Ende Mai 480 brach Xerxes von Sardes in Kleinasien auf; im Juni überschritt das Heer auf zwei Schiffsbrücken die Meerenge des Hellespont; im Juli hatten die Perser Thessalien erreicht. Die riesige Heerschlange kroch an der Küste entlang, flankiert von Wolken von Reitern, begleitet von einem unübersehbaren Schwarm von Schiffen, die in Sichtweite auf dem Meer lagen und langsam südwärts trieben. Die Schiffe hatten die Segel fallen lassen, um gleichen Schritt zu halten. Es war windig.
Jetzt trennten sich die Wege, das Heer bog in das Innere Thessaliens ab, die Flotte fuhr zur Südspitze Thessaliens voraus. Man ankerte um das Kap Sepias. In der Nacht brach ein dreitägiges Unwetter los und zerschmetterte vierhundert Schiffe an den Felsen. Die persische Flotte hatte eine Schlacht verloren, ohne eine geschlagen zu haben!
Man rettete, was zu retten war, und setzte schließlich den vorgezeichneten Weg fort. Man bog gerade um das Vorgebirge Artemision in den Sund ein — da waren plötzlich die Griechen da! Sie kreuzten auf der schmalen Einfahrt hin und her. Sie schienen sie sperren zu wollen, formierten sich aber nicht und dachten offenbar an keinen Kampf.
Die Perser stoppten. Sie versuchten, die Lage zu ergründen. Sie beobachteten die griechischen Schiffe und kamen zu der Ansicht, nur einen Teil der griechischen Flotte vor sich zu haben. Wo waren die anderen Schiffe?
Nirgends. Es gab nicht mehr. Was da den Persern gegenüberlag, war die gesamte Seemacht der Griechen, 270 Schiffe. Athen hatte 147 gestellt, die Platäer besaßen überhaupt keine, sie verstanden auch nichts von der Seefahrt, drängten sich aber »herzhaft und kühn«, wie Herodot sagt, dazu, ein paar athenische zu bemannen. Weitere 20 hatte Athen an die Chalker abgegeben, die kein eigenes Schiff stellen konnten, aber gute Seeleute waren. Korinth hatte 40 Schiffe geschickt, Megara 20, Ägina 18, Sikyon 12, Sparta 10. Der Rest verteilte sich auf die kleineren Städte. Ja, sie waren alle da, nicht eben viele, eng und klein wie die griechische Welt damals noch aussah, aber im Herzen wild entschlossen. Oberbefehlshaber war kein Athener; die Bundesgenossen hatten größtes Kontingent und höchste Befehlsgewalt trennen wollen. Oberbefehlshaber war daher — wie könnte es anders sein — ein Spartaner. Der Herr hieß Eurybiades, er hatte das Wissen eines Schulschiffkommandanten und die Anschauungen einer Landratte. Er war überzeugt, daß die Entscheidung durch das Heer am Isthmos von Korinth erzwungen würde und daß sein Platz eigentlich auf den Fluten des Eurotas sei, der bekanntlich durch Sparta fließt.
Die ganze Sache wäre von vornherein verloren gewesen, wenn man nicht wenigstens den Posten des Ersten strategischen Beraters mit Themistokles besetzt hätte. Er war der wahre Befehlshaber. In der einen Tasche hatte er den abenteuerlichsten aller Schlachtpläne, in der anderen Geld. Eurybiades sah gebannt auf die Tasche mit dem Plan, die Matrosen sahen gebannt auf die andere.
Die Ereignisse, die sich in den nächsten Tagen abspielten und die in den Geschichtsbüchern die Doppelschlacht am Vorgebirge Artemision und am Engpaß der Thermopylen genannt werden, sind sehr schwer zu beschreiben, denn erstens werden Sie es verabsäumen, einen Blick auf die Karte zu werfen, und zweitens weiß die Forschung bis heute noch nicht genau, was man damals eigentlich wollte.
Sie werden sagen: Ganz einfach, man wollte die Perser schlagen. Sehen Sie: Eben das wissen wir nicht! Eurybiades war zwar überzeugt davon und die Historie bis vor kurzem auch, aber Inschriftenfunde, die erst 1960 gemacht worden sind, beweisen den lange gehegten Verdacht, daß Themistokles die Perser gar nicht hier, sondern bei Salamis, also hinter Athen, in eine Falle locken wollte. Er hat von der Stellung bei Artemision gar nichts gehalten, und ich muß sagen, mit Recht. Was ihm daran so mißfiel, war die Koppelung mit den Thermopylen.
Damit Sie das verstehen, muß ich Ihnen die Lage erklären. Das Vorgebirge Artemision bildet den Eingang des schmalen Meeresschlauchs, der zwischen der langgestreckten Insel Euböa und dem Festland liegt. Da hinein wollte die persische Flotte; aus drei Gründen: Die schmale Fahrrinne war geschützt vor den berüchtigten Stürmen; es war der kürzeste Weg nach Athen; und an der Küstenstraße bei den Thermopylen wollte sich die Flotte wieder mit dem Heer vereinigen. Die Thermopylen selbst sind eine Stelle der Straße, an der die steilen Berge dicht an das schroffe Ufer herantreten. Von hier aus sind es nur ein paar Kilometer bis zur Artemi-sion-Einfahrt; man kann sie sehen.
Der griechische Plan war, bei den Thermopylen Xerxes so lange aufzuhalten, bis Eurybiades die persische Flotte geschlagen hatte. Der Plan war in den Augen des Eurybiades glänzend, in den Augen des Themistokles blödsinnig. Es war unmöglich, in diesem Sund eine Falle zu legen. Auch würde die Zeit gar nicht ausreichen; Themistokles war überzeugt, daß Xerxes die Thermopylen stürmen würde. Dann stand der Perser in seinem Rücken! Er wäre gern nach Salamis weggesegelt, aber dann hätten die Griechen, die an den Thermopylen standen, die persische Flotte in die Flanke bekommen. Es war alles falsch und schief und krumm und zum Verzweifeln. Die Götter mochten wissen, wie diese Sache ausgehen würde.
Während also Themistokles vor der verdutzten persischen Flotte wie ein Picador vor dem Stier hin und her tänzelte, war Xerxes am Engpaß angelangt. Das 175 000-Mann-Heer machte halt, denn es ging nicht weiter, die Thermopylen waren mit Barrikaden verschlossen. Dahinter standen die Griechen. Wie viele, das war die Frage. Dreißigtausend? Fünfzigtausend? Mehr?
Fünf Tage lang rätselte Xerxes unbehaglich herum. Er konnte während dieser Zeit auch die Schiffe auf See und die Fisimatenten beobachten, mit denen Themistokles das Weitersegeln der Perser verhinderte. Die Lage war lächerlich, und der Großkönig entschloß sich, den Knoten zu durchhauen. Er befahl einem Teil der Flotte, die lange Insel Euböa außen zu umsegeln und von Süden in den Sund einzudringen, um an die Thermopylen heran und Themistokles in den Rücken zu kommen. Gleichzeitig gab er das Zeichen zum Sturm auf den Engpaß. Er mußte genommen werden, gleichgültig, was dahinter stand.
Die Perser rannten achtundvierzig Stunden in ununterbrochenen Wellen gegen die Barrikaden an, vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang, immer wieder, über Berge von Toten; und immer wieder vergeblich. Am dritten Tage kam die Meldung, daß der Versuch, Euböa zu umschiffen, gescheitert war. Ein Sturm hatte auch die zweite Schlacht für die Griechen geschlagen.
Xerxes war am Ende seiner Weisheit. Vor ein paar Wochen noch hatte er die Griechen »einfach von einer Abteilung Feldgendarmen verhaften« lassen wollen. Jetzt saß er an den Thermopylen fest.
In diesem Augenblick kam ihm ein Verräter zu Hilfe. Ein einheimischer Bergbewohner verriet den geheimen Gebirgspfad, der über den Öta in den Rücken der Griechen führte. Den Namen des Verräters haben Sie sicher auf der Schule gelernt — vergessen Sie ihn. Solche Namen lohnen sich nicht.
In der Nacht überstieg die persische Leibgarde das Gebirge; bei Sonnenaufgang konnten die Griechen, als sie zufällig einen Blick zurückwarfen, die lange Kette der Feinde von den Höhen herabsteigen sehen.
Die Lage war plötzlich tödlich. Themistokles mußte unbedingt verständigt werden, daß die Thermopylen und damit sein einziger Rückzugsweg in wenigen Stunden verloren sein würden!
Eine bange Stunde verging. Endlich nahten die griechischen Schiffe! Eines nach dem anderen zwängte sich an den Thermopylen vorbei durch die Meerenge, fünf, zehn, zwanzig, fünfzig, hundert, hunderteins, hundertzwei, hundertdrei — es dauerte eine Ewigkeit, ehe die großen Kästen in dem Schlauch waren und in Richtung Athen verschwanden. Endlich schwamm die letzte Triere heran. Am Bug stand Themistokles und blickte zur Küstenstraße hinüber. Es war gekommen, wie er es vorausgesehen hatte; das Land mußte preisgegeben, die Entscheidung in der Falle von Salamis geschlagen werden. Oder?
Kein Oder.
An den Thermopylen begann der letzte Akt. Der Mann, der dort befehligte, war jener spartanische König und Feldherr, dessen Name für die Welt zum Mythos werden sollte: Leonidas. Die Zahl seiner Krieger, über die sich Xerxes so sehr den Kopf zerbrach, betrug siebentausend. Eine lächerliche Handvoll. Alles andere schwamm auf dem Wasser.
Um diese Handvoll, dieses wertvolle Häufchen, zu erhalten, befahl Leonidas, bevor die Perser die Straße abgeschnitten hatten, den Rückzug aller Krieger mit Ausnahme seiner dreihundert Spartiaten und einiger thebanischer Freiwilliger. Man brach fieberhaft auf, um wegzukommen, solange der Weg noch frei war.
Leonidas überblickte den Rest. Er kam ihm groß vor, und er entdeckte zu seiner Überraschung, daß siebenhundert Thespier zurückgeblieben waren. Sie baten Leonidas, mit ihm sterben zu dürfen.
Ich habe über diese Tatsache oft nachgedacht. Als ich noch sehr jung war, fand ich sie berauschend; als ich älter wurde, fand ich sie einen Kurzschluß des Herzens; heute kommen ab und zu Stunden, wo ich sie ganz zu begreifen glaube. Auch ich weiß, daß dieser Opfertod »sinnlos« war; dennoch wird er voll des Sinnes aus zwei Gründen, zwei sehr guten Gründen. Diese Thespier waren, wie damals noch alle Griechen, Herren. Ein Herr ist nicht jemand, der weiß, wie man Langusten ißt und gnädige Frau sagt, sondern ein Herr ist — das haben wir nur vergessen — , wer sich seine Forderungen an das Leben nicht abkaufen läßt. Nicht von einem Kutscher und auch nicht vom Tode. Und der zweite gute Grund: Ich denke mir, daß wir alle viel ärmer wären, wenn uns die Weltgeschichte niemals, nicht ein einziges Mal, an Hand eines solchen Beispiels mit diesem Gedanken bekannt gemacht hätte. Nicht wahr: Er ist geboren, der Gedanke; man kann ihn ablehnen, aber er bleibt im Blut.
Nun ja — zurück zu den Thermopylen.
Leonidas beschloß, nicht zu warten, bis in seinem Rücken die Feinde auftauchen würden. Er verließ die Barrikaden und stürzte sich auf Xerxes. Er wollte die Reise in die Ewigkeit mit der größten persischen Begleitung antreten, die sich schaffen ließ.
Die Schlacht muß ungeheuerliche Formen angenommen haben. Die Spartiaten, der Kern der Kampfgruppe, standen gleich den Nibelungen und wüteten wie die Rasenden unter den Persern, die mit Peitschen vorgetrieben werden mußten. Zwei Söhne des Xerxes lagen mit unter den Toten.
Als die persische Leibgarde, die der Verräter in den Rücken der Griechen geführt hatte, nun auch noch eingriff, zog sich Leonidas mit den Spartiaten und Thespiern (die Thebaner hatten sich ergeben) auf einen Hang zurück. Sie standen gegen die Felswand gelehnt, und die riesige Übermacht der Feinde hing in Klumpen wie Wespenschwärme an jedem einzelnen. Tausend Schwerter schlugen, und zehntausend Menschen schrien auf sie ein. Mit unendlicher Verachtung sahen, wie Herodot sagt, die Spartaner auf die Geifernden herab. Noch einige Minuten — dann war alles überstanden.
An der Stelle, an der Leonidas mit seinen tausend fiel, steht heute noch ein steinerner Löwe, den die Griechen dem Helden setzten. Viele Inschriften kann man noch entziffern; eine spricht wieder einmal von den »dreitausend mal tausend« Feinden.
Im Herzen der Menschen geblieben sind nicht diese lauttönenden Worte, sondern zwei Zeilen von spartanischer Lapidarität und schrecklicher Traurigkeit:
»Wanderer, kommst du nach Sparta, melde,
du habest uns hier liegen sehen, wie das Gesetz es befahl.«
*
Wie die »Anakonda«, die Heerschlange des Generals Grant im amerikanischen Bürgerkrieg, zog die Armee des Großkönigs nun sengend und brennend durch Phokis, Böotien und Attika. Eine Schneise von Ruinen, ein Kahlschlag der Bevölkerung bezeichnete ihren Weg durch Griechenland.
Selbst die Priester des delphischen Apoll schwebten in banger Ungewißheit über ihr Schicksal. Tatsächlich scheint Xerxes lange gezögert zu haben, ehe er seine Hand schützend über Delphi hob. Er wird nicht im unklaren darüber gewesen sein, daß es neben der offiziellen Perserfreundlichkeit der Priester noch eine zweite Rolle gab, die sie gespielt hatten, aber er übersah es großmütig. Wahrscheinlich wirklich aus Scheu vor dem Gott.
Auch Theben und andere Freunde wurden geschont. Aber es wird keine reine Freude für sie gewesen sein, obwohl ich höre, daß einem der Kuchen am gedeckten Tisch auch dann noch schmeckt, wenn man weiß, daß die anderen inzwischen auf den Landstraßen umherirren.
Thespiai wurde dem Erdboden gleichgemacht, Platää ausradiert. Dann ging es nach Attika hinein. Über viele Kilometer leuchtete den Persern die Akropolis von Athen im Lichte der Septembersonne entgegen.
Aber es war eine Geisterstadt, die den Großkönig empfing. Die Straßen, die Plätze, die Häuser waren leer; mit Sack und Pack hatten Greise, Frauen, Kinder und Sklaven auf Pferden, Eseln, Wagen und Handkarren Athen in Richtung Süden verlassen. Nur auf der Akropolis hausten ein paar Priester; die einzigen, die zurückgeblieben waren.
Ein gespenstischer Eindruck. Der Großkönig ging durch die Straßen, betrat den Areopag, stieg zur Burg hinauf; das also war Athen, jenes Athen, das seinen Vater bei Marathon besiegt hatte. Diese kleine Stadt? Viel Lärm um nichts.
Er gab Befehl, die Burghüter niederzumachen und Feuer an dieses Athen zu legen. Alle Häuser, ausgenommen die der Peisistratiden, alle Bauten, alle Tempel, alle Heiligtümer sollten zu Schutt und Asche werden.
Wie eine Fackel stand die Akropolis gegen den Abendhimmel. Von Salamis aus, vom Ufer und vom Deck der Schiffe beobachteten die Griechen das Zerstörungswerk.
Dann ließ Xerxes sich seltsamerweise Zeit. Man sah und hörte nichts von ihm. (Er hatte ein pompöses Lager bezogen und wartete auf die Flotte.)
Inzwischen buddelten sich die Spartaner am Isthmos ein, fest überzeugt, daß die Entscheidung zu Lande fallen würde. Es war die alte, schon hundertmal durchgekaute Überlegung, die Themistokles an den Rand der Verzweiflung brachte. In dieser Zeit hat es zwischen Eurybiades und ihm furchtbare Auftritte gegeben. Immer wieder hat Themistokles klarzumachen versucht, daß Xerxes an jedem beliebigen Punkt des Peloponnes Truppen landen konnte, solange die persische Flotte noch existierte. Die Spartaner waren nicht blind, sie sahen es auch; aber sie glaubten an kein Salamis-Wunder.
Das war keine Antwort, natürlich nicht. Es gab keine. Die nächtelangen Beratungen versanken immer wieder in Schweigen. Plötzlich und ohne ersichtlichen Grund stimmten die Spartaner dem Salamis-Plan zu.
Sie waren doch wahrhaft außerordentliche Menschen — hier können wir ihnen ins Herz schauen. Sie gaben ihr Denken, ihre Tradition, ihre letzte Sicherung, ja sogar ihre Führung preis. Sie gaben es hin, weil sie wohl als einzige Griechen so völlig frei von Todesfurcht und dem kleinen Einmaleins des Lebens waren, daß nichts sie hinderte, sich zum reinen »Künstlertum« des Krieges zu bekennen. Sie sahen ein, daß der Salamis-Plan ein Stück Hohe Schule der Strategie war. Sie waren zwar überzeugt, daß es schiefgehen würde, aber dann sollte es kein Artemision, es sollte ein Thermopylen werden. Lauter Leonidasse!
Es war also soweit. Die Schiffe lagen bei Salamis bereit; die persische Flotte war ebenfalls angekommen. Es galt, die Perser in die Bucht zu locken. Themistokles ließ seinen Plan ab-rollen. Durch einen angeblichen Verräter bekam Xerxes ins Ohr geflüstert, die griechische Flotte sei im Begriff, Salamis zu verlassen und sich zu zerstreuen.
Am nächsten Morgen waren die Perser da! Von Salamis aus konnte man sehen, wie sie in großem Bogen auffuhren, eine dichtgedrängte, schier erdrückende Masse von sechshundert oder siebenhundert Kriegsschiffen. Mit dem Rücken zum Festland und dem Blick auf Salamis legten sie sich Bord an Bord. Persische Truppen besetzten das kleine Inselchen, das die Bucht im Osten abschloß, und ein leichtes Geschwader befand sich — genau wie bei Artemision — auf dem Wege, Salamis außen zu umsegeln, um auch im Westen bei Megara den Zugang zu schließen. Auf den Uferhöhen sah man Truppenbewegungen und Unruhe, jene Unruhe, wie sie auf den Theaterrängen herrscht, bevor das Schauspiel beginnt. Xerxes erschien und nahm auf einer Thronkanzel Platz. Zu seinen Füßen die grandiose Szenerie, wartete er auf den Beginn der Schlacht seines Lebens.
Er wartete den ganzen Nachmittag, Stunde um Stunde, die Griechen rührten sich nicht. Sie ankerten im Hafen und im Schutz der Buchten und machten keine Anstalten auszulaufen. Der Abend kam; der Großkönig erhob sich betreten und begab sich in das Lager zurück.
Er überlegte. Eine Landung auf Salamis war nicht zu wagen. Er mußte seine Seeschlacht haben, und er hatte Zeit. Die persischen Schiffe wachten in Alarmbereitschaft.
In dieser Nacht voller Spannung, vor der düsteren Szenerie der schwarzen lautlosen Phalanx der Schiffskolosse mit den wadienden Persern, des monotonen Wellenschlags an dem Ufer, an dem die Griechen schliefen, und der einsamen Posten, die auf den Klippen standen und in die Dunkelheit hinaushorchten — in dieser Nadxt ruderte ein Kahn von Ägina herüber, wand sich vorsichtig durch die Sperren der Perser und landete in Salamis. Ein Mann stieg aus, den es in der Stunde der Gefahr an die Seite derer trieb, die ihn verbannt hatten: Aristides war gekommen!
Am nächsten Morgen, noch ehe die Königsloge besetzt war, gab der Regisseur Themistokles das Signal zum Anfang — zum Anfang oder zum Ende Griechenlands. In zwölf Stunden war er entweder der Retter oder der Durchhalte-Verbrecher — ich glaube, so nennt man das heute.
Die griechischen Schiffe brachen von ihren Plätzen hervor und nahmen, in schiefer Sehne zu dem Bogen der Perserflotte formiert, den überraschten und übernächtigten Feind an. Wenn Sie die dramatischste Schilderung erleben wollen, so versäumen Sie es nicht, sich Aischylos’ »Perser« anzusehen, sobald sie einmal aufgeführt werden. Dort hören Sie den berühmten »Botenbericht« vom Verlauf der Schlacht bei Salamis, in der der junge Aischylos als Soldat mitgekämpft hat. Der Kampf nahm genau den Verlauf, der vorgesehen war. In schweren Bug-an-Bug-Kämpfen wichen die korinthischen, spartanischen und äginetischen Schiffe langsam rückwärts, den Feind im Sog nach sich ziehend. In der drangvollen Enge klebten die persischen wie Flößhölzer aneinander, die ganze Masse begann sich langsam wie ein Karussell zu drehen, wobei überhaupt nur noch die äußeren Schiffe mit den Griechen in Berührung kamen.
Sobald die Perser von der Kreiselbewegung erfaßt waren, stieß Themistokles mit den Athenern in ihre Breitseite. Von nun an war die Luft erfüllt mit wildem Krachen, Bersten und Auseinanderbrechen der feindlichen Trieren.
Die Perser konnten die Kampfrichtung nicht wechseln, der Sund war zu schmal, und Hunderte ihrer Schiffe schwammen nur noch manövrierunfähig mit, die Steuer zerquetscht, die Ruder abrasiert. Die ganze Flotte drohte im Sack der Bucht erdrückt zu werden.
Da — unter den Augen des Großkönigs — gab der persische Admiral das Zeichen zur Flucht.
Im Schutz der Dunkelheit rettete sich der Rest der Flotte zum Piräus und am nächsten Morgen weiter nach Andros. Als auch dort die Verfolger auftauchten, flohen die Perser nach Kleinasien, immer weiter verfolgt von den Griechen. In der Bucht von Mykale, wo sie sich sicher wähnten und die Schiffe an Land gezogen hatten, wurden sie im nächsten Sommer abermals aufgestöbert, das Lager überrumpelt. Der panische Schrecken jagte die Besatzung davon, die Schiffe gingen in Flammen auf.
Die Nachricht vom Sieg bei Salamis flog wie der Wind durch ganz Griechenland. Der Name des Retters war in aller Munde. Sparta dankte ihm durch eine feierliche Ehrung.
Den »Preis der Tapferkeit« aber — und ich finde, es ist schön, solche Einzelheiten zu wissen — , den Preis der Tapferkeit erhielten einstimmig die Ägineten zugesprochen. Das Training an den athenischen Getreideschiffen hatte Früchte getragen.