Kapitel 10
Sie roch gut. Sie hatte sein Shampoo und sein Duschgel benutzt, und ihm gefiel, wie diese Gerüche an ihr hingen.
Sie hatte außerdem eine abgetragene schwarze Jeans übergezogen, einen schwarzen Pulli mit V-Ausschnitt und schwarze Cowboystiefel, die höllisch sexy auf seinem Holzboden klapperten. Und ihre Motorrad-Lederjacke ließ sie aussehen wie einen dieser Bikerwölfe, die die Westküste und Texas unsicher machten.
»Was ist los?«, fragte sie, als sie sein Gesicht sah.
»Nichts. Können wir gehen?«
Er wollte aufstehen, aber sie drückte ihn zurück aufs Sofa und setzte sich mit gespreizten Beinen auf seinen Schoß.
»Na komm schon, Schätzchen. Irgendwas stimmt nicht. Was ist es?«
Ronnie legte ihm die Arme um den Hals und sah ihn abwartend an. Ihm dämmerte, dass es ihr wirklich wichtig war.
Brendon hatte immer das meiste für sich behalten, oder es höchstens mit seiner Schwester geteilt. Es gab nur wenige, denen er Persönliches anvertraute, doch diese haselnussbraunen Augen, die ihn geduldig ansahen, gaben ihm ein bemerkenswert sicheres Gefühl.
»Mein Bruder ist schon wieder verschwunden.«
Sie verzog das Gesicht, und er wusste, dass er recht gehabt hatte. Es war ihr wichtig. »Das tut mir leid, Schatz.« Sie fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare. »Ich weiß, dass du dir Sorgen um ihn machst. Und ich glaube, du hast recht. Er verbirgt definitiv etwas. Aber du kannst ihn nicht schützen, wenn er es nicht will. Was auch immer es ist – ich glaube, er muss selbst damit fertigwerden.«
»Ich weiß. Aber ich habe das Gefühl, dass ich ihm helfen sollte. Ich habe erst von ihm erfahren, als er fünfzehn war, und ich war nicht da, um ihn zu beschützen, wie ich es hätte tun sollen.«
»Das ist nicht deine Schuld.«
»Ich weiß. Das macht es aber auch nicht besser.« Er seufzte. »Ich fühle mich deshalb nicht weniger verantwortlich dafür, dass er so ein …«
»Versager ist?«
Er nickte. »Ja.«
Sie strich ihm mit der Hand über die Wange. »Ich sage es dir nur ungern, aber er sieht nicht gerade hilflos aus. Außerdem scheint es nicht so, als wolle er Hilfe. Und, wie mein Daddy sagen würde: ›Versager‹ ist relativ.«
Shaw lachte kurz auf. »Dein Vater hat eindeutig eine Menge interessanter Redensarten.«
»Du machst dir keine Vorstellung. Er würde auch sagen, dass es nichts gibt, was du dagegen tun kannst. Dein Bruder ist erwachsen. Er muss seine eigenen Entscheidungen treffen. Du kannst nur hoffen, dass er anfängt, das Richtige zu tun, und dass er sich dabei nicht selbst anzündet.«
Brendon runzelte verwirrt die Stirn. »Hä?«
»Vergiss es. Eine lange Geschichte. Und jetzt« – sie lächelte, und er spürte, wie sich seine Stimmung auf der Stelle aufhellte – »hast du versprochen, dass wir hier rausgehen.«
»Das habe ich.«
»Dann lass mich nicht warten, Mann.«
»Eine Sekunde.« Er neigte den Kopf und rieb seine Wangen an ihrem Gesicht, ihrem Hals, ihrer Brust und schließlich an ihren Händen. Sie kicherte und versuchte, ihn wegzuschieben.
»Was soll das?«
»Okay, jetzt können wir gehen.« Brendon stand auf und stellte sie auf die Füße.
Er ging zur Tür, während sie an ihren Händen schnüffelte.
»Hey … Hey! Hast du mich markiert?«
Er packte sie hinten an ihrer Jacke und zog sie zur Tür. »Hör auf zu schreien, Sexy. Das geht wieder ab.«
»Daaaadddddyyyyyyyyyyyyy!«
Ronnie verdrehte die Augen. Die Kleine traf Töne, bei denen sie als Antwort bellen wollte.
Das kleine Mädchen riss sich von seiner Mutter los und rannte direkt in Shaws Arme. Er nahm sie hoch und schwenkte sie durch die Luft. Sie jauchzte noch einmal vor Vergnügen und zappelte mit den kleinen Beinen.
Ronnie trat zurück; sie wollte nicht stören und weigerte sich zu fragen, warum Brendon Shaw sie hierherschleppte, um seine verdammten Kinder kennenzulernen. Das hat nichts zu sagen, Ronnie Lee. Er dachte sich wohl, er könnte das erledigen, wenn er schon mal unterwegs ist.
Ja, klar. Diese Argumentation klang wirklich dämlich.
Da sie sich nicht hineinsteigern wollte, tat Ronnie das Einzige, was ihr einfiel. Sie hielt auf der ruhigen Straße nach Gefahren Ausschau. Dasselbe hätte sie getan, wenn es ein Welpe aus der Meute gewesen wäre.
»Was hat mein kleines Mädchen vor?«
»Wir fahren zu Grandma. Zur Neujahrsjagd!«, jubelte sie.
Anscheinend besaß Shaws Kind nur eine Lautstärke, und Ronnies Kopf hatte schon angefangen zu hämmern.
Ein junges Paar ging auf dem gegenüberliegenden Gehweg entlang, und Ronnie beobachtete sie mit einer Eindringlichkeit, die schon an eine Psychose grenzte. Sie konnte nicht anders. Sie kannte sie nicht, war sich nicht sicher, ob sie ihr gefielen, und Shaws Kinder waren direkt hinter ihr. Dem Pärchen gefiel wohl nicht, was sie in ihrem Gesicht lasen, denn sie beschleunigten ihre Schritte und verschwanden um eine Ecke. Da merkte Ronnie, dass Shaw sie gerufen hatte.
»Was?« Sie drehte sich um und sah Shaw, der seine Tochter mit einem Arm an seine Brust drückte und den anderen nach ihr ausstreckte. Er wackelte mit den Fingern, und sie nahm seine Hand.
»Baby, das ist Daddys Freundin Ronnie. Ronnie, das ist meine Tochter Serena.«
»Hi, Serena.«
Das kleine Mädchen schmiegte sich an das Gesicht seines Vaters, während ihre durchdringenden goldenen Augen sie musterten. Babyraubtiere. Man musste sie einfach lieb haben.
»Du riechst anders«, sagte sie schließlich.
Ronnie nickte. »Das stimmt.«
»Und du riechst auch nach Daddy.«
Mit einem finsteren Blick auf Shaw sagte Ronnie: »Das stimmt auch.«
»Dann gehörst du zum Rudel?«
»Äh …«
»Sei nicht unhöflich, Serena«, tadelte eine Löwin, die den Butler oder Chauffeur oder was auch immer dabei beaufsichtigte, wie er eine der wartenden Limousinen belud. »Wir sind ungefähr eine Woche nach Neujahr wieder da, Brendon.«
»Das ist gut, Allie.« Er und seine Tochter rieben die Nasen aneinander. »Wenn du wieder da bist, wohnst du eine Weile bei mir, Baby.«
Das Mädchen jubelte und küsste seinen Vater ins Gesicht.
Eine andere Löwin kam heraus, ein Kleinkind in den Armen.
»Hey, Brendon.«
»Hey, Serita.«
»Schön, dass du vorbeikommen konntest, bevor wir gehen.« Sie sah, wie der Limousinenfahrer versuchte, eine Tasche in den Kofferraum zu packen. »Nein, nein! Nicht so! Ach, geben Sie her, ich mach es selbst.«
Sie drehte sich zu Shaw um, sah, dass er die Hände voll hatte, und versuchte es dann bei ihrer Schwester, die eine Augenbraue hochzog. »Hände voll.«
Damit meint sie wohl die eine winzige Louis-Vuitton-Tasche, die sie am Arm hat.
»Hier.« Sie sah Ronnie an. »Es macht dir doch nichts aus, oder?«
»Äh …« Bevor Ronnie etwas antworten konnte, streckte der kleine Junge die Arme nach ihr aus, und die Löwin warf ihn Ronnie förmlich in die Arme.
Shaw grinste. »Alles klar?«
»Ja, klar.« Sie hatte schon öfter Kinder auf dem Arm gehabt. Eine ganze Menge. Sie besaß nach ihrer letzten Zählung mehr als fünfunddreißig Cousins und Cousinen. Doch das hier war kein Wolfswelpe. Das hier war ein Löwe. Ein zukünftiges Alphamännchen. Es fühlte sich ein wenig überwältigend an. Was, wenn sie ihn fallen ließ oder so?
»Ich nehme an, dass Missy nicht hier ist, Allie.« Shaw rieb seine Wange an der seiner Tochter, während er die Hand ausstreckte und seinem Sohn liebevoll über den Kopf strich.
»Nein. Sie ist früh am Morgen mit den anderen Kindern losgefahren. Zum Glück. Wenn ich mir noch einmal hätte anhören müssen, wie sie sich über Mace und diese Frau beschwert, hätte ich ihr die Arme ausgerissen.«
»’dammte Schlampe.«
Schockiert sahen sie alle das kleine Mädchen in Shaws Armen an.
Allie zuckte zusammen, als Shaw sie böse ansah. »Tut mir leid, Brendon.« Sie zog ihre Tochter an den Haaren. »Ich habe dir doch gesagt, dass das schlimme Wörter sind, Serena. Und dass du so etwas nicht sagen sollst.« Dann sah sie wieder Shaw an. »Ich rede mit Missy, wenn ich sie sehe.«
»Tu das. Ich würde wirklich nur ungern unsere Vertragsbedingungen durchsetzen, weil deine Schwester nicht den Mund halten kann.«
»Ich sagte, ich kümmere mich darum. Hey!«, knurrte Allie, als ihre Schwester eine der Taschen aus dem Kofferraum warf. »Das ist meine!«
Ronnie drückte den Jungen in ihren Armen an sich. Er war erst ungefähr zwei, wenn sie richtig schätzte, mit einer unglaublichen, unzähmbaren Baby-Haarmähne. Es war noch keine volle Mähne, aber eines Tages würde sie vielleicht an die seines Vaters heranreichen. »Vertrag?«
»Glaubst du wirklich, ich würde das ohne einen wasserdichten Vertrag machen?«, murmelte er ihr zu, küsste seine Tochter auf den Scheitel und strich ihr mit der Hand über den Rücken.
Du meine Güte, ein Paarungsvertrag. Auf solche Ideen konnten nur Löwen kommen. Wölfe waren viel mehr … »im Hier und Jetzt«. Eine Flasche Tequila und ein ruhiges Plätzchen in einem Garten während einer Party, und ganze Meuten entstanden, mit Paaren, die fünfzig oder sechzig Jahre zusammenblieben.
Neugierig fragte sie: »Was haben sie dir genau gezahlt?«
»Mir gezahlt?«
»Du weißt schon … damit du … äh …« Sie senkte die Stimme zu einem kaum noch hörbaren Flüstern, »dich paarst?«
Shaw blinzelte, dann platzte es aus ihm heraus: »Was?«
Ronnie machte einen schnellen Schritt rückwärts, und seine Tochter kicherte. »Du hast ihn wütend gemacht.«
»Ich dachte nur …«
»Tja, du irrst dich.« Er sah verletzt aus, dass sie so etwas auch nur dachte. »In dem Vertrag geht es nur um die Kleinen. Alles ist klar geregelt. Sorgerecht. Besuchsrecht. Und die wichtigsten Grundregeln. Das ist alles. Alles andere läuft … na ja …« Er schaute auf den Kopf seiner Tochter hinab.
Ronnie grinste. »In gegenseitigem Einvernehmen?«
»Genau.« Er zuckte die Achseln. »Ich bin nicht in einem Rudel groß geworden. Ich wollte sehen, wie es ist.«
»Und?«
Er nickte. »Ich liebe meine Kinder.«
Kichernd wiegte Ronnie den kleinen Jungen in ihren Armen.
Shaws Gesichtsausdruck wurde warm, als er sah, wie sein Sohn das Gesicht an Ronnies Hals vergrub. »Er mag dich.«
»Wie der Vater, so offensichtlich auch der Sohn. Er knabbert schon seit fünf Minuten an meinem Hals.«
»Sei froh, dass er noch keine Reißzähne hat.«
»Okay. Zeit zu gehen.« Allie versuchte, ihre Tochter von Shaw wegzuziehen, aber das kleine Mädchen hielt sich fest, als hinge sein Leben davon ab, und weigerte sich, seinen Vater loszulassen. Shaw brachte die Kleine selbst zur Limousine und hatte sie überraschend schnell angeschnallt.
Ihr kleiner Kerl, Erik, wie Ronnie schließlich herausfand, wehrte sich nicht, als sein Vater ihn aus ihren Armen nahm, aber er sah ihr mehrere Sekunden lang tief in die Augen. Bevor er sich in seinen eigenen Kindersitz schnallen ließ, küsste er sie auf die Wange.
Als die Limos abfuhren, drehte sich Ronnie zu Shaw um. »Du lieber Himmel, dieser Junge ist genau wie du.«
»Also, erzähl mir von deiner Mom.«
Er hatte nicht erwartet, dass diese Frage sie über ihre eigenen Füße stolpern und in die Regale der Erotik-Abteilung der Buchhandlung fliegen ließ, in die er ihr gefolgt war. Zum Glück hatte er schnelle Hände und fing sie auf, bevor ihr Kopf mit dem Kamasutra kollidieren konnte.
»Hoppla! Ist alles in Ordnung?« Die wenigen Male, die sie die Frau erwähnt hatte, waren nicht sehr positiv gewesen. Brendon hoffte einfach herauszufinden, warum nicht.
Ronnie nahm seine Hände und ließ sich von ihm hochziehen. »Mir geht’s gut. Mir geht’s gut.«
»Du musst mir nicht antworten, wenn du nicht willst.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Es macht mir nichts aus.«
»Ihr zwei streitet viel, nehme ich an.«
»Nicht oft. Nur jedes Mal, wenn irgendwo auf der Erde die Sonne auf- oder untergeht.«
Brendon lachte und ließ sie nicht sofort los. Er hatte sie gern im Arm. »Okay, ihr zwei habt also eure, äh, Probleme.«
Ronnie versuchte, sich aus seinen Armen zu befreien, doch als er sie nicht losließ, zuckte sie die Achseln und lehnte sich an ihn. »Ja. Wir kommen nicht besonders gut miteinander aus. Sind wir noch nie. Mein Daddy sagt, wir hätten schon angefangen zu streiten, als ich noch in ihrem Bauch war.« Sie beugte sich vor und nahm eines der Bücher vom Regal. »Sagte, er sei einmal ins Zimmer gekommen und hätte sie ertappt, wie sie ihren Bauch anschrie, ich solle aufhören, sie so verdammt oft zu treten.«
Eine Hand um ihre Taille gelegt, nahm Brendon ihr das Buch aus der Hand. »Lass mal sehen, was wir hier haben.« Er las rasch den Klappentext auf der Rückseite. »Nö. Vergiss es. Es kommt kein Spanking vor. Du wirst dich langweilen.«
Sie versetzte ihm einen Ellbogenstoß in den Magen. »Ich werde mich nicht langweilen!« Sie riss ihm das Buch wieder aus der Hand. »Ich muss nicht über Spanking lesen, weißt du?«
»Stimmt. Warum darüber lesen, wenn ich dir selbst den Hintern verhauen kann?«
Sie trat ihm mit Kraft auf den Fuß. Jedem anderen hätte es höllisch wehgetan. Er versuchte, sich das Buch zurückzuholen, aber sie hielt es fest, und die beiden lachten, während sie sich darum balgten. Sie brauchten eine Weile, bis sie merkten, dass sie beobachtet wurden. Langsam sahen sie über die Schulter zu dem Menschen hin, der sie angaffte. Sie starrten ihn eine Weile an, dann knurrte Ronnie und schnappte. Der Mann konnte nicht schnell genug wegkommen.
Grinsend sah Ronnie zu Brendon auf. »Ich liebe das.«
Sie erwähnte die Unis, an denen sie Bewerbungsgespräche ausgemacht hatte, und Shaw fuhr sie zu der, die am nächsten lag. Sie stiegen aus und spazierten eine gute halbe Stunde auf dem ausgestorbenen Campus herum, bevor Ronnie sich auf eine Bank neben einem japanischen Garten setzen musste.
»Ich kann das nicht. Ich kann nicht wieder zurück.«
»Warum nicht?« Er setzte sich neben sie und strich ihr mit der Hand den Rücken hinab. »Ronnie, das wird schon.«
»Ich wäre gefangen. Wie ein Tier. In diesen winzigen Klassenzimmern. Und sie werden von mir erwarten, dass ich zu bestimmten Zeiten an bestimmten Tagen dort bin – vier Jahre lang!« In diesem Moment klangen vier Jahre etwa so schlimm wie vierzig.
»Du bist nicht wirklich gut in Alltagsroutine.«
»Warum sollte ich? Was ist so toll an Routine? Jeden Tag dasselbe. Gibt es etwas Deprimierenderes?«
»Routine bedeutet nicht immer Langeweile.«
»Ha!«
Shaw kraulte ihren Kopf und beugte sich vor, um ihre Schläfe zu küssen. »Was willst du überhaupt studieren?«
Achselzuckend antwortete sie: »Wahrscheinlich Maschinenbau. Das habe ich beim ersten Mal studiert.«
Als er nichts sagte, sah Ronnie ihn an. Er schaute mit besorgtem Gesichtsausdruck über den Campus.
Beleidigt boxte sie ihn gegen die Schulter, sodass er zusammenzuckte. »Ich weiß, dieser Akzent verwirrt euch arrogante Yankees, aber aus den Südstaaten zu kommen heißt nicht, dass man dumm ist.«
»Ich habe nie gesagt …«
»Halt die Klappe.«
Shaw gab schnell nach, aber sie wusste, dass er versuchte, nicht zu lachen. Genau wie sie.
Er räusperte sich und sagte: »War das das Lehrbuch, das du im Krankenhaus dabeihattest? Das, mit dem du mich geschlagen hast?«
»Du hattest es verdient. Und ja. Eines meiner alten Maschinenbau-Lehrbücher.« Sie rieb sich mit den Händen übers Gesicht und lehnte sich zurück. »Ich habe angefangen, es zu lesen, und alles ist wieder auf mich eingestürmt. Wie langweilig das alles ist. Kein Wunder, dass Sissy Mae mich nicht groß überreden musste zu verschwinden. Und verschwunden bin ich.«
Er kicherte. »Aber ich dachte, du wolltest dein Leben ändern. Sesshaft werden …«
Ronnie setzte sich abrupt auf und schlug ihm die Hand vor den Mund. »Lass uns diese Worte im Moment nicht benutzen.«
Seine goldene Augen sahen sie eindringlich an, und er nahm ihre Hand von seinem Mund. »Was, wenn du den Richtigen finden würdest, Ronnie? Würdest du dann sesshaft werden?«
»Du meinst, den richtigen Wolf?« Sie wollte die Unterschiede klarstellen, denn ihr gefiel der Ausdruck auf seinem umwerfenden Gesicht nicht.
»Warum willst du dich einschränken?«
»Hauptsächlich, weil ich keine seltsam aussehenden Kinder haben will.«
Shaw verdrehte die Augen. »Sag mir nicht, dass du diesen Zucht-Quatsch glaubst. Nur weil zwei verschiedene Rassen sich paaren, heißt das nicht …«
Sie hatte ihre Brieftasche herausgezogen und ihre Fotos ausgeklappt, bevor er seinen Satz beenden konnte. »Einen Sommer waren wir bei Sissy Maes Cousinen in North Carolina. Die Mutter gehört zur Smith-Meute, der Vater ist ein schwarzer Leopard. Das ist ihre Tochter, wenn sie sich verwandelt hat.«
Ronnie reichte Shaw ein Bild von sich, Sissy Mae und ihrer Cousine vor vielen Jahren, auf dem sie nach der Familienjagd zum vierten Juli zusammen herumlagen.
Shaw zuckte zurück. »Himmel!«
»Ja. Genau. Findest du diesen schiefen Zahn attraktiv?«
Er schauderte, versuchte aber, es zu verstecken. »Okay. Das ist ein Beispiel.«
»Wirklich? Hast du schon mal einen Wolf mit einer vollen Mähne gesehen? Oder eine Katze mit einer langen Schnauze?«
Er schüttelte sich wieder. »Okay, okay.« Er deutete auf das Bild. »Aber wie sieht sie als Mensch aus?«
Sie blätterte ein paar Bilder weiter und zeigte ihm eines von den drei Freundinnen am Strand von North Carolina, das ein oder zwei Jahre alt war.
»Wow!« Shaw nahm ihr die Brieftasche aus der Hand. »Sie ist heiß!« Er schaute Ronnie an und dann wieder das Foto. »North Carolina, ja?« Er schubste Ronnie von der Bank. »Dort finde ich das Babe mit dem schiefen Zahn?«
Und dann rannte er so schnell, dass er sich nicht sicher war, ob sie ihn einholen würde.
Brendon sah sich in dem Tanzstudio um und runzelte die Stirn. »Erklär mir bitte, was wir hier machen.«
Aus einem unerfindlichen Grund hatte sie ihn in eines dieser Gesellschaftstanz-Studios geschleppt und sie für einen der Fortgeschrittenen-Kurse angemeldet. Sie wollte ihm nicht sagen warum, aber sie kicherte die ganze Zeit, was ihn langsam sehr nervös machte.
»Würdest du dich bitte endlich entspannen? Du bist so verspannt!«
»Ich bin nicht verspannt. Ich bin nur nicht gern verwirrt. Das haben wir Katzen so an uns.«
Ronnie rümpfte die Nase und sah ihn finster an. »Willst du damit andeuten, dass Wölfe gerne verwirrt sind?«
»Ich will überhaupt nichts andeuten. Ihr seid diejenigen, die ohne ersichtlichen Grund ihren Schwanz jagen.«
Sie wollte ihm wieder auf den Fuß treten, aber diesmal wich er aus. Dann begann der pulsierende Rhythmus lateinamerikanischer Musik, und der Lehrer stellte sich in die Mitte des Raumes.
»Also gut, alle miteinander. Wir finden einen Partner und fangen an.«
Ronnie schnappte seine Hand und zerrte ihn in die Mitte der Tanzfläche.
»Bist du verrückt geworden? Ich weiß nicht, wie man das macht!«
»Oh doch, das tust du.«
»Nein, tu ich nicht!«
Ronnie begann, sich im Takt zu bewegen, und wackelte mit ihrem herrlichen Hintern, wie nur sie es konnte. »Komm schon, Schatz«, lockte sie. »Du hast das neulich Nacht großartig gemacht.«
»Neulich …« Oh Gott! Er sah sich nach den anderen Tanzpaaren um. »Ich … ich dachte, das hätte ich geträumt!«
Sie nahm seine Hände und fing an, Mambo mit ihm zu tanzen. »Nein. Du hast überhaupt nichts geträumt. Ich hatte keine Ahnung, dass du dich so gut bewegen kannst.« Sie machte einen Rückwärtsschritt und schwang den Kopf von einer Seite zur anderen, genauso wie – das wurde ihm jetzt bewusst – er es in jener Nacht getan hatte, nur dass dabei seine Mähne im kalten Dezemberwind geweht war.
»Oh Himmel, erschieß mich bitte!«
»Na, na. Kein Grund, sich zu schämen vor der guten alten Ronnie Lee.« Sie drehte sich um und rieb ihren Hintern im Takt an seinem Schwanz. »Eines Tages werde ich dir den Two-Step beibringen müssen, aber für den Moment genügt das hier.«
Er nahm ihre Hand, wirbelte sie herum und fing sie in seinen Armen. »Du wirst niemals jemandem davon erzählen, Rhonda Lee.«
»Meine Lippen sind versiegelt, Schätzchen. Außer beim Sex.«
»Braves Mädchen.« Er begann sich zu bewegen, hielt dann abrupt inne und sah sie panisch an. »In dieser Nacht … da habe ich doch sonst nichts, äh, Peinliches gemacht, oder?«
Sie prustete, während sie die Schritte der anderen Tänzer beobachtete und nachahmte. »Ich habe drei Worte für dich, Mann: Aufforderung. Zum. Spiel.«
Oh, kann mich bitte einfach jemand erschießen?
Ronnie machte einen Schritt zurück, legte das Gesicht in Falten und zuckte die Achseln.
»Was heißt das?« Shaw schaute hinab auf das, was er anhatte. »Sieht es nicht gut aus?«
»Es sieht ganz nett aus.« Um genau zu sein, sah der Mann umwerfend aus. »Smokings sind nur …« Sie zuckte wieder die Achseln. »Langweilig.«
Er warf die Hände in die Luft. »Und was würdest du vorschlagen?«
»Warum fragst du mich? Mir ist egal, was du trägst.«
»Ich frage dich, weil du bei mir sein wirst, wenn ich das hier an Silvester trage.«
Ronnie machte noch einen Schritt rückwärts. »Was? Wann habe ich dazu ja gesagt?«
»Hast du nicht. Aber du bist meine Begleitung für Silvester.«
»Und wann genau hast du das beschlossen?«
»Als ich dich kennengelernt habe.«
»Und du hast angenommen, ich würde ja sagen?«
»Ja. Es sei denn, du hast eine andere Verabredung.«
»Wenn ich eine andere Verabredung hätte, wäre ich nicht mit dir hier.« Verärgert ging sie auf ihn zu. »Ich treffe mich immer nur mit einem Mann. Ich treffe mich möglicherweise nicht lange mit ihm, aber ich habe nicht mehrere.«
Shaw schob die Hand in ihren Nacken und zog sie an sich. Ihre Haut kribbelte, wo er sie berührte.
»Gut«, murmelte er. »Ich würde wirklich ungern einen Mann töten müssen, nur weil er mir im Weg ist.«
»Werd nicht zu anhänglich, Mann. Das ist eine vorübergehende Sache.« Nett, aber vorübergehend. Oder etwa nicht?
»Gehst du irgendwohin, wovon ich nichts weiß?«
Sie versuchte ihm zu antworten, ihm zu sagen, dass sie bald weg sein würde, wie schon so viele Male zuvor. Aber er massierte ihren Nacken, und sie musste nach seiner Hand fassen, als ihr Bein zu zittern begann.
Er sah sie an, sah hinunter auf ihre Beine, und sie stolperte von ihm weg, bevor er wieder damit anfangen konnte.
»Mann, bin ich hungrig!« Sie räusperte sich, damit sie den nächsten Satz nicht so schrie, wie sie den ersten geschrien hatte. »Wie wäre es mit Abendessen?«
»Ich kenne ein perfektes Restaurant. Ein toller Italiener mit unglaublichen Desserts.«
»Perfekt.«
»Was ist mit dem Smoking?«
Sie zuckte die Achseln. »Wenn du nichts Besseres zustande bringst.«
»Er ist von Armani.«
Sie deutete auf ihre Jeans. »Und die ist von Old Navy. Ist mir egal, wenn ich Hunger habe. Los jetzt, Mann.«
Brendon nahm noch einen Bissen von dem dunklen Schokoladenfondantkuchen mit belgischer dunkler Schokolade, »nappiert« mit dunkler Schokoladensoße, eine Monstrosität, die sie sich zum Nachtisch bestellt hatten. Der Teller, auf dem der Kuchen serviert wurde, nahm den halben Tisch ein. Zum Glück hatten sie nur einen bestellt und beschlossen, ihn zu teilen.
Ronnie nahm noch einen Löffel. »Okay, warst du je verliebt?«
Sie hatten den ganzen Tag zusammen verbracht, und Brendon hatte noch nie so viel Spaß mit einer Frau gehabt. Mit Ronnie war alles leicht und lustig, sie schien das Leben im Allgemeinen zu genießen, und sie mochte seine Kinder. Jetzt aßen sie in einem seiner Lieblingsrestaurants zu Abend, hatten sich draußen hingesetzt, damit sie die Welt vorbeihasten sehen konnten, während sie je eine Portion Entrecote verdrückten. Blutig.
Brendon kaute die Walnüsse, die in seiner Hälfte des Schokoladendesserts waren. »Ein Mal«, sagte er nach kurzem Nachdenken. »Als ich dreizehn war. Ihr Name war Denise Leweskie. Für sie habe ich Polka tanzen gelernt.«
Er erwartete, dass Ronnie ihn auslachte – seine Schwester hatte es jedenfalls in der siebten Klasse getan, bis er sie zusammen mit seinem ungewaschenen Tiefschutz in seinen Turnhallenspind gestoßen hatte.
Aber Ronnie lachte nicht. Stattdessen sagte sie: »Das ist ja gar nichts. Um einen Eisbären zu beeindrucken, den ich in der Schweiz kennengelernt hatte, habe ich mich einmal auf zwei winzige Bretter gestellt und bin einen schneebedeckten Berg hinuntergeflogen.«
Brendon blinzelte. »Meinst du Skifahren?«
»Ja. Nie wieder. Was auch genau meine Worte waren, als ich in die Luft flog. Ich habe es außerdem im Krankenhaus noch einmal gesagt. Und während ich im Streckverband lag.«
Er konzentrierte sich auf das Dessert vor sich, um ihr nicht direkt ins Gesicht zu lachen, und fragte: »Hattest du nicht vorher Unterricht genommen?«
»Unterricht? Oh nein. Ich brauchte keinen Unterricht.« Er sah auf und stellte fest, dass sie angewidert von ihrer eigenen Dummheit den Kopf schüttelte. »Weißt du, Sissy sagte, ich bräuchte keinen Unterricht. ›Du bist eine Gestaltwandlerin‹, sagte sie. ›Wir können alles‹, sagte sie. Und die Tatsache, dass ich sechs Tassen heiße Schokolade mit Tequila intus hatte, ließ mich glauben, dass sie recht hatte. Also waren wir da auf diesem Berg irgendwo am Arsch der Welt in der Schweiz, um Mitternacht …«
»Um Mitternacht?«
»Ja. Und ich stand an der Strecke für die kleinen Kinder und dachte: ›Mädchen, hast du deinen verdammten Verstand verloren?‹, und Sissy sagte: ›Wenn du einen Eisbären beeindrucken willst, Ronnie Lee, gehst du besser rüber zu der anderen Piste … ganz da oben.‹ Also ging ich ganz rauf, wie eine verdammte Närrin.«
»Und wie alt warst du da genau?«
»Neunzehn, glaube ich. Neunzehn und dumm wie Bohnenstroh. Dumm und geil.«
»Und der Eisbär?«
Auf Ronnies Gesicht breitete sich ein träges Grinsen aus, das seinen Schwanz hart machte. Brendon musste zugeben, dass er begann, dieses Lächeln zu lieben. »Sagen wir einfach, er sorgte dafür, dass die Nächte in einem einsamen Schweizer Krankenhaus, in dem das Personal, hauptsächlich Schakale, sich über mich lustig machte, schnell vergingen.«
Brendon konnte nicht fassen, was die nächsten Worte waren, die aus seinem Mund kommen wollten, aber er konnte sie nicht zurückhalten. »Und, den Eisbär seither noch mal gesehen?«
Sie sah überrascht aus über die Frage. »Machst du Witze? Das war vor ewiger Zeit. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob ich mich an sein Gesicht erinnern würde oder er sich an meines. Abgesehen davon war er nur zu Besuch in der Schweiz, ursprünglich stammte er aus Norwegen. Und soweit ich weiß, haben Sissy und ich dort immer noch Einreiseverbot.«
Seine Eifersucht auf einen großen, dummen Bären verflüchtigte sich, als er Ronnie ansah. »Ihr … ihr wurdet aus Norwegen rausgeworfen? Aus dem Land?«
»Ja. So viel zum Thema verspannte Leute. Offenbar haben sie keinerlei Sinn für Humor.«
Brendon sah lange auf seinen vollen Löffel hinab. »Ähm … gibt es noch andere Länder, in die du nicht einreisen darfst?«
»Ganze Länder?« Sie zuckte die Achseln. »Na ja, da wäre noch Korea.«
»Nord- oder Südkorea?«
»Beide.«
Brendon legte seinen Löffel nieder. »Beide?«
»Ja. Und dann wurden wir aus Japan ausgewiesen, aber die haben das wieder aufgehoben. Peru und Marokko auch nur vorübergehend. Und dann hat Belgien uns gesagt, dass wir nie wiederkommen sollen, aber das erscheint mir immer noch unfair. Das eine Mal war es wirklich nicht unsere Schuld. Und Deutschland … na ja, sagen wir einfach, die ganze Sache mit der Autobahn ohne Tempolimit – das stimmt nicht so ganz.«
Brendon kannte die deutschen Autobahnen. Er und seine Schwester hatten, nachdem sie mehrere Millionen gemacht hatten, dort Urlaub gemacht, hatten sich Ferraris gemietet und sich auf der Autobahn vergnügt. Sie waren stundenlang Rennen gefahren, aber die Einheimischen hatten sie trotzdem noch überholt.
»Und diese Polizisten sind gemein«, fügte sie hinzu.
»Ihr wurdet auf der Autobahn angehalten?«
Ronnie zuckte wieder die Achseln. »Irgendwann. Als sie uns erwischt haben.«
Brendon lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die Arme vor sich verschränkt. »Du fährst niemals mein Auto.«
Verwirrt fragte Ronnie: »Warum nicht?« Dann leuchteten ihre Augen auf. »Was für ein Auto hast du?«
»Das ist egal. Du fährst nicht damit. Niemals.«
Brendon besaß mehr als ein Auto. Mit seinem Mercedes fuhr er in der Stadt herum. Aber er hatte einen Jaguar, den er niemals in die Hände dieser Frau geben würde. Sie konnte sich um die Kinder kümmern, aber niemals um sein Auto.
Sie schmollte ungefähr zwei Sekunden, dann sah sie plötzlich panisch aus und versuchte, sich zu ducken.
»Was?« Himmel, er hoffte, dass es kein Exfreund war. Etwas sagte ihm, dass er von denen im Lauf der Zeit noch ein paar treffen würde. Sie hatten wahrscheinlich eine Art »Ronnie-Selbsthilfegruppe«, um über die süchtig machende Wirkung dieser Frau hinwegzukommen.
»Na hallo, ihr zwei.«
Brendon schaute in das Gesicht einer Wölfin auf. Sie kam ihm bekannt vor. Er hatte sie wahrscheinlich in der Smith-Meute gesehen.
»Es macht euch doch nichts aus, wenn wir uns zu euch setzen?«
Ronnie richtete sich auf. »Um genau zu sein …«
Zu spät. Sie zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und ließ sich darauf fallen. Eine zweite Frau kam heran. Eine Menschenfrau. Eine Menschenfrau, die Brendon kannte.
Er lächelte. »Detective MacDermot.«
»Shaw.« Sie warf Ronnie einen Blick zu und zuckte die Achseln. »Ich habe versucht, sie zum Weitergehen zu bewegen, aber sie hat darauf bestanden.«
»Na, na. Ronnie liebt mich.« Die Wölfin deutete auf einen Stuhl. »Setz dich, Dez. Setz dich.« Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte die Finger und legte das Kinn auf die Hände. Große, unschuldige braune Augen richteten sich auf ihn, und sie lächelte. »Also, sag uns, Brendon Shaw, amüsierst du dich mit meiner Freundin hier?«
Jeder andere wäre um sein Leben gerannt.
Ronnie seufzte und sah Dez an.
»Entschuldige«, murmelte Dez. »Ich habe wirklich versucht, sie aufzuhalten.«
»Ich amüsiere mich großartig«, antwortete Shaw mit einem warmen Lächeln. »So gut habe ich mich schon seit Langem nicht mehr amüsiert.«
Sissy setzte sich aufrecht hin und grinste Ronnie an. »Gut. Sehr gut.«
Shaw deutete auf Sissys Gesicht. »Was ist denn mit deinem Auge passiert?«
Ronnie kratzte sich an der Nase, um ihr Lächeln zu verbergen. »Ja. Sag ihm, woher du das blaue Auge hast, Sissy.«
Sissy warf ihr einen finsteren Blick zu. »Bin gegen eine Tür gelaufen.«
Ronnie sah zu Dez hinüber, die nur auf die Reste ihres Desserts starrte.
»Willst du was davon?«
»Es sieht echt dekadent aus.«
»Das ist es auch, Schätzchen. Hier.« Ronnie beugte sich zu einem leeren Tisch neben ihnen hinüber und angelte einen Löffel. Sie reichte ihn Dez und schob die riesige Platte zu ihr hinüber.
Dez tauchte mit einem sündhaften Glitzern in den Augen, das nur andere Schokoladenliebhaber wahrhaft verstehen konnten, ihren Löffel in das Dessert. Auf halbem Weg zu ihrem Mund hielt sie inne, als sie merkte, dass Shaw sie anstarrte.
»Was?«
Dez war nicht gerade ein feinsinniges Mädchen, aber das erklärte vielleicht, warum sie alle so gern mochten. Bevor sie sie kennengelernt hatten, hatten sie vermutet, dass sie eher wie eine Katze sein musste, wo doch Mace ein Löwe war. Aber sie war eher wie ein Hund.
»Ich wollte Ihnen danken.«
Ihre Augen wurden schmal. »Wofür?«
Shaw schaute leicht missbilligend drein. »Dass Sie mir das Leben gerettet haben.«
»Oh. Das. Ja. Gern geschehen.« Sie deutete auf den Teller vor sich. »Meinen Sie, ich kann jetzt essen, ohne dass Sie mich anstarren?«
Jawohl. Feinsinnig.
»Ihr solltet heute Abend mit uns kommen«, bot Sissy an und ignorierte Ronnies ostentatives Starren. »Wir treffen uns mit der Meute und Mace in einem Club auf der East Side.«
»Vergiss es«, knurrte Ronnie, bevor Shaw ein Wort sagen konnte.
»Warum? Schämst du dich für deinen neuen Freund?«
»Er ist nicht mein Freund.«
»Bin ich nicht?«
Entsetzt drehte sich Ronnie zu dem schmollenden Shaw. »Was?«
»Oh mein Gott! Das ist das Unglaublichste, was ich je probiert habe!«
Dez’ orgiastische Reaktion auf ihr Dessert ignorierend, beugte sich Ronnie vor. »Wovon redest du?«
»Ich bin verletzt. Ich habe die Heiratserlaubnis umsonst besorgt.«
»Die Heirats- … Hast du den Verstand verloren?«
»Ich habe dich schon in mein Testament aufgenommen. Und natürlich unsere zukünftigen Kinder mit den schiefen Zähnen. Alle zehn.«
Sissy lachte Tränen, und Dez hieb mit der freien Hand auf den Tisch. »Wahnsinn. Diese Schokolade muss importiert sein.«
Shaw bat den Kellner mit einer Geste um die Rechnung. »Wie wäre es, wenn wir ins Hotel zurückgehen und darüber reden und sofort mit der Paarung anfangen? Keine Pille mehr für dich, und die Kondome können wir auch weglassen.«
»Nicht in diesem verdammten Leben, Katze!« Er hob angesichts des leicht hysterischen Untertons in ihrer Stimme eine goldene Augenbraue, und Ronnie räusperte sich. »Wir gehen mit der Meute in den Club. Du erinnerst dich?«
»Oh?« Der Schmollmund kehrte zurück. »Na dann. Wenn du wirklich willst.«
Verdammte durchtriebene Katzen!
»Und wisst ihr, dieser Kuchen«, fuhr Dez vollkommen selbstvergessen fort, »ist ganz ohne Mehl. Unglaublich kompakt. Und reichhaltig.«
»Wenn du darauf bestehst«, grinste Shaw, als hätte er irgendetwas gewonnen, »gehen wir mit deiner Meute aus.«
»Das zahle ich dir heim.«
»Ja«, stimmte er zu. »Heute Nacht.«
Dez deutete mit ihrem Löffel auf den Teller vor sich. »Die Füllung … ich glaube, das ist importierte dunkle Schokolade. 72 Prozent Kakao, wette ich. Ihr wisst schon, dass das ein Gottesbeweis ist?«
Shaw stieß ein zufriedenes Seufzen aus. »Wissen Sie, Detective, ich muss sagen, ich werde Spaß daran haben, dass Sie jetzt Teil der Llewellyn-Familie sind.«