simplify-Idee: Werden Sie zum Geschmacksexperten

Am besten schmeckt der erste Bissen – das wissen Sie nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern das bestätigt auch die Wissenschaft. Aber was bedeutet das eigentlich – schmecken? »Sensorik« heißt eine ganze Forschungsrichtung, die sich damit beschäftigt. Denn die Lebensmittelindustrie untersucht ganz systematisch, was dem Kunden mundet – und was er nicht so gerne mag.

Als die holländische Tomate in den siebziger Jahren durch Züchtung zwar länger haltbar war und sich unbeschadet transportieren |96|ließ, aber nach nichts mehr schmeckte, wollte niemand sie mehr essen. Die holländischen Gärtner reagierten: Es wurden sogenannte Panels eingerichtet. Mehrere hundert Personen wurden nach ihrer Geschmackssensibilität ausgesucht und zusätzlich trainiert. Sie testeten in den kommenden Jahren, welche Tomatenzüchtung wirklich wohlschmeckend ist.

Der enorme Aufwand hat sich gelohnt: Tomaten aus Holland haben heute wieder Aroma! Dieses Beispiel zeigt aber auch: Geschmack ist ein Geschenk der Natur, das man trainieren und pflegen muss. Dann hat man einfach mehr vom Essen – und ein besseres Gespür für Qualität.

Während unser Seh- und Hörsinn oft überreizt werden durch eine Schwemme von Bildern und Tönen, wird unser Geruchssinn zumeist unterfordert oder stumpft durch künstlich zugesetzte Aromen ab. Beides hat Folgen für die Geschmacksregionen des Gehirns und sicher auch für unser Essverhalten. Die natürliche Vielfalt der Düfte und Aromen zu erhalten ist deshalb wichtig.

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simplify-Tipp

Geben Sie sich bei jeder Mahlzeit eine kleine, bewusste Geschmacksminute: Essen Sie aufmerksam! Meiden Sie zugesetzte Aromen – egal welcher Art!

Die feine Zunge

»Eine feine Zunge« zu haben bedeutet, gut schmecken zu können. Dabei gibt die Zunge nur die Grundtöne im Geschmackskonzert an. Auf der Zunge unterscheiden wir zwischen »süß«, »sauer«, »salzig«, »bitter«, »umami« – das bedeutet würzig in Richtung Glutamat, Sojasauce oder Fleisch. »Umami« wurde als letzte Geschmacksnote in Japan entdeckt.

Wahrscheinlich gibt es noch mehr Arten von »Geschmacksknospen« |97|– so heißen die Organe, mit denen wir schmecken. Sie sind alle relativ gleichmäßig am Zungenrand verteilt, also dort, wo die Speisen zuerst landen. Nur »bitter« ist etwas stärker am hinteren Zungengrund konzentriert. Dass dies so eingerichtet ist, kann eine Art Sicherheitssperre sein, die uns vor Vergiftung schützen soll. Denn bitter steht in der Natur für giftig – während süß eine gute Energiequelle ankündigt. Salzig signalisiert die Versorgung mit den lebensnotwendigen Mineralstoffen Natrium und Chlorid, während sauer auf Unreifes hinweist und vorbeugend den Speichelfluss anregt, um die Verdauung zu unterstützen. Umami dagegen ist ein Signal für eiweißreiche Lebensmittel.

Zum Zungensinn gehört auch das Ertasten von Konsistenz: Wir lieben zum Beispiel Schokolade, weil ihre Kakaobutter bei unserer Körpertemperatur von 37 Grad Celsius ihren Schmelzpunkt hat – sie zergeht auf der Zunge. Aber auch die Kühle von Pfefferminz oder Menthol wird von der Zunge erfühlt. All diese Informationen werden ins Gehirn gefunkt – und an einem zweiten Kontrollpunkt mit Gefühlen wie Lust, Ekel oder Überdruss verknüpft. So entsteht zum Beispiel Übersättigung, wenn ich monoton esse, aber auch immer wieder Appetit, wenn Abwechslung geboten ist. Damit schützt sich der Körper instinktiv vor einseitiger Ernährung.

simplify-Tipp

Abwechslung ist wichtig – doch wer einfach isst, wird schneller satt. Meiden Sie alltags zu viele unterschiedliche Komponenten in einer Mahlzeit.

Schmeckt Bio besser?

Bio-Gemüse, -Obst und -Getreide enthalten weniger Rückstände wie Pestizide und Insektizide. Ob diese Produkte aber den Menschen wirklich besser schmecken, dafür hat sich bisher kein Nachweis erbringen lassen, obwohl im Max-Rubner-Institut in Karlsruhe im Bundesauftrag intensiv danach geforscht wird.

|98|In der Schweiz waren Forscher mit Ratten erfolgreicher. Diese haben einen sehr feinen Geschmackssinn, kosten erst einmal vor und warten dann etwas, bevor sie fressen. Diese Laborratten konnten Bio-Lebensmittel von anderen Möhren, Rote Bete, Weizen und Äpfeln unterscheiden – und bevorzugten sie. Uns Menschen hilft das Bio-Label.

simplify-Tipp

Bevorzugen Sie Grundnahrungsmittel aus biologischer Landwirtschaft, wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen.

Aber Vorsicht: Auch Industrieprodukte gibt es im Biobereich zuhauf – von Gummibärchen über Riegel bis zu Fertigsaucen. Diese sind nicht alle empfehlenswert. Lassen Sie darum lieber die Finger davon!

Lernen Sie, besser zu riechen

»Gerüche gehen tiefer ins Herz als Töne und Bilder«, erkannte Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuchs. Kein Wunder: Unsere über 350 Riechzellen stehen in direkter Verbindung mit dem entwicklungsgeschichtlich ältesten Teil unseres Gehirns. Dieses Riechhirn wiederum ist ein Teil des limbischen Systems, das für Gefühle und Erinnerung zuständig ist. Das erklärt, warum Gerüche oft eine sehr emotionale Reaktion hervorrufen – die Parfumindustrie lebt davon.

Eigentlich schmecken wir nur mit der Nase. Und das nicht nur vor dem Essen, sondern auch währenddessen: Beim Schlucken steigen Düfte durch die Nasennebenhöhlen hin zu den 350 Riechzellen. Unendliche Kombinationsmöglichkeiten lassen Riechen zu einem sehr vielschichtigen Vorgang werden.

Wie wichtig der Geruch für den Geschmack ist, stellen Sie fest, wenn Sie mit zugehaltener Nase und geschlossenen Augen versuchen, |99|Lebensmittel während des Essens zu erkennen. Apfel und Gurke, Möhre und Radieschen, Apfel- und Birnenkompott lassen sich dann nicht mehr unterscheiden!

Toll aber ist: Riechen lässt sich trainieren – das konnten Neurologen sogar nachweisen. Ein Sommelier ist also nicht unbedingt ein Naturtalent, sondern hat seinen Beruf des »Vorriechens« gelernt: Durch ständiges Training wird er immer besser. Das können Sie auch! Je besser Sie riechen können, umso größer ist der Genuss beim Essen.

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simplify-Tipp

Machen Sie sich die Wirkung von Düften zunutze: Legen Sie sich Riechfläschchen zu – einmal am Lavendel geschnuppert, legt sich der Appetit am Bratwurststand fast von allein!

Misstrauen Sie dem ersten Augenschein

»Die Augen essen mit«, weiß der Volksmund. Und tatsächlich ist Sehen ein wichtiger Sinn beim Essen. In der Event-Gastronomie wird beim dinner in the dark das Essen in völliger Dunkelheit serviert: Als sensationell wird dabei von den Teilnehmern die reduzierte Geschmackswahrnehmung empfunden. Da geht ein Birnen- schnell als Apfelstrudel durch und Gemüsecremesuppen sind kaum zu identifizieren! Ein wahres Aha-Erlebnis ist die Präsentation der Speisekarte nach dem Essen!

Farben sind in Verbindung mit Erfahrung ein wichtiges Signal: Grün ist bei Erdbeeren oder Tomaten ein Zeichen von Unreife und wird unbewusst mit Säuerlichkeit verbunden – Gelb übrigens auch. Rot und besonders Rosa wecken dagegen die Geschmackserwartung süß. »Visueller Flavor« sagt die Fachwelt dazu: optischer Geschmack. Vergleichen Sie einmal nicht gepökelte, beigefarbene Biowurst mit der konventionellen Ware – |100|selbst bei gleicher Rezeptur werden beide sehr unterschiedlich schmecken.

Das Auge lässt sich noch viel leichter täuschen als der Geruchs- oder Geschmackssinn. Rosa gefärbter Joghurt verstärkt den fruchtigen Eindruck, wunderbar verzierte Torten lassen den uninteressanten Inhalt vergessen. Noch viel wichtiger: Unser optisches Gedächtnis ist viel unzuverlässiger als unsere Geruchserinnerung. Schon nach vier Minuten geht die Wiedererkennung gegen null. Deshalb sind Zeugenaussagen häufig so unzuverlässig.

simplify-Tipp

Lassen Sie sich durch Farbe, Dekoration und Verpackung nicht in die Irre führen. Ein Blick auf die Zutatenliste entlarvt färbende Zutaten wie Rote-Bete-Saft, gelbes Betakarotin, grünen Spinatsaft.

Bevorzugen Sie pure Natur!

Verfeinern Sie Ihren Süßgeschmack

Nach aktueller Faktenlage scheint es das Beste und Gesündeste zu sein, ganz altmodisch mit Haushaltszucker zu süßen. Ob roher Rohrzucker wegen kleiner Mineralstoffmengen oder Honig mit seinen Mikronährstoffen dem Zucker überlegen ist, bleibt eher fraglich.

Im Grunde kommt es nur auf die Menge an! Denn Zucker und seine süßen Geschwister liefern pro Kalorie wenig bis keine Nährstoffe. Wenn er andere natürliche Lebensmittel auf dem Speisezettel verdrängt, dann fehlen uns deren Ballaststoffe und guten Inhalte! Doch genau das tut der Zucker: Durchschnittlich verzehren wir 100 Gramm am Tag – das entspricht 400 Kalorien, also bereits 15 bis 20 Prozent des Tagesbedarfs! Dafür sind wir nicht geschaffen. Da hilft nur eines: die Süßschwelle senken. Wer auf fertige Süßigkeiten verzichtet, schafft den ersten Schritt.

|101|Versuchen Sie einmal, eine Woche lang ohne Zuckriges auszukommen. Nach einigen Tagen wird es Ihnen weniger fehlen! Gewöhnen Sie Ihre Zunge an die zarte, natürliche Süße von Früchten, Getreide oder Milch. Kochen Sie Kakao mit reinem Kakaopulver, bevorzugen Sie Bitterschokolade. Der Erfolg ist Ihnen sicher!

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simplify-Tipp

Zucker ist Gewohnheitssache. Steigen Sie aus der Süßigkeitenspirale aus, die nach immer mehr immer süßeren Reizen verlangt. Gewöhnen Sie sich an eine natürliche Süße.

Wenn’s nicht schmeckt …

Was tun, wenn Ihnen etwas nicht schmeckt? Nun, ein Probierhäppchen ist klein, das sollten Sie hinunterschlucken – schon um die Geschmackserfahrung zu komplettieren. Aber scheuen Sie sich nicht, Reste übrig zu lassen.

Eine Grundregel der Kindererziehung in alter Zeit hieß: »Der Teller muss leer gegessen werden.« Eine kluge Regel, wenn Essen knapp ist. Heute ist das als schwarze Pädagogik verpönt – und einfach nicht mehr sinnvoll, weil es geradewegs zu Übergewicht führen kann. Was einem nicht schmeckt, soll man ruhig stehen lassen.

Aber um zu wissen, ob etwas schmeckt, muss man es probieren. Wenn heute Kinder nur noch mit ihren Lieblingsgerichten zufriedengestellt werden – »Spaghetti und sonst nichts« –, dann erfahren sie nichts über die Vielfältigkeit von Essen. Ihr Geschmackssinn kann verkümmern. Darum sollte es heute besser heißen: »Alles, was auf den Tisch kommt, wird probiert!«

|102|simplify-Tipp

Probieren schult den Geschmack wie nichts anderes! Aber essen Sie nicht auf, was Ihnen nicht schmeckt – hören Sie auf Ihre innere Stimme! Das ist die beste Methode, das Essen zu genießen und schlank zu bleiben!