19

Irgendjemand macht sich an ihrem Fuß zu schaffen. Und es tat weh. Sie zuckte zurück.

„Halt still.“

Das war Cullens Stimme. Er klang gereizt. Jemand – Cullen? – zerrte ihren Fuß zurück an den warmen Ort, wo er gelegen hatte, und rieb ihn weiter mit dem beißenden Zeug ein.

„Aua!“ Cynna riss die Augen auf.

„Stell dich nicht so an. Der Schnitt ist nicht tief.“

Sie blinzelte, als die Erinnerung langsam zurückkam. Sie lag auf dem Rücken in einem Bett, einem recht bequemen Bett. Es war weich. Die Decke war weiß, und irgendwo spielte immer noch die Hippiemusik. Also war sie immer noch in Victor Freys Haus, und es war nicht sehr viel Zeit vergangen.

Was war passiert, nachdem es schwarz geworden war um sie? War der Dämon … Nachprüfen, du Idiot.

Schnell führte sie eine magische Suche durch. Okay, alles in Ordnung. Sie war total erledigt, aber sie war sich sicher, dass der Dämon nicht in der Nähe war. Und Cullen ging es gut. Was war mit Merilee und Frey und Timms und der Lupus-Wache? War ihnen etwas zugestoßen? Sie stützte sich auf einen Ellenbogen.

Na also. Ihr Kopf tat nicht weh.

Sie befand sich in einem kleinen Schlafzimmer mit ausgeblichenen Tapeten und mit Möbeln aus Ahornholz. Sehr sauber und aufgeräumt, wie das ganze Haus. Cullen saß auf dem Bett, ihr rechter Fuß lag in seinem Schoß. Seine Haare waren zerzaust, und sein Hemd war zerrissen und voller Blut. „Du bist verletzt.“

„Nein, du Dummerchen, du bist verletzt.“ Er beendete das, was er mit dem Waschlappen gemacht hatte, und nahm eine Tube mit antibiotischer Salbe.

„Ich glaube, ich bin in irgendetwas getreten.“ Sie erinnerte sich nicht daran, dass sie sich den Fuß geschnitten hatte, aber in der ganzen Aufregung hatte sie es vielleicht einfach nicht bemerkt. Eine Menge Fragen lagen ihr auf der Zunge. Sie entschied sich für die einfachste und stellte sie: „Was ist passiert?“

„Du hast einen Dämon zur Weißglut gebracht.“ Seine Stimme klang komisch. Er drückte etwas Salbe auf ihren Fuß und verrieb sie. „Erinnerst du dich daran?“

„Ja, schon. Sie hat mir eine geklebt.“

„Sie hat dir den Schädel gebrochen.“ Jetzt hob er den Blick, und sie verstand, warum er sich so komisch anhörte. Sie hatte ihn vorher noch nie richtig wütend gesehen. „Das war ja wohl die blödeste, dämlichste Aktion, die ich …“

„Hat es geklappt?“

Er schob ihren Fuß von seinem Schoß und sprang auf. „Das glaube ich nicht. Zwei Menschen und drei Lupi greifen einen Dämon an. Aber überlassen die Menschen den Nahkampf etwa den Lupi? Nein, da du so viel gesunden Menschenverstand hast wie ein Mistkäfer, tust du …“

„Zwei Menschen? Ist mit Timms alles in Ordnung?“

Die Tür ging auf, und eine gut aussehende Frau mit breiten Hüften, breiten Schultern und einer Haut in der Farbe von heißer Schokolade kam herein. „Er ist ein bisschen mitgenommen, aber das wird schon wieder. Sie bringen ihn gerade in den Krankenwagen. Er wollte nicht, dass ich mir seinen Arm ansehe, er sagt, er will einen richtigen Arzt.“ Sie sah Cullen an. „Hör auf, meine Patientin anzuschreien.“

Patientin? Cynna drehte vorsichtig den Kopf hin und her. Nichts klapperte. „Mir geht’s gut. Was ist mit Frey und Merilee und dem Dämon passiert? Ist sonst noch jemand verletzt worden?“

Die Frau wandte sich zu ihr hin und sah sie ernst an. Sie sah aus, als wäre sie über vierzig, aber noch längst nicht wirklich alt. Ihr genaues Alter war schwer zu schätzen. „Der Rho ist in so guter Verfassung, dass er von allein heilen kann, dank Ihnen. Merilee …“ Sie seufzte. „Bei ihr weiß ich nicht recht. Sie hat nur ein paar blaue Flecken, und dem Baby geht es gut, dem Himmel sei Dank. Aber das arme Kind ist vollkommen verwirrt.“

Das konnte die Folge einer Besessenheit sein. „Dann ist der Dämon also nicht mehr in ihr.“

Sie presste die vollen Lippen aufeinander. „Ich bin ihn losgeworden.“

„Sie waren das? Oh, entschuldigen Sie bitte. Es wäre nett, wenn der gut aussehende Herr da drüben nicht mehr den Beleidigten spielen und uns vorstellen würde, aber darauf warte ich lieber nicht. Ich bin Cynna Weaver.“

Ein Lachen ließ den üppigen Oberkörper der Frau erbeben. Sie schaute zu Cullen hinüber, der gegen die Wand gelehnt dastand, die Arme verschränkt, und sie böse anstarrte. „Ich glaube, ich mag Sie, Cynna Weaver. Ich bin die Rhej des Leidolf-Clans, und ich bin eine Heilerin, weswegen Sie auch nicht zusammen mit dem anderen im Krankenwagen sind.“

Cynna wusste, dass die heiligen Frauen der Clans ihren Namen normalerweise nicht nannten, deswegen fragte sie auch nicht danach. „Ich gehe davon aus, dass Sie ebenfalls eine Exorzistin sind.“

„Erst seit heute, aber die Dame mag es nicht, wenn Dämonen sich an Ihrem Volk vergreifen. Gut, dass jemand so umsichtig war, mich holen zu lassen. Ich hatte noch ein paar Minuten, um die richtige Erinnerung abzurufen.“

„Das warst du“, sagte Cynna zu Cullen. „Du hast dem Chef der Wache gesagt, er soll jemanden nach ihr schicken, oder?“

Er starrte sie nur weiter finster an. Er mochte die Rhejs nicht, das wusste sie. Oder besser gesagt, er hatte schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht, in der Zeit, als er zu keinem Clan gehörte. Doch er redete nicht darüber, deswegen wusste sie nicht, was damals geschehen war, aber vielleicht war das der Grund, warum er sich nun benahm wie ein Zehnjähriger, der Fernsehverbot bekommen hatte.

„Ja, das war er“, sagte die Rhej. „Da mein sturköpfiger Bruder nicht auf die Idee gekommen ist, mich zu holen. Als ich dazukam, sah es furchtbar aus. Sie und der andere Mensch lagen auf dem Boden wie tot, während mein Bruder und dieser David versucht haben, Merilee festzuhalten. Sie hat sich ganz schön gewehrt.“

„Timms hat sie also nicht mit einem Pfeil getroffen?“

Cullen ließ sich dazu herab, an der Unterhaltung teilzunehmen. „Oh doch, er hat sie sehr wohl getroffen. Das Beruhigungsmittel hat sie aber nicht wirklich ruhiggestellt, also hat er sich mit den anderen auf sie gestürzt. Der Vollidiot.“

„Die Droge hat schon gewirkt“, sagte die Rhej nüchtern, „sonst hätten Alex und David sie nicht festhalten können. Einmal hat sie es geschafft, David abzuschütteln – da hat sie versucht, dem gutaussehenden Herrn hier, wie Sie sagten, die Kehle herauszureißen. Ein Glück, dass sie nur Fingernägel hatte und keine Krallen.“

Cynna riss den Kopf zu Cullen herum. „Das ist dein Blut“, sagte sie vorwurfsvoll.

„Der Kratzer ist nicht tief. Bis morgen wird es verheilt sein, was du von deinem Kopf nicht behaupten kannst.“

Doch da lag er falsch. Die Rhej musste eine sehr gute Heilerin sein. „Hast du den Zauber benutzt? Hat er gewirkt?“

Cullen warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Natürlich.“

„Er wirkt immer noch“, sagte die Rhej und legte ihr Gesicht in sorgenvolle Falten. „Ich wusste nicht, was ich für Merilee tun konnte, nachdem ich den Dämon losgeworden war. Als sie wieder zu Bewusstsein kam, war sie … na ja, ich habe Cullen seinen Zauber anwenden lassen, damit sie erst einmal in Schlaf versetzt ist. Ich selber konnte es nicht tun. Mehr Energie als die, die ich gebraucht habe, um Sie wieder auf die Beine zu bringen, wollte ich nicht anzapfen. Aber das waren wir Ihnen schuldig.“ Sie nickte ihr zu. „Victor wäre tot, wenn Sie sich nicht auf den Dämon gestürzt hätten. Er ist vielleicht ein Mistkerl, aber er ist unser Mistkerl. Wir brauchen ihn.“

Das war sehr deutlich. Vielleicht konnte eine Rhej es sich leisten, weniger respektvoll von dem Rho zu sprechen als der Rest des Clans. Cynna schwang die Beine vom Bett. „Mal sehen, ob ich Merilee helfen kann. Ich …“

„He!“ Für eine dicke Frau bewegte die Rhej sich erstaunlich schnell. Sie packte Cynna bei den Schultern und drückte sie wieder aufs Bett hinunter. „Ich bin gut, aber nicht so gut. Sie bleiben schön liegen.“

„Mir geht es gut.“

Ihre Augen wurden schmal. Sie legte Cynnas Kopf in ihre großen Hände und summte leise, bis ihr Blick verschwamm. Ihre Handflächen wurden warm. Ganz warm. Cynna wurde schläfrig.

Auf einmal ließ die Rhej die Hände sinken und runzelte die Stirn. „Was haben Sie getan? Irgendetwas steckt in Ihnen fest, irgendein Zauber, der Ihre Magie stört.“

„Ich habe nichts … Oh, Mist.“ Der Zauber, um den Schmerz zu betäuben. Sie schloss die Augen und suchte im Geiste den kilingo für den Zauber. Ja genau, es floss viel zu viel Energie hinein. Wie konnte das passieren?

Doch darüber würde sie später nachdenken. Sie stellte ihn ab … und wäre beinahe vom Bett gekippt. „Aua … Mensch, tut das weh.“

Cullen hatte wieder sein finsteres Gesicht aufgesetzt. „Eine Schädelfraktur mit Impression wird wohl wehtun.“

Schädelfraktur mit Impression. Cynna fröstelte, und ihr wurde schwindelig, als sie darüber nachdachte … oder vielleicht war es die Tatsache, dass sie nachdachte, die den Schwindel verursachte. Ihr Schädel pochte wie ein entzündeter Zahn.

„Lassen Sie sich keine Angst machen von ihm“, sagte die Frau. „Ihr Kopf war ein ganz schönes Stück Arbeit. Ich habe das gebrochene Schädelstück abgehoben, die Flüssigkeit abfließen lassen, die gerissene Dingsbums genäht – also das Zeug direkt unter der Schädeldecke –, das Blutgerinnsel aufgelöst und die Verletzung am Gehirn geheilt. Außerdem habe ich schon angefangen, den Schädel zusammenzufügen. So wird er auf jeden Fall halten, aber ich konnte nicht alles in einem Aufwasch machen. Ihr Kopf wird noch ein paar Tage wehtun. Aber was hat den Schmerz vorher blockiert?“

Blutgerinnsel? Gerissene Dingsbums? Verletzung am Gehirn? „Äh … der Zauber, den ich kenne, stillt zwar Schmerzen, aber er dürfte eigentlich nicht … ich hatte ein bisschen Energie hineintröpfeln lassen, verstehen Sie? Irgendwie muss der Energiefluss aufgedreht worden sein, während ich bewusstlos war.“

„Wie das?“, fragte Cullen.

„Keine Ahnung.“ Darüber würde sie sich später Gedanken machen. Jetzt … „Gibt es einen Grund, warum ich diesen Zauber nicht verwenden sollte? Nicht auf volle Kraft zumindest, aber so viel, um den Schmerz ein bisschen zu lindern?“

„Liebes, dieser Zauber hat Ihrem Körper vorgegaukelt, er wäre überhaupt nicht verletzt. Er hat den Heilungsprozess gestoppt.“

Das klang, als wäre die Antwort Ja. Cynna verzog das Gesicht.

„Aber ich würde diesen Zauber trotzdem gern lernen“, fuhr die Rhej fort. „Vielleicht kann ich ein bisschen daran herumbasteln, damit er den Heilungsprozess nicht stört.“

„Er wirkt nur bei mir.“ Cynna stützte die unverletzte Seite ihres Kopfes in die Hand. „Ich habe versucht, ihn so zu verändern, dass er auch bei anderen einsetzbar ist, aber es hat nicht geklappt.“

„Das würde ich mir gern einmal anschauen“, sagte Cullen unbewegt. „Wenn du erlaubst.“

Sie sah ihn mit vor Schmerz zusammengekniffenen Augen an. Als Zauberer war er ihr gegenüber im Vorteil. Er würde herausfinden, wie es funktionierte. Er würde es schaffen. „Später vielleicht. Ich bin …“

„Na sieh mal einer an.“ Brady stand in der Tür, die blauen Augen strahlten vor Freude. „Schön, dich wiederzusehen, Seabourne. Dein Blut sehe ich immer wieder gern. Schade, dass man nicht mehr davon sieht.“

Die Rhej drehte sich um und sah ihn an. Cynna konnte ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, sie sah die Frau nur im Profil, aber ihre Körpersprache sagte: Nimm dich in Acht. „Was hast du hier im Haus zu suchen, Brady? Alex hat dich nicht hereingelassen.“

„Mein Vater ist verletzt. Ich wollte ihn sehen.“

„Du darfst erst hier sein, wenn die Ernennungszeremonie stattgefunden hat. Das weißt du ganz genau. Und dein Vater ist nicht in seinem Zimmer.“

„Bist du sicher? Vielleicht sollte ich selber nachsehen.“ Er trat ins Zimmer, anmutig wie eine Schlange. „Er könnte unterm Bett sein. Ich werd mal einen Blick darunterwerfen.“

Die Rhej stellte sich ihm in den Weg. „Versuch bloß nicht, deine Spielchen mit mir zu spielen, Brady Gunning.“

„Hol lieber deinen Bruder.“ Er rief mit hoher Stimme: „Hilfe, Alex! Brady lässt mich nicht in Ruhe!“

Brady war nicht wegen Cullen gekommen, begriff Cynna auf einmal. Er war hier wegen der Rhej.

Offenbar hatte Cullen seinen Groll nun überwunden, denn er stand auf, beide Arme locker herunterhängend. „Interessant. Sie kann deine Angst nicht riechen, Brady, aber ich.“

„Angst?“ Brady lachte, aber es hörte sich unecht an. „Denkst du, ich habe Angst vor einer Frau, die zu alt ist, um sich fortzupflanzen?“ Er sah zu der Rhej hinüber. „Wohl eher umgekehrt, was? Wenigstens sollte es so sein.“

Cullen bewegte sich, dieses Mal nicht so schnell, dass man es nicht sehen konnte, aber doch ziemlich schnell. Er schob sich zwischen die Rhej und Brady. „Hast du immer noch Angst vor Feuer?“

Brady knurrte. „Das geht nur die Leidolf etwas an. Halt dich da raus.“

Cynna hatte Cullens Gesicht noch nie so ernst, so ohne jeden Anflug von Ironie oder Spott gesehen. „Du hast die Stimme der Dame bedroht. Du wirst Sie um Vergebung bitten.“

Die Rhej wollte etwas sagen, aber Brady kam ihr zuvor. „Bitten? Eine Frau?“ Er sprach das Wort aus, als wäre es etwas Ekliges, das zwischen seinen Zähnen hing.

Cullen schnippte mit den Fingern, und Funken tanzten in der Luft. „Bitte um Vergebung, oder du wirst brennen. Du hast die Wahl.“

„He!“, sagte Cynna. „Hier ist ein FBI-Agent im Raum. Ich spreche es nur ungern an, aber es ist illegal, Leute zu verbrennen.“

„Brady.“ Alex, alias Chef der Wache, stand im Türrahmen, ruhig wie ein Berg.

Brady drehte sich langsam um. „Ja?“

„Du gehst jetzt. Und du kommst erst wieder ins Haus zurück, wenn die Ernennungszeremonie stattfindet.“

Die Blicke der beiden Männer trafen sich. Cynna hielt den Atem an. Brady wollte angreifen. Nein, er wollte töten. Er bebte vor lauter Drang, wahrscheinlich stank er sogar danach, sodass die anderen Lupi es rochen. Aber ein letztes Fetzchen von geistiger Gesundheit oder von Selbsterhaltungstrieb hielt ihn zurück. Ganz plötzlich gab er die Drohhaltung auf. Er ließ den Blick sinken und nickte kurz.

Cullen sprach. „Er hat eure Rhej bedroht.“

Der große Mann tauschte einen Blick mit seiner Schwester. „Wenn das so ist …“

„Es war nicht so gemeint.“ Brady lächelte, als hätte er nicht gerade noch kurz davorgestanden, jemanden zu töten. „Wenn ihr meine Worte als Drohung aufgefasst habt, war das jedenfalls nicht meine Absicht.“

Ihre Miene war wie versteinert. Sie nickte knapp.

Cullen war nicht zufrieden. „Das ist nicht …“

„Es reicht“, sagte die Rhej entschieden. „Ich verlange keine weitere … im Moment.“ Sie bedachte Brady mit einem Blick, bei dem er eigentlich den Schwanz hätte einziehen müssen.

Stattdessen grinste er, zog spöttisch eine Braue hoch und ging auf den Fleischberg zu, die Braue immer noch hochgezogen. Alex schaute nach rechts und nickte jemandem im Flur zu, der nicht zu sehen war. Dann trat er zur Seite. Brady ging Gott sei Dank.

Ein großer grauer Wolf trottete hinter ihm her. Eine Eskorte, vermutete Cynna, um sicherzugehen, dass er auch wirklich ging.

Alex sah ihm nach, dann wandte er sich an die Rhej. „Schwester …“

„Ich weiß.“ Sie rieb sich die Schläfen, sie sah dabei zehn Jahre älter aus, als Cynna sie zuerst geschätzt hatte. „Aber das ist kein guter Zeitpunkt. Sie würden sagen, dass ich mich in die Ernennungszeremonie einmische.“

Cullen sah aus, als würde er seinen Ohren nicht trauen. „Das darfst du ihm nicht durchgehen lassen, Ernennung hin oder her. Die wird dich in jedem Fall betreffen. Die Zustimmung der Dame …“

„Hier geht es um den Clan der Leidolf.“

Anscheinend war das Antwort genug für Cullen, denn er seufzte. „Er will dir übel.“

„Glaubst du, ich bin blöd? Das weiß ich. Aber es gibt nur wenige, die in direkter Linie vom Gründer abstammen.“

„Schwester.“ Alex bevorzugte offenbar einsilbige Kommentare. Dieses Mal war seine Stimme voller Missbilligung.

Sie schnaubte. „Meinst du, die Nokolai und andere Clans wüssten nicht, wie unser Stammbaum aussieht?“

„Sie hat recht.“ Cullen versuchte, eine zerknirschte Miene aufzusetzen. Doch es gelang ihm nicht so recht. „Brady nicht mitgezählt – dessen Anspruch leider nicht infrage steht – gibt es zwei, die aus einer Nebenlinie stammen und die das Amt fast sicher einnehmen könnten. Zwei weitere können sich Chancen ausrechnen. Für den Rest wäre es unwahrscheinlich, wenn auch nicht ganz aussichtslos.“

„Das sage ich doch. Es gibt nur weniger potenzielle Nachfolger“, sagte sie. „Wenn Brady ein Kind zeugt …“

„Wollen Sie, dass so etwas sich fortpflanzt?“, sagte Cynna entsetzt.

„Urteilen Sie nicht über etwas, was Sie nicht verstehen. Und spielen Sie nicht mit Ihrem Zauber herum, bis Sie wieder geheilt sind. Ich schaue morgen früh noch einmal nach Ihnen. Wenn Sie heute etwas brauchen sollten, sagen Sie Sabra Bescheid. Du bleibst am besten bei ihr im Zimmer“, fügte sie, an Cullen gewandt, hinzu. „Es ist zwar nicht sehr gastfreundlich, aber …“

Cullen unterbrach sie höflich, aber entschieden. „Serra, ich habe Rule schon angerufen.“ Sie starrte ihn an. Dann schaute sie zu ihrem Bruder, und der nickte. Er sah nicht aus, wäre er glücklich darüber. Sie seufzte.

„Deswegen will ich eure Gastfreundschaft in so einer schwierigen Zeit nicht über Gebühr beanspruchen“, fuhr Cullen fort. „Und Cynna will …“

„Cynna“, sagte Cynna mit fester Stimme, „will für sich selber sprechen. Vielen Dank für das Angebot“, sagte sie zu der Rhej, „aber ich muss nach Timms sehen.“

Die ältere Frau schüttelte den Kopf. „Er ist nicht annähernd so stark verletzt wie Sie. Sie müssen sich ausruhen.“

„Das werde ich auch, aber erst wenn ich weiß, wie es Timms geht. Ich war die Einsatzleiterin. Er ist verletzt worden. Ich muss ins Krankenhaus und mich vergewissern, dass es ihm gut geht und ob er etwas braucht.“

„Sie hat recht“, sagte Alex überraschend. „Wenn es ihre Verletzung zulässt, muss sie nach ihren Leuten sehen.“

Seine Schwester verdrehte die Augen. „Mein Gott. Von dir habe ich diesen Macho-Unsinn ja erwartet, aber von einer Frau? In Ordnung, Liebes, tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber kommen Sie morgen zurück, damit ich mir Ihren Kopf ansehen kann. Es darf sich nichts entzünden. Und dann, wenn Sie sich danach fühlen, können wir uns ein bisschen unterhalten. Adriane, mein Lehrling, wird Sie kennenlernen wollen, und ich selber bin auch ein bisschen neugierig. Bis jetzt war ich die einzige Rhej, die keinem Clan angehörte, bis die Dame gesprochen hat.“

„Aber … es tut mir leid, wenn Cullen Ihnen einen falschen Eindruck vermittelt haben sollte. Ich kann keine Rhej werden. Ich bin katholisch.“

Die Frau lächelte. „Und ich bin Baptistin. Ich gehe nicht mehr so oft in den Gottesdienst, wie ich eigentlich sollte, aber ich gehe immer noch hin. Das spielt keine Rolle, Süße. Hat unser Gott es nicht gesagt? ‚In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnungen‘. Sie und ich, wir waren zuerst in einer Wohnung zu Hause, und dann stellte sich heraus, dass wir in einer anderen gebraucht werden.“