simplify-Idee: Überprüfen Sie Ihre Essrituale
Schon im Mittelalter gab es Regeln zur »Tischzucht«: Es war genau festgelegt, wer die besten Plätze an der Tafel bekam. Dass wir Gabel und Messer benutzen, ist ein neuzeitliches Ritual. Auch die Menüfolge ist ein Ritual – denn was würden Sie sagen, wenn als Vorspeise das süße Dessert serviert würde und die Suppe als Nachtisch? Die gemeinsam eingenommene Mahlzeit war früher der Kristallisationspunkt des Familienlebens und unverschiebbar. Schließlich musste extra der Ofen angeheizt werden; wer nicht hungern wollte, tat gut daran, zur Stelle sein.
Heute beginnen sich viele dieser Rituale zu verändern. In vielen Haushalten hat inzwischen der Kühlschrank die zentrale Rolle des Herdes übernommen. Garküchen und Imbissstände finden sich fast überall, Lieferservices versorgen uns mit Essbarem rund um die Uhr. Und das Angebot an Fertigmahlzeiten nimmt in den Supermärkten immer mehr Platz ein. Für unseren Körper kann sich das als fatal erweisen.
Wie ist Ihr Tag gestaltet? Haben Sie – zumindest halbwegs – geregelte Tagesabläufe und feste Essenszeiten? Machen Sie sich Ihren Umgang mit Ihren Mahlzeiten bewusst – und gestalten Sie ihn.

|108|Essen Sie nur dreimal am Tag
Das Max-Planck-Institut beobachtete Studienteilnehmer, die in einem von Tageslicht und Umwelt abgeschiedenen Bunker drei bis vier Wochen ihren eigenen Rhythmus suchten. Bei der Mehrzahl betrug er 25 Stunden – vom Tageslicht wird das auf die tatsächlichen 24 Stunden des Tages geeicht. Ein Drittel dieser Zeit wird verschlafen. Außerdem zeigte sich unter diesen Bedingungen: In der Wachphase bekommen wir ungefähr alle fünf Stunden Hunger. Unsere innere Uhr ist auf drei Mahlzeiten pro Tag eingerichtet.
Je länger der Versuch dauerte, desto mehr Ausreißer gab es mit Wachperioden zwischen 10 bis 35 Stunden: Der Taktgeber Sonne fehlte. Aber stets blieben das Verhältnis von Schlaf- zu Wachphasen und die drei Mahlzeiten stabil. Überlegen Sie mal selbst, wie oft Sie essen, wenn Sie ausgelastet und erfüllt von einer Tätigkeit sind.
Was aber ist mit den berühmten Zwischenmahlzeiten? Schwangere und stillende Mütter sowie Kinder sollten durchaus zwischen den drei Hauptmahlzeiten Obst oder Milchprodukte essen. Auch untergewichtige und hochbetagte Menschen brauchen Zwischenmahlzeiten, um zuzunehmen oder ihr Gewicht zu halten. Ebenso können körperlich hart arbeitende Menschen ein zweites Frühstück und eine Vesper vertragen. Die überwältigende Mehrheit aber kommt mit drei Mahlzeiten am Tag aus.
simplify-Tipp
Drei Mahlzeiten am Tag sind ideal! Falls Sie zwischendurch ein kleiner Hunger zwickt: Essen Sie je eine Handvoll frisches Obst oder rohes Gemüse oder eine flache Handinnenfläche voll naturbelassener Mandeln oder Nüsse. Ganz wunderbar hilft auch ein Milchkaffee.
|109|Schaffen Sie sich Zeitinseln für Ihre Mahlzeiten
Wer nicht ständig snackt, spart Zeit. Und genau diese Zeit sollten Sie fürs Essen reservieren. Geschmack kann sich nur entfalten, wenn es die Möglichkeit zum Genuss gibt. Der ergibt sich nicht automatisch, sondern Sie müssen wirklich genießen wollen. Das beginnt mit dem Frühstück, bedeutet also am Morgen vielleicht eine Viertelstunde weniger Schlaf. Mittags heißt das, eine Arbeit, ein Gespräch zu unterbrechen, weil Essenszeit ist. Und abends bedeutet das, nicht schnell auf dem Heimweg oder vor dem Kühlschrank etwas zu futtern, sondern konsequent bis zum Abendbrot zu warten – und sich dafür Zeit zu nehmen und es zu genießen.
Das ist gar nicht so abwegig: Der Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung von 2004 kam zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass sich die Deutschen pro Tag 21 Minuten länger Zeit fürs Essen nehmen als noch vor zehn Jahren! Davon entfielen nur 7 Minuten zusätzlich auf Mahlzeiten in Restaurants – die restlichen 14 Minuten wurden beim Essen zu Hause verbracht! Gut so: Essen bedeutet eben nicht nur, satt zu werden, sondern ist auch Entspannung, Genuss, Zeit fürs Miteinander.

Früher waren die meisten Geschäfte von 13 bis 15 Uhr geschlossen. Mittagszeit. Heute gibt es das kaum noch; auch im Büro kann man sich keine zwei Stunden Mittagspause leisten. Aber 30 Minuten sind immer drin – ganz sicher. Wer das durchhält, wird mit Zufriedenheit und mehr Energie am Nachmittag belohnt.
|110|simplify-Tipp
Nehmen Sie Ihre drei Mahlzeiten am Tag ebenso wichtig wie die Präsentation des aktuellen Projekts oder den Termin mit dem Steuerberater. Tragen Sie die Zeiten am besten in Ihrem Terminkalender ein.
Essen Sie immer am Tisch
Am besten ist es, Sie setzen sich zum Essen hin. An einen Tisch! Das kann der Küchentisch sein, der Tisch in der Kantine oder das Tischchen im Bistro. Aber niemals der Schreibtisch! Und essen Sie auf keinen Fall im Auto!
Wer den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, mag vielleicht für eine Weile lieber stehen. Dann sorgen Sie für entsprechende Möglichkeiten in Ihrer Küche, stellen Sie zum Beispiel einen Stehtisch auf oder richten Sie eine Esstheke ein. Auch in der Mittagsgastronomie und in Betriebslokalen gibt es die Möglichkeit, an Stehtischen zu essen. Wie etwas weiter oben schon erwähnt, macht die Französin Mireille Guiliano in ihrem Bestseller Warum französische Frauen nicht dick werden unter anderem den Bistrotisch für die gute Figur der französischen Frauen verantwortlich: Wer sich zum Essen hinsetzt, der muss sein Essen nicht in Windeseile in sich hineinschlingen, sondern lässt sich Zeit. Und isst am Ende weniger, weil er merkt, wann er satt ist!
Ist es nicht bereits ein Genuss, diese Zeit für sich zu reservieren? Schon dieser Luxus macht beinahe satt. Und genau das sollten Sie sich gönnen. Tag für Tag.
simplify-Tipp
Sorgen Sie täglich für einen angenehmen Essplatz, an dem Sie Ihre Mahlzeit genießen können – sei es im Stehen oder Sitzen.
|111|Benutzen Sie Messer und Gabel
Fingerfood ist in. Das kann bei kleinen Häppchen ein Genuss sein. Es kann aber auch einen Rückfall in die Steinzeit bedeutet: ein Hastiges In-sich-Hineinstopfen von allem, was man in die Finger bekommt. Essen mit Messer und Gabel – in Asien mit Stäbchen – ist eine langsam gewachsene Esskultur. Sie zwingt uns innezuhalten, uns Zeit zu nehmen, die Bissen anzuschauen, bevor wir sie essen.
Im Mittelalter wurde mit den Fingern gegessen – höchstens ein Messer nutzte man zusätzlich. Erst im 18. Jahrhundert machte die Gabel Furore. Sie kam aus Italien zu uns. Die Kirche ächtete sie anfangs als »Teufelsforke«. Es dauerte rund 100 Jahre, bis sie sich als wesentlicher Bestandteil des Bestecks etablieren konnte – aber zunächst nur in der Oberschicht: Essen war knapp – nur Reiche konnten sich dabei Zeit lassen.
Heute hat jeder Messer und Gabel daheim – ein Zeichen von Wohlstand. Fallen Sie also nicht auf Fast-Food-Anbieter herein, die Ihnen erklären wollen, Fingerfood wäre der wahre Genuss. Natürlich ist es nett, mal Chicken Wings oder Sparerips mit den Fingern zu essen. Aber die Gefahr besteht, dass wir zu schnell zu viel futtern. Wer Besteck benutzt, nimmt sich mehr Zeit, genießt sein Essen mehr und wird sich wahrscheinlich nicht so rasch überessen.

Der Ernährungsforscher Brian Wansink beobachtete Über- und Normalgewichtige an einem chinesischen Büffet. Er wollte herausfinden, wer mit Essstäbchen isst und wer Messer und Gabel nutzt. Sein Ergebnis: 80 Prozent der Stäbchenesser waren schlank – nur 20 Prozent fettleibig! Das spricht sehr stark für zivilisierte Tischsitten und gegen Steinzeitmanieren!
|112|simplify-Tipp
Essen Sie mit Messer und Gabel – das verlangsamt Ihr Esstempo, lässt Sie bewusster essen und verlängert den Genuss.
Essen Sie nie aus Schüssel, Topf oder Pfanne!
Sie kommen nachmittags nach Hause – und da steht noch die Pfanne oder der Topf mit den Resten vom Mittagessen auf dem Herd. Alle haben schon gegessen – da können Sie doch gleich das Übriggebliebene aus der Schüssel futtern. Sie brutzeln sich etwas Schnelles in der Pfanne – wozu da noch ein Teller?
Irrtum! Auch hier gilt: Wir neigen dazu, nicht auf unser Sättigungsgefühl zu achten und das, was vor uns steht, aufzuessen – auch wenn es zu viel ist. Wenn das Gefäß groß ist, wirken selbst Riesenportionen übersichtlich. Denken Sie an das Experiment mit den großen Eisschalen, von dem oben schon die Rede war.
Außerdem wirkt da oft noch unsere Erziehung nach: Es ist ein wenig ungehörig und peinlich, aus dem Topf zu futtern – das möchte man schnell hinter sich bringen und schlingt. Für Genuss und Sättigung bleibt da keine Zeit. Deshalb: Nehmen Sie einen – kleinen – Teller, er ist immer noch die beste Maßeinheit.
simplify-Tipp
Essen Sie weder direkt aus dem Kochgeschirr noch aus Schüssel, Auflaufform oder von Platten. Ihr Teller ist das Portionsmaß und gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Portion im Auge zu behalten.
Ignorieren Sie Reste
»Mach mich leer!«, scheinen alle Töpfe und Schüsseln zu rufen, in denen sich noch die Reste einer Mahlzeit finden. Die Botschaft ist stark, und es ist schwer, sich ihr zu widersetzen. Aber wenn Sie jeden Tag zwei Löffel zu viel essen, endet das am Ende unausweichlich |113|in Zusatzkilos. Und nicht nur das: Sie gewöhnen sich an größere Portionen. Meist werden die Reste dem Familienmitglied mit dem größten Appetit aufgenötigt. Die Folge: Wer zu viel Speck auf den Rippen hat, wird noch dicker!
Was zu viel ist, kommt in die grüne Tonne. Bewahren Sie nur ausreichend große Überbleibsel im Kühlschrank auf, um ein Restessen daraus zu zaubern.
simplify-Tipp
Sie sind nicht der Resteeimer der Familie. Ihr Körper ist nicht zum Entsorgen von Übriggebliebenem da – auch wenn es köstlich ist.
Werfen Sie es weg – und zwar sofort.
Essen Sie möglichst nicht allein
Allein zu essen ist meist eine trostlose Angelegenheit. Sicher – vielen Menschen bleibt nichts anderes übrig. »Essen auf Rädern« ist vor allem deshalb ein Misserfolg, weil die wichtigste Zutat für eine gelungene Mahlzeit – die Gesellschaft – fehlt.
Einsames Essen wird oft nebenher erledigt – man genießt nicht und isst oft mehr, als man braucht. Versuchen Sie deshalb, wann immer möglich nicht allein zu essen. Verabreden Sie sich mit Kollegen zum Mittagstisch, warten Sie abends, bis Sie mit Ihrem Partner essen können – essen Sie mit Ihren Kindern und nicht etwa später. Das wird Ihnen auch helfen, einen regelmäßigen Essrhythmus zu entwickeln.

simplify-Tipp
Suchen Sie sich »Mitesser« – das hilft Ihnen, Maß zu halten, und steigert den Genuss.
|114|Reduzieren Sie Ihren Medienkonsum
Es gibt eine Flut von Studien, die alle zum selben Schluss kommen: Die Dauer des TV- und Internetkonsums hat einen starken Einfluss auf das Körpergewicht. Mit anderen Worten: Je mehr Zeit man vor Fernseher und PC verbringt, desto dicker ist man. Selbst Diäten, bei denen nichts (!) als der Fernsehkonsum reduziert wurde, führten zu deutlicher und langfristiger Gewichtsabnahme!
Das hat mehrere Gründe: Wer als Couch-Potatoe durch die TV-Kanäle zappt oder googelt, der bewegt sich nicht. Erschwerend kommt dazu, dass man wunderbar währenddessen futtern kann. Knabberzeug und Medienkonsum gehören für viele geradezu zusammen! Das Fatale: Man isst reflexartig nebenbei und bemerkt es nicht. Außerdem besteht ein Großteil der TV-Werbung aus Anpreisungen von Lebensmitteln. Süßigkeiten, Süßgetränke und Snacks bilden dabei den Löwenanteil – und das macht Appetit!

Auch eine Zeitung oder ein Buch zu lesen und gleichzeitig zu essen führt zu Unachtsamkeit. Im Kaffeehaus zum Cappuccino oder zum Morgenkaffee eine Zeitung zu studieren ist in Ordnung – aber nicht zur Torte oder zum Müsli!
Der gewachsene Medienkonsum führt letzten Endes dazu, das wir gefühlt keine Zeit mehr haben. Wer täglich drei Stunden TV sieht, dem fehlen diese für andere Tätigkeiten. Werden Sie wieder Herr Ihrer Zeit und beschränken Sie Ihren Medienkonsum. Zählen Sie die Minuten oder Stunden vor dem PC dazu! Sie werden sich wundern, wie schwer das anfangs fällt.
simplify-Tipp
Führen Sie eine Zeit lang Buch über Ihre Mediengewohnheiten. Verbringen Sie nicht mehr als eine Stunde Ihrer Freizeit täglich vor TV oder PC. Und lesen Sie nicht, während Sie essen!