22
»Er ist weg. Sie sind beide weg«, sagte Isphet zu Zabrze. »Es ist vorbei.« War es das wirklich? Unwillkürlich legte ich die Hand auf den Bauch.
Zabrze wandte sich kurz ab; er hatte einen Bruder verloren, so wie ich meinen Gemahl verloren hatte. »Sollen wir jetzt nach Setkoth zurückkehren?« sagte er schließlich.
»Ja«, erwiderte Isphet. »Wir müssen Tirzah… wir alle müssen hier weg.«
»Ich werde die Soldaten in Arbeitsgruppen einteilen«, sagte Zabrze, »und dieses Ding…«
»Nein!« Ich riß mich von Isphet los. »Nein«, wiederholte ich beherrschter. »Zabrze, bitte, laß sie jetzt noch in Ruhe. Boaz könnte zurückkehren. Die Pyramide soll intakt bleiben, für alle Fälle.«
Mir war klar, daß das ein schwaches Argument war, aber ich wollte nicht, daß die Kammer zur Unendlichkeit zerstört wurde. Noch nicht.
»Tirzah, das darf ich nicht. Sie ist vollendet und zu gefährlich. Ich werde befehlen, daß man den Schlußstein entfernt, aber nicht zerstört. Und der Eingang muß zugemauert werden. Falls nötig kann man das wieder rückgängig machen.
Aber ich werde sie nicht so lassen, damit sich dort etwas anderes einnisten kann!«
Ich nickte. Er hatte recht.
»Tirzah.« Isphet drückte mich an sich. »Wenn wir in Setkoth sind, werden wir in die Zuflucht im Jenseits schauen. Das wird dir vielleicht Trost spenden.«
Ja, und vielleicht konnte Boaz’ Schatten mir verraten… mir einen Hinweis geben… Ich fühlte mich unbehaglich, und ich fragte mich, ob ich der Schwangerschaftsübelkeit doch nicht entgangen war.
Nzame war gegangen – irgendwohin –, aber war er auch weit genug fort, damit sich die Verzauberung des Landes und der Menschen auflösen konnte? Stein zerbrach; Steinmänner verwandelten sich in Menschen zurück und wanderten doch genauso ziellos herum, wie sie es zuvor getan hatten. Als Isphet und ich an Deck des Flußschiffes standen und zusahen, wie das Ufer an uns vorbeiglitt, wurde uns klar, daß wir beide noch viel Zeit damit verbringen mußten, um Land und Leuten zu helfen. Das Leben war zurückgekehrt, aber es war trübselig und verwirrt.
Man würde mir nicht viel Zeit zur Trauer lassen.
»Vielleicht können wir Yaqob eine Nachricht zukommen lassen«, sagte Isphet. »Wir werden seine Hilfe brauchen.«
»Vielleicht.«
»Und diese zehntausend früheren Steinmänner wandern jetzt befreit auf der Ebene zwischen Setkoth und der Grenze von Darsis umher. Völlig verwirrt und ohne Essen oder Kleidung.
Etwas muß für sie getan werden. Und zwar bald. Die Soldaten, die bei ihnen geblieben sind, werden das nicht alleine schaffen.«
»Ja.«
»Iraldur kann für sie etwas auf seinem Heimweg in die Wege leiten.«
»Ja.«
»Tirzah, Ashdod braucht dich, sein Volk braucht dich.
Versinke jetzt bloß nicht in Selbstmitleid.«
Ich fuhr wütend zu ihr herum. »Bekomme ich nicht einmal eine Stunde, um allein zu trauern, Isphet? Muß ich mit den Schultern zucken und sagen: ›Nun, was geschehen ist, ist geschehen.‹«
»Tirzah…«
»Du stehst bloß da und befiehlst mir, die Ärmel aufzukrempeln, weil Arbeit auf uns wartet! Das kannst du allein machen! Ruf Yaqob, wenn du willst, aber ich will nichts damit zu tun haben!«
Und ich ging in eine der Kammern auf Deck und schlug die Tür hinter mir zu. Dort blieb ich in der Mitte des kühlen Raumes stehen und starrte hoffnungslos vor mich hin. Dann fing ich an zu weinen, sank zu Boden, schlang die Arme um meinen Körper und wiegte mich hin und her.
Boaz war fort. Er war ein solch wichtiger Teil meines Lebens, war schließlich mein ganzes Leben geworden, und die Erkenntnis fiel schwer, daß ich ihn nur ein Jahr lang geliebt hatte. Und nun hatte ich ihn verloren.
Zorn verdrängte meine Trauer. Er sollte verflucht sein! Mich auf diese Weise zurückzulassen! Erst mein Leben zu beherrschen und mich dann zu verlassen!
Und mir auch noch zu sagen, ich solle mein Kind töten. Ich sollte es tun. Ich kannte die Gefahr. Aber die Geschichte über dieses Kind war nur eine weitere von Nzames Lügen gewesen… oder nicht? Und Nzame war doch fort, denn sonst hätte sich das Land doch bestimmt nicht so schnell erholt…
oder etwa nicht?
Es würde alles ganz einfach sein. Das Kind hatte sich kaum eingenistet, sein Leben war kaum entwickelt. Ein Kräutertrunk, eine Nacht voller Unbehagen und Krämpfe, und dann würde es verschwunden sein.
Aber auf der anderen Seite war es alles, was mir von Boaz geblieben war.
Und bestimmt war es nicht von Nzame in Besitz genommen worden. Ich hatte nichts gespürt. Und ich hätte doch bestimmt etwas davon spüren müssen…?
Boaz sollte verflucht dafür sein, mich zu verlassen und mir vorher zu sagen, das Kind loszuwerden. Da hatte der Magier gesprochen. Er hatte das Kind nicht gewollt, weil er selbst nach so vielen Monaten, in denen er diesen Teil von sich unterdrückt hatte, noch immer von der Vorstellung angewidert war, ein Kind zu haben, die Eins zu teilen.
Ja. Das war es. Boaz mochte einfach keine Kinder. Wollte sich nicht teilen.
Er hatte gewußt, daß Nzame log. Aber Nzames Drohung war ein guter Grund gewesen, mir Angst einzujagen, damit ich sein Kind loswurde.
Ja. Nun, er sollte verflucht sein! Ich würde es nicht tun! Hatte er mich nicht bereits genug verletzt? Aber wie auch immer, es waren noch ein paar Wochen Zeit, bevor es gefährlich wurde, das Kind abzutreiben. Ich konnte noch damit warten. Ich wollte sicher sein.
Ich holte tief Luft und trocknete mir die Augen. Isphet und ich konnten mit den Soulenai sprechen – und mit Boaz’ Schatten. Boaz konnte mir sagen, ob alles in Ordnung war, ob Nzame in der Unendlichkeit gefangen war. Das Kind war sicher. Er würde froh sein, daß es weiterhin in mir wuchs.
Ich lächelte und dachte nach. Ich wiederholte das Muster von Boaz’ Vater und seiner Gemahlin Tirzah. Der Vater tot, die junge Frau schwanger. Führte Avaldamons magische Linie weiter.
Ich stand auf und klopfte den Staub aus meinen Kleidern.
Boaz hatte sich geirrt. Alles würde in Ordnung kommen.
Zabrze war Chad, Nzame war besiegt, aber das Leben selbst würde Hilfe brauchen, bevor es sich wieder ordnen konnte. Ich entschuldigte mich bei Isphet, sie umarmte mich und vergoß auch ein paar Tränen, und wir taten, was wir konnten.
Wir traten nicht sofort in Verbindung mit den Soulenai oder der Zuflucht, denn sowohl Isphet als auch ich waren der Meinung, daß Boaz eine schwierige Reise aus der Unendlichkeit bevorstand, die Zeit brauchen würde. Also warteten wir erst einmal ab. Ich erzählte Isphet von dem Kind, und sie weinte und lachte und tätschelte meine Wange und eilte los, um es Zabrze zu erzählen.
Ich erzählte ihr jedoch nichts von Nzames Drohung, und sie kam nicht darauf, eine Verbindung zwischen der Frage, die ich in der Kammer zur Unendlichkeit dem Glas gestellt hatte, und meiner Schwangerschaft herzustellen.
Der Stein hatte sich aus ganz Ashdod zurückgezogen, aber Unordnung und manchmal auch Zerstörung hinterlassen.
Iraldur willigte ein, fünftausend Mann in Ashdod zurückzulassen, die bei der Wiederherstellung der Ordnung helfen sollten. Immer mehr Menschen kehrten aus Ländern wieder zurück, die sie aufgenommen hatten. Innerhalb weniger Tage hatte Zabrze seine Männer zu ihrer Unterstützung auf das ganze Land verteilt.
Den Menschen selbst zu helfen, war schwieriger. Viele waren gestorben. Keiner vermochte zu sagen, wie viele es genau waren, aber auf die eine oder andere Weise hatte die Pyramide das Leben von Tausenden gefordert. Das Leben vor allem jener, die aus ihrer Gefangenschaft im Stein befreit worden waren, würde nie wieder dasselbe sein wie zuvor. Iraldurs Männer brachten große Mengen verirrter und verstörter Menschen zurück nach Setkoth.
Isphet, Layla und ich verbrachten die meiste Zeit mit diesen Leuten, sprachen mit ihnen, erklärten, versuchten ihnen Hoffnung einzuflößen. Von uns allen hatte Layla den größten Erfolg. Sie konnte auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen und ihnen erklären, warum sie sich so verwirrt und unruhig fühlten. Die meisten litten unter Alpträumen, die sie ängstigten und bedrohten, und Layla pflegte ihre Hand zu nehmen und sie zu trösten, oft wortlos.
Isphet war zupackender veranlagt, und manchmal war es genau das, was sie brauchten. Ich streifte nutzlos einen oder zwei Tage umher und wußte einfach nicht, wie ich Trost spenden sollte, aber dann fiel mir das Buch der Soulenai wieder ein.
Ich las ihnen die Geschichten vor, die meiner Meinung nach helfen würden, und auch wenn viele der Geschichten kaum etwas mit ihren eigenen Erlebnissen zu tun hatten, setzten sich die Leute um mich herum, so nahe zu meinen Füßen, wie es nur ging, und hörten mit Frieden im Blick und leisem Lächeln zu. Sie hörten gern Geschichten über die Soulenai, und Holdat sagte mir eines Tages, daß viele von denen, denen ich vorgelesen hatte, ihre Abende an den Schilfbänken des Lhyl verbrachten und dem Lied der Frösche lauschten.
Zabrze hatte den Königspalast von Setkoth bezogen, wie es sein gutes Recht war, und auch Isphet und ich zogen dort ein.
Isphet als seine Gemahlin und jetzt Chad’zina, ich als Adlige, die sich diesen Rang verdient hatte, wir beide als Elementenmeisterinnen.
Setkoth musterte uns mit nur leicht hochgezogenen Augenbrauen und beinahe ohne Einwand. Jeder hatte Familienmitglieder oder Freunde verloren; die Verluste von Chad Zabrze waren größer als bei den meisten, und niemand machte ihm einen Vorwurf daraus, daß er sich eine neue Frau genommen hatte. Isphets früheres Leben als Sklavin war allgemein bekannt… aber dieses Land hatte in letzter Zeit seltsamere Dinge erlebt als eine Sklavin, die ins Königshaus einheiratete.
Was unsere Fähigkeiten als Elementenmeisterinnen anging, nun, auch sie wurden hingenommen. Es gab keine Magier mehr, und der Weg der Eins war zusammen mit ihnen verschwunden. Elementisten bewegten sich nun in aller Öffentlichkeit. Einige hatten uns aus der Kluft hierher begleitet, andere kamen zu uns nach Setkoth; eine Gruppe brachte Zhabroah seinem Vater zurück. Alte Bräuche kamen schnell wieder auf; die Magie der Elemente war nur verbannt gewesen, nicht ausgerottet.
Während dieser ganzen Umtriebe kehrten meine Gedanken ständig zu Boaz zurück. Ich sorgte mich um das Kind – vielleicht hätte ich es ja wirklich abtreiben sollen, als Boaz gestorben war. Namenlose Träume störten meinen Schlaf – manchmal glaubte ich, von verzweifelten Stimmen gerufen zu werden, glaubte, mir flehentlich entgegengereckte Hände zu sehen, aber ich nahm an, daß das nur die Nachwirkung des Anblicks der Gesichter und Hände war, die sich an jenem schrecklichen Tag gegen das Glas der Pyramide gedrückt hatten.
Aber hauptsächlich dachte ich an Boaz. Ich vermißte ihn schrecklich. Ich vermißte es nicht, den ganzen Tag für ihn da zu sein oder jede Tätigkeit mit ihm abzustimmen, ich vermißte die Gespräche, die Spannungen, die Liebe. Aber vor allem vermißte ich ihn als Freund, denn er war mein einziger wahrer Vertrauter gewesen, so wie ich seine Vertraute gewesen war.
Es war grausam, daß es so hatte enden müssen.
Drei Wochen nach unserer Ankunft in Setkoth kam Isphet in mein Gemach. Sie brachte Layla mit.
»Heute abend werden wir es versuchen«, sagte sie, und ich ließ erleichtert die Schultern fallen. Ich hatte schon gedacht, der Augenblick würde niemals kommen. Ich hatte daran gedacht, es allein zu versuchen, aber ich wollte Isphets Unterstützung.
Jetzt würde ich Laylas zusätzlich dazu bekommen. Ich wußte, daß Isphet sie in der Kunst der Elementisten unterrichtet hatte, und heute abend würde sie zum ersten Mal die Verbindung mit den Soulenai und der Zuflucht im Jenseits erleben.
In den Tiefen des Palastes gab es ein rundes Schwimmbecken.
Ich hatte seine Benutzung vermieden, weil es mich zu sehr an das überdachte Schwimmbecken erinnerte, das Boaz und ich bei der Pyramide benutzt hatten, aber Isphet meinte, wir sollten es jetzt benutzen.
Ich fuhr mir nervös und aufgeregt mit den Fingern durchs Haar. Ich würde Boaz wiedersehen! Nur als Schatten, aber es würde sein Geist, sein ihm eigenes Wesen sein, und das würde mich trösten.
Ein Rascheln, und Isphet und Layla standen vor mir. Isphet war kühl und ruhig, Layla so aufgeregt wie ich, wenn auch aus anderen Gründen. Beide küßten mich, und Isphet streichelte mir mit dem Handrücken über die Wange.
»Bald ist es so weit«, flüsterte sie, »aber jetzt mußt du erst einmal für Layla stark sein. Das ist ihr erstes Mal, und sie hat weder deine noch Boaz’ Fähigkeiten. Sei stark für sie, hilf ihr.«
Isphets Macht brauchte nicht mehr die Hilfe des Metallpulvers. Sie vergewisserte sich, daß Layla und ich ruhig und aufmerksam an ihrer Seite standen, dann beschrieb sie einen Halbkreis mit ihrem Arm.
Das Wasser drehte sich.
Die Aufregung drohte mich zu überwältigen, aber ich beruhigte und sammelte mich, spürte Laylas Aufregung und griff mit meiner Macht nach ihr.
Isphets Hand beschrieb erneut einen Bogen, und im Wasser kreisten die lebhaften Farben.
»Sieh dir die Farben an, Layla. Du spürst sie. Hör ihnen zu… hör zu… fühlst du, wie auch wir ihnen zuhören? Spürst du mich? Und Tirzah?«
»Ja«, flüsterte Layla.
Fühle. Hör zu. Gib dich hin.
Es war so schön, sich den Soulenai hinzugeben. Oh… Ich schloß die Augen, fühlte ihre Macht durch mich hindurchziehen, mich erforschen, berühren, trösten.
Ich atmete aus, dann holte ich wieder tief Luft. Layla zögerte noch kurz, dann gab auch sie nach, und ich teilte ihr Staunen über ihre erste enge Verbindung mit den Soulenai.
Sie wogten durch mich hindurch, aufgeregt, beinahe stürmisch, und ich glaubte, es läge daran, daß es so lange hergewesen war… so lange…
Ich öffnete die Augen und ließ mich von den wirbelnden Farben tiefer in die Umarmung der Soulenai ziehen, fühlte Isphet und Layla an meiner Seite, spürte die Soulenai… schwelgte in ihrer Gegenwart und ihrer Nähe.
Tirzah! Tirzah! Ja, ich bin hier. Tirzah! Was hast du? Ich war traurig, aber jetzt… Nein! Nein! Etwas stimmt nicht. Wo ist Boaz? Wo ist…
Alles in mir war Leid, und sofort hüllte Isphet mich in ihre Macht und hielt meine Verbindung mit den Soulenai aufrecht.
Wo ist Boaz? Hat er das Lied der Frösche nicht verstanden?
Er müßte hier sein! Er müßte…
Ich weinte jetzt, und diesmal berührte mich Isphet körperlich, während sie sich an die Soulenai wandte.
Er hat es verstanden. Aber… wißt ihr denn nicht, was geschehen ist?
Er ist verschwunden.
Und Nzame?, rief ich. Und Nzame? Wo ist er hin? Wohin?
Sie sind beide verschwunden. Wir konnten ihnen nicht dorthin folgen, wo sie hingegangen sind.
In die Unendlichkeit?
Möglicherweise. Wir sind nicht fähig, ihnen dorthin zu folgen.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, um mich zu beruhigen.
Von der Unendlichkeit zur Zuflucht im jenseits muß es eine schwierige und lange Reise sein.
Vielleicht. Wir hoffen, daß das der Grund ist. Vielleicht kämpfen Boaz und Nzame noch immer in der Unendlichkeit miteinander, und er hatte noch keine Gelegenheit, das Lied der Frösche zu singen.
Und vielleicht war Boaz tot und Nzame…
Isphet bemühte ihre Macht, und wir schauten in die Zuflucht.
Wir sahen nur Aufregung, emporgestreckte Hände, flehentlich blickende Gesichter…
»Es tut mir leid, Isphet«, sagte ich laut. »Aber ich glaube nicht, daß ich noch mehr davon ertragen kann.«
Da verabschiedete sie sich von den Soulenai.
»Tirzah. Die Soulenai haben recht. In der Zuflucht im Jenseits und der Unendlichkeit hat Zeit keine Bedeutung. Boaz könnte noch immer in der Unendlichkeit sein und nicht wissen, daß die Soulenai nach ihm rufen.«
Ich schlug den Blick nieder.
»Layla«, sagte Isphet leise. »Mehr werden wir heute abend nicht machen. Geh zu deinem Vater und berichte ihm, was geschehen ist.«
»Ja.« Layla küßte mich auf die Wange.
»Komm«, sagte Isphet und führte mich zurück in mein Gemach.
»Tirzah, sei stark. Wir können nichts tun außer zu warten.
Wir versuchen es nächste Woche noch einmal.«
Ich nickte. Mir war trostlos zumute.
Sie starrte mich an, dann umarmte sie mich. »Ich bleibe bei dir«, sagte sie, »das ist keine Nacht, in der du allein bleiben solltest.«
Aber Boaz war allein, irgendwo, ob nun im Tod oder in der Unendlichkeit.
Eine Woche später versuchten wir es erneut. Diesmal waren es nur die Soulenai, die bekümmert nach Boaz fragten.
Abgesehen von der wachsenden Wölbung meines Bauches wurde ich dünn und blaß und verlor jede Anteilnahme am Leben. Ich lag stundenlang da und drückte den Froschkelch an meine Brust.
Tröste mich, liebe mich.
Aber das tat er nicht, und ich weinte.
Isphet wollte einen Monat verstreichen lassen, bevor wir es erneut versuchten. Einen Monat. Bestimmt würde es in einem Monat besser sein.
Diesmal gesellten sich Zeldon und Orteas zu uns, gaben ihre Kraft dazu. Isphet machte sich Sorgen um mich, und sie wollte eine größere Unterstützung haben, als Layla ihr allein geben konnte.
Wir standen am Becken. Zeldon hatte einen Arm um mich gelegt, es gab nur noch die Liebe und Unterstützung von allen um mich herum.
Die Farben wirbelten.
Tirzah! Tirzah! Sieh!
Und, oh, bei allen Göttern, da war er! Ich schrie auf und streckte die Arme aus, aber er sah mich nicht, wandte mir den Rücken zu und ging mit gesenktem Kopf vor sich hin. Er war nur undeutlich zu sehen, verblaßte im Leuchten des Hintergrundes. »Boaz!«
Tirzah! Es war für ihn eine lange und anstrengende Reise.
Das Lied der Frösche war beinahe nicht stark genug. Es hat beinahe versagt. Selbst jetzt noch muß Boaz einen Schritt tun.
Und Nzame? Eigentlich wollte ich es gar nicht wissen. Es war zu spät, das Kind abzutreiben. Dieses Kind würde ausgetragen werden müssen. Was auch immer es war.
Ah, Tirzah, er will nicht mit uns sprechen – er meidet uns. Er will nicht zulassen, daß wir ihn aufnehmen. Wir wissen nicht, was geschehen ist. Aber er ist voller Sorgen. Etwas quält ihn.
Etwas quält ihn?
Es ist deinetwegen, Tirzah. Er sorgt sich um das Kind. Da ist etwas mit dem Kind… etwas ist nicht in Ordnung…
Übelkeit stieg in mir auf, und ohne Zeldons festes Zugreifen wäre ich gefallen.
…da ist etwas mit dem Kind…… etwas ist nicht in Ordnung…