14

Isphets Griff lockerte sich, und ich riß mich los – und zögerte, denn ich wollte gleichzeitig zu beiden Männern laufen.

»Zu Yaqob, du Närrin!« zischte Isphet. »Boaz steht noch und kann selbst auf sich aufpassen.«

Da hastete ich mit Isphet an meiner Seite durch die Schlucht.

Noch immer irrten Steinmänner und Soldaten zwischen den Felsen umher, und wir mußten ausweichen, als ein Steinmann auf uns zukam.

Einen kurzen Moment konnte ich einen Blick auf sein Gesicht werfen, und darin stand solche Verzweiflung geschrieben, daß ich aufschrie und stehengeblieben wäre, hätte Isphet mich nicht weitergezerrt.

»Hier entlang, du dummes Ding!« rief sie und zerrte mich zwischen zwei Gruppen aus kämpfenden Steinmännern und Soldaten entlang.

Ich stieß mir heftig den Zeh an einem Stein und ächzte vor Schmerz, aber Isphets Griff wurde nur noch fester, und sie zog mich zu der Stelle, an der der Steinmann auf Yaqob lag.

Im ersten Augenblick glaubte ich, er sei völlig zerquetscht worden. Es war nichts außer dem größer werdenden roten Fleck neben dem Steinmann von ihm zu sehen. Dieser stöhnte immer noch und ruderte vergeblich mit den Armen durch die Luft.

Isphet duckte sich auf die andere Seite des Steinmannes.

»Tirzah! Schnell!«

Ich folgte ihr, und die blindlings zupackenden Steinfinger verfehlten gerade noch mein Haar.

Yaqob lag da, mit aschfahlem Gesicht, aber bei Bewußtsein.

Von der Hüfte abwärts wurde er von dem steinernen Gewicht niedergedrückt.

»Verschwindet«, knirschte er. »Es ist sinnlos, daß ihr…«

»Halt den Mund«, sagte Isphet und legte eine Hand auf die Brust. »Sein Herz rast, schlägt aber noch immer stark«, sagte sie zu mir. »Das Gewicht des Steinmannes hat das Verbluten verhindert.«

»Was sollen wir tun?« flüsterte ich und nahm Yaqobs Hand.

»Warten. Wir warten, bis uns ein paar der Soldaten helfen können.«

Isphet hob Yaqobs Kopf, so daß sie ihn auf ihren Schoß betten konnte, und sie streichelte sein Haar und murmelte ihm etwas zu, versuchte mit ihrer Stimme den Schmerz zu lindern.

»Wenn doch bloß…«, murmelte ich, und dann sah ich ein paar Schritte entfernt einen toten Soldaten liegen.

»Tirzah!« rief Isphet, als ich auf die Füße sprang, und Yaqob riß alarmiert die Augen auf, aber ich ging nicht weit. Ich packte das Schwert des Soldaten und kauerte wieder neben Yaqob nieder.

»Isphet, komm schon, wir können das hier benutzen, um etwas für Yaqob zu tun.«

»Was?«

Ich dachte fieberhaft nach. Keiner von uns hatte je versucht, mit unserer Macht zu heilen, und doch hatte es Boaz geschafft, mit seiner Macht Leben zu erschaffen. Aber Boaz war stärker als jeder von uns anderen, und er hatte den Froschkelch zur Unterstützung gehabt.

Ich rieb die flache Seite der Klinge und fühlte ihr aufgeregtes Flüstern. Sie trauerte um den Soldaten, dem sie gehört hatte, denn sie waren viele Jahre Gefährten gewesen, und das Schwert wünschte sich, es hätte seinen Tod rächen können.

»Egal«, flüsterte ich zurück. »Du kannst auf andere Weise einem Mann helfen, dem, der da vor uns liegt.«

Während ich sprach, hielt ich wieder nach Boaz Ausschau. Er kauerte ein paar Schritte von Kofte entfernt – beinahe hatte es den Anschein, als würden sie sich unterhalten –, aber Zabrze hatte ein paar Soldaten zu seinem Schutz abkommandiert, also wandte ich mich wieder Yaqob zu.

Er lag ganz ruhig da und ließ sich von Isphets Händen trösten. Sie starrte mich an, und in ihren Augen las ich ihre Frage: Was hast du vor?

Ich musterte Yaqobs Gesicht. Seine Augen waren geschlossen, aber die Anspannung der Muskeln unter seiner Haut verrieten etwas von den Schmerzen, die er haben mußte.

Ich erinnerte mich an die Schmerzen, die Boaz mir bereitet hatte, die Qual, die er durch meinen Körper geschickt hatte.

Ich hätte damals alles für jemanden gegeben, der meine Hand halten und diese Schmerzen auf sich genommen hätte.

»Schwert«, flüsterte ich so, daß nur es allein die Worte hören konnte. »Schwert, du bist eine Schöpfung, die bei Schmerzen auflebt. Willst du die Schmerzen dieses Mannes auf dich nehmen, damit er sich besser auf das Leben konzentrieren kann?«

Die Lebenskraft des Schwertes war stark, so stark, daß ich ihren Schimmer sehen konnte. Es würde leicht zu lenken sein.

Ich kannte den Schmerz so gut, daß mir die Magie, die dafür sorgen würde, daß das Schwert Yaqobs Qualen in sich aufnahm, mit Sicherheit gelingen würde.

Das Schwert stimmte meiner Bitte fast sofort zu. Elemente spürten Schmerz nicht auf dieselbe Weise wie atmende Geschöpfe, und diese zusätzliche Energie würde ihm auf keinen Fall schaden.

»Yaqob«, sagte ich leise. »Lege deine Hand hierher, auf die Klinge. Gut.«

Ich schloß die Augen und konzentrierte mich, griff nach der Lebenskraft der Klinge und benutzte sie, um einen Zauber zu wirken, der eine Brücke zwischen ihr und Yaqob erschuf.

Yaqob holte verblüfft Luft. »Tirzah…!«

Und es war kein Schmerz mehr in seiner Stimme, und er schlug erleichtert die Augen auf.

Seine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, und er griff mit seiner freien Hand nach mir. »Tirzah. Danke… danke.«

Ich lächelte, beugte mich vor und küßte ihn. »Wir müssen dich noch immer da rausbeholen.«

»Das ist kein Problem«, sagte Kiamet hinter mir, und ich wandte den Kopf. Er hatte mehrere Männer bei sich, und sie warfen ihre Seile um die Arme des Steinmannes. »Macht euch bereit zum Ziehen, meine Freunde.«

Ich schickte der Klinge eine hastige Botschaft und benutzte ihre nun wesentlich vergrößerte Lebensenergie, um Yaqobs durchtrennte Adern zu behandeln.

»Halte die Klinge fest«, sagte ich zu Yaqob und umklammerte seine andere Hand.

Kiamet und die Männer zogen, die Anstrengung ließ die Adern in ihren Hälsen und Unterarmen hervortreten.

Der Steinmann heulte, und ich fragte mich, ob er irgendwo in seiner neuen Gestalt selbst Schmerz empfand, dann rollte er zur Seite, und Isphet und ich zogen Yaqob weg.

Seine Beine waren fast völlig zerschmettert. Knochen durchbohrten Muskeln, die zerrissen und zerfetzt waren.

»Ihr Götter!« rief Kiamet, dann winkte er seine Männer herbei, und sie rollten Yaqob in eine Decke.

Isphet und ich erhoben uns, um ihn zu begleiten, aber Solvadale und Caerfom waren bereits hinter Kiamet aufgetaucht.

»Wir übernehmen ihn«, murmelte Solvadale. »Das hast du gut gemacht, Tirzah. Sehr gut, aber wir übernehmen ihn von hier an.«

Ich nickte, wie betäubt durch Yaqobs furchtbare Verletzungen, dann beugte ich mich vor und küßte ihn noch einmal. »Halte das Schwert fest, Yaqob. Es mag dich und wird sein Bestes für dich geben.«

Er versuchte ein Grinsen, und ich war dankbar, daß er das wahre Ausmaß seiner Verletzungen nicht sehen konnte. »Ich danke dir, Tirzah. Schmerz für Schmerz, was?«

»Du hast nichts getan, um das zu verdienen, Yaqob«, sagte ich. »Jetzt geh und hör auf Solvadale und Caerfom.«

Er küßte meine Hand, dann ließ er sie los, als ihn die Soldaten forttrugen. Solvadale und Caerfom blieben in seiner Nähe.

»Das war sehr beeindruckend«, sagte Isphet. »Aber wie…«

»Jetzt zu Boaz.«

Kiamet zeigte mit seinem Schwert auf ihn, und ich folgte ihm mit meinen Augen. Er und Kofte hatten sich in den Schatten eines Felsvorsprungs begeben. Kofte war in dem Halbdunkel kaum zu sehen, Boaz hingegen schon. Er stand jetzt nur zwei Schritt von Kofte entfernt, und wieder hatte ich den deutlichen Eindruck, daß sie sich unterhielten, auch wenn sich ihre Lippen nicht bewegten.

Ich schaute mich um. Abgesehen von zwei Steinmännern wanden sich alle anderen hilflos auf dem Boden, und die beiden einzigen, die noch standen, waren den näher kommenden Soldaten hoffnungslos unterlegen.

Eine plötzliche Bewegung, und Zabrze sprang von einem Sims und stand neben uns. Er bemerkte das Blut auf dem Boden und an Isphets und meinen Händen.

»Das ist Yaqobs Blut«, beeilte sich Isphet zu erklären.

»Tirzah und mir geht es gut.«

Zabrze stieß die Luft aus. »Gut.« Ein lautes Dröhnen ertönte, einen Herzschlag später gefolgt von einem zweiten. »Dann müssen wir uns nur noch um diesen Alptraum in Schwarz hier kümmern«, sagte er.

Wir näherten uns vorsichtig, da keiner von uns eine Ahnung hatte, was Boaz da machte.

»Boaz?« fragte ich leise und blieb zwei Schritte hinter ihm stehen, Zabrze und Isphet an meiner Seite. Hinter uns bauten sich ein Dutzend Soldaten auf. Kofte saß in der Falle, aber er sah gefährlich aus.

»Er berichtet seinem Herrn«, erwiderte Boaz.

»Nzame sieht uns?« fragte Zabrze scharf.

»Ja. Durch Kofte… oder das, was Kofte einst war. Zabrze, befiehl deinen Soldaten, ihn unter diesem Felsvorsprung festzuhalten. Ich will da hinten mit dir sprechen.«

Wir begaben uns ein Stück weg und wandten Kofte den Rücken zu.

»Was ist mit Yaqob?« fragte Boaz als erstes.

»Er wird überleben«, antwortete Isphet. »Aber er ist schwer verletzt. Boaz, was ist mit Kofte geschehen?«

»Er hat sich der Eins so sehr hingegeben – oder dem, was er für die Eins hält –, daß er buchstäblich als Abbild der Eins neu erschaffen wurde. Oder als Nzame.«

»Was ist die genaue Beziehung zwischen Nzame und der Eins?« fragte ich ihn. »Ich weiß, du hast gesagt, daß Nzame sich die Idee der Eins zu eigen gemacht hat, er aber nicht die Eins ist.«

»Bis heute war ich mir da selbst nicht sicher«, sagte Boaz.

»Aber ich glaube, daß Nzame durch die Pyramide die Macht der Eins aufgenommen hat, um die gewaltige Macht zu vervollständigen, die er aus dem Tal herübergebracht hat. Kofte hat sich Nzame hingegeben, so wie meiner Meinung nach sicher viele Magier es getan hätten, und zwar buchstäblich mit Leib und Seele, und Nzame hat Kofte nach seinem Ebenbild neu erschaffen.«

»Nzame sieht so aus?« sagte Zabrze.

»Nicht ganz«, sagte Boaz. »Ich glaube, daß Nzame mit der schwarzen steinernen Glasmasse der physischen Wiedergabe dessen, was das Tal enthält, so nahe kommt, wie es ihm möglich ist. Das… Ding… da drüben ist eigentlich nicht Kofte, sondern nur eine Art verlängerter Arm von Nzame.«

»Und doch hast du mit diesem Ding gesprochen«, sagte ich.

»Nein«, erwiderte Boaz zu schnell und zu scharf. »Nein, ich habe es bloß gründlich studiert.«

»Kannst du es vernichten, Bruder?« fragte Zabrze.

»Ich glaube schon. Es ist stark, aber ich halte es nicht für allzu gefährlich. Es ist mehr ein Instrument als eine Waffe.

Können es mehrere deiner Männer zu Boden ringen? Ich muß es berühren können.«

Zabrze gab ein paar Männern in der Nähe ein Zeichen, dann wandte er sich wieder uns zu. »Ja. Jetzt?«

»Jetzt. Ich will es nicht hinauszögern.«

»Sei vorsichtig, Boaz«, sagte ich.

»Ich habe zu viel, wofür es sich zu leben lohnt, Tirzah. Natürlich werde ich vorsichtig sein. Jetzt tretet zurück. Du kannst hier nicht helfen.«

Fünf von Zabrzes Männern, darunter Kiamet, kreisten Kofte ein. Er heulte, dann kreischte und stöhnte er, fuchtelte mit den Armen herum, ballte immer wieder die Fäuste.

Ein Mann täuschte einen Schritt in seine Richtung vor, und Kofte schlug nach ihm. In dem Augenblick, in dem er nicht aufpaßte, warfen sich mehrere Männer auf ihn und rangen ihn zu Boden.

»Schnell!« rief Kiamet, als weitere Männer herbeieilten, um Kofte unten zu halten. »Er ist stärker, als er aussieht!«

Boaz stand über Koftes Kopf, dann bückte er sich schnell und legte seine Hand auf das schwarze Gesicht.

Ich fröstelte, weil ich mich daran erinnerte, wie er das bei mir gemacht hatte.

Macht schlug in Wellen in Boaz’ Gesicht – die Macht der Eins –, und ich brauchte meinen ganzen Mut, um den Blick nicht von ihm abzuwenden. Man konnte nur zu leicht vergessen, daß Boaz noch immer die Macht der Eins ebenso gut zu nutzen wußte, wie die Magie der Elemente.

Kofte schrie auf, und ich senkte den Blick. Das Gebilde bäumte sich mit aller Kraft unter den Händen jener auf, die es festhielten, dann noch einmal. Und noch einmal.

Und dann verschwamm seine Gestalt.

Boaz brüllte die Soldaten an, und alle wichen vor der Gestalt zurück.

Kofte schmolz buchstäblich dahin. Sein Gesicht zerlief. Er hob die Hand und sie tropfte und fiel dann ganz ab, zerfloß neben ihm zu einer kleinen Pfütze.

Innerhalb von Minuten hatte sich sein ganzer Körper in eine dicke Flüssigkeit aufgelöst, und Boaz befahl, sie zwischen den Felsen zu verteilen. »Sie wird irgendwann verdunsten«, sagte er. »Aber es ist besser, sie wird verteilt, damit sie sich nicht wieder vereinigen kann.«

»Was hast du gemacht?« fragte ich.

»Nzame hat viel von der Macht der Eins benutzt, um eine Verbindung mit Kofte aufrechtzuerhalten. Ich habe diese Verbindung unterbrochen, und sobald es sie nicht mehr gab, gab es auch nicht mehr die Kraft, die das belebte, was von Kofte noch übrig war.«

Er sah sich um. Überall in der Schlucht lagen steinerne Gestalten herum. »Nun, sehen wir mal, was wir mit diesen belebten Felsen machen können. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß sich auch die Steinmänner auflösen, sobald es die Verbindung mit Nzame nicht mehr gibt. Aber Nzame hat bei ihrer Erschaffung eine andere Magie angewandt.«

Boaz wählte einen Steinmann aus, der so fest in einer Felsspalte steckte, daß er die Arme kaum bewegen konnte. Er ging in die Hocke und legte ihm die Hand auf die steinerne Brust. Er runzelte die Stirn, sammelte sich, dann zog er entsetzt die Hand zurück.

»Boaz, was hast du?« Ich war sofort an seiner Seite.

Er holte tief Luft, sammelte sich von neuem, dann umklammerte er meine Hand. »Isphet, geh auf die andere Seite. Bitte. Es besteht keine Gefahr.«

Als das geschehen war, legte Boaz meine Hand auf die Brust des Steinmannes und bedeutete Isphet, dasselbe zu tun. »Fühlt einmal selbst«, sagte er.

»Aber Stein enthält kein Leben…«, fing ich an, dann riß ich meine Hand so schnell weg, wie Boaz es zuvor getan hatte.

Einen Augenblick später schrak Isphet zurück.

»Was ist denn?« fragte Zabrze.

»Stein kann doch keine Lebenskraft enthalten, Zabrze«, sagte Boaz.

»Keiner von uns hat sie je zuvor in Stein gespürt«, fügte Isphet hinzu. »Metall, Edelsteine, ja, aber Stein… nein. Stein ist tot. Oder sollte es sein.«

Ich ließ mich zu Boden sinken, starrte den Steinmann an.

Er trug eine lodernde Lebensquelle in sich. Das Leben eines Menschen. Darin steckte noch immer ein Mensch! Kein Wunder, daß ihre Münder von Verzweiflung kündeten.

»Jetzt weiß ich, wie ich die Steinlocke zurückverwandelt habe«, sagte Boaz leise. »Ich habe die darin enthaltene Lebenskraft benutzt, um sie wieder zu verändern.«

Alles, sogar der Wind, schien um mich herum zu verstummen. »Willst du damit sagen, daß… daß…«

Boaz nahm meine Hand, sah mich flehentlich an. »Tirzah, es tut mir leid… Ich wußte es damals nicht… Ich hatte keine Ahnung…«

»Boaz, was hast du mit dem Steinkörper meines Vaters gemacht?«

»Ich ließ ihn in tausend Stücke zerschlagen, genau wie die anderen zehn Männer, und in den Lhyl werfen.«

Ich senkte den Kopf und kämpfte gegen meine Tränen an.

Hatte mein Vater in dem Stein noch irgendwie gelebt? Waren all diese Männer noch zu retten gewesen?

»Tirzah…«

Ich drückte seine Hand. »Du hast es nicht gewußt, Boaz. Bitte. Wir können nichts mehr tun. Und Druse ist zur Zuflucht im Jenseits verabschiedet worden.«

Boaz war verzweifelt. »Aber hätte ich sie nicht zerschlagen lassen…«

»Nein, Boaz. Es ist vorbei. Zu Ende. Aber diese hier können wir retten.« Ich hob den Kopf und versuchte zu lächeln.

»Zabrze wird sein Volk doch zurückerhalten.«

Boaz riß sich zusammen, aber ich wußte, daß er Zeit brauchen würde, um sich mit dem abzufinden, was er getan hatte. Zeit, um sich selbst zu vergeben.

Wie sehr Nzame gelacht haben mußte, als er es vom Tal aus beobachtet hatte.

»Boaz«, sagte ich sanft. »Zeige Isphet und mir, was wir tun müssen. Wir müssen alle helfen.«

Er nickte und legte dem Steinmann wieder die Hand auf die Brust. Er konzentrierte sich eine Weile, dann sprach er leise und sagte uns, wie man die Lebenskraft benutzen mußte, um Wesen wieder zum Leben zu erwecken und zurückzuverwandeln.

Er stütze sich kräftiger auf seine Hand, und der Stein verwandelte sich. Von Boaz’ Hand aus traten rote Adern zum Vorschein, dann verdunkelte sich der Stein zu Haut und Muskeln. Der Mann hörte auf, mit den Armen wedeln zu wollen und lag statt dessen still da, und ein Stöhnen entrang sich seinen Lippen – aber das war ein Stöhnen der Überraschung und nicht der Verzweiflung.

Und es war kein Mann.

Isphet und ich wichen entsetzt zurück, als zuerst die Brüste und dann der sanft gerundete Leib einer Frau zum Vorschein kam. Gliedmaßen wuchsen und wurden glatt und schlank.

Boaz hob die Hand, und wir sahen ihr Gesicht. Sie war kaum älter als achtzehn oder neunzehn und hatte reizvolle Züge.

Zweifellos eine Sklavin, wenn sie aus Gesholme kam, aber wer konnte schon sagen, wie weit sich Nzames Verwandlungen ausgebreitet hatten.

Sie schlug die Augen auf, dann schnappte sie vor Überraschung nach Luft und brach schließlich in Tränen aus.

»Jemand soll mir ein Gewand oder einen Umhang geben«, fauchte Isphet, und ein Soldat reichte ihr eine Decke.

»Wo bin ich?« fragte das Mädchen stotternd, verwirrt von ihrer Umgebung und den fremden Gesichtern. »Wer seid ihr?«

Boaz, Isphet und ich brauchten den Rest des Tages, um uns um die Steinmänner zu kümmern. Wir verwandelten sie alle, verbrauchten dabei zwar unsere ganze eigene Kraft, schöpften aber neuen Mut aus dem Wiedererwachen jener, die so mißbraucht worden waren. Die meisten waren Männer, aber es gab auch neun Frauen unter ihnen. Sie alle waren verwirrt, verängstigt und von unbestimmten Erinnerungen heimgesucht, die sie zittern und weinen ließen.

Ich vermutete, daß sie noch Monate lang von Alpträumen heimgesucht werden würden.