35
Im Mondschein
Mit den Vorbereitungen zum Aufbruch wuchs die Aufregung, die allmählich den ganzen Gutshof erfaßte. Waffen, die seit dem Aufstand von 1715 gehortet worden waren, wurden aus ihren Verstekken hervorgeholt, poliert und geschliffen. Wenn sich die Männer zufällig begegneten, blieben sie stehen, steckten in der heißen Augustsonne die Köpfe zusammen und führten ernste Gespräche. Die Frauen beobachteten sie und wurden immer schweigsamer.
Jenny war ebenso verschlossen und undurchschaubar wie ihr Bruder, sie ließ nicht durchblicken, was sie dachte. Ich, deren Seelenleben glasklar zutage trat, neidete den beiden diese Fähigkeit. Als Jenny mich eines Morgens bat, Jamie zu ihr ins Brauhaus zu schicken, hatte ich keine blasse Ahnung, was sie von ihm wollte.
Da stand nun Jamie hinter mir auf der Türschwelle des Brauhauses, während seine Augen sich an das Dunkel gewöhnten. Er holte tief Luft und sog den bitteren Geruch mit sichtlichem Genuß ein.
»Aah«, sagte er und seufzte verträumt. »Schon allein vom Duft könnte ich betrunken werden.«
»Na, dann halt einen Augenblick die Luft an, denn ich brauche dich in nüchternem Zustand«, bemerkte seine Schwester spitz.
Folgsam sog er die Lungen voll und hielt mit aufgeblähten Bakken den Atem an. Jenny knuffte ihn energisch mit dem Griff ihres Maischestampfers in den Bauch, worauf Jamie sich schnaufend zusammenkrümmte.
»Du Clown«, sagte sie nur. »Ich wollte mit dir über lan sprechen.«
Jamie nahm einen leeren Eimer vom Gestell, drehte ihn um und setzte sich darauf.
»Was ist mit lan?« fragte er.
Jetzt war es an Jenny, tief Luft zu holen. Der großen, mit Maische gefüllten Wanne, die vor ihr stand, entströmte eine feuchte Wärme. Es roch nach gärendem Getreide, nach Hopfen und Alkohol.
»Ich möchte, daß du lan mitnimmst, wenn du gehst.«
Jamie runzelte die Stirn, schwieg aber. Jenny hielt den Blick starr auf den Maischestampfer gerichtet, mit dem sie die Mischung in der Wanne bearbeitete. Er sah sie nachdenklich an.
»Du bist wohl deiner Ehe überdrüssig?« fragte er in beiläufigem Plauderton. »Da wäre es einfacher, wenn ich ihn in den Wald bringen und für dich erschießen würde.« Seine blauen Augen begegneten den ihren.
»Wenn ich will, daß jemand erschossen wird, Jamie Fraser, so mache ich das schon selbst. Und lan wäre bestimmt nicht mein erstes Ziel.«
Er schnaubte und verzog den Mund.
»Ach? Und weshalb dann?«
»Weil ich dich darum bitte.«
Jamie strich sich gedankenverloren über die ungleichmäßige Narbe an seinem rechten Mittelfinger.
»Es ist gefährlich, Jenny«, erwiderte er ruhig.
»Das weiß ich.«
Jamie schüttelte langsam den Kopf, ohne von seiner Hand aufzublicken. Die Wunde war verheilt, und er konnte die Hand normal gebrauchen, auch wenn der steife Ringfinger und das wuchernde Gewebe der Narbe auf dem Handrücken sie verkrüppelt aussehen ließ.
»Du glaubst, du wüßtest es.«
»Ich weiß es, Jamie.«
Er hob den Kopf. Sein Blick verriet Ungeduld, doch er bemühte sich, gelassen zu bleiben.
»Aye, lan hat dir gewiß von den Kämpfen in Frankreich erzählt und solche Geschichten. Aber du hast keine Ahnung, wie es wirklich ist, Jenny. Mo cridh, es ist nicht wie beim Viehdiebstahl. Es ist Krieg, und es wird ein furchtbares Gemetzel geben. Es ist...«
Der Maischestampfer stieß klappernd an den Rand der Wanne und rutschte hinein.
»Sag nicht, ich wüßte nicht, wie es ist!« fuhr ihn Jenny wütend an. »Geschichten, was? Wer, meinst du, hat lan gepflegt, als er mit einem halben Bein und hohem Fieber aus Frankreich heimgekommen ist?«
Sie schlug mit der flachen Hand auf die Bank neben ihr. Die Nerven gingen mit ihr durch.
»Du meinst, ich wüßte nicht Bescheid! Ich und nicht Bescheid wissen? Ich holte die Maden aus dem wunden Fleisch seines Beinstumpfes, weil es seine eigene Mutter nicht fertigbrachte! Ich hielt das heiße Messer an sein Bein, um die Wunde auszubrennen! Ich roch, wie sein Fleisch wie das eines über dem Feuer gerösteten Schweines verbrannte und hörte seine Schmerzensschreie! Wie kannst du es wagen, dich hierher zu stellen und mir zu erzählen, ich... ich... wüßte nicht, wie es ist!«
Tränen der Wut rollten ihr die Wangen hinab. Sie tastete in ihrer Rocktasche nach einem Taschentuch.
Mit zusammengepreßten Lippen stand Jamie auf, zog sein Taschentuch aus seinem Ärmel und reichte es ihr. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte, sie zu berühren oder zu versuchen, sie zu trösten. Er beobachtete, wie sie sich zornbebend die Tränen trocknete.
»Aye, gut, du weißt es also«, sagte er. »Und du willst trotzdem, daß ich ihn mitnehme?«
»Ja.« Sie schneuzte sich kurz und wischte sich die Nase ab, dann steckte sie das Taschentuch in ihre Rocktasche.
»Er weiß ganz genau, daß er verkrüppelt ist, Jamie. Er weiß es nur allzugut. Aber mit dir würde er es schaffen. Ein Pferd für ihn ist auch da, er müßte nicht zu Fuß gehen.«
Er machte mit einer Hand eine ungeduldige Geste.
»Daß er es schaffen würde, ist doch gar nicht die Frage. Ein Mann schafft immer, was er meint, schaffen zu müssen - aber warum glaubst du, daß er mitgehen sollte?«
Sie hatte ihre Fassung wiedergewonnen, fischte ihr Gerät aus der Maische und schüttelte es. Braune Tropfen spritzten in die Wanne.
»Er hat dich nicht gefragt, oder? Ob du ihn brauchst?«
»Nein.«
Sie stieß den Maischestampfer in die Wanne und fuhr mit ihrer Arbeit fort.
»Er glaubt, du willst ihn nicht mitnehmen, weil er verkrüppelt ist, und er meint, du könntest ihn nicht brauchen.« Dann blickte sie von ihrer Arbeit auf. »Du kennst lan, wie er früher war, Jamie. Er hat sich verändert.«
Jamie nickte zögernd und setzte sich wieder auf seinen Eimer.
»Aye. Aber das hast du doch nicht anders erwartet, oder? Und anscheinend geht es ihm gut.« Er sah seine Schwester an und lächelte.
»Er ist glücklich mit dir, Jenny. Mit dir und den Kindern.«
Sie nickte, und ihre schwarzen Locken wippten.
»Aye, das stimmt«, sagte sie sanft. »Aber nur deshalb, weil er für mich ein ganzer Mann ist und es immer bleiben wird.« Sie blickte ihrem Bruder in die Augen. »Aber wenn er glaubt, du könntest ihn nicht brauchen, wird er sich wertlos fühlen. Und deshalb mußt du ihn mitnehmen.«
Jamie faltete die Hände, stützte die Ellbogen auf seine Knie und legte das Kinn auf seine Hände.
»Es wird nicht so sein wie in Frankreich«, sagte er ruhig. »Dort hat man sein Leben nur im Kampf aufs Spiel gesetzt. Hier...« Er machte eine Pause, bevor er fortfuhr. »Jenny, dies ist Verrat. Wenn wir scheitern, werden die Anhänger der Stuarts auf dem Schafott enden.«
Ihr blasses Gesicht wurde noch eine Spur blasser, doch sie fuhr unbeirrt fort, die Maische zu stampfen.
»Ich habe keine Wahl«, fuhr er fort und sah sie eindringlich an. »Aber willst du uns beide in Gefahr bringen? Willst du, daß lan vom Galgen herab auf das Feuer blickt, das für seine Eingeweide angefacht wird? Willst du riskieren, daß du deine Kinder ohne Vater großziehen mußt, nur um seinen Stolz zu schonen?«
Jenny bewegte den Stampfer langsamer, nicht mehr so wild wie zuvor, doch in ihrer Stimme lag unnachgiebige Entschlossenheit.
»Ich will einen ganzen Mann«, erwiderte sie mit fester Stimme. »Oder gar keinen.«
Jamie saß bewegungslos da und ließ den Blick auf seiner Schwester ruhen, deren dunkler Kopf über ihre Arbeit gebeugt war.
»Gut«, sagte er schließlich. Sie blickte nicht auf, doch innerlich schien sie sich ihm zuzuwenden.
Er seufzte tief, stand dann auf und drehte sich mit einer abrupten Bewegung zu mir um.
»Sassenach, laß uns hier rausgehen«, sagte er. »Gott, ich muß betrunken sein.«
 
»Du glaubst wohl, du könntest mich herumkommandieren?« Ians Schläfenader pochte sichtbar. Jenny drückte meine Hand noch ein wenig fester.
Jamies Entschluß, lan solle mit ihm zusammen in die Armee der Stuarts eintreten, war von diesem zunächst mit Skepsis, dann mit Argwohn und - als Jamie nicht nachgab - mit unverhohlener Wut aufgenommen worden.
»Du bist ein Narr«, erklärte lan kategorisch. »Ich bin ein Krüppel, das weißt du ganz genau.«
»Ich weiß, daß du ein guter Krieger bist, und ich kann mir niemanden vorstellen, den ich im Kampf lieber an meiner Seite hätte«, erwiderte Jamie unbeirrt. Aus seinem Gesicht war kein Schimmer des Zweifels oder des Zögerns abzulesen. Er war Jennys Bitte gefolgt und würde dabei bleiben, koste es, was es wolle. »Du hast oft genug mit mir gekämpft; willst du mich jetzt im Stich lassen?«
lan wischte diese Schmeichelei mit einer ungeduldigen Geste beiseite. »Das mag ja sein, aber wenn sich mein Holzbein lockert oder wenn ich es verliere, dann ist es aus mit dem Kampf - dann liege ich am Boden wie ein armer Wurm und warte auf den erstbesten Rotrock, der kommt und mich aufspießt. Und außerdem«, er blickte seinen Schwager finster an, »wer, glaubst du, wird das Gut hier instand halten, bis du zurückkommst, wenn ich mit dir in den Kampf ziehe?«
»Jenny«, erwiderte Jamie prompt. »Für die schweren Arbeiten werde ich genügend Männer dalassen, und mit der Verwaltung kommt sie ganz gut allein zurecht.«
lan runzelte die Stirn und sagte etwas sehr Grobes auf gälisch.
»Pog ma mahon! Willst du wirklich, daß ich hier weggehe und sie das ganze Gut allein versorgt, mit drei Kindern, die ihr am Rockzipfel hängen, und der Hälfte der Männer, die normalerweise hier gebraucht werden? Mann, du mußt von allen guten Geistern verlassen sein!« lang hob abwehrend beide Hände und drehte sich zu dem Schränkchen um, in dem der Whisky aufbewahrt wurde.
»Wie kommst du auf die Idee, du könntest mich herumkommandieren?«
Jamie musterte seinen Schwager, der ihm den Rücken zuwandte, mit finsterer Miene. Auf einmal zuckte ein Muskel in seinem Mundwinkel.
»Weil ich größer bin als du«, gab er angriffslustig, doch immer noch mit finsterer Miene zurück.
Mit ungläubigem Blick drehte sich lan zu ihm um. Für den Bruchteil einer Sekunde spiegelte sich Unschlüssigkeit auf seinem Gesicht. Dann straffte er die Schultern und hob das Kinn.
»Ich bin älter als du«, entgegnete er finster.
»Und ich bin stärker.«
»Nein, das bist du nicht!«
»Aye, das bin ich!«
»Nein, ich bin stärker!«
Hinter ihrem spaßhaften Ton lag tödlicher Ernst; diese kleine Auseinandersetzung war oberflächlich nichts als eine Spielerei, aber sie beobachteten sich so gespannt wie zwei jugendliche Raufbolde. In Jamies Stimme lag ein herausfordernder Ton. Er knöpfte seine Manschetten los und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch.
»Das will ich sehen!« forderte er lan auf. Er fuhr mit der Hand über den Tisch, setzte sich und stützte den Ellbogen darauf.
Es dauerte den Bruchteil einer Sekunde, bis lan die Situation erfaßt hatte, dann nickte er kurz und heftig.
Mit kühler Entschlossenheit strich er sich die Haare aus der Stirn, knöpfte ebenfalls seine Manschetten los und krempelte sich die Ärmel bis zu den Schultern hoch, langsam und ohne die Augen auch nur einen Moment von seinem Schwager abzuwenden.
Ich konnte von meinem Platz aus lans Gesicht sehen, das ein klein wenig gerötet war. Sein langes, schmales Kinn drückte trotzige Entschlossenheit aus. Jamies Gesicht konnte ich nicht erkennen, denn er saß lan gegenüber, aber seine Haltung brachte dieselbe Unbeugsamkeit zum Ausdruck.
Die beiden setzten mit Bedacht die Ellbogen auf dem Tisch auf, probierten geeignete Stellen aus und tasteten mit der Ellbogenspitze, ob der Untergrund auch rutschfest sei.
Wie es dem Ritual entsprach, spreizte Jamie die Finger und legte seine Handfläche an lans. Sie verschränkten die Finger und verharrten einen Augenblick.
»Fertig?« fragte Jamie.
»Fertig.« lans Stimme klang ruhig, doch seine Augen funkelten.
Die beiden Männer spannten ihre Muskeln und versuchten mit aller Kraft, die Hebelwirkung ihres Arms zu nutzen.
Jenny sah mich an und verdrehte die Augen. Was immer sie auch von Jamie erwartet hatte, das ganz gewiß nicht.
Die beiden Männer waren ganz auf ihre Kraftprobe konzentriert und nahmen sonst nichts wahr. Ihre Gesichter waren tiefrot vor Anstrengung, sie schwitzten, und das Haar klebte ihnen an der Stirn. Auf einmal merkte ich, wie Jamie sich entspannte, als er lan mit fest aufeinandergepreßten Lippen dasitzen sah. lan spürte diesen Blick und sah Jamie in die Augen... und plötzlich brachen die beiden in schallendes Gelächter aus.
Ihre Hände verharrten noch einen Augenblick in der Umklammerung, dann lösten sie sich.
»Dann also unentschieden«, meinte Jamie und strich sich eine schweißverklebte Haarsträhne aus dem Gesicht. Er nickte lan gutmütig zu.
»In Ordnung, Mann. Selbst wenn ich dir Befehle erteilen könnte, würde ich es niemals tun. Aber ich darf dich doch darum bitten, nicht wahr? Wirst du mit mir kommen?« lan strich sich über den schweißnassen Hals. Sein Blick wanderte durch den Raum und ruhte einen Augenblick auf Jenny. Ihr Gesicht war nicht blasser als sonst, aber ich sah, wie ihre Halsschlagader heftig pulsierte. lan blickte sie aufmerksam an, während er die Ärmel seines Hemdes behutsam wieder herunterrollte.
Er rieb sich nachdenklich das Kinn, wandte sich dann Jamie zu und schüttelte den Kopf.
»Nein, mein Lieber«, sagte er leise. »Du brauchst mich hier, und hier werde ich bleiben.« Er sah Jenny an, die Katherine auf dem Arm hielt, und die kleine Maggie, die sich mit ihren schmutzigen Händchen an Jennys Rock klammerte. Und mich. Sein breiter Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Ich bleibe hier«, wiederholte er, »und schütze deine schwache Seite.«
 
»Jamie?«
»Aye?« Die Antwort kam prompt; ich wußte, daß er nicht schlief, obwohl er so reglos dalag wie die Steinfigur auf einer Grabplatte. Das Zimmer war mondhell erleuchtet, und ich konnte sein Gesicht deutlich erkennen, wenn ich mich aufstützte; er starrte zur Decke, als könnte er in den von Mond und Sternen erleuchteten Himmel hinausblicken.
»Du willst mich doch wohl nicht hierlassen?« Ich hätte nicht gefragt, wäre da nicht diese Szene mit lan gewesen. Da nun feststand, daß lan bleiben würde, hatte sich Jamie mit ihm zusammengesetzt, um die nötigen Anordnungen zu treffen - und auszuwählen, wer in Begleitung des Gutsherrn dem Prinzen zu Hilfe kommen und wer dableiben sollte, um sich um die Tiere und den Hof von Lallybroch zu kümmern.
Ich wußte, daß ihm diese Entscheidungen schwergefallen waren, obwohl Jamie es nach außen hin nicht zeigte. Ruhig besprach er mit lan, ob man Ross, den Schmied, in Lallybroch entbehren könne, und kam zu dem Entschluß, man könne, allerdings mußten die Pflugscharen, die im Frühjahr benötigt wurden, vor der Abreise noch in Ordnung gebracht werden. Joseph Fraser Kirby, entschied Jamie, müsse jedoch daheimbleiben, da er die wichtigste Stütze nicht nur seiner Familie, sondern auch seiner verwitweten Schwester war. Der neunjährige Brendan war der älteste Sohn der beiden Familien und noch zu klein, um an seines Vaters Stelle treten zu können, sollte Joseph nicht mehr nach Hause zurückkehren.
Es waren schwierige Entscheidungen, und eine genaue Planung war erforderlich. Wie viele Männer sollten gehen, damit sie den Kampf überhaupt beeinflussen konnten? Denn Jenny hatte recht, Jamie hatte keine andere Wahl - er mußte Charles Stuart helfen, den Sieg zu erringen. Und zu dem Zweck brauchte er so viele Männer und Waffen wie möglich.
Auf der anderen Seite aber stand ich - mein entsetzliches Wissen -und zugleich mein Mangel an Wissen. Wir hatten verhindert, daß Charles Stuart genügend Geld zur Finanzierung seiner Rebellion auftrieb, und dennoch war es Bonnie Prince Charles - leichtsinnig und schwach, aber eisern entschlossen, sein Erbe einzufordern - gelungen, die Clans von Glenfinnan um sich zu sammeln. Durch einen weiteren Brief Jareds hatten wir erfahren, daß Charles inzwischen mit zwei kleinen Fregatten den Kanal überquert hatte. Ein gewisser Antoine Walsh hatte ihm die Schiffe beschafft, ein ehemaliger Sklavenhändler, der eine Gelegenheit witterte. Offensichtlich erachtete er Charles’ Abenteuer für weniger riskant als eine Sklavenexpedition. Die eine Fregatte war von den Engländern abgefangen worden, die andere mit Charles an Bord war sicher auf der Insel Eriskay gelandet.
Charles war mit nur sieben Begleitern eingetroffen, darunter Aeneas MacDonald, der Inhaber einer kleinen Bank. Da er nicht in der Lage war, das gesamte Unternehmen zu finanzieren, hatte MacDonald lediglich Geld zum Kauf von Schwertern zur Verfügung gestellt - das war alles an Waffen, was Charles besaß. In Jareds Brief kam zugleich Bewunderung und Entsetzen zum Ausdruck angesichts der Leichtsinnigkeit des gesamten Unternehmens. Doch als loyaler Jakobit bemühte er sich nach Kräften, seine Zweifel zu zerstreuen.
Und bisher hatte der Erfolg Charles ja auch recht gegeben. Gerüchtehalber erfuhren wir, daß er auf Eriskay gelandet war, nach Glenfinnan übergesetzt hatte und dort - ausgerüstet mit nicht mehr als ein paar großen Fässern Weinbrand - darauf wartete, daß die Clans seinem Aufruf folgten. Und nach einigen nervenzermürbenden Stunden waren dreihundert Mann des Cameron-Clans die steilen grünen Hügel hinuntergekommen - angeführt nicht von ihrem Oberhaupt, das fern der Heimat weilte, sondern von dessen Schwester Jenny.
Die Camerons waren die ersten gewesen, doch bald hatten sich andere angeschlossen, wie der Bündnisvertrag zeigte.
Wenn Charles aber trotz aller Anstrengungen scheitern sollte - wie viele Männer aus Lallybroch durften verschont werden, wie viele konnten zu Hause bleiben, um zu retten, was zu retten war?
lan selbst war in Sicherheit; das stand fest, und es war ein Trost für Jamies gequälte Seele. Doch die anderen - jene sechzig Familien, die zu Lallybroch gehörten? Die Entscheidung, wer ging und wer blieb, kam in gewisser Weise der Suche nach Opfern gleich, die zur Schlachtbank geführt werden sollten. Ich hatte bereits Gelegenheit gehabt, andere Kommandanten zu beobachten - Männer, die der Krieg zwang, solche Entscheidungen zu fällen -, und ich wußte, was es sie kostete.
Jamie hatte seine Wahl getroffen, doch an zwei Grundprinzipien hatte er festgehalten: keine Frauen sollten die Truppen begleiten und keine Burschen unter achtzehn Jahren. lan war darüber etwas erstaunt gewesen; während die meisten Frauen mit kleinen Kindern zu Hause blieben, war es in den Highlands durchaus nicht ungewöhnlich, daß die Frauen ihren Männern in die Schlacht folgten, für sie kochten, sie versorgten und mit ihnen die Verpflegung teilten. Und die jungen Burschen, die sich bereits mit vierzehn als Männer betrachteten, fühlten sich gewiß tief gedemütigt, wenn man sie nicht für voll nahm. Doch Jamie hatte seine Anweisungen in einem Ton kundgetan, der keinen Widerspruch duldete, und nach kurzem Zögern hatte lan nur genickt und sie aufgeschrieben.
Ich hatte ihn in Anwesenheit von Jenny und lan nicht fragen wollen, ob sein Verbot auch für mich gelten sollte. Aber ob es nun galt oder nicht, ich war fest entschlossen, mit ihm zu gehen.
»Dich zurücklassen?« entgegnete er nun, und ich sah, wie er den Mund zu einem leichten Grinsen verzog. »Hätte ich denn eine Chance, das durchzusetzen?«
»Nein«, erwiderte ich und schmiegte mich erleichtert an ihn. »Natürlich nicht. Aber ich dachte, du würdest es in Erwägung ziehen.«
Er schnaubte kurz und drückte meinen Kopf an seine Schulter. »Das habe ich auch. Ich dachte, am besten wäre es, dich am Treppengeländer anzuketten. Anders könnte ich dich ja wohl kaum zurückhalten.« Heftig schüttelte er den Kopf. »Nein, ich muß dich mitnehmen, Sassenach, ob ich will oder nicht. Du weißt Dinge, die unterwegs von Nutzen sein können - auch wenn sie im Augenblick unbedeutend erscheinen. Und außerdem bist du eine Heilerin, wie man selten eine findet, Sassenach - ich kann doch den Männern deine Fähigkeiten nicht vorenthalten. Wir werden dich brauchen.«
Er tätschelte meine Schulter und seufzte. »Ich würde weiß Gott was dafür geben, mo duinne, wenn ich dich hier zurücklassen könnte, aber es geht nicht. Du wirst also mitkommen - du und Fergus.«
»Fergus?« Ich war erstaunt. »Ich dachte, du willst keinen der jungen Burschen mitnehmen.«
Er seufzte wieder. »Bei Fergus ist es anders. Die anderen Burschen - die nehme ich, deshalb nicht mit, weil sie hierhergehören. Wenn alles schiefgeht, müssen sie dafür sorgen, daß ihre Familien nicht verhungern, sie müssen die Felder bestellen und für die Tiere sorgen. Sie werden sehr schnell erwachsen werden müssen, wenn dieser Fall eintritt, aber sie werden dann wenigstens hier sein, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Aber Fergus... er gehört nicht hierher, Sassenach. Auch nicht nach Frankreich, sonst hätte ich ihn dorthin zurückgeschickt. Aber dort ist er auch nicht daheim.«
»Sein Platz ist bei dir«, erwiderte ich sanft. »Wie auch mein Platz bei dir ist.«
Er schwieg lange, dann drückte er mich behutsam an sich.
»Aye, das stimmt«, erwiderte er leise. »Schlaf jetzt, mo duinne, es ist schon spät.«
Das gereizte Wimmern riß mich nun schon zum drittenmal aus dem Schlaf. Die kleine Katherine bekam Zähnchen und scherte sich nicht darum, daß sie das ganze Haus aufweckte. Von unten hörte ich lans schläfriges Gemurmel und Jennys ergebenes Flüstern, als sie aufstand, um die Kleine zu beruhigen.
Dann hörte ich weiche, schwere Schritte im Korridor und merkte, daß Jamie keinen Schlaf gefunden hatte und barfuß durchs Haus ging.
»Jenny?« Er sprach leise, denn er wollte niemanden wecken, doch vernahm ich seine Stimme ganz deutlich in der nächtlichen Stille des Hauses.
»Ich habe die Kleine schreien hören«, sagte er. »Sie kann nicht schlafen - und ich auch nicht, aber wenigstens du sollst deine Ruhe haben. Wenn du sie gefüttert und gewickelt hast, werde ich ihr ein wenig Gesellschaft leisten, und du kannst wieder ins Bett.«
Jenny unterdrückte ein Gähnen, doch ich hörte am Klang ihrer Stimme, daß sie sich freute.
»Jamie, du bist ein wahrer Segen für eine geplagte Mutter. Aye, sie ist pappsatt, und gewickelt habe ich sie auch. Da, nimm sie, und ich wünsche euch viel Spaß miteinander.« Eine Tür ging zu, und ich hörte den schweren Tritt Jamies, der sich auf unser Schlafzimmer zubewegte, und das leise Murmeln, mit dem er das Baby beruhigte.
Ich schmiegte mich tiefer ins warme Federbett und dämmerte wieder hinüber, während ich noch ganz leise das Wimmern des Babys hörte, und Jamies tiefes, tonloses Summen, ein Klang, der so beruhigend wie das Geräusch eines Bienenschwarms in der Sonne war.
»Hm, kleine Kitty, ciamar a tha thu? Sehr, mo naoidheachan, sehr.«
Schon im Halbschlaf hörte ich den beiden draußen auf dem Flur zu. Eines Tages vielleicht würde er sein eigenes Kind so im Arm halten, das kleine runde Köpfchen in seine großen Hände geschmiegt, den kleinen Körper geborgen und behutsam an seine Schultern gedrückt. Und vielleicht würde er eines Tages seiner eigenen Tochter ganz leise ein Lied singen, ein warmes, sanftes Lied in der dunklen Nacht.
Der nagende Schmerz in meinem Innern wurde hinweggetragen von einer Welle der Zärtlichkeit. Ich war einmal schwanger geworden, ich konnte es wieder werden. Faith hatte mir diese Gewißheit geschenkt, Jamie den Mut und die Mittel, sie zu nutzen. Meine Hände ruhten sanft auf meiner Brust. Ich war mir vollkommen sicher, daß diese Brüste eines Tages ein Kind aus meinem Schoß nähren würden. Begleitet von Jamies leisem Gesang, glitt ich hinüber in den Schlaf.
Später wurde ich wieder wach. Das Baby hatte sich beruhigt, doch ich hörte Jamie draußen im Flur flüstern. Seine Stimme war jetzt ruhiger, kaum mehr als ein Murmeln. Und auch der Tonfall hatte sich geändert. Es war nicht mehr das rhythmische Gestammel, die Art und Weise, in der man mit Babys spricht, sondern das gebrochene, stockende Sprechen eines Menschen, der durch das Labyrinth seines Herzens einen Weg sucht.
Neugierig schlüpfte ich aus dem Bett, schlich mich zur Tür und spitzte hinaus. Am Ende des Flures konnte ich die beiden erkennen. Jamie saß am Boden, gegen das Fenster gelehnt, er war nur mit seinem Hemd bekleidet. Seine Füße waren nackt, und er hatte die Beine angezogen, so daß sich die kleine Katherine Mary auf seinem Schoß anlehnen konnte; ihre kleinen Füßchen strampelten unaufhörlich gegen seinen Bauch.
Das Gesicht des Babys war hell wie der Mond, ihre dunklen Augen nahmen jedes Wort auf, das er sprach. Er strich ihr immer wieder über die Wange und flüsterte mit herzzerreißender Sanftheit.
Er sprach Gälisch, und so leise, daß ich nicht hätte wiederholen können, was er sprach, auch wenn ich die Worte verstanden hätte. Aber seine Stimme war belegt, und das Mondlicht, das hinter ihm durch das Fenster flutete, beleuchtete die Tränen, die ihm über die Wangen liefen.
Hier durfte ich nicht stören. Ich tastete mich zurück in mein warmes Bett und bewahrte in meinem Gedächtnis das Bild des Herrn von Lallybroch, der halbnackt im Mondlicht saß und angesichts einer ungewissen Zukunft seinem Herzen Luft machte, während er im Schoß den Sproß seiner Familie hielt.
 
Als ich am Morgen aufwachte, spürte ich einen warmen, ungewohnten Duft neben mir, und etwas zupfte an meinem Haar. Als ich die Augen öffnete, sah ich Katherine Mary neben mir, die traumverloren schmatzte und mit ihren dicken Fingerchen das Haar über meinem linken Ohr festhielt. Ich löste mich vorsichtig aus ihrem Griff, sie bewegte sich, drehte sich auf den Bauch, zog die Knie an und schlief weiter.
Jamie lag auf ihrer anderen Seite, das Gesicht halb in sein Kissen vergraben. Er blinzelte und öffnete langsam die Augen.
»Guten Morgen, Sassenach«, sagte er leise, um die kleine Schläferin nicht aufzuwecken. Er lächelte mich an, als ich mich im Bett aufsetzte. »Das war ein schönes Bild, wie ihr beide nebeneinander geschlafen habt.«
Ich fuhr mir mit der Hand durch das zerzauste Haar und lächelte, als ich Kittys in die Höhe gereckten Hintern sah.
»Das sieht gar nicht bequem aus«, bemerkte ich. »Aber sie schläft weiter, also kann es nicht so schlimm sein. Wie lange warst du heute nacht mit ihr auf? Ich habe gar nicht gehört, wie du zu Bett gegangen bist.«
Er gähnte. Unter seinen Augen waren schwarze Schatten zu sehen, aber er schien gelassen und zufrieden.
»Ach, irgendwann. Jedenfalls bevor der Mond untergegangen ist. Ich wollte Jenny nicht wecken, um ihr die Kleine wiederzugeben, und so hab’ ich sie hier ins Bett zwischen uns gelegt, und sie hat den Rest der Nacht tief und fest geschlafen.«
Das Baby bearbeitete eben die Matratze mit Ellbogen und Knien und wühlte sich mit einem leisen Grunzen tiefer in die Bettwäsche. Es war wohl Zeit für sie, gefüttert zu werden. Diese Vermutung bestätigte sich schon im nächsten Augenblick, als sie, die Augen noch geschlossen, den Kopf hob und aus Leibeskräften zu brüllen begann. Ich packte sie und nahm sie hoch.
»Da-da-da«, besänftigte ich sie und tätschelte ihr den Rücken. Dann schwang ich mich mit einem Satz aus dem Bett und strich Jamie über den Kopf.
»Ich bringe sie zu Jenny«, sagte ich. »Es ist noch früh, schlaf doch noch ein bißchen.«
»Ja, das mache ich, Sassenach«, erwiderte Jamie und zuckte zusammen, als Kittys forderndes Kreischen lauter wurde. »Wir sehen uns dann beim Frühstück, ja?« Er drehte sich auf den Rücken und schlief bereits tief und fest, als ich mit Katherine Mary im Arm die Tür erreicht hatte.
Das Baby wand sich unruhig hin und her. Als ich durch den Flur eilte, begegnete ich Jenny, die das Geschrei ihres Sprößlings bereits gehört hatte und aus ihrem Schlafzimmer gestürmt kam. Ich hielt ihr das Baby entgegen, das inzwischen mit den kleinen Fäusten um sich schlug, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen.
»Hier, mo müirninn, still jetzt, still«, besänftigte Jenny ihr Kleines. Mit einer einladenden Geste nahm sie das Kind aus meinen Armen entgegen und ging mit ihm in ihr Schlafzimmer zurück.
Ich folgte ihr und ließ mich auf dem zerwühlten Bett nieder, während sie sich auf einen Stuhl am Kamin setzte und rasch eine Brust freimachte. Schnell fand der kleine Schreihals die Brustwarze, und wir atmeten erleichtert auf, als plötzlich wohltuende Stille eintrat.
»Ah«, seufzte Jenny und ließ entspannt die Schultern sinken, als die Milch zu fließen begann. »Jetzt ist es gut, mein kleines Ferkelchen, nicht wahr?« Sie lächelte mich mit ihren klaren blauen Augen an.
»Es war nett von euch, die Kleine die ganze Nacht zu behalten. Ich habe geschlafen wie ein Stein.«
Ich zuckte die Achseln und lächelte, als ich Mutter und Kind, in höchster Zufriedenheit vereint, betrachtete.
»Das war Jamie, nicht ich«, erwiderte ich. »Er und seine Nichte scheinen sich gut verstanden zu haben.« Das Bild der beiden stand klar vor meinen Augen: Jamie, wie er ernst und leise zu dem Kind sprach, während ihm die Tränen über die Wangen liefen.
Jenny nickte und sah mich an.
»Aye. Ich dachte, vielleicht würden die beiden einander ein wenig trösten. Er kann zur Zeit wohl nicht gut schlafen?«
»Nein«, bestätigte ich. »Ihm geht so vieles durch den Kopf.«
»Dazu hat er allen Grund«, sagte sie und schaute auf das Bett hinter mir. lan war bereits aufgestanden, um das Vieh im Stall zu vesorgen. Die Pferde, die zur Feldbestellung nicht benötigt wurden - und auch einige andere - mußten beschlagen werden und brauchten neues Geschirr.
»Man kann mit einem Baby durchaus reden«, sagte sie plötzlich und unterbrach meine Gedanken. »Richtig reden, meine ich. Man kann ihm alles sagen, auch das, was dumm klingen würde, wenn man es einem vernünftigen Erwachsenen sagen würde.«
»Oh. Du hast ihn also gehört?« fragte ich. Sie nickte, während sie auf Katherine blickte, die verzückt mit geschlossenen Augen dalag.
»Aye. Du solltest dir deshalb keine Sorgen machen«, antwortete sie und lächelte mich an. »Es bedeutet nicht, daß er mit dir nicht sprechen kann. Aber es ist etwas ganz anderes, mit einem Baby zu reden. Es ist ein Mensch; man spürt, daß man nicht alleine ist. Aber es versteht nicht, was man sagt, und man braucht sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, was es von einem denkt oder erwartet. Man kann sein Herz ausschütten, ohne die Worte abwägen zu müssen - und das ist ein wahrer Trost für die Seele.«
Ihre Stimme klang nüchtern, als spräche sie von etwas ganz Selbstverständlichem. Ich überlegte, ob sie wohl selbst häufig so mit ihrem Kind sprach.
»Auf diese Weise spricht man mit ihnen, bevor sie geboren werden«, sagte sie leise. »Weißt du?«
Ich legte meine Hände behutsam auf meinen Bauch, eine über die andere. Ja, ich erinnerte mich.
»Ich weiß.«
Sie preßte den Daumen gegen die Wange des Babys, das sofort zu trinken aufhörte, und mit einer geschickten Bewegung drehte sie den kleinen Körper zur anderen Brust hin.
»Ich habe mir überlegt, daß die Frauen vielleicht deshalb so oft traurig sind, wenn das Kind geboren ist«, fuhr sie nachdenklich fort. »Man denkt an das Baby, während man sich mit ihm unterhält, und man macht sich ein Bild von ihm. Dann wird es geboren, und es ist ganz anders. Selbstverständlich liebt man es, und man möchte erfahren, wie es wirklich ist... aber trotzdem, man denkt an das Kind, mit dem man einst gesprochen hat, während man es noch unter dem Herzen trug, und dieses Kind ist nicht mehr da. Ich glaube, es ist die Trauer über das ungeborene Kind, die man empfindet, auch wenn man das Neugeborene in den Armen hält.« Sie beugte sich über ihr Töchterchen und küßte es auf den flaumigen Kopf.
»Ja«, sagte ich. »Vorher... ist alles nur eine Möglichkeit. Es könnte ein Sohn sein oder eine Tochter. Ein gewöhnliches oder ein schönes Kind. Und dann ist es geboren, und alles, was es sonst noch hätte sein können, ist nicht mehr möglich, denn jetzt ist es da.«
Sie schaukelte sanft hin und her, und die kleine Hand, die die Falten ihres grünen Morgenmantels fest umklammert hatte, sank herab.
»Seine Tochter wird geboren, und der Sohn, der sie hätte werden können, ist tot«, setzte sie meine Gedanken fort. »Und der süße kleine Junge hat das kleine Mädchen getötet, das man unter dem Herzen zu tragen glaubte. Und man weint um das, was man nicht kennengelernt hat, um das, was ein für allemal vorbei ist, bis man das Kind, das man geboren hat, kennenlernt, und dann schließlich ist es, als ob es nie anders hätte sein können, und man empfindet nichts als Freude und Glück. Doch bis es soweit ist, weint man oft.«
»Und die Männer...« sagte ich in Gedanken an Jamie, der seine Geheimnisse in das unverständige Ohr des Kindes geflüstert hatte.
»Aye. Sie halten ihr Kind im Arm, und sie spüren, daß etwas möglich gewesen wäre, was nun niemals mehr Wirklichkeit werden wird. Aber es fällt einem Mann nicht leicht, um das zu weinen, was er nicht kennt.«
Die Geliehene Zeit
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