25

Magische Lichter hingen in großer Zahl und dicht gedrängt über dem Tisch und machten das Frühstück so fröhlich, wie es ohne Sonne nur sein konnte. An dem langen, niedrigen Tisch saßen die Gnome auf flachen Bänken, alle anderen auf Kissen. Und alle außer Gan, die offenbar immer noch schlief, waren bei dem Mahl anwesend.

Und trotzdem herrschte keine besonders heitere Stimmung.

Das Schiff lag immer noch vor Anker. Wellen leckten sanft an seinen Seiten, als es sich auf dem Fluss wiegte wie ein Mann in einer Hängematte an einem Sommertag. Sonst erinnerte nichts an den Sommer. Die Luft war kalt und nebelig. Sie roch nach dem Fluss, dem Rauch des Grills, den die Gnome auf dem Deck aufgestellt hatten, und dem wunderbaren Duft von frisch gebackenem Brot.

Es hatte sich herausgestellt, dass der Titel „Dritter Assistent des Roten Jaspisbandes“ bedeutete, dass der Gnom ein Bäcker der magischen Art war. „Band“ meinte einen Ring aus rotem Jaspis, der anstatt eines Ofens benutzt wurde. Gerade hatte Cynna zwei dicke, warme Scheiben des magisch gebackenen Brotes gegessen, dick mit einer Art Marmelade bestrichen.

Sie schlürfte ihren Tee. Auch den würde sie austrinken. Er war ganz speziell für schwangere Frauen gedacht und sollte die morgendliche Übelkeit von ihr fernhalten, von der sie bisher auch ohne Tee verschont geblieben war. Aber Übelkeit war eines der Dinge, die sie am allerwenigsten mochte, deswegen wollte sie es lieber nicht darauf ankommen lassen. Der leicht blumige Geschmack des Gebräus behagte ihr zwar nicht, aber das hieß nicht, dass es schlecht schmeckte.

Lily hätte es hier nicht ausgehalten. Ohne Kaffee.

Sie vermisste Lily. Sie vermisste auch Autos und Handys und Radio und Pop-Tarts. Und Sonnenschein. Sie war erst wenige Tage hier – auch wenn es keine echten Tage waren. Und schon vermisste sie die Sonne ganz schrecklich.

Wie lange war sie schon hier? Auf einmal beunruhigt, als ob sie, wenn sie sich an die Zahl nicht erinnerte, auch etwas weniger Fassbares, aber sehr viel Wichtigeres vergessen würde, zählte sie nach. „Sind wir erst sechs Tage hier?“

„Könnte hinkommen.“ Cullen saß auf dem Kissen neben ihr. Heute Morgen hatte er schon wieder laufen können … wenn auch langsam. „Wenn du von unserem Aufenthalt hier sprichst.“

„Das tue ich.“ Cynna warf ihm einen Blick zu. Er hatte sein Fasten mit einem geräucherten Fisch gebrochen – drei großen geräucherten Fischen. Lupi brauchten viel Protein, und wenn sie heilten, sogar noch mehr. „Magst du den Geruch hier?“

In seinem Seitenblick las sie Überraschung. Er lächelte. „Ja. Ich mag zwar den Ozean lieber, aber der Ka hat ein reiches Aroma. Sehr viel angenehmer als Beton oder Abgase.“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Dir gefällt es wohl in Edge?“

„In vielerlei Hinsicht, ja. Ich bin nicht so begeistert von der steigenden Tendenz verschiedener Bevölkerungsgruppen, uns umzubringen, aber die Luft hier ist rein, das Land und das Wasser riechen gesund, und es gibt Magie im Überfluss.“

Daniel, der ihnen am Tisch gegenübersaß, meldete sich zu Wort. „Ich brauchte eine Weile, bis ich mich an die Zeiten gewöhnt hatte, und natürlich habe ich das erste Jahr nichts unversucht gelassen, um zurückzukehren oder eine Nachricht zu senden … aber dein Freund hat recht. Edge hat auch seine guten Seiten.“

Daniel Weaver. Ihr Vater. Cynna war nicht daran gewöhnt, dass das Wort tatsächlich eine konkrete Bedeutung hatte. „Würdest du hierbleiben?“, fragte sie ihn. „Wenn alles gut geht und sie es schaffen, ein Tor zur Erde zu öffnen, kommst du dann mit, oder bleibst du hier?“

„Eigentlich hatte ich gedacht …“ Er senkte den Blick und spielte mit dem Messer, mit dem er die Marmelade auf seinem Brot verteilt hatte. „Aber meine liebe Mary ist jetzt da, wo mich keine Tore hinbringen können. Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut, kein schlechtes Leben. Ich nehme an, Chicago ist nicht mehr die Stadt, die ich kenne, was?“

Sie nickte. „Computer, Handys, DVD-Player … es hat sich viel geändert. In Chicago … na ja, Soldier Field sieht jetzt so aus, als wären dort Die Jetsons gelandet und hätten dem alten Bau einen Zylinder aus Stahl aufgedrückt. Und der Millennium-Park – den solltest du sehen. Der ist toll. Alle lieben ‚Die Bohne‘. Aber nicht alles hat sich geändert. Der Bürgermeister heißt immer noch Daley, und die Cubs-Fans haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.“

Daniel lachte auf. „Wirklich? Du meinst, in dreißig Jahren haben sie es immer noch nicht geschafft …“

„He!“, rief Gan entrüstet, die Hände in das gestützt, was ihre Hüften darstellen sollte, obwohl sie bei ihrem Mangel an Taille schwer zu erkennen waren. „Gibt es keine Fischlis mehr? Hat jemand alle Fischlis aufgegessen?“

„Setz dich“, sagte Steve Timms entschieden. „Du kannst den Rest von meinem Fisch haben, aber das nächste Mal kommst du, wenn ich dich rufe, statt ein Kissen nach mir zu werfen.“

Cynna grinste. Es war noch nicht allzu lange her gewesen, da hatte Steve auf alles schießen wollen, was nicht menschlich war.

„Leute.“ Bilbo klopfte an sein Glas wie ein Redner, der die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich ziehen will. „Wir gegessen haben. Jetzt wir reden müssen.“

Cynna wechselte einen Blick mit Cullen. Bilbo hatte recht. Es wurde Zeit. Aber die Diskussion würde vielleicht nicht den Verlauf nehmen, den der Gnom erwartete. Sie und Cullen hatten sich miteinander abgestimmt, bevor sie die Kabine verlassen hatten. „Dann reden wir“, sagte Cynna. „Ich fange an.“

Bilbo warf ihr einen missbilligenden Blick zu. „Ich zuerst. Wir gesendet haben nach Triton, um Schiff zu ziehen vorwärts. Bald die Triton werden ankommen, aber …“

„Aber zuerst muss ich entscheiden, ob ich weiter auf dem Schiff fahre.“

„Entscheiden?“ Bilbo schlug mit der Hand auf den Tisch. „Was für eine Entscheidung zu machen ist? Wir alle wissen, dass wir müssen weiterfahren oder wir sterben. Meine Welt ist in Gefahr, ja, aber Ihr in dieser Welt seid. Alle müssen weiter! Das ist der einzige Weg!“

„Ich reise nicht weiter, bis nicht einige Fragen geklärt sind“, sagte Cynna ruhig. „Angefangen mit der Frage, wer uns verraten hat. Wir haben eine undichte Stelle, und ich denke, es muss jemand auf diesem Schiff sein.“

Statt wütend zu werden oder es abzustreiten, sahen sich die Gnome verwirrt an. Tash legte die Stirn in Falten. „Du denkst, wir haben ein Leck? Nicht im Schiff, sondern bei den Passagieren?“

Der Talisman und der Sprachenlernzauber deckten anscheinend nicht alle Anwendungsmöglichkeiten ab. „Jemand gibt Informationen weiter. Die Schnecken mit den Anusgesichtern haben uns, einen Tag nachdem wir die Stadt verlassen hatten, gefunden. Ich war ganz offensichtlich ihr Ziel. Sie – oder der, der sie geschickt hat – wussten zu viel.“

„Das ärgerlich ist, ja“, sagte Bilbo. „Aber viele Zauber können finden etwas so Großes und Bekanntes wie das Schiff des Kanzlers.“

„Ach ja? Dann fällt mir die Entscheidung umso leichter.“ Sie ließ den Blick über die um den Tisch Versammelten schweifen. „Es sei denn, es war Eure Absicht, dass ich die Aufmerksamkeit jeder Interessengruppe auf mich ziehe, die verhindern will, dass ihr das Medaillon findet.“

„Es keinen Sinn ergibt für uns …“

„Es würde vieles erklären“, sagte Cynna mit lauter Stimme, um ihn zu übertönen. „Ich frage mich immer noch, warum Ihr es nötig hattet, eine Finderin aus einer anderen Welt herzuholen. Wenn noch nicht einmal die Sidhe es finden können. Ihr erwartet gar nicht, dass ich es finde, nicht wahr? Ihr wollt nur, dass ich es versuche, und so Eure Feinde ablenke.“

Bilbos Stirn war in so tiefe Falten gelegt, dass sie ihn am liebsten gewarnt hätte, dass sein Gesicht so stehen bleiben könnte. „Warum Ihr sagt, dass Sidhe es nicht können finden?“

„Jeder, der von jetzt auf gleich zu einem Translokationszauber fähig ist, kann einen verlorenen Gegenstand finden.“

„Wer? Wer macht … Theera! Macht sie Translokation? Wann!“

Er sprach das letzte Wort wie eine Forderung, nicht wie eine Frage aus. Cynna sah Cullen an. Sie hatten sich nicht entscheiden können, ob sie ihm von Theeras Kontaktaufnahme berichten sollten. Er bewegte ganz leicht den Kopf – kein Schütteln, aber doch verneinend. „Jetzt beantworte ich keine Fragen“, sagte sie. „Sondern Ihr. Sagt mir, warum Theeras Translokation Euch in Sorge versetzt.“

Das schien Bilbo gar nicht zu gefallen, aber dann zuckte er resigniert die Achseln. „Wir gedacht haben, dass Theera nicht weiß, wann wir haben Stadt verlassen. Wenn sie Translokation zurück nach Rohen hat gemacht, das bedeutet, sie weiß, wir bald abfahren und sie keinen Grund hat, in Stadt zu bleiben.“

„Was ist Rohen?“

„Theeras Lehnsherrin ihre Halbschwester ist, sie gerufen wird Theil Ná Rohen. Rohen ist Theils Gut, ihr Land, Ihr versteht? Alle Sidhe, die herrschen, müssen haben Land. Theera keine Zauberin ist – sie nicht wirken kann Translokationszauber. Theil ist Magierin, aber nicht so gut, dass sie wirken kann diesen Zauber. Aber Theils Lord – der ist wahrer Lord der Feen, weil er haben Land in der Zweiten Welt – sehr mächtiger Magier ist. Er Talisman hat gemacht und Theil geschenkt, damit sie kommen kann zurück nach Rohen. Theil lässt Theera benutzen den Zauber. Geht nur an einem Ort – Theil zu Hause in Rohen ist.“

Bilbos verquere Syntax zu entwirren, bereitete Cynna Kopfschmerzen. „Also hat Theeras Schwester diesen Talisman und hat ihn ihr geliehen. Dann translokalisiert sie sich mithilfe dieses Talismans und nicht mittels ihrer eigenen Fähigkeiten?“ Als Bilbo nickte, fuhr sie fort: „Aber es braucht enorm viel Energie. Translokation ist wie ein Tor zu öffnen, nur innerhalb einer Welt.“

„Theil viel Energie hat. Sie an ihr Land gebunden ist auf Sidhe-Art, also viel Energie ziehen kann daraus. Theera nicht haben diese Macht, aber ihre Halbschwester sie lässt benutzen das Gerät, also sie nutzt Theils Energie, nicht ihre.“

Vielleicht waren die Sidhe gar nicht so mächtig, wie sie befürchtet hatte. Trotzdem … „Aber sie – die Sidhe – sind unglaublich gute Zauberer. Warum können sie es nicht finden? Oder glaubt Ihr, sie haben es bereits gefunden?“

Blicke wurden ausgetauscht – dieses Mal zwischen Bilbo, Tash und Wen. Tash ergriff das Wort. „Die Sidhe agieren nur selten geschlossen. Es gibt in Edge vier große Sidhe-Güter. Rohen, Gabotá, Leerahan und Fa Nioth. Manchmal pflegen sie freundschaftlichen Umgang, aber sie stehen immer in Konkurrenz miteinander. Wir glauben, es ist möglich, dass einer der Lords das Medaillon hat. Wenn das stimmt – wenn es sich auf dem Land des Lords befindet –, sind weder die Gnome noch die anderen Sidhe in der Lage, es mit magischen Mitteln zu finden.“

„Und trotzdem denkt ihr, ich kann es?“

Gan kicherte. „Das ist doch deine Gabe, oder etwa nicht?“

„Was ist denn daran so komisch?“

„Aber es ist komisch!“, beharrte Gan, als wenn sie sich mit ihr streiten würde. „Denken sie nicht alle, dass Menschen nutzlos sind? Völlig wertlos? Jetzt müssen sie zugeben, dass sie falschgelegen haben.“ Sie grinste Bilbo an – was immer ein sehenswerter Anblick war, denn sie hatte immer noch die spitzen Zähne eines Dämons. „Falsch, falsch, falsch, falsch. Ihr lagt falsch.“

Das Töten von lärmenden Dämonen musste wohl einem sehr strengen Tabu unterliegen, dachte Cynna. Sonst wäre Gan jetzt längst tot gewesen, wenn sie Bilbos Blick richtig deutete.

„Warum gebt Ihr es nicht zu, Ehrenwerter Rat?“, sagte Daniel Weaver plötzlich. „Nachdem Ihr uns jahrelang unterdrückt, uns wie Stiefkinder behandelt habt, müsst Ihr zugeben, dass ein Mensch etwas kann, was Ihr nicht könnt. Was auch die Sidhe nicht können.“ Er sah Cynna an. Echte Wut – alte Wut – lag in seinem Blick, und er presste die Lippen zusammen. „Das ist die Natur einer Gabe, mein Schatz. Nur ein Meister kann mit einem Zauber das vollbringen, was ein Lupus von Natur aus kann – seine Gestalt wandeln. Nur ein Meister ist zu dem fähig, was Andersblütigen durch ihre Magie von Geburt an mitgegeben wurde.“

Cynna war von der beiläufigen Art, mit der er sie „mein Schatz“ genannt hatte, so abgelenkt, dass sie zuerst nicht verstand, was er sagte. „Aber Menschen sind keine Andersblütigen.“

Gan schnaubte. „Ihr seid so dumm. Ihr alle. Zuerst habe ich gedacht, ihr wisst vielleicht, wovon ihr redet, aber das stimmt nicht. Es gibt keinen Unterschied.“

Cullen richtete sich auf. „Menschenmagie sieht anders aus“, sagte er langsam.

„Ja und? Dämonenmagie sieht doch sicher auch anders aus als Lupusmagie, oder nicht?“

Cullen nickte. Sein Gesicht verriet nichts.

„Was heißt denn ‚andersblütig‘?“, fragte Gan. „Dass deine Magie angeboren ist. Eine Gabe ist nichts anderes. Angeborene Magie.“

Cynna versuchte darauf zu kommen, warum das nicht stimmte. Es konnte nicht stimmen. Oder doch? Jeder wusste doch, dass Menschen keine Andersblütige waren. Jeder. Hexen, Schamanen, Lupi – alles waren sie sich einig. Konnten sie sich denn alle in so etwas Wichtigem geirrt haben?

Andersblütig zu sein bedeutete, natürliche Magie zu besitzen, angeborene magische Fähigkeiten, die man einfach nutzte, ohne ein magisches Ritual durchführen zu müssen.

Eine Gabe zu haben, bedeutete dasselbe.

Cullen lehnte sich vor, ruhig und konzentriert. „Die meisten Menschen haben keine magischen Fähigkeiten. Behauptest du etwa, dass Menschen mit einer Gabe nichtmenschliches Blut haben?“

„Keine Ahnung. Und es interessiert mich auch nicht.“ Gan stand auf. „Ich will schwimmen gehen.“

„Warte, bis jemand dich begleiten kann“, sagte Cynna automatisch.

„Er könnte mitkommen.“ Gan zeigte auf Cullen.

„Nein, kann er nicht. Er ist noch nicht wieder ganz geheilt.“

Gan seufzte. „Boote sind langweilig, wenn ich nicht schwimmen darf.“

„Es ist gut, wenn du dich langweilst. Das heißt, dass heute niemand versuchen wird, dich umzubringen.“ Aber der „Tag“ hatte gerade erst begonnen. Cynna wandte sich Bilbo zu. „Was werdet Ihr tun, wenn das Medaillon sich auf dem Land der Sidhe befindet? Sie angreifen?“

„Nein!“ Bilbo sah tatsächlich entsetzt aus. „Nicht angreifen. Ist eine politische Angelegenheit. Sidhe-Politik sehr komplex ist, aber Harazeed wissen, wie handelt man. Wir bekannt machen, wer hat das Medaillon, und wenn kein rechtmäßiger Besitz jetzt ist, dann andere geben das Sidhe-Lehnsland uns zurück.“

„Andere?“

„Andere Sidhe. Ist kompliziert. Ihr wollt Unterricht in Sidhe-Politik? Ihr habt ein Jahr oder zwei für Unterricht?“ Er benutzte Sarkasmus, um sie abzulenken.

„Und wenn es einen rechtmäßigen Besitzer gibt?“

„Noch es keinen Besitzer gibt. Wir aus Edge sind. Wir wenn Medaillon ein Band mit Besitzer geknüpft hat wissen.“

Bilbo hatte ihre Frage nicht beantwortet. Cynna sah Cullen an. Sie waren sich nicht einig gewesen, wer die Führung übernehmen sollte. Er hatte darauf bestanden, dass sie mehr Einfluss haben würde, weil sie diejenige mit der Gabe war. Im Moment wünschte sie jedoch, sie hätte die Gabe der Gedankensprache. Sie begnügte sich damit, eine Augenbraue hochzuziehen.

Cullen zuckte die Achseln. „Das wird wohl die Wahrheit sein. Aber sicher nicht die ganze. Deine Entscheidung.“

Cynna wollte nichts entscheiden. Sie wünschte sich Ruben her. Und Sonnenschein, heiße Schokolade und ein normal großes Bett – nein, ein Queen-Size-Bett. Und dass Cullen wieder geheilt war, damit sie es auch richtig ausnutzen konnten.

Sie wünschte sich so vieles. Stattdessen holte sie tief Luft und atmete langsam wieder aus. „Okay. Vorerst mache ich mit der Suche weiter, sobald die Tritonen eingetroffen sind. Aber ich will, dass wir darüber sprechen, wie wir weitermachen. Wäre es nicht besser, mehr Wachen herzubeordern? Sollten wir das Schiff nicht lieber verlassen?“

Cullen sah sie ruhig an. „Du hast eine Frage vergessen.“

Ihr Kinn spannte sich an. Sie hatte sie nicht vergessen. So weit ging ihre Fähigkeit zu verdrängen, auch wenn sie sie sehr schätzte, dann doch nicht. Sie bedeutete ihm mit einer Geste, es zu sagen. Die Frage zu stellen. Was auch immer.

„Mr. Weaver“, sagte Cullen. „Warum sind Sie hier?“

Die Augenbrauen ihres Vaters schossen in die Höhe. „Warum wohl? Um bei meiner Tochter zu sein.“

Cullen schüttelte den Kopf. „Das ist vielleicht Ihr Grund. Aber diese Entscheidung konnten Sie nicht alleine treffen, nicht wahr? Warum haben die Räte Ihnen erlaubt, mit uns zu kommen? Woher wissen Sie überhaupt, dass das Medaillon verschwunden ist? Jeder andere Mensch, den wir getroffen haben, war entweder ein Diener, ein Arbeiter oder ein kleiner Händler. Keiner von ihnen hatte etwas zu sagen.“

Daniels Gesicht lief rot an, aber es war Bilbo, der antwortete. „Daniel Weaver Erfindungen uns bringt, Erfindungen der Industrie aus seiner Welt. Wir von ihnen profitieren, also er Handel macht, wird Berater des Kanzlers. Wir nicht können den Tod des Kanzlers verheimlichen vor seinen Beratern. Sie es merken“, sagte er, die Stimme triefend vor Sarkasmus, „wenn sie reden mit totem Mann.“

„Blödsinn“, sagte Cullen.

Unvermittelt stemmte sich Daniel hoch. „Sie sind keine Dummköpfe, Ehrenwerter Rat.“ Er sah Cullen an. „Ich weiß von dem Medaillon, weil ich es war, der die Leiche des Kanzlers gefunden hat, nicht weil sie mir so sehr vertrauen würden. Ich bin auf diesem Schiff, weil ich Cynnas Vater bin – was für mich von Bedeutung ist und für die Gnome auch, aber aus einem anderen Grund. Ich nehme an, Sie haben bereits eine Vermutung, warum meine Vaterschaft mir ein Ticket für diese Reise verschafft hat.“

„Sie sollen sie dazu überreden zu kooperieren“, sagte Cullen kühl. „Und wenn das nicht klappen sollte, geben Sie eine prima Geisel ab.“

„Nein“, sagte Bilbo scharf. „Daniel Weaver, Ihr ihm sagt …“

„Mit allem gebotenen Respekt, Ehrenwerter Rat – haltet den Mund.“ Dann richtete Daniel seine Blicke auf Cynna. Seine Augen waren hart und fremd. Sie leuchteten nicht in dem ihr vertrauten warmen whiskeyfarbenen Ton, sondern in einem grellen Bernsteinbraun. „Lass nicht zu, dass sie mich gegen dich verwenden. Und lass auch nicht zu, dass ich es tue.“ Dann verließ er die Runde mit würdevollen Schritten.