Kapitel 17
Ronnie hätte nie gedacht, dass die zwanghafte Reinlichkeit einer Katze so angenehm sein konnte.
Die Arme eng um seine Schultern, die Beine eng um seine Taille, ließ Ronnie Shaw in sich hämmern. Wieder und wieder. Sie hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie allein im Lauf dieses Vormittags gekommen war, aber sie hatte das Gefühl, dass das zu einer regelmäßigen Sache werden würde. Nicht dass es sie störte. Man musste als Mädchen schließlich sauber bleiben, oder?
Reißzähne erfassten die Haut an ihrer Kehle, und ein weiterer Orgasmus begann über sie hinwegzuspülen. »Ich kann nicht«, flehte sie über das Rauschen der Dusche hinweg. »Nicht noch mal.«
»Doch, du kannst. Du wirst. Himmel, Ronnie, du fühlst dich so gut an.« Sie explodierte bei seinen Worten, beim Klang der Sehnsucht in seiner Stimme. Und diesmal zog sie ihre Muschi so fest zusammen, dass sie sicher sein konnte, ihn mitzureißen.
Er brüllte an ihrer Kehle, und beiden glitten auf den Boden der Dusche, während das Wasser auf sie niederrauschte.
Irgendwann öffnete Ronnie die Augen und lächelte Shaw an. Er hatte schon wieder diesen Blick. Den, der ihr früher solche Angst gemacht hatte. Bei dem er sie mit solcher Liebe ansah, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte.
»Ich liebe dich«, sagte er wieder. Das sagte er oft. Ihr machte es nichts aus.
Sie beugte sich vor und küsste ihn. »Ich liebe dich auch.«
»Kannst du gehen?«
Sie kicherte. »Mit ein bisschen Hilfe, klar.«
»Ich habe eine Überraschung für dich.«
»Was für eine Überraschung?«
Mühevoll stand Shaw auf und zog sie mit hoch. Er hielt sich an ihr fest, als er die Dusche abdrehte und in sein viel zu großes Badezimmer hinaustrat.
»Sag es mir.«
»Sicher, dass du nicht warten willst?«
»Ich bin mir sicher. Sag’s mir.«
»Nein.« Er setzte sie auf den Waschtisch und küsste ihre Nase. »Aber ich verrate dir einen Teil davon.«
»Okay.«
Sie sah ihm nach, als er sich ein Handtuch holen ging, und begann ungeduldig zu zappeln. »Sag es mir«, quengelte sie.
»Okay, okay.« Er begann, sie mit dem Handtuch abzutrocknen. »Heute Abend haben wir diese Silvesterparty. Ich muss hin, ich bin schließlich der Gastgeber und so.«
»Ja, ja.« Keine große Sache. Sie hatte schon ein Kleid dafür. Sie hatte auch Schuhe, aber Shaw hatte deutlich gemacht, dass sie ihre Stiefel anziehen sollte. Er liebte diese Stiefel wirklich.
»Und morgen, an Neujahr …«
»Hey, Bruder.«
Zähneknirschend und ihren Körper mit seinem abschirmend, sah Shaw seinen kleinen Bruder finster über die Schulter an. »Was denn?«
»Ich muss mir einen Smoking leihen, wenn ich heute Abend mitsoll.«
»Kannst du dir keinen kaufen?«
»Sehe ich aus wie Krösus? Hallo? Polizistengehalt!«
»Hallo? Reicher Erbe. Geh runter und sag Timothy, er soll dich ausstatten. Und hör auf, immer einfach so in unsere Wohnung zu spazieren!«
»Warum? Ronnie hat schließlich nichts, was ich vorher noch nie gesehen hätte.« Mitch wackelte mit den Augenbrauen in ihre Richtung, was sie zum Kichern brachte.
»Manchmal habe ich das Gefühl, du willst, dass ich dich umbringe«, schäumte Brendon. Sie hasste sich fast selbst dafür, dass sie seine Eifersucht genoss.
Mitch lehnte sich ein bisschen vor, um sie besser sehen zu können. »Hey, Süße, wo ist meine Jacke?«
»Sissy Mae hat sie.«
Mitch runzelte die Stirn. »Warum?«
»Weil sie sagte: ›Ooh. Hübsche Jacke. Ich nehme sie.‹«
Jetzt sah er sauer aus. »Und du hast sie ihr einfach gegeben?«
»Alphaweibchen, schon vergessen? Abgesehen davon hatte sie mich vorher angeknurrt und geschnappt. Darauf hatte ich nicht noch mal Lust. Wenn du deine Jacke wiederhaben willst, musst du dich selbst darum kümmern, o König des Dschungels.«
»Na gut. Egal.« Mitch verschwand aus der Türöffnung, und Ronnie wollte Shaw gerade sagen, dass er ihr den Rest der Überraschung erzählen solle, als Mitch zurückgerannt kam – alle drei Reed-Brüder hart auf den Fersen.
»Komm zurück, du zwanzig Stunden schlafender Bastard!«
Brendon schüttelte den Kopf. »Ich muss das Schloss auswechseln.«
»Das nützt nichts. Jeder Wolf weiß, wie man ein Schloss knackt, Mann.«
»Na großartig.«
»Sieh mich nicht so an. Du wolltest mich, du hast mich bekommen. Das schließt auch meine Meute mit ein. Und jetzt erzähl mir von meiner Überraschung!« Sie zappelte wieder, und Shaw lachte.
»Ich kann fast deinen Schwanz wedeln sehen.«
»Haha.«
»Okay. Wir beide gehen morgen Nachmittag auf eine Reise. Mit Dads Privatjet.«
»Cool. Warte.« Sie runzelte die Stirn. »Hast du es mit der Liste verglichen?«
Shaw seufzte. »Keine Sorge. Du darfst legal dorthin, wohin ich dich mitnehme.«
»Nicht in diesem Ton! Ich habe dir die Liste gegeben, damit du nicht enttäuscht bist, wenn du versuchst, nach Singapur oder Madrid oder …«
»Ja. Ich weiß die hilfreiche und lange Tabelle mit all den vielen Orten zu schätzen, an die du nicht reisen kannst.«
»Das klang jetzt ganz schön sarkastisch.« Sie zappelte wieder. »Sag mir, wohin wir fliegen!«
»Nein. Das ist eine Überraschung. Aber du wirst mir so was von danken, wenn wir dort sind.«
»Du verlogener, hinterhältiger Hurensohn! Lass mich los, Brendon Shaw!« Ronnie versuchte noch einmal, an ihm vorbeizukommen, und er schnappte sie um die Taille und zwang sie die Verandastufen hinauf, während er weiter per Ferngespräch mit seiner Schwester stritt.
»Hör zu, Rissa, ich bin in ungefähr einer Woche daheim«, blaffte er ins Telefon. »Du wirst ja wohl in der Lage sein, das Hotel allein zu managen, bis ich zurück bin. Das ist schließlich keine Quantenphysik!«
»Das weiß ich, aber es ist eine Weile her, Bren. Ich sage ja nur, dass eine kleine Warnung, bevor du mit deiner Lassie abgehauen bist, eine beträchtliche Hilfe gewesen wäre.«
»Find dich damit ab. Ich muss los.« Er legte auf und hielt Ronnie fester, damit er sie zur Tür hinüberwuchten konnte.
Er hatte gehofft, sie würde zu müde sein, um sich groß zu wehren. Die Hotelparty hatte bis fünf Uhr morgens gedauert. Eine großartige Nacht mit Trinken, Essen und Ronnie. Er konnte sich keine bessere Art vorstellen, das neue Jahr einzuläuten. Nach der Party hatte Brendon sie in sein Apartment mitgenommen und mehrere Stunden gevögelt, hatte ihr nur drei Stunden Schlaf gegönnt und sie dann zum Flughafen gekarrt. Er hatte sie ins Flugzeug gesetzt und sie vom Schlafen abgehalten, indem er nach ihren College-Plänen fragte, bei denen sie sich noch immer zu keiner Entscheidung durchgerungen hatte, doch die Diskussion rief ein hübsches bisschen Panik hervor, die sie hellwach hielt.
Doch sobald sie aus dem Privatflugzeug seines Vaters ausgestiegen waren und ihr klar wurde, wo sie waren, hatte er höllische Schwierigkeiten gehabt, sie im Auge zu behalten. Sie hatte versucht, ihn in der Mietautofirma loszuwerden und dann beim Tanken unterwegs. Und er hatte sie schon einmal in den Wäldern der Umgebung jagen müssen. Er hatte nicht das Bedürfnis, das noch einmal zu tun … es sei denn natürlich, sie wären nackt.
Bevor sie sich wieder von ihm losreißen konnte, klopfte er an die Tür, und seine Frau wehrte sich noch erbitterter.
Aber sobald sich der Türknauf drehte, hörte sie auf zu kämpfen und drehte sich um, um sich dem Grauen auf der anderen Seite der Tür zu stellen.
Hätte er Ronnie nicht schon in den Armen gehabt, er hätte geglaubt, sie habe die Tür geöffnet … und sei ein paar Jahre älter geworden. Wow, dachte er überrascht, sie wird heiß sein, wenn wir fünfzig sind.
»Rhonda Lee.« Kraftvolle Arme verschränkten sich über einem Randy-Travis-T-Shirt. »Was führt dich hierher – nach all der Zeit?«
»Nach all der Zeit? Ich war erst vor vier Wochen hier!«
»Aber Weihnachten vergeht, und kein Wort von dir. Findest du das deinem Daddy gegenüber fair?« Mit einem resignierten Seufzen winkte Tala Lee Evans sie herein. »Na ja, ihr könnt genauso gut reinkommen, wo ihr schon hier seid. Deine Brüder sind vor ein paar Stunden angekommen.«
»Warum sind sie hier?«, wollte Ronnie wissen, ohne hineinzugehen.
»Das wirst du sie fragen müssen. Ich nehme an, sie wollten Neujahr mit ihren Eltern verbringen. Im Gegensatz zu manch anderen undankbaren Kindern, die ich erwähnen könnte.«
»Das war’s.« Ronnie warf die Hände in die Luft. »Ich gehe.«
Brendon holte sie auf den Verandastufen ein und musste ihre Finger mit Gewalt vom Geländer lösen.
Er trug sie ins Haus, und ihre Mutter deutete ins Wohnzimmer, anscheinend gänzlich unbeeindruckt davon, dass ihre erwachsene Tochter mit körperlicher Gewalt zurück ins Haus ihrer Kindheit gezwungen werden musste.
»Nur herein«, seufzte Tala. Er hatte noch nie zuvor eine Frau so von aller Welt ausgenutzt klingen gehört. Fast jeder Satz begann mit einem tiefen Stoßseufzer. Aber er spürte, dass sie nicht ernsthaft wütend oder verärgert war. Nur Theater.
Tala sah Brendon zu, wie er Ronnie ins Wohnzimmer trug und sie dort absetzte. Immer noch musste er sie an der Jacke festhalten, damit sie nicht abhauen konnte.
»So, so … eine Katze«, sagte Tala.
Nickend antwortete er: »Ja, Ma’am.« Eine Hand hielt immer noch Ronnies Jacke fest, während er vortrat und die andere Hand ausstreckte. »Brendon Shaw.«
Tala starrte seine Hand an, und mit einem dramatischen Seufzen sagte sie: »Möchten Sie Kaffee und Gebäck, Brendon Shaw?«
»Das wäre großartig, Ma’am.« Er fragte sich kurz, ob sie ihn immer bei seinem vollen Namen nennen würde.
»Also, dann können Sie sich auch genauso gut eine Weile hinsetzen.« Sie warf Ronnie einen Blick zu. »Deine Brüder sind in der Scheune. Sie sind bald zurück.« Sie sah ihre Tochter mit hochgezogener Augenbraue an und ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
»Was war das?«
Ronnie schlug Brendons Hand von ihrer Jacke. »Meine Momma glaubt, ich werde in ihrem makellosen Wohnzimmer Sex mit dir haben.«
Er hätte Tala Evans Wohnzimmer nicht gerade makellos genannt. Eher sauber und gemütlich. Aber gerade an diesem Morgen war ihm so langsam aufgefallen, dass Ronnies Kleider wohl einen dauerhaften Platz auf dem Fußboden seines Schlafzimmers gefunden hatten. Er hatte das Gefühl, dass seine Frau ein schlampiges Mädchen war, und daher fand sie das Haus ihrer Mutter wahrscheinlich makellos.
»Werden wir denn keinen Sex in ihrem makellosen Wohnzimmer haben?«
»Doch«, blaffte sie entnervt. »Aber sie sollte nicht davon ausgehen, dass wir es tun. Meine eigene Momma hält mich für eine Hure.«
»Nur mit mir.«
Als sie ihn wütend ansah, ging er davon, um sich die Fotos von Ronnie und ihren Brüdern von der Geburt bis jetzt anzusehen. Sie waren überall in dem kleinen Raum und bewiesen genau das, was Brendon sich schon gedacht hatte. Sie mochten von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang streiten, aber Tala liebte ihre Kinder eindeutig. Sogar Ronnie. Er nahm an, vor allem Ronnie.
»Ich kann nicht fassen, dass du mich hereingelegt hast, damit ich hierherkomme«, nörgelte sie, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Ich habe dich nicht hereingelegt«, sagte er gedehnt und lächelte auf ein Foto herab, das Ronnie als heulenden Welpen zeigte. »Dich hereinzulegen hätte bedeutet, dich ins Auto zu setzen und dich fünf Meilen von zu Hause in einem Feld auszusetzen. Was sehr ungerecht wäre.« Er duckte sich gerade noch unter ihrer Faust weg und lachte, während er sie in die Arme nahm.
»Ich wollte deine Familie kennenlernen, Ronnie, und darauf zu warten, dass einer von ihnen stirbt – was dein Vorschlag war –, ist inakzeptabel.«
Sie knurrte und schmollte, legte aber den Kopf an seine Brust und die Arme um seine Taille. »Dafür schuldest du mir was, Shaw.«
»Ich schulde dir eine Menge, Sexy.« Er küsste sie auf den Scheitel und dann auf die Wange. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und berührte sanft seine Lippen mit ihren. Mehr brauchte es nicht. Ihre Finger griffen in seine Haare, ein Stöhnen begann tief in ihrer Kehle, während Brendon sie eng an sich zog und sie so festhielt, wie er das den Rest ihres Lebens tun wollte.
Sie senkte die Hand und umschloss mit den Fingern durch die Jeans hindurch sein Glied, was ihn augenblicklich hart und bereit machte. Ihre Nippel waren hart unter ihrem Pulli, und er war ganz kurz davor, sie auf die Couch zu schubsen und sie zu vögeln, bis …
»Rhonda Lee Reed!« Die geknurrten Worte wurden durch den Raum geschleudert und ließen die beiden erschrocken auseinanderfahren. »Ich weiß, ich muss dir nicht sagen, dass du in meinem Wohnzimmer keinen Sex mit diesem Jungen haben wirst.«
Plötzlich fühlte sich Brendon wie ein Fünfzehnjähriger, der auf dem Sofa seiner Freundin erwischt wurde. Er musste sich sogar ein wenig zur Seite drehen, um seine Erektion wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»Und ich will dir noch etwas sagen« – Tala knallte ein Tablett mit zwei Tassen Kaffee und frischem Gebäck auf den Tisch – »ihr werdet in getrennten Zimmern schlafen.«
Ronnie schnappte empört nach Luft. »Was? Ich bin keine sechzehn mehr, Momma. Du kannst nicht …«
»Oh doch, ich kann, junge Dame! Das ist mein Haus. Und das bleibt es auch, bis sie meinen knochigen Hintern im Garten begraben. Bis dahin werde ich nicht zulassen, dass dein armer Vater zuhören müsst, wie ihr beide … ein Verhältnis habt. Hast du mich verstanden, Ronnie Lee?«
Ihrerseits dramatisch aufseufzend, wandte Ronnie sich ab und starrte aus dem Fenster. Es ging doch nichts über eine Pattsituation zwischen den Reed-Frauen.
Also antwortete Brendon für sie beide: »Wir verstehen, Ma’am.«
Ihre dunklen haselnussbraunen Augen, die Ronnies so sehr ähnelten, musterten Brendon von oben bis unten. »Zumindest die Katze hat ein bisschen Verstand, verdammt noch mal«, murmelte sie. »Und wenn dein Daddy aus seiner Brennerei zurückkommt, Ronnie Lee, rate ich euch, euch besser unter Kontrolle zu haben als so, wie ich euch eben sehen musste.«
Tala ging zurück in den Flur, hielt aber inne und wandte sich zu Brendon um. O-oh. »Schinken zum Abendessen, Brendon Shaw?«
Überrascht, dass sie fragte, erinnerte sich Brendon, dass er gerade zum Abendessen mit Wölfen eingeladen wurde und antwortete eilig: »Ja, Ma’am.«
»Gut. Man muss an Neujahr Schwein essen. Das bringt Glück. Ich mache sogar meine berühmte Kaffeesoße und selbstgebackene Brötchen. Sie werden es mögen.« Da schwang definitiv ein »Sonst …« mit.
»Klingt großartig, Ma’am.«
Sie grunzte und machte sich wieder auf den Weg in die Küche.
Ronnie wandte sich vom Fenster ab und knuffte ihn. »Du Schleimer!«
Er schubste zurück. »Streithenne.«
Sie starrten sich eine Weile finster an, dann griffen sie jeweils nach erreichbaren Körperstellen des anderen und kitzelten sich gegenseitig, wobei sie zur Couch hinüberstolperten. Sie konnten ihr Gelächter kaum unterdrücken, was noch von der Tatsache verschlimmert wurde, dass sie nicht wollten, dass Ronnies Mutter, die immerhin ein Wolfsgehör hatte, ihre Rauferei mitbekam. Oder, wie Ronnie es gern nannte, ihren »Ringkampf«.
Angesichts der Vorstellung von getrennten Schlafzimmern schien der einwöchige Urlaub in Tennessee plötzlich viel zu lang, und gleichzeitig konnte sich Brendon niemanden vorstellen, mit dem er lieber herumschleichen und sich heimlich begrapschen wollte.
Eines konnte er über seine Ronnie Lee sagen: Sie machte fast alles zu einem Riesenspaß.
Die Haustür ging auf, und er und Ronnie setzten sich eilig auf die entgegengesetzten Enden des Sofas.
Ein großer, unfreundlicher Hüne von einem Wolf blieb vor dem Wohnzimmer stehen und starrte sie an.
»Hey, Daddy!« Ronnie sprang auf, rannte zu ihrem Vater und schlang ihm die Arme um den Hals. Sie küsste ihn auf die Wange, und der alte Mann erwiderte die Umarmung. Doch seine Wolfsaugen blieben auf Brendon gerichtet.
»Du hast mir gefehlt, Daddy.«
»Du hast mir auch gefehlt, Kleine«, sagte Clifton Reed schroff. »Wer ist das?«
Ronnie ging zurück zu Brendon, der aufstand, um sich dem Mann zu stellen, der bereits vielen Männern Schmerzen zugefügt hatte, die seiner Meinung nach seine Tochter nicht wert gewesen waren.
»Daddy, das ist Brendon Shaw. Mein Gefährte. Brendon, das ist mein Daddy. Clifton Reed.«
»Mr. Reed.« Brendon trat vor und schüttelte dem alten Wolf die Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir.«
Der alte Mann grunzte. »Junge.« Er schaute wieder zu Ronnie hinüber. »Deine Brüder bringen Holz für ein Feuer rein. Sieht aus, als würd’s noch schneien. Wo ist deine Momma?«
Ronnie seufzte gutmütig. »Wo sie in den letzten fünfunddreißig Jahren, in denen ihr zusammen seid, jeden Tag um diese Zeit war. In der Küche.«
»Mehr braucht nicht gesagt zu werden, Kleine.« Mit einem weiteren Grunzen in Brendons Richtung ging der Wolf davon.
Ronnie strahlte ihn an. »Er mag dich«, flüsterte sie.
Brendon runzelte die Stirn. »Er mag mich? Der Mann hat mich angegrunzt! Zweimal!«
»Du atmest noch, oder?« Brendon hatte keine Ahnung, was er darauf antworten sollte, was Ronnie als Zustimmung wertete. »Genau.«
Die Haustür ging wieder auf, und schwere Schritte waren zu hören, als Ronnies Brüder hereinmarschierten, die Arme entweder mit Holz beladen oder mit Einmachgläsern voll von diesem Lackverdünner, von dem sie steif und fest behaupteten, er sei Schnaps.
Rory blieb als Erster stehen und starrte die beiden an. »Was macht ihr denn hier?«
»Er hat mich reingelegt«, sagte Ronnie schlicht.
»Du hast selbst entschieden, dich mit einer Katze einzulassen.« Rory ließ einen Stapel Holz neben den offenen Kamin fallen. »Was hast du erwartet?«
Ricky Lee zog seine dicke Winterjacke aus und warf sie nachlässig auf einen Sessel.
»Lass deine Jacke nicht herumliegen, Ricky Lee«, schrie seine Mutter aus der Küche.
»Wie macht sie das nur?«, wollte er wissen, als er den Mantel wieder aufnahm und ihn zum Wandschrank im Flur trug.
Ronnie wollte etwas sagen, und Rory unterbrach sie, ohne sie überhaupt anzusehen: »Und sag nicht Satan, Rhonda Lee. Das war schon vor zwanzig Jahren nicht lustig und ist es jetzt noch weniger.«
»Bleibt ihr Jungs bei Smittys Meute?«, fragte Brendon, während er im Raum herumging und alles in sich aufsaugte. Er genoss diese Seite des Familienlebens, die er vorher nie erlebt hatte, auch wenn sich dies jetzt vielleicht ändern würde, wo sowohl Marissa als auch Mitch ihre Blutsverwandtschaft eingeräumt hatten.
»Yup. Schon mit Daddy besprochen. Er weiß, dass es das Beste ist.«
»Abgesehen davon«, fügte Reece hinzu, der im Vorbeigehen liebevoll Ronnies Kopf kraulte und sich dann den ganzen Teller Gebäck nahm, »gefällt ihm die Vorstellung, dass wir ein Auge auf dieses kleine Monster haben.«
»Ihr müsst nicht auf mich aufpassen.«
»Ach nein?« Das breite Grinsen auf Rorys Gesicht ließ Brendon schmale Augen machen. Vor dem Kamin hockend, schaute Ronnies Bruder über die Schulter zu Brendon auf. »Hat dir Rhonda Lee mal erzählt, wie sie und Sissy Mae Geld verdient haben, als sie um die Welt reisten?«
»Nein. Wie hat sie …«
»Prostitution«, warf Ronnie Lee entschlossen ein. »Ich war eine Hure. Und eine gute noch dazu.«
»Hör auf zu lügen, Rhonda Lee«, rief ihre Mutter aus der Küche herüber. »Ich bezweifle, dass du überhaupt was getaugt hast.«
Brendon hielt Ronnie fest, bevor sie sich auf ihre Mutter stürzen konnte.
»Sie war keine Prostituierte«, sagte Ricky Lee, während er an Ronnie vorbeiging, aber nicht ohne ihr mit dem Mittelfinger an die Stirn zu schnippen.
»Ich würde eher sagen illegale Autorennen«, sagte Rory, und sein Grinsen wurde breiter.
Brendon blinzelte. »Was?«
»Du hast mich schon verstanden, Mann.«
»Sie und Sissy Mae«, fügte Ricky Lee hinzu.
»Sissy Mae hat die Rennen arrangiert und die Gegner rangeschafft, und Ronnie Lee hat sie zerlegt.« Reece lachte. »In Japan und Korea verkaufen sie immer noch ihre T-Shirts.«
Das Gesicht gerötet vor Scham, entfernte sich Ronnie Lee ein paar Schritte von ihnen und warf sich in einen der plüschigen Lehnsessel.
»Wie war ihr Motto noch mal, Ricky Lee?«, fragte Rory, der die Hände vor das mittlerweile lodernde Feuer im Kamin hielt.
»Ein reicher Junge und sein Geld sind leicht zu trennen.«
»Das stimmt. Sissy Mae suchte irgendeinen reichen Jungen ohne Verstand und mit einem heißen Auto. Sie forderte ihn zu einem Rennen, und die Hirnchirurgin da drüben ist gegen ihn gefahren. Wenn sie mit ihm fertig waren, hatten sie die Gewinne, das Auto des armen Trottels und manchmal eine Immobilie.«
»Die sie dann verkauften und investierten. Sissy Mae kann ein Zehncentstück in einer Stunde in zehntausend Dollar verwandeln.«
»Diese Wölfin ist wirklich begabt.«
»Ich will nicht mehr darüber reden«, knurrte Ronnie.
Nickend stand Rory auf. »Sie hat recht. Vielleicht ist es besser, wenn wir uns die richtig guten Geschichten fürs Abendessen aufheben.«
Die drei Brüder gingen hinaus, doch Rory drehte sich noch einmal um und fragte: »Wie seid ihr zwei überhaupt so schnell hierhergekommen?«
»Mit dem Jet von seinem Daddy.«
»Hey!«, jubelte Ricky. »Habt ihr das gehört, Jungs? Wir fliegen im Jet zurück nach New York City!«
»Wer hat euch eingeladen, verdammt?«, schrie Ronnie fast.
»Ronnie Lee, du kannst nicht von uns erwarten, dass wir Touristenklasse reisen, jetzt, wo du dir einen reichen Freund geangelt hast.«
Ronnie ließ ihre Reißzähne in Rickys Richtung aufblitzen, und Rory stellte sich zwischen sie. Er sah auf seine Schwester hinab und sagte: »Sei nett, Rhonda Lee, oder ich muss Momma erzählen, wie damals wirklich die Scheune niedergebrannt ist.«
Ihre Augen wurden schmal. »Du hast geschworen, dass du es nie verraten wirst!«
Ihr Bruder schnaubte und zwinkerte Brendon zu. »Rory Lee Reed in einem Jet. Klingt gut, oder?«
Lachend gingen die drei Brüder hinaus, und bis Brendon sich wieder zu Ronnie umgedreht hatte, stand schon eines der Fenster offen und sie war halb hinausgeklettert.
Er verdrehte die Augen, schnappte sie sich und zog sie zurück ins Haus.
Sie zappelte in seinen Armen. »Ich bleibe nicht hier!«
Brendon drehte sie um und küsste sie. Innerhalb von Sekunden rissen sie sich praktisch gegenseitig die Kleider vom Leib.
»Rhonda Lee!«, brüllte ihre Mutter aus der Küche. »Schwing deinen Hintern hierher, junge Dame!«
Erschreckt sprang das Paar auseinander.
Ronnie zog ihr Shirt wieder herunter, während Brendon den vorderen Teil seiner Jeans ordnete.
»Was ist los, Momma?«, rief Ronnie Lee und hielt dabei irgendwie ihr Keuchen im Zaum.
»Ihr kommt jetzt hier in die Küche und leistet mir Gesellschaft, während euer Daddy und die Jungs den Eber fürs Abendessen jagen.«
Wie ein Teenager verdrehte Ronnie die Augen. »Aber …«
»Sofort, Ronnie Lee.«
»Also gut!«
Mit dem Fuß aufstampfend, wollte Ronnie davonstürmen, doch Brendon schnappte sie am Arm und zog sie ein wenig zurück.
»Fang keinen Streit an, Ronnie.«
»Ich? Sie hat angefangen …«
»Ronnie.«
»Na gut. Wenn du dich auf ihre Seite schlagen willst – bitte schön. Ich hoffe, du genießt es, heute Nacht allein zu schlafen, Mann.«
Sie drehte sich um und wollte wieder davonstürmen, als Brendon zu ihrem Rücken sagte: »Ich habe den Rock eingepackt.«
Ronnie erstarrte in der Tür, ihr Körper spannte sich, sie klammerte sich an den Türrahmen. Nach einer Weile drehte sie sich um und flüsterte: »Nicht so laut, Brendon Shaw! Wenn meine Momma herausfindet, was wir auf dem Sofa deiner Eltern gemacht haben, häutet sie mich bei lebendigem Leib.«
Brendon stieg in ihr kleines Spiel ein, stellte sich vor sie, stützte die Hände an den Türrahmen und lehnte sich mit Armen und Körper zu Ronnie Lee. Wenn sie sich recht erinnerte, hatte er im Krankenhaus dasselbe mit ihr gemacht. Es war eine typische Shaw-Bewegung, die er in der Highschool oft gemacht hatte. »Ich habe versprochen, dass ich es keinem sage, und das werde ich auch nicht. Aber ich muss dich heute Abend sehen.«
»Ich … ich kann nicht. Ich habe nächste Woche einen Mathetest.«
»Triff dich mit mir, Ronnie.« Er beugte sich weiter vor, seine Lippen strichen über ihre Stirn. »Versprich mir, dass wir uns treffen.«
»Wo?«
»In meinem Auto. Heute Nacht.«
Sie schluckte. »In deinem Auto?«
»Ja. Ich will sehen, ob diese Stiefel genauso gut an der Decke meines Autos aussehen wie auf dem Boden.«
Ronnie sah kurz überrascht aus, bevor sich ein wunderschönes Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. Sie schüttelte den Kopf und war sofort wieder in ihrem Spiel. »Tun wir dann das, was wir … schon mal gemacht haben?«
»Hat es dir gefallen, was wir gemacht haben?«
Scheinbar zur gleichen Zeit peinlich berührt und erregt nickte sie. »Ja … schon.«
»Dann ja. Wir machen dasselbe wie neulich. Sooft du willst.«
»Rhonda Lee Reed! Schwing sofort deinen Hintern hierher!«
Ihr Grinsen kehrte zurück. »Ich komme, Momma«, rief sie. Dann musterte sie Brendon von oben bis unten. »Zumindest will ich das hoffen. Heute Nacht. In diesem Auto.«
Brendon lachte. »Das verspreche ich.« Er strich ihr mit einem Finger über die Wange. »Ich liebe dich, Ronnie Lee.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mund. »Ich liebe dich auch. Und jetzt«, sie nahm seine Hand und verschränkte die Finger mit seinen, »amüsieren wir uns damit, uns gegenseitig sexuell zu belästigen, wenn meine Familie nicht hinsieht.«
Grinsend ließ sich Brendon von Ronnie in die warme Küche der Familie Reed führen. »Rhonda Lee Reed, ich liebe deine Art zu denken.«