40
Ursprünglich hatte Decker vorgehabt, Ashala erst mal einzusperren, bis der Durchsuchungsbefehl für das Haus durch war. Da er ja wusste, was für Beweismaterial er brauchte, wollte er die Wohnung durchkämmen, bevor er sich Kalil vornahm. Aber der flüchtige Missetäter schien im Moment gerade ausgesprochen gesprächig. Decker war nicht der Mann, der sich eine solche Gelegenheit entgehen ließ, deshalb ließ er ihn registrieren und setzte ihn dann in einen kaum zweieinhalb Quadratmeter großen Vernehmungsraum. Da Ashala auf sein Recht auf einen Anwalt verzichtet hatte, saßen sie nun also zu zweit in einer Zelle, die nicht viel größer war als eine Umkleidekabine in der Sporthalle. Und sie roch auch so. Während Decker Ashala musterte, wurde ihm klar, was Whitman für ein guter Zeichner war. Die gleichen hohen Wangenknochen und schräg sitzenden Augen, die Ashala beinahe asiatisch aussehen ließen. Whitman hatte nicht nur das Gesicht erfasst, sondern auch noch das Besondere am Ausdruck – von dem kleinen, überheblichen Mund bis hin zu den dunklen, unruhigen Augen.
Decker stellte den Kassettenrecorder an und machte erst mal alle nötigen Angaben. Dann schenkte er Ashala ein Glas Wasser ein und stellte es vor ihn hin. Schließlich sagte er: »Wollen Sie mir sagen, warum Sie getürmt sind, Kalil?«
»Ich bin nich getürmt«, sagte er. »Sie ham mich gejagt, also bin ich weggerannt.«
Decker wartete.
Ashala wand sich. »Sie ham mir Angst gemacht.«
»Angst gemacht?«
»So wie Sie reingestürmt sind. Ich hatte Angst, dass Sie das Haus gleich wieder auseinander nehmen würden. Und mir den Schädel einschlagen, wo Sie schon mal dabei sind.«
»Ich habe Ihr Haus nie betreten, Kalil. Warum haben Sie auf mich geschossen?«
Ashala schob die Lippen vor. »Selbstverteidigung. Sie ham mir Angst gemacht. Dachte, Sie wollen mich umbringen.«
»Versuchen wir’s noch mal von vorn, Kalil«, sagte Decker. »Warum sind Sie getürmt?«
»Ich bin nicht get …«
»Sie haben die Frage nicht richtig gehört, Kalil. Sie sind getürmt. Das ist eine Tatsache. Also: Warum haben Sie das getan?«
»Sie ham mich gejagt …«
»Kalil, Sie sind schon über den Zaun geklettert, bevor Sie überhaupt mein Gesicht gesehen hatten. Ich habe Sie nicht gejagt, Sie sind weggelaufen. Sagen Sie mir, warum.«
Ashala richtete die Augen zur Decke. Decker sah hoch auf ein Dutzend weiße Dämmplatten, die auch schon mal bessere Tage gesehen hatten. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Gefangenen zu.
»Kalil, Sie haben auf einen Vertreter des Gesetzes geschossen. Das ist versuchter Mord in einem besonders schweren Fall. Dafür kommen Sie ins Gefängnis. Aber das ist nicht das Einzige, was auf Sie zukommt, Sir. Ich habe Material gegen Sie. Eine Menge Material, das Sie mit lauter schlimmen Dingen in Verbindung bringt. Und ich bin sicher, dass wir noch viel mehr finden, wenn wir Ihr Haus durchsuchen. Also, wenn Sie eine Geschichte zu erzählen haben, erzählen Sie sie jetzt.«
»Was soll das für eine Scheiße sein, die Sie über mich haben?«
»Richtig gute Scheiße.«
Ashala trank von seinem Wasser und bat um eine Zigarette. Decker gab ihm eine. Das hatte ihm gerade noch gefehlt – zweimal am selben Tag in einer nikotinverpesteten Zelle eingesperrt zu sein.
»Wenn ich mit Ihnen rede, dann nur, wenn wir einen Deal machen, kapiert?«
Decker ging erst mal darauf ein. »Was wollen Sie?«
Ashalas dunkle Augen schossen hin und her, und er pustete eine blaue Rauchwolke von sich. »Was ich will?«
»Ja, sagen Sie mir, was Sie wollen.«
»Und dann geben Sie mir, was ich will?«
»Das kann ich nicht beantworten, bevor ich nicht weiß, worauf Sie hinauswollen.«
»Ich will nich ins Gefängnis, klar? Vielleicht irgendne gemeinnützige Arbeit oder so ’ne Scheiße in der Art.«
Decker sagte: »Kalil, erzähl mir von Deanna Green.«
Ashala machte ein vollkommen ahnungsloses Gesicht. »Deanna wer?«
»Deanna Green.«
»Kenn ich nich.«
»Kein bisschen?«
»Nee.«
»Überlegen Sie sich’s noch mal«, sagte Decker.
Kalil drückte seine Zigarette aus, zog die Lippen hoch und schüttelte verneinend den Kopf. »Kenn ich nich.«
Decker starrte Ashala lange intensiv an. Dann sagte er: »Irgendwoher kenne ich Sie.«
»Ich Sie aber nich.«
Decker zählte innerlich bis hundert. Dann sagte er: »Jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne! Sie haben doch mal im Grenada West End im West San Fernando Valley gearbeitet, stimmt’s?«
Sofort sah Ashala zu Boden. Er sagte nichts.
»Sie haben im Coffeeshop gearbeitet, stimmt’s?«
Der Delinquent sah auf, die Augen schossen wild hin und her. Er schwieg weiter.
»Oder war’s beim Zimmerservice? Vielleicht war’s ja beides?«
Wieder sah Ashala zu Boden, diesmal, um ostentativ seine Fingernägel zu begutachten. Er ließ sein rechtes Bein wippen.
Decker sagte: »Haben Sie in der Nacht, als dieser große Mord passiert ist, auch da gearbeitet … als das mit der Ballkönigin war? Mann, das war vielleicht was …«
»Ich will einen …«
Decker beugte sich über den Tisch und drückte dabei auf den Kassettenrecorder. »Soll ich dir mal was sagen, Kalil? Du sitzt aber auch so was von in der Scheiße! Weißt du eigentlich, wer für den Mord im Kittchen sitzt, den du begangen hast …«
»Ich habe keinen umgeb …«
»Ein Weißer, Kalil. Aber nicht irgendein Weißer – ein weißer Mafia-Junge. Und auch nicht irgendein weißer Mafia-Junge, sondern der Sohn vom großen Boss höchstpersönlich. Weißt du, was die Mafia ist, Kalil? Das waren die Vorbilder für die Gangs.«
»So ein Stuss …«
»Schon mal den Paten gesehen, Kalil? Die Sache mit dem Pferdekopf im Bett … so was machen die als Aufwärmübung!«
»Ich will …«
»Wusstest du schon, dass die jetzt den vierten Teil drehen wollen? Und jetzt rate mal. Du spielst mit.« Decker zielte mit dem ausgestreckten Finger auf Ashalas Kopf. »Krawumm!«
Ashala brach der kalte Schweiß aus. »Ich kann schon selber auf mich aufpassen. Ich habe Freunde, Mann.«
»Da brauchst du aber eine Menge Freunde, Kalil. Wenn nämlich die Mafia sauer auf dich ist, dann bist du nirgends sicher. Und ich meine das genau so, wie ich es sage: nirgends.
Es gibt keinen Knast und auch kein Land auf der Welt, wohin du deinen Arsch in Sicherheit bringen kannst. Nirgends. Ich brauche nur deinen Namen fallen zu lassen, und du bist Hackfleisch …«
»Ach, leck mich doch. Ich habe keine Angst vor niemandem.«
»Das ist gut, Kalil, denn die Mafia hat auch eine Menge Freunde. Und du weißt ja, wie die denken. Füße in Zement und ab ins Wasser.«
Ashala schüttelte sich und wischte mit dem Hemdärmel über seine schweißnasse Stirn.
Decker sagte: »Freundchen, wenn du mit mir handeln willst, sprich mit mir. Wenn nicht, riskier’s und verhandel mit denen.«
Ashala war ganz still.
Decker setzte sich wieder auf seinen Stuhl. »Also, nun stell dir bloß mal vor, was mir gerade passiert ist. Da hab ich doch tatsächlich auf den Pausenknopf gedrückt. Wie unvorsichtig von mir.« Er stellte den Kassettenrecorder wieder auf Aufnahme und sagte ruhig: »Sind Sie sicher, dass Sie keinen Anwalt wollen, Mr. Ashala?«
Ashala stellte das Gerät ab. »Was wollen Sie?«
Decker stellte es wieder an. »Cheryl Diggs.«
Ashala begann zu schwitzen. »Ist Diggs das weiße Mädchen, das umgelegt worden ist?«
»Ja.«
»Ich hab ihr nichts getan.«
»Erzählen Sie mir doch keinen Mist. Sie haben sie gevögelt. Ich weiß es, Sie wissen es.«
Es trat eine lange Pause ein.
»Vielleicht hab ich das«, sagte Ashala. »Aber das heißt gar nichts. Die war schon tot.«
Decker spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Aber er blieb stoisch. »Noch mal von vorne, Kalil.«
»Aber das is die Wahrheit.«
»Sie haben sie gefesselt, Kalil.«
»Weil ich nervös geworden bin. Dass mich vielleicht jemand sieht, wie ich weggehe. Also hab ich se so gefesselt wie ihr Freund auch.«
Decker hielt den Atem an. »Wie ihr Freund auch? Was wie ihr Freund auch?«
»Der hat se gefesselt. Weiß ich, weil Trupp versteckte Kameras in den Zimmern hatte.«
»Henry Trupp, der Nachtportier?«
»Ja, der.«
»Er hat versteckte Kameras in den Zimmern angebracht?«
»Das ist die ganze Wahrheit. Sehnse, wir hatten da so ’ne Abmachung. Ich pass für ihn auf, während er sein Ding macht. Er passt für mich auf, während ich mein Ding mach.«
»Was war denn sein Ding?«
»Den Leuten beim Bumsen zusehen.«
Trupp war im Hinterzimmer und hat in die Glotze geguckt … mehrere Glotzen. Decker stöhnte innerlich. Nie wieder in ein Hotel. Von heute an würden sie ihre Ferien mit Schlafsäcken in einem Winnebago verbringen. Zu Kalil sagte er: »Und was war Ihr Ding?«
»Zimmereinbrüche, während die Leute schliefen. Henry hat für mich Wache geschoben. Manchmal wollte er ja ’nen Anteil, aber das war okay, weil ich manchmal ja auch mit ihm zugesehen habe.« Ashala lächelte. »Da sind ’ne Menge Schweinereien gelaufen. Besser als ’ne Leihkassette, weil es eben live is, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Haben Sie in der Nacht, als das weiße Mädchen ermordet worden ist, auch zugesehen?«
»Die ham ’ne Show abgezogen, also hab ich’s mir angesehn.« Ashala spielte mit seinem Wasserglas. »Ich war viel zu aufgeregt für die Kleine. Hab se nur gefickt, weil se schon tot war.«
»Woher wissen Sie, dass sie schon tot war?«
»Weil se sich nich bewegt hat.«
»Und warum haben Sie sie dann erwürgt?«
Ashala antwortete nicht.
»Warum haben Sie Cheryl Diggs erwürgt, wenn sie tot war, Kalil?«
Ashala zuckte die Achseln. »Nur so für alle Fälle.«
Decker fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. »Haben Sie sie deshalb auch gefesselt?«
»Nein, ich hab se festgebunden, weil ihr Freund das auch gemacht hat, kapiert?« Ashala zog wieder die Schultern hoch. »Sah sowieso aus, als ob’s Spaß machen würde.«
»Mögen Sie Fesselspiele, Kalil?«
»Manchmal. Und den Tussen gefällt das manchmal auch. Als er’s gemacht hat, hat’s ihr jedenfalls gefallen … hat gejault wie ein Kettenhund. Warum soll ich das also nich auch machen?«
»Allerdings, warum nicht.«
»Ja eben. Genau. Und wenn Henry zugesehen hat, war das auch egal, der war ja selber pervers. Sehnse, Henry war das egal, was ich mit der Nutte gemacht hab. Nur dass dann plötzlich der Bär los war.«
»Weiter«, drängte Decker.
Ashala rutschte unruhig auf seinem Sitz herum. »Mehr sag ich nich.«
»Kalil, Kalil, Kalil …« Decker trank einen Schluck Wasser. »Wie soll ich etwas für Sie tun können, wenn Sie nicht mit mir reden? Erzählen Sie mir von Henry Trupp. War er nervös … hat er vielleicht Sachen gesagt, die Sie nervös gemacht haben?«
»Ich hab den ganzen Typen ’nen Gefallen getan, Mann«, platzte Ashala los. »Also, sehnse mal, Henry hat ’ne Sammlung. Er hat nicht nur zugesehen, er hat mitgeschnitten! Hat er ordentlich Geld mit gemacht, weil da ’ne Menge Schweinereien gelaufen sind in dem Hotel, hab ich ja schon gesagt … alte Männer mit Dreizehnjährigen und so, kapiert? Ich hab denen allen ’nen Gefallen getan.«
Ashala setzte sich zurück. Er war ganz mit sich zufrieden. Decker verzog keine Miene. »Trupp war also ein Spanner und Erpresser. Wirklich ein schlimmer Finger. Und was für einen Gefallen haben Sie diesen ganzen Leuten getan?«
Ashala blieb stumm.
»Wenn Sie einen Deal wollen, werden Sie schon kooperieren müssen.«
»Ich hab die Weiße nich abgemurkst«, sagte Ashala. »Hab ich doch schon gesagt, die war schon tot.«
»Aber Sie haben sie erwürgt.«
»Nur für alle Fälle. Sie war tot.«
Decker sagte, was er dachte. »Erzählen Sie mir von Trupp.«
»Ich sag hier gar nichts über den, wenn wir keinen Deal machen.«
»Wir haben genügend Indizien gefunden, um Ihnen Trupp anzuhängen, Kalil. Kooperieren Sie, dann werden Sie vielleicht nicht geröstet.«
Wieder sagte Ashala nichts.
»Wenn Sie über Henry Trupp nicht reden wollen«, sagte Decker, »dann vielleicht über Deanna Green. Erzählen Sie mir von Deanna Green.«
»Ich sag doch, dass ich keine Deanna Green kenne.«
»Kalil«, sagte Decker. »Sie sind ihr begegnet. Ich habe Zeugen, die aussagen können, dass sie bei Ihnen zu Hause war.«
»Das heißt nicht, dass ich sie getroffen habe.«
»Ich habe Zeugen, die bestätigen, dass Sie ihr begegnet sind.«
Ashala sprang von seinem Sitz. »Dann lügen die!«
Decker erhob sich. »Setzen Sie sich hin!«
»Kein Problem.« Ashala nahm die Arme hoch und setzte sich wieder. »Kein Problem.«
Langsam ließ Decker sich wieder auf seinem Platz nieder. »Erzählen Sie mir von Deanna Green.«
»Bekomm ich den Deal?«
»Nein, kann ich nicht machen. Das ist Sache des Staatsanwalts. Aber wenn Sie mit uns kooperieren, gibt’s vielleicht ein paar Bonuspunkte. Sie kennen Deanna Green. Erzählen Sie.«
Ashala kratzte sich am Kinn. »Hab se gekannt, ja. Aber ich hab se nich umgebracht.«
»Sie haben sie nicht umgebracht?«
»Nein.«
»Hatten Sie an dem Abend, als sie ermordet wurde, Geschlechtsverkehr mit ihr?«
Ashala sah weg.
»Sehen Sie mich an, Kalil«, sagte Decker. »Ich krieg Sie auch wegen Deanna dran. Das Beweismaterial ist eindeutig.«
»Ich hab se nich umgebracht!«
»Sie haben sie nicht umgebracht, Sie haben Cheryl Diggs nicht umgebracht. Mann, dann sind Sie ja wohl immer nur zur falschen Zeit am falschen Ort.«
»Ganz genau!«, schrie Ashala los. »Genau das isses.«
Decker sagte: »Kalil, hatten Sie in der Nacht, als Deanna Green ermordet wurde, Geschlechtsverkehr mit ihr?«
Er nickte. »Aber ich hab se nich umgebracht.«
»Sie haben sie vergewaltigt, aber nicht getötet?«
»Nein, ich hab se nich vergewaltigt. Ich hab nur mitgeholfen, ihr ’ne Lehre zu erteilen, mehr nich.«
Und da ging ihm ein Licht auf. Decker wiederholte: »Sie haben nur geholfen, ihr eine Lehre zu erteilen? Was soll das für eine Lehre gewesen sein? Dass man mit Ihrer Schwester so nicht umspringen kann?«
Ashala sah zu Boden. »Ich habe Deanna Green nicht umgebracht.«
»Dann sagen Sie mir, wer es war.«
»Wenn ich Ihnen Deanna gebe, will ich nich in den Knast, wegen Vergewaltigung oder Mord oder …« Er sah auf. »Irgend so einen gemeinnützigen Scheiß, klar?«
»Mein Gott, Junge! Und wovon träumst du nachts?«, war Deckers Antwort.
»Ich hab Green nich abgemurkst, und ich hab Diggs nich abgemurkst. Die war schon tot.«
»Sie haben sie erwürgt, Kalil.« Decker zählte an den Fingerspitzen ab. »Ich krieg dich für Diggs dran, ich krieg dich für Trupp …«
»Mann, ich hab den Leuten ’nen Gefallen getan mit dem Scheißkerl!«
Bingo! Jetzt hab ich ihn für Trupp, dachte Decker. Ganz ruhig sagte er: »Erzählen Sie mir von Ihrer Schwester und Deanna. Wessen Idee war das, ihr eine Lehre zu erteilen?«
»Meine nich. Ich hab die Schnalle kaum gekannt.«
»Wessen Idee war es, Kalil?«
Kalil ließ sich resigniert auf seinem Stuhl zusammensacken. »Fatima war wütend, weil Deanna sie nich mehr wollte. Deanna hielt sich immer für was ganz Besonderes, weil sie katholisch war und ihre Eltern reich waren. Auf uns runtergesehen hat se, weil wir arm waren und nich an ihren Jesus glaubten. Ganz wild gemacht hat das die Fatima. Sie hat mich angehaun, dass ich ihr helfen soll, der Deanna ’ne Lehre zu erteilen.«
»Was haben Sie gemacht?«
Kalil kam so nahe heran, als spräche er zu einem Freund. »Also, das lief so: Fatima hat ’nen Stein an der Deanna ihr Fenster geworfen, und Deanna hat die Tür aufgemacht, um se reinzulassen. Na ja. Weil Deanna, die dachte ja, sie wären immer noch Freundinnen, auch wenn se nich mehr diese Art Freundinnen waren, kapiert?«
»Weiter.«
»Fatima hat die Tür für mich aufgelassen. Ich bin dann rein, während Deanna und meine Schwester im Zimmer am Reden waren. Und dann ham wer uns auf sie gestürzt.«
Decker wartete. »Ich brauche schon Einzelheiten, Freundchen.«
Ashala sah weg. »Ich hab se festgehalten, aber die, die se gefesselt hat wie ihren heiligen Herrn Jesus, das war Fatima. Hat ihr gefallen, der Fatima. Wenn die Schlampe immer für ihren Jesus lebt, dann sollse auch so sterben wie er.«
»Und Sie. Sie haben mir erzählt, dass Sie auch gerne Fesseln benutzen.«
»Ja, das macht Spaß.«
Decker ließ sich Zeit, um seine Gedanken zu sammeln. Was für ein Spiel des Zufalls, dass Kalil und Whitman es beide mit dem Fesseln hatten. Wer war denn nun wirklich für Cheryls Tod verantwortlich?
»Was passierte, nachdem Fatima Deanna festgebunden hatte, Kalil?«
»Na ja, was ich gesagt hab. Fatima hat mir eingeheizt, ihr mal so richtig ’ne Lehre zu erteilen. Und Deanna, die sah gut aus.« Kalil zuckte die Achseln. »Hatt ich nichts dagegen.«
»Sie haben sie vergewaltigt?«
»Ich hab ihr ’ne Lehre erteilt. Es is nur außer Kontrolle geraten.«
»Sie ist gestorben, Kalil.«
»Weil es außer Kontrolle geraten is. Deanna fing an, Krach zu machen. Wir wollten sie dazu bringen, dass se den Mund hält. Um se zu retten. Wir wollten se nich umbringen, ihr nur das Maul stopfen. Aber die machte immer weiter. Wenn die nich so blöd gewesen wäre, dann würde se noch leben.«
Decker atmete ganz langsam aus.
Ashala sagte: »Ich will einen Anwalt.«
»Ich kann Ihnen einen besorgen«, sagte Decker.
»Und Sie werden Fatima verhaften?«
»Sie wird auf Grund Ihres Geständnisses zur Vernehmung vorgeführt werden.«
»Die Schlampe erzählt Ihnen bestimmt, dass ich das alles ganz alleine war. Aber das stimmt nich. Warum sollte ich Deanna abmurksen? Die Deanna war mir doch scheißegal. Also, wenn Fatima mir das Ganze anhängen will, dann lügt se! Fallen Se bloß nich rein auf die. Die is so was von verlogen. Und spielen kann die! Als es vorbei war, war se ganz in Tränen aufgelöst. ›Ach, die arme Deanna, arme, arme Deanna!‹ Und sie kriegt das echt gut hin, weil se gut reden und sich wie ’ne Weiße benehmen kann, wenn se will. Die Bullen haben ihr noch Händchen gehalten und den Rücken getätschelt. Ich sage nur, ich hab se nich umgebracht. Sie glauben mir doch, oder?«
»Erzählen Sie die Story Ihrem Anwalt, Kalil. Es ist wichtig, dass er Ihnen glaubt.«
»Verdammt, Mann! Das is die Wahrheit. Ich hab se nich umgebracht!« Ashala schüttelte indigniert den Kopf. »Und überhaupt hab ich der Schlampe ’nen Gefallen getan. Wenn es bei Fatima und ihren Freundinnen geblieben wäre … wenn ich se in der Nacht da nich gebumst hätte … dann wäre die Deanna doch als Jungfrau gestorben.«