im Berliner Osten herumgestanden, was in dieser Zeit exakt zwei übernächtigte Klubgänger und einen weiteren Passanten interessierte, der sich einen Flyer schnappte und wieder weg war.

Auch mein Vorstoß zur Professionalisierung der Arbeit in der Parteizentrale der Piraten ist bisher leider folgenlos geblieben. An einem Juliabend bei einer Squad-Sitzung hatte ich das Wort ergriffen: »Findet ihr nicht, dass ihr endlich eine Spülmaschine braucht und eine Putzkraft, die regelmäßig kommt?« Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl dürften sich die Piraten doch nicht mit Abspülen und Kloputzen aufhalten.

Wuerfel aus dem P9-Squad schaute mich verwundert an. Es komme doch schon einmal die Woche jemand zum Putzen, hielt er mir entgegen, und wenn zwischendurch ein Klo verschmutze, dann müssten wir das eben mal selbst reinigen. Wieso, fragte ich zurück, könne denn nicht täglich eine Reinigungskraft kommen? »Ich werde hier jedenfalls nicht das Klo putzen.« Der Landtagsabgeordnete Martin Delius, der zufällig auch an der Sitzung teilnahm, hörte mit amüsierter Miene zu. Nach der Sitzung gab er mir ein paar aufmunternde Worte mit auf den Heimweg: Ich solle mich unbedingt weiter hier in der Parteizentrale engagieren.

Doch einige Tage später stellte ich zufällig fest: Mein Appell hatte es nicht einmal ins Sitzungsprotokoll geschafft. Dort stand stattdessen nur: »Ralf hat Hunger. Astrid hat noch Fragen zur Professionalisierung. Ende: 20:12 Uhr.«

Seit Wochen drängen mich meine Freunde: Ich solle bei den Piraten unbedingt mehr provozieren. Ich müsse mutiger werden, an meine Grenzen gehen, mich mal so richtig zoffen. Sonst werde nie etwas aus mir in dieser Partei.

Ja, vielleicht bin ich tatsächlich zu schüchtern, versuche nicht hartnäckig genug, die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen und andere für mich zu begeistern. Provozieren liegt mir nicht. Streit belastet mich. Ich mag es eher friedlich. Zumal Grenzgänge, Provokationen und Streitereien ja alles andere als Alleinstellungsmerkmale in der Piratenpartei sind.

Enno Park, der Berliner Landesschatzmeister, stellte kürzlich in einem Anflug von Verzweiflung auf Twitter die Frage: »Kann eine ganze Partei ADHS haben?« Ich würde nach hundert Tagen antworten: Ja, das ist leider möglich!

Ständig gehen Parteimitglieder aufeinander los, als gebe es kein Morgen. Der Ton der Debatten wird schnell ätzend, abschätzig und hysterisch. Anfangs hatte ich den Ehrgeiz, möglichst keine der Debatten meiner Parteifreunde zu verpassen, ja, ich schaltete mich sogar entrüstet in die Auseinandersetzung um die »Tittenbonus«-Äußerung des Berliner Piratenabgeordneten Gerwald Claus-Brunner ein. Inzwischen würde mir das kaum noch passieren. Aufreger und vermeintliche Aufreger folgen einander in so kurzem Zeittakt, dass ich die Lust verliere, meine Zeit mit diesen Zwistigkeiten zu vertun. Oder, mal positiv formuliert: Seit ich Piratin bin, kommt mir mein Privatleben so harmonisch vor wie lange nicht mehr.

Und natürlich macht der permanente öffentliche Zoff unter Piraten das Parteileben für einen Neuling wie mich auch spannend. Wäre ich in die CDU eingetreten, hätte ich aus der Zeitung erfahren, was Angela Merkel dem FDP-Vizekanzler Philipp Rösler angeblich in der Koalitionsrunde mal wieder so alles an den Kopf geworfen hat. Wenn überhaupt. Bei den Piraten hingegen darf ich viele Konflikte ungefiltert miterleben. Das gibt mir das Gefühl, wirklich nah dran zu sein – auch wenn das in vielen Fällen gar nicht stimmt.

Wer weiß, vielleicht lässt sich im Idealfall sogar von den Streitereien anderer Piraten profitieren? Während einige Mitstreiter vor lauter Kleinkrieg kaum zum Arbeiten kommen, nutze ich die Gelegenheit und bringe mich inhaltlich ein.

Es mag paradox klingen: Aber die angeblich so dramatische, ja womöglich gar existenzgefährdende programmatische Schwäche der Piraten hat sich für mich als Piratin bisher als ihr größter Reiz erwiesen. Wo noch nichts ist, darf jeder kreativ sein. In keiner anderen halbwegs ernst zu nehmenden Partei in Deutschland kann man inhaltlich noch so viel gestalten wie bei den Piraten.

Kein Wunder, dass bislang keiner so richtig sagen kann, wo genau meine Partei politisch steht – auch ich nicht. Die Ausrichtung der Piratenpartei ist schlichtweg noch nicht entschieden. Sobald Parteichef Bernd Schlömer die Piraten in einem Interview als »liberale« Kraft im politischen Spektrum irgendwo in der Nähe der FDP verortet, gehen wieder die Diskussionen auf den Mailinglisten der Berliner Piraten los, weil sich viele der Hauptstadt-Piraten wohl eher in der Nachbarschaft der Grünen oder gar der Linkspartei vermuten.

Mir persönlich kommt die programmatische Unbestimmtheit dieser Partei entgegen. Die Piraten bewegen sich irgendwo zwischen FDP und Linkspartei? Irgendwie quer zum etablierten politischen Spektrum? Wunderbar: Ich auch. Ja, der Gedanke, dass dieser unfertige Zustand beim nächsten Bundesparteitag in Bochum beendet werden könnte, macht mir sogar ein bisschen Sorgen. Wer weiß, ob ich mich danach inhaltlich noch aufgehoben fühlen kann in dieser Partei?

Und – zumindest bei der Programmarbeit – sind die Piraten wirklich eine »Mitmachpartei«. Nach gerade einmal drei Monaten als Piratin habe ich schon vier kleine Bausteine für das Programm zur Bundestagswahl 2013 im Rennen. Ist das nicht phänomenal?

Ich wage nicht zu beurteilen, ob unser Paket familienpolitischer Initiativen am Ende wirklich mehrheitsfähig sein wird. Kurzzeitig war ich absolut optimistisch. Schon acht Stunden, nachdem Annika, Philipp, Incredibul, SofitaLunes und ich unsere vier Antragsmodule mit den Titeln »Präambel«, »Kinderbetreuung und Arbeitszeitverkürzung«, »Elterngeld« und »Ehegattensplitting« ins Meinungsbildungsportal Liquid Feedback gestellt hatten, waren ausreichend Unterstützer da, um die Anträge zur Abstimmung zu stellen. Zehn Prozent aller Piraten, die im Liquid Feedback für das Thema Familienpolitik registriert sind, fanden unsere Initiative auf Anhieb interessant. Damit hatten wir mit Schwung den in der Software eingebauten politischen Spamfilter überwunden. Und dieses Liquid Feedback, das ich unlängst noch als dubioses Programm kritisiert hatte, kam mir mit einem Mal doch recht charmant vor.

Bei genauerem Hinsehen allerdings verflüchtigte sich meine erste Euphorie so schnell, wie sie entstanden war: Im Liquid Feedback waren wir nur deshalb so erfolgreich, weil Philipp und Annika reihenweise delegierte Stimmen anderer Piraten mit in die Abstimmung brachten. Seither sind die grünen Balken hinter unseren vier Antragsmodulen kaum noch gewachsen. Unsere Initiativen dümpeln vor sich hin.

Und trotzdem, eines zumindest hat die Mitmachsoftware geschafft: Sie hat mich motiviert, politische Ideen auszuformulieren, zur Diskussion zu stellen und zu verfechten. Nach hundert Tagen kann ich mit Gewissheit sagen: Die Programmarbeit bei den Piraten macht mir wirklich Spaß. Die Piraten haben meinen politischen Ehrgeiz angestachelt. Ich will unsere Anträge zur Familienpolitik ins Programm für die Bundestagswahl bringen. Und zwar alle vier.

»Haben Sie Fehler gemacht als Parteichef?«, wurde Bernd Schlömer in dem Hundert-Tage-Interview gefragt. Seine Antwort: »Wir haben zu Beginn die Erschöpfung von ehrenamtlich tätigen Menschen unterschätzt. Wir müssen darauf achten, dass unsere Parteimitarbeiter nicht mit Burn-out aus der Partei ausscheiden.«

Da ist was dran. Selbst ich komme mir zuweilen heillos überbucht vor. Soll ich Donnerstagabend mit meiner Prometheus-Crew den neuen Science-Fiction-Film »Prometheus« im Kino anschauen? Oder mit Annika, Philipp und Incredibul im Mumble über die Änderungsanträge zu unseren Familieninitiativen diskutieren? Dann verpasse ich allerdings, was zeitgleich die AG Familie im Mumble bespricht.

Mindestens zweimal pro Woche bin ich in Parteiangelegenheiten unterwegs. Ich demonstriere, tage und diskutiere so viel wie nie zuvor in meinem Leben: Ich habe ein paar Mal montags in der Parteizentrale ausgeholfen und donnerstags, sooft es ging, die Crew-Treffen besucht. Beim Neupiratenabend in einer Friedrichshainer Kneipe habe ich mir von einem Pferdeschwanz tragenden Gründungsmitglied einige Anekdoten aus der Anfangszeit der Partei erzählen lassen. Beim Sommercamp der Piraten auf einer Dorfwiese im Havelland durfte ich miterleben, wie Piraten selbst am Badesee über die Speicherkapazität ihrer ersten Computerfestplatten fachsimpelten – und anschließend mit ihnen im Nieselregen unter einer alten Linde veganen Gemüseeintopf aßen.

Als wir im Hof bei Felix das Fußball-WM-Halbfinale Deutschland gegen Italien anschauten, lauschte ich in der Halbzeitpause den Gesprächen über zerlegte Rechner, Computerspiele und Freifunkantennen auf Berliner Dächern. Und auf der Gartenparty bei Fabio und Julia stand ich sogar einige Minuten neben dem Geschäftsführer Johannes Ponader – allerdings ohne zu wissen, worüber ich spontan mit ihm reden sollte. Als mir was eingefallen war, war er plötzlich weg, zum Einkaufen oder so. Wenn ich es richtig verstanden hatte, fehlte noch veganes Grillgut.

Ich weiß noch, wie ich mich anschließend ein bisschen über mich selbst ärgerte: Wie konnte ich, die Neupiratin, nur so blöd sein und die Chance verpassen, mit jemandem wie Ponader ins Gespräch zu kommen? Aber dann wurde mir klar: Dass er und ich uns nichts zu sagen hatten, könnte auch ein Indiz sein. So richtig angekommen bin ich in dieser Partei nach hundert Tagen wohl noch nicht. Es fühlt sich immer noch merkwürdig an, wenn ich, wie vorgestern, beim Picknick mit Freunden gefragt werde: »Echt, du bist in der Piratenpartei?«

Womöglich sind diese Eingewöhnungsschwierigkeiten nicht allein meine Schuld. Vor einigen Wochen brachten altgediente Parteimitglieder einen offenen Brief an uns »liebe Neupiraten« in Umlauf. Das Schreiben war eine einzige Anklage. Die Partei sei kein »Spielplatz für Dahergelaufene, die einfach nur so mitmachen oder ihre persönlichen Ziele einbringen wollen«, wetterten die Verfasser. Dann folgte eine deutliche Aufforderung an alle, die das nicht einsehen wollten: »Verpisst Euch! Hört auf, das kaputt zu machen, was im Herzen der Idee ›Piratenpartei‹ steckt.« Bei den Piraten sei kein Platz für »Egoisten, Spinner, Scientologen, Nazis, Rassisten, Sexisten oder irrationale Vollidioten!!« Zumindest im letzten Punkt hätte ich den Verfassern gerne zugestimmt. Bloß war ich mir leider nicht sicher, ob auch ich damit gemeint sein könnte.

Offensichtlich ging den Verfassern das ständige Genöle der Neuen auf die Nerven. Diese Partei sei »kein Selbstbedienungsladen, in dem man Zucker in den Arsch geblasen kriegt und hin und wieder blöd auf Konferenzen rumsitzt«, polterten sie. Sie lebe davon, dass »Dinge« getan würden. »Wenn niemand sie tut, geht es nicht voran.« Deswegen komme »der Mitgliedsausweis manchmal etwas spät, oder der Liquid-Zugang, oder irgendwas«.

Was sollte das heißen? Bin ich etwa selbst schuld, dass ich noch keinen Mitgliedsausweis habe und auch mein Zugang zur Berliner Landesebene von Liquid Feedback nach hundert Tagen noch nicht da ist?

Das würde ich bestreiten. Im Gegenteil: Ich finde das Do-it-yourself-Selbstverständnis der Piratenpartei ja eigentlich gar nicht mal schlecht. Allerdings bekomme ich langsam den Eindruck, dass dieses viel beschworene allgemeine piratige Mandat, wonach jeder aufgerufen ist, Ideen – die nichts kosten und positiv für die Partei sind – selbst umzusetzen, gerne mal als Ausrede und Rechtfertigung eingesetzt wird, nach dem Motto: »Nerv nicht, mach’s dir halt selbst!«

Und leider kommt das nicht immer so charmant rüber wie beim Landesschatzmeister Enno Park, der uns Neupiraten vor einiger Zeit via Twitter zurief: »Piratisches Mandat für Mitgliedsausweise: Nehmt ’ne alte EC-Karte und schreibt mit nem Edding ›Piratenpartei‹ und eure Mitgliedsnummer drauf!«