8

Feyras Mund war wie ausgedörrt, als sie weitersprach. »Wer bist du?«

»Ich bin der Tod.«

Sie schluckte und war überzeugt, dass das Fieber sie umgebracht hatte und sie sich in irgendeiner anderen Welt befand.

»Was willst du von mir?«

»Eine andere Seele.«

Benommen vor Entsetzen starrte Feyra den sprechenden Sarkophag an und versuchte zu begreifen, was hier geschah. Jetzt, wo sie direkt vor dem Sarg stand, wusste sie, dass sie schon ähnliche gesehen hatte. Er war aus Zinn gefertigt, wie sie angenommen hatte, und mit Emaille in den Farben bunter Edelsteine verziert. Geometrische Muster im osmanischen Stil wanden sich um die dekorative goldene Diwani-Schrift. Sie hatte genau so einen Sarg gesehen, als Sultan Selim direkt unterhalb der großen Kuppel in der Hagia Sophia aufgebahrt worden war und seine trauernden Untertanen an ihm vorbeischritten, um einen letzten Blick auf ihn zu werfen.

Hier in diesem dumpfen, feuchten Laderaum sah es anders aus. Ein ekelhafter unterschwelliger Gestank nach menschlichen Exkrementen bildete einen auffälligen Gegensatz zu dem prächtigen Sarg, an dessen silbernen Nieten in regelmäßigen Abständen Myrtebüschel befestigt waren, ein Kraut, das als Schutz vor giftigen Dünsten bekannt war. In der Hagia Sophia war das Gesicht des toten Sultans hinter einer klaren Kristallscheibe deutlich zu erkennen gewesen – hier war das Glas durch ein Stück undurchsichtigen Musselin ersetzt worden. Der Stoff war locker genug gewebt, um Luft hindurchzulassen, und blähte und senkte sich gleichmäßig wie das Fell einer Trommel.

Irgendetwas atmete noch.

Seinem Namen zum Trotz war das Ding darin am Leben.

Ein Seufzer entwich dem Sarkophag, und der Musselin bauschte sich wie ein Segel. »Ich wollte dir keine Angst einjagen, ich meinte nur, dass ich mir einen Freund, einen Gefährten gewünscht habe. Seit vier Tagen liege ich hier drinnen. Ich fühle mich einsam.« Die Stimme war männlich, tief und rau wie die eines Menschen, der sich kaum einmal von seiner Tabakpfeife trennte, so wie ihr Vater. Sie verlor etwas von ihrer Angst.

»Ich habe dich sprechen und singen gehört. Ich dachte, du wärst eine der Sirenen, die den Sagen zufolge an der Küste Griechenlands leben. Wir müssten jetzt in diesen Gewässern sein.« Demnach kannte Tod sich auf dem Meer aus. »Aber jetzt weiß ich, dass du sterblich bist. Ich hörte dich leiden, so wie ich gelitten habe. Es tut mir für dich leid, dass du hier bist, aber um meinetwillen freut es mich.«

Feyra streckte eine Hand aus und legte sie in einer unfreiwilligen Geste des Mitleids auf den Zinn. Sie rechnete damit, dass sich das Metall kalt anfühlte, aber es war so warm, als würde ein Fieber darin toben.

»Erzähl mir deine Geschichte.«

»Zuerst muss ich dich etwas fragen. Bist du unserem geliebten Sultan Murad treu ergeben?«

Feyra fielen tausend Antworten auf diese Frage ein. Er ist ein Mörder. Er ist mein Bruder. Er wollte mich zur Frau. Stattdessen wich sie auf eine Floskel aus. »Er ist das Licht meiner Augen und die Freude meines Herzens.«

»Aber bist du loyal? Denn ich kann dir nicht erzählen, was ich erzählen möchte, wenn ich das nicht weiß.«

Tod schlug ihr ein Geschäft vor. Feyra hatte die persischen Sagen gelesen und kannte den Ablauf – ein Austausch geheimer Geschichten als Vertrauensbeweis. Eine gefangene Prinzessin musste mit ihrem Häscher um ihre Freiheit feilschen. Feyra hatte die Miniaturmalereien der Texte in der Topkapi-Bibliothek gesehen; eine dunkelhäutige Maid, die in Pluderhose im Schneidersitz dasaß und mit hoch erhobenen Händen und wie ein Fächer gespreizten Fingern mit einer monströsen Chimäre sprach.

Obwohl sie noch nie von einem Mädchen gelesen hatte, das dieses Spiel mit dem Tod trieb, wusste Feyra, was von ihr erwartet wurde. Sie musste ihm ein Geheimnis verraten, bevor er ihr seines enthüllte. Als wäre all das Teil dieser unwirklichen Situation, nahm sie die formelle Haltung osmanischer Geschichtenerzähler ein und begann.

»Am einundzwanzigsten Tag des Monats dhu’l-qa’dah des Jahres 982 begab es sich, dass ich zur Kira Nurbanus ernannt wurde, der Mutter unseres geliebten Sultans. Als der Vater unseres geliebten Sultans, Sultan Selim, starb – möge er im Licht des Paradieses wandeln –, befand sich unser Sultan Murad weit entfernt vom Palast in der Provinz Manisa, wo er Statthalter war. Meine Herrin Nurbanu, wohl wissend, dass seine eifersüchtigen Brüder versuchen würden, den Thron an sich zu reißen, nahm es auf sich, den Tod ihres Mannes zu verschleiern. Sie übertrug mir diese Aufgabe, und ich ließ in den Küchen ein Kunstwerk aus Eis anfertigen, einen gefrorenen Sarg, der so geformt war wie der, in dem du jetzt liegst, und so konnten wir sein totes Fleisch in der Sommerhitze konservieren. Im Lauf der nächsten Tage brachten wir ihn in seiner Sänfte zum Gebet, damit die Menschen ihn sahen, und sogar in den Hippodrom, wo er auf seinem goldenen Thron über die Wagenrennen präsidierte. Auf diese Weise erhielten wir den Eindruck aufrecht, dass er noch lebte. Zwölf Tage lang ruhte Selim in seinem eisigen Sarg, zwölf Tage länger, als Gott ihm in seinem natürlichen Leben zugestanden hatte, bis Murad nach Konstantinopel zurückkehrte. Nachdem Murad den osmanischen Thron bestiegen hatte, beanspruchte Nurbanu als Lohn für ihre Mühe den Titel Valide Sultan, und Selim wurde in einen silbernen Sarg gelegt und in der Sophia aufgebahrt, damit ihn alle sehen und betrauern konnten. Also könnte man sagen, ich hatte das Privileg, dazu beizutragen, den Thron unseres geliebten Sultans zu sichern. Dies habe ich noch keiner lebenden Seele erzählt.«

Feyra wartete darauf, dass die eingetretene Stille endete. In der Tradition der Sagen wurde die Maid entweder in die Unterwelt geschleift, oder ihr wurde im Gegenzug eine andere Geschichte erzählt.

»Am siebten Tag dieses Monats sibtambir dieses Jahres 983«, hörte sie mit einiger Erleichterung die Stimme aus dem Sarkophag beginnen, »gefiel es Gott, dass ich auf dem Heimweg von einer längeren Reise in den Bergen todkrank wurde. Nur ein Hirte war da, um mir zu helfen. Er legte mich auf eine Trage und zog mich zu einem Tempel auf einem Hügel, wo in der Heilkunst bewanderte Imame lebten. Sie warfen nur einen Blick auf mich, bevor sie mir eine eigene Kammer zuwiesen und mich zum Sterben zurückließen. Aber als ich aus meinem Fieber erwachte, stellte ich fest, dass ich vom Leibarzt des Sultans, von Haji Musa persönlich behandelt wurde.« Feyra zuckte zusammen, als sie den Namen ihres Mentors hörte. Auch die Befriedigung, die in der Stimme mitschwang, entging ihr nicht. Tod konnte, wie es schien, immer noch Stolz empfinden. »Er kam zu mir und fragte mich, ob ich mich auf eine sehr wichtige Mission für den Sultan begeben würde. Er hatte Angst, das sah ich in seinen Augen. Zuerst dachte ich, er würde sich vor dem Sultan fürchten, aber es stellte sich heraus, dass er sich vor mir fürchtete. Vor dem, woran ich litt. Es war die Pest.«

Feyra lief ein Schauer über den Rücken. Sie wusste natürlich von dem furchtbaren Ausbruch der Pest in Konstantinopel im Jahr 747, die Tausende von Menschenleben gekostet hatte. Wie es aussah, war die Seuche, die jahrhundertelang geruht hatte, zurückgekehrt. »Der Schwarze Tod?«, flüsterte sie.

»Pest, Schwarzer Tod … sie hat viele Namen. Obwohl ich viele Jahre lang nicht in der Stadt gewesen war, kannte ich die Geschichten. Und da wusste ich, dass ich verloren war. Der Arzt wusste es ebenfalls. Er gab mir ein Versprechen – Gold für meine Frau, Privilegien für meine Söhne, vorteilhafte Heirat für meine Tochter. Er schien alles über mich zu wissen. Er wusste auch, dass ich in Lepanto war.«

Feyra beugte sich vor. Demnach kannte Tod die Meere so gut wie ihr Vater.

»Er sagte mir, wenn ich in die Pläne des Sultans einwilligen würde, könnte ich unseren alten Feind im Alleingang besiegen. Er legte es so dar: Ich konnte entweder an diesem einsamen Ort in den Bergen sterben, und meine Familie würde auch weiterhin in Armut leben und nie von meinem Schicksal erfahren, oder ich konnte ein Held werden wie die in den Sagen, mein Name würde in den Schriften auftauchen und in Liedern besungen werden, während es meiner Familie an nichts fehlen würde. Im Grunde genommen lag die Entscheidung auf der Hand.«

Feyra hörte ein dumpfes Geräusch und ein Rascheln im Sarg, als Tod sein Gewicht verlagerte.

»Könntest du mir etwas Wasser geben? Mein Mund ist vom Sprechen trocken. Neben dir steht eine Kanne. Manchmal denken die Seeleute daran, sie zu füllen, manchmal nicht.«

Feyra blickte nach unten und sah eine silberne Wasserkanne mit einer dünnen, gekrümmten Tülle – sie ähnelte den Krügen, die die Haremsdamen benutzten, um sich zu reinigen. Sie führte die Kanne an das Musselinstück und goss ein dünnes Rinnsal durch den Stoff. Die grässlichen Züge darunter konnte sie sich nur vorstellen, aber sie hörte das Schmatzen der Lippen, als Tod die Flüssigkeit aufsog.

»Sie brachten mich in einer Sänfte den Hügel hinunter zu einem Eishaus in der Nähe der Bucht. Es dauerte lange, denn sie nahmen einen Weg, der weit von der Stadtmauer entfernt war. Ich sah den Arzt nie wieder, sondern wurde von einigen Männern des Sultans versorgt, die schwarze Livreen, schwarze Turbane und Gesichtsmasken trugen. Ich fand nie heraus, ob es sich um Soldaten oder um Priester handelte, denn sie sprachen nicht nur von ihrer Mission und ihrem Krieg, sondern auch vom Paradies und ihrem Opfer.«

Es waren Janitscharen gewesen, die schwarz gekleideten, fanatischen Elitesoldaten des Sultans. Sie waren als Jungen ihren christlichen Heimen entrissen und zum wahren Glauben bekehrt worden und ihrem angenommenen Gott ergebener als diejenigen, die im Reich des Propheten geboren worden waren. Aber Feyra schwieg und ließ Tod weitersprechen.

»Diese Soldaten legten mich in diesen Sarg, legten mir Wolle unter die Hüften, um meine Ausscheidungen aufzufangen, und getrocknetes Fleisch als Nahrung neben meine Hände und sagten, sie würden mir ab und zu Wasser geben. Diese Kiste ist groß, wie du siehst, und ich kann mich bewegen und mich umdrehen, aber ich will dir nicht verschweigen, wie groß mein Entsetzen war, als sie den Deckel über mir zunagelten. Ich dachte, nun wäre ich lebendig begraben, aber man teilte mir mit, dass ich mein Grab noch ein Mal verlassen würde. Wenn ich dann noch lebe, werde ich mich am Ende unserer Reise aus meinem Sarg erheben, mich unter die Menschen mischen und ihnen mein Geschenk zukommen lassen. In Venedig.« Er sprach den Namen der Stadt widerstrebend aus, fast so, als würde es ihm Schmerzen bereiten.

Feyra hörte grimmig zu. Dies war die furchtbare Bestätigung von allem, was Nurbanu ihr mitzuteilen versucht hatte. Der Sultan musste in der Tat ein Monster sein, um einen so grausamen Plan zu ersinnen. Ihr wurde so übel, dass ihr der Mageninhalt in die Kehle stieg. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass sie unter moralischer Abscheu vor dem litt, was ein einzelner Mensch einer ganzen Stadt antun wollte, hätte sie angenommen, ihre Krankheit sei zurückgekehrt. Doch sie versuchte, keinerlei Anklage in ihrer Stimme mitschwingen zu lassen. »Und wenn du nicht so lange lebst?«

»Der Soldat sagte mir, dass mein Leichnam ins Wasser geworfen werden würde, wenn ich sterbe«, erhielt sie zur Antwort. »Und dann würde dieser Mann sich selbst in meinen Sarg legen, sich in meine Tücher hüllen, meine Ausdünstungen einatmen und das Gift selbst verbreiten.«

Feyra schwante etwas Furchtbares, und ihr lief ein eisiger Schauer über den Rücken. »Also ist dieser Mann an Bord des Schiffes?«

»Ja. Und wenn er stirbt, wird ein anderer Soldat des Sultans seinen Platz einnehmen. Jeder Mann auf diesem Schiff hat einen Eid geleistet, die Seuche nach Venedig zu bringen. Wir sind alle verdammt, Mädchen. Auch du.«

Feyras Neugier war stärker als ihre Furcht. »Aber warum diese sinnlose Reihe von Opfern?«

»Der gute Doktor hat mir gesagt, dass zu Justinians Zeiten die Pest mit einem Ballen Seide aus Pelusium nach Konstantinopel gebracht wurde. Der Sultan hätte genauso vorgehen können, aber er wollte ganz sicher gehen. Der Arzt riet ihm, die Pest im Körper eines Kranken nach Venedig zu schicken, das sei der beste Weg. Als ich dir sagte, ich wäre der Tod, entsprach das der Wahrheit. Meinen wirklichen Namen kann ich dir nicht verraten, denn ich habe im Namen des Sultans, des Lichts meiner Augen und der Freude meines Herzens, ein Versprechen abgegeben. Die Quelle der Ansteckung muss geheim bleiben, egal ob der Plan gelingt oder nicht. Der Soldat sagte mir, wenn die Staaten der ungläubigen Christen je die Wahrheit erführen, wäre unsere Nation dem Untergang geweiht und es würde wie in alten Zeiten ein Kreuzzug gegen Konstantinopel geführt werden.«

Jetzt verstand Feyra, warum Haji Musa bei ihrem Abschied in der Halle des Reinigungsbrunnens so verängstigt gewesen war, dass er Nurbanus Hinscheiden kaum zur Kenntnis genommen hatte. Jetzt ergaben die Warnungen einen Sinn. Der Arzt, der einen Eid geleistet hatte, Leben zu retten, konnte einen so infamen Plan, dem Tausende von Menschen zum Opfer fallen würden, nicht gutheißen. Sie fasste ihr Entsetzen schließlich doch noch in Worte und konnte jetzt auch nicht mehr mit unbeteiligter Stimme sprechen. »Aber was ist mit den Menschen – den Bürgern von Venedig?«

»Was soll mit ihnen sein?«, scholl es zurück. »Der Arzt hatte recht, was mich betraf, ich war in Lepanto. Die venezianischen Ratten haben unsere Schiffe in Brand gesteckt. Ich habe sie verbrennen sehen, Mädchen. All diese Seeleute. Es war die Hölle auf Erden. Nein. Ich will tun, was ich tun werde. Ich freue mich darauf. Ich bin zufrieden.«

Während der nächsten beiden Tage kam Feyra wieder zu Kräften und begann zu glauben, dass ein Wunder geschehen war und sie sich irgendwie von dieser schlimmsten aller Krankheiten erholt hatte. Davon erzählte sie Tod aber nichts, denn sie wollte in ihm keine Hoffnung auf eine solche Heilung wecken. Ihre Freundschaft wuchs im Lauf dieser Tage, und nachts, wenn der Quartermeister gekommen und wieder gegangen war, zog sie den weißen Vorhang zurück und unterhielt sich mit Tod.

In stillschweigender Übereinkunft sprachen sie nie wieder von seiner Mission und dem Gift, das er in sich trug. Sie plauderten von der Heimat, von Orten und Dingen, die sie beide kannten – dem Basar, dem Jahrmarkt in Pera, der Bootswettfahrt auf dem Bosporus. Wenn er die Kraft dazu aufbrachte, erzählte er von seinen Reisen, und sie fühlte sich stark an ihren Vater erinnert. Sie fragte ihn auch unauffällig, ob er von einem schwarzen Fabelpferd oder einem Pferd anderer Farbe gehört hatte, aber das war nicht der Fall. Sie erkundigte sich sogar, ob er einen Mann namens Samstag vom Hörensagen kannte. Sie sprach das Wort türkisch und venezianisch aus, doch sie konnte hören, wie er beim Klang eines venezianischen Namens versuchte, den wenigen Speichel auszuspucken, den er im Mund zu sammeln vermochte; auf dem Musselin vor seinem Gesicht breitete sich ein kleiner dunkler Fleck aus, und sie bohrte nicht weiter.

Das einzige Thema, das sie nicht ansprach, war seine Familie. Sie wusste, dass er sterben würde, so oder so, und konnte es nicht ertragen zu erfahren, dass er eine Tochter hatte, die ihm vorsang, wenn sie in der Küche am Spinnrocken saß, oder einen Sohn, der Scherze machte, während sie ihren Ochsen zum Pflügen ins Joch spannten, oder eine Frau, die seinen Bart streichelte und ihn küsste, wenn er zum Morgengebet das Haus verließ. Sie versuchte nur, ihm seine letzten Tage so leicht wie möglich zu machen, denn sie konnte sich das Ausmaß des Horrors seiner Existenz kaum ausmalen – in seinen eigenen Ausscheidungen in dieser Kiste liegen zu müssen, während die Seuche an ihm fraß.

Jetzt wusste sie auch, warum ihr Vater sie vor einer Woche beim Abendessen über die Isolierung eines Kranken an Bord eines Schiffes ausgefragt hatte. Sie war es gewesen, die ihm zu dem Vorhang und dem Musselinstück geraten, und einen kleinen, abgetrennten, mit Myrte behängten Bereich vorgeschlagen hatte.

Sie hatte Tod in diesen Sarg gebracht.

»Mädchen?«

»Ja, Tod?«

»Denkst du manchmal über die Dschanna nach? Was meinst du, wie es dort ist?«

Feyra überlegte einen Moment lang. Diese Frage war ihr im Harem schon des Öfteren gestellt worden – die Sterbenden richteten ihre Gedanken immer auf das, was nach dem Leben kam. Die Dschanna, das Paradies, war ihm versprochen worden, und es überraschte sie nicht, dass er im Geiste seinem schrecklichen Gefängnis entrinnen und sich mit dem Jenseits befassen wollte.

Aber sie wusste nicht, was sie ihm antworten sollte. Sie konnte ihm sagen, dass er auf einer Blumenwiese liegen, süßen Honig trinken und juwelenbesetzte Gewänder tragen würde. Aber sie glaubte an das Gute und das Böse und an einen Propheten und einen Gott, die gleichfalls an diese Dinge glaubten. Daher konnte sie Tod nicht guten Gewissens weismachen, er würde dafür, dass er skrupellos eine ganze Stadt auslöschte, auch noch belohnt werden. Doch es blieb ihr erspart, entweder mit einer barmherzigen Lüge oder einer unbarmherzigen Wahrheit aufwarten zu müssen, denn über ihnen, über dem Deck, den Segeln und sogar über dem Mast selbst erscholl ein lauter Ruf.

»Land ahoi!«