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Begehren und Erfüllung
Murtagh wurde also beauftragt, ein wachsames Auge
auf alle Besucher des Comte de St. Germain zu haben. Doch abgesehen
davon, daß der Comte bemerkenswert viele Gäste - beiderlei
Geschlechts und quer durch sämtliche Gesellschaftsschichten -
bewirtete, konnte Murtagh nichts sonderlich Geheimnisvolles
vermelden. Nur ein Besucher fiel aus dem Rahmen: Charles Stuart
erschien eines Nachmittags und blieb eine Stunde.
Charles forderte Jamie immer häufiger auf, ihn auf
seinen Streifzügen durch Tavernen und zwielichtige
Vergnügungsstätten zu begleiten. Ich vermutete, daß Charles’ Wunsch
nach Jamies Gesellschaft weniger mit irgendwelchen üblen
Machenschaften des Comte zu tun hatte als vielmehr mit dem Fest,
das Jules de La Tour de Rohan aus Freude über die Schwangerschaft
seiner Frau veranstaltete.
Diese Unternehmungen dauerten manchmal bis tief in
die Nacht. Ich gewöhnte mich daran, ohne Jamie ins Bett zu gehen
und geweckt zu werden, wenn er durchfroren und nach Tabakrauch und
Schnaps riechend, neben mir ins Bett sank.
»Er ist wie besessen von dieser Frau und hat
anscheinend völlig vergessen, daß er der Thronerbe von Schottland
und England ist«, sagte Jamie nach einem dieser Streifzüge.
»Dann muß er wirklich vollkommen durcheinander
sein«, erwiderte ich sarkastisch. »Hoffentlich hält der Zustand
an.«
Als ich eine Woche später im fahlen Licht der
Morgendämmerung erwachte, fand ich das Bett neben mir immer noch
leer.
»Ist der Herr von Broch Tuarach in seinem
Arbeitszimmer?« Im Nachthemd lehnte ich mich über das
Treppengeländer, so daß Magnus, der soeben die Eingangshalle
durchquerte, sichtlich erschrak. Vielleicht hatte Jamie sich aus
Rücksicht auf mich entschieden, auf dem Sofa seines Arbeitszimmer
zu schlafen.
»Nein, Madame«, antwortete der Diener und starrte
mich an. »Als ich soeben die Vordertür aufschließen wollte, habe
ich festgestellt, daß sie nicht verriegelt war. Der Herr ist heute
nacht nicht nach Hause gekommen.«
Schwer ließ ich mich auf die Stufen sinken. Der
Schreck stand mir offensichtlich ins Gesicht geschrieben, denn der
ältliche Diener spurtete die Stufen hoch.
»Madame.« Besorgt rieb er meine Hand. »Madame, ist
alles in Ordnung?«
»Ich habe mich schon besser gefühlt, aber das ist
jetzt unwichtig. Magnus, schicken Sie umgehend einen der Lakaien zu
Prinz Charles’ Haus auf dem Montmartre. Er soll herausfinden, ob
mein Mann dort ist.«
»Sofort, Madame. Und ich rufe auch Marguerite,
damit sie sich um Sie kümmert.« Die Filzpantoffeln, die er während
der morgendlichen Verrichtungen trug, glitten fast lautlos über das
polierte Holz, als er die Treppe hinuntereilte.
»Und Murtagh!« rief ich ihm hinterher. »Der
Verwandte meines Mannes. Bitte bringen Sie ihn zu mir.« Mein erster
Gedanke war, daß Jamie die Nacht in Charles’ Haus verbracht hatte.
Dann schoß mir durch den Kopf, daß ihm etwas zugestoßen sein
könnte.
»Wo ist er?« ertönte Murtaghs rauhe Stimme vom
Treppenabsatz. Offenbar war er soeben erwacht. Sein Gesicht war von
seiner Schlafunterlage ganz zerknittert, und in den Falten seines
zerschlissenen Hemdes hing noch Stroh.
»Wie soll ich das wissen?« fauchte ich ihn an.
Murtagh erweckte immer den Eindruck, als hegte er gegen jemanden
einen Verdacht, und sein gewohnt mürrischer Gesichtsausdruck hatte
sich dadurch, daß er aus dem Schlaf gerissen wurde, nicht
gebessert. Trotzdem wirkte sein Anblick beruhigend. Wenn sich etwas
Unangenehmes anbahnte, konnte man sich auf Murtagh voll und ganz
verlassen.
»Er ist vergangene Nacht mit Prinz Charles
ausgegangen und nicht heimgekommen. Mehr weiß ich nicht.« Ich zog
mich am Geländer hoch und strich die Falten meines seidenen
Nachthemdes glatt. Das Feuer war zwar bereits entfacht, hatte
jedoch die Räume noch nicht erwärmt, und mir war kalt.
Murtagh fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, um
besser überlegen zu können.
»Mmmmpf. Ist schon jemand auf dem Weg zum
Montmartre?«
»Ja,«
»Dann warte ich, bis eine Nachricht eintrifft.
Falls man Jamie dort findet, gut und schön. Wenn nicht, kann uns
vielleicht jemand sagen, wann und wo er und Seine Hoheit sich
voneinander verabschiedet haben.«
»Und wenn alle beide nicht dort anzutreffen sind?
Wenn auch der Prinz nicht nach Hause gekommen ist?« fragte ich. Es
gab nicht nur Jakobiten in Paris, sondern auch Gegner der Stuarts.
Und obwohl Charles Stuarts Ermordung keinerlei Gewähr dafür bot,
daß damit die Gefahr einer möglichen schottischen Erhebung gebannt
war - schließlich hatte er noch einen jüngeren Bruder -, mochte
eine solche Tat doch James’ Enthusiasmus einen Dämpfer versetzen,
falls er überhaupt jemals Enthusiasmus empfunden hatte, überlegte
ich beunruhigt.
Ich erinnerte mich lebhaft an den Anschlag auf
Jamie, dem er nur knapp entkommen konnte und bei dem er auf Fergus
gestoßen war. Mordversuche auf offener Straße waren beileibe nichts
Außergewöhnliches, und die Straßen von Paris wurden des Nachts von
Räuberbanden unsicher gemacht.
»Du solltest dich lieber anziehen, Mädel«, bemerkte
Murtagh. »Ich kann deine Gänsehaut ja sogar von hier sehen.«
»Ja, da hast du wohl recht.« Ich hatte meine Arme
fest um meinen Körper geschlungen, aber es half alles nichts -
meine Zähne klapperten vor Kälte.
»Madame, Sie werden sich noch erkälten!« Marguerite
eilte die Treppe herauf und schob mich ins Schlafzimmer. Rasch warf
ich noch einen Blick zurück auf Murtagh, der am Fuß der Treppe
stand und sorgfältig seinen Dolch inspizierte, bevor er ihn zurück
in die Scheide schob.
»Sie gehören ins Bett, Madame!« schimpfte
Marguerite. »Es tut dem Kind und Ihnen nicht gut, wenn Sie so in
der Kälte herumsitzen. Ich hole Ihnen eine Wärmepfanne. Und wo ist
Ihr Morgenmantel? Ziehen Sie ihn über. Ja, so ist’s gut...« Ich
hüllte mich in den schweren Wollmantel, ignorierte Marguerites
mütterliche Ermahnungen, ging zum Fenster und öffnete die
Läden.
Die Straße strahlte vom Widerschein der Morgensonne
auf den Häuserfassaden. Obwohl es noch früh am Tag war, herrschte
geschäftiges Treiben: Mägde und Lakaien schrubbten emsig die Stufen
oder polierten Türgriffe aus Messing; Straßenhändler boten
lauthals Obst, Gemüse und frische Meeresfrüchte feil, und die
Köche der großen Häuser streckten wie böse Geister die Köpfe aus
den Kellertüren. Ein Kohlenkarren mit einem müden Zugpferd holperte
die Straße entlang. Von Jamie indes keine Spur.
Schließlich beugte ich mich den Überredungskünsten
der besorgten Marguerite und legte mich ins Bett, konnte aber nicht
wieder einschlafen. Jedes Geräusch von draußen ließ mich
aufschrecken, jeder Schritt auf dem Bürgersteig ließ mich hoffen,
gleich Jamies Stimme in der Eingangshalle zu hören. Das Gesicht des
Comte de St. Germain drängte sich hartnäckig zwischen mich und den
Schlaf. Er war der einzige Angehörige des französischen Adels, der
Verbindung zu Charles Stuart pflegte. Aller Wahrscheinlichkeit nach
war ihm der Anschlag zuzuschreiben, den man auf Jamie - und auch
mich - verübt hatte. Es war allgemein bekannt, daß er sich mit
zwielichtigen Gestalten umgab. Hatte er dafür gesorgt, daß Jamie
und Charles aus dem Weg geschafft worden waren? Ob aus politischen
oder persönlichen Gründen spielte im Augenblick keine Rolle.
Als schließlich aus der Halle Schritte zu vernehmen
waren, war ich so sehr damit beschäftigt, mir auszumalen, wie Jamie
mit aufgeschlitzter Kehle in der Gosse lag, daß ich ihn erst
bemerkte, als sich die Schlafzimmertür öffnete.
»Jamie!« Mit einem Freudenschrei setzte ich mich
auf.
Er lächelte mich an und gähnte mit
weitaufgerissenem Mund, so daß ich bis tief hinab in seinen Schlund
blicken und mich davon überzeugen konnte, daß seine Kehle
unversehrt war. Ansonsten sah er jedoch erbärmlich aus. Er ließ
sich neben mich aufs Bett fallen und dehnte sich genüßlich, bevor
er sich seufzend ausstreckte.
»Was ist geschehen?« wollte ich wissen.
Er öffnete ein blutunterlaufenes Auge.
»Ich brauche ein Bad«, erklärte er und schloß das
Auge wieder.
Vorsichtig schnuppernd schob ich mich ein wenig
näher an ihn heran. Der vertraute Geruch nach verrauchten Räumen
und feuchter Wolle stieg mir in die Nase, begleitet von einer
erstaunlichen Mischung aus Ale, Wein, Whisky und Weinbrand -
Getränke, die zu den Flecken auf seinem Hemd paßten. Doch damit
nicht genug- das Ganze wurde vom Duft eines unvergleichlich
aufdringlichen und abstoßenden billigen Parfums überlagert.
»Das stimmt!« pflichtete ich ihm bei. Ich kletterte
aus dem Bett,
steckte den Kopf zur Türe hinaus und rief nach Marguerite. Ich bat
sie, eine Sitzwanne zu holen und diese mit ausreichend Wasser zu
füllen. Außerdem sollte sie noch einige der feinen, nach Rosenöl
duftenden Seifenstücke mitbringen, die mir Bruder Ambrosius zum
Abschied geschenkt hatte.
Nachdem das Mädchen die beschwerliche Arbeit in
Angriff genommen hatte, die riesigen, kupfernen Kannen mit warmem
Wasser herbeizuschaffen, widmete ich mich dem Wrack auf dem
Bett.
Ich streifte ihm Schuhe und Strümpfe ab, löste die
Spange seines Kiltes und öffnete ihn. Unwillkürlich führte Jamie
seine Hand zwischen die Beine. Aber mein Blick fiel auf eine andere
Stelle.
»Was, um alles in der Welt, ist geschehen?« fragte
ich abermals.
Über die blasse Haut seiner Schenkel zogen sich
mehrere tiefrote lange Kratzer. In Höhe des Beinansatzes waren
Abdrücke zu erkennen, die eindeutig von Zähnen herrührten.
Während das Zimmermädchen heißes Wasser in die
Wanne schüttete, warf sie einen interessierten Blick auf die
verräterischen Male und sah sich genötigt, eine Bemerkung
beizusteuern.
»Un petit chien?« fragte sie. Ein kleiner
Hund? Oder etwas anderes. Zwar waren mir die Redewendungen jener
Zeit bei weitem noch nicht vertraut, ich wußte jedoch, daß sich
les petits chiens häufig geschminkt und auf zwei Beinen in
den Straßen herumtrieben.
»Hinaus!« befahl ich ihr herrisch auf französisch,
woraufhin sie leise schmollend die Kannen in die Hand nahm und das
Zimmer verließ. Ich drehte mich wieder zu Jamie um. Er hob kurz ein
Lid und warf einen Blick auf mein Gesicht.
»Nun?« hakte ich nach.
Statt zu antworten, zitterte er nur. Nach einer
Weile setzte er sich auf, um sich mit den Händen das Gesicht zu
reiben, wobei ein kratzendes Geräusch entstand. Zweifelnd zog er
eine Augenbraue hoch. »Ich kann mir kaum vorstellen, daß eine
wohlerzogene junge Dame wie du mit der Nebenbedeutung des Ausdrucks
soixante-neuf vertraut ist.«
»Sie ist mir nicht unbekannt«, erklärte ich,
verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihm leicht
mißtrauisch in die Augen. »Und darf ich fragen, wo du die
Bekanntschaft dieser außergewöhnlichen Nummer gemacht hast?«
»Eine Dame, die ich vergangene Nacht kennengelernt
habe, hat sie mir eindringlich ans Herz gelegt.«
»War das vielleicht dieselbe Dame, die dich in den
Oberschenkel gebissen hat?«
Er blickte an sich hinunter und strich nachdenklich
über die Stelle.
»Hm, nein, nicht dieselbe. Diese Dame hat
niedrigere Zahlen vorgezogen. Ich glaube, sie hat sich für die
Sechs entschieden. Die Neun kümmerte sie nicht.«
»Jamie«, sagte ich und klopfte nachdrücklich mit
dem Fuß auf den Boden. »Wo warst du die ganze Nacht?«
Er schöpfte mit den Händen ein wenig Wasser aus dem
Becken, spritzte es sich ins Gesicht und ließ es über seine
dunkelroten Brusthaare rinnen.
»Hm«, antwortete er und zwinkerte die Tropfen aus
den Wimpern. »Laß mich überlegen. Zuerst haben wir in der Taverne
zu Abend gegessen und sind dort auf Glengarry und Millefleurs
gestoßen.« Monsieur Millefleurs war ein Pariser Bankier und
Glengarry einer der jungen Jakobiten und Oberhaupt eines
Seitenzweiges des MacDonell-Clans. Jamies Bemerkungen zufolge war
er auf Besuch und seit kurzem des öfteren in Charles’ Gesellschaft
anzutreffen. »Anschließend haben wir uns auf den Weg zum Duca di
Castellotti gemacht, um bei ihm Karten zu spielen.«
»Und danach?« fragte ich.
Eine Taverne. Und noch eine. Und dann ein
Etablissement, das einer Taverne ähnelte, dazu aber noch von
etlichen Damen von ansprechendem Äußeren und noch ansprechenderen
Talenten geschmückt wurde.
»Aha, Talenten!« sagte ich und blickte auf die
Bißwunde.
»Mein Gott, sie haben das in aller Öffentlichkeit
gemacht«, wehrte sich Jamie schaudernd. »Zwei von ihnen. Auf dem
Tisch. Zwischen dem Lammrücken, den Kartoffeln und dem
Quittengelee.«
»Mon dieu«, sagte das Mädchen, das soeben
mit einer weiteren Kanne eingetreten war, und bekreuzigte
sich.
»Sie halten den Mund«, wies ich sie grimmig an.
Erneut wandte ich meine Aufmerksamkeit meinem Ehemann zu. »Und
anschließend?«
Offenbar ging man anschließend zu allgemeineren
Vergnügungen über, wenn auch immer noch unter den Augen des
Publikums. Mit gebührender Rücksicht auf Marguerites Gefühle
wartete Jamie
mit weiteren Ausführungen, bis sie das Zimmer verlassen hatte, um
eine weitere Kanne Wasser zu holen.
»... Castellotti zog die Dicke und die kleine
Blonde in eine Ecke, und...«
»Und was hast du währenddessen getan?«
unterbrach ich seinen aufregenden Bericht.
»Zugeschaut«, entgegnete er überrascht. »Es schien
mir nicht besonders anständig, aber unter den Umständen blieb mir
kaum eine andere Wahl.«
Während er redete, kramte ich in seiner Felltasche
und förderte nicht nur eine kleine Geldbörse zutage, sondern auch
einen großen, wappenverzierten Metallring. Neugierig streifte ich
ihn mir über den Finger. Aber er war um einiges weiter als ein
normaler Ring und sah an meinem Finger aus wie ein Wurfring an
einem Stecken.
»Wem gehört dieses Ding?« fragte ich und streckte
es Jamie entgegen. »Das Wappen sieht aus wie das des Duca di
Castellotti, aber derjenige, dem es gehört, muß Finger wie Würste
haben.« Castellotti ähnelte einer ausgezehrten italienischen
Bohnenstange, und sein verkniffenes Gesicht deutete auf eine
chronische Verdauungsstörung hin. Kein Wunder angesichts dessen,
was Jamie über ihn erzählte. Quittengelee - meiner Treu!
Als ich hochblickte, sah ich Jamie vom Scheitel bis
zur Sohle erröten.
»Äh«, stotterte er und widmete sich mit
übertriebenem Eifer einem Schmutzfleck auf dem Knie. »Er... gehört
nicht an den Finger.«
»Wohin denn...? Ach so.« Ich betrachtete den runden
Gegenstand aus einem neuen Blickwinkel. »Guter Gott, von diesen
Dingern habe ich schon gehört...«
»Wirklich?« Jamie war schockiert.
»Aber ich habe nie zuvor einen gesehen. Paßt er
dir?« Ich wollte ihn Jamie überstreifen, doch der legte hastig die
Hände über seine intimsten Teile.
Marguerite betrat das Zimmer mit einer neuen Kanne
und versicherte ihm: »Ne vous en faites pas, Monsieur.
J’en ai deja vu un.« Keine Sorge, Monsieur, ich habe schon
mal einen gesehen.
Sein Blick wanderte zwischen dem Mädchen und mir
hin und her. Dann warf er sich die Decke über den Schoß.
»Schlimm genug, daß ich die ganze Nacht meine
Tugend verteidigen
mußte«, bemerkte er bitter. »Nun muß ich mich auch noch in aller
Frühe dafür rechtfertigen.«
»Deine Tugend, so so!« Ich warf den Ring von einer
Hand in die andere, wobei ich ihn jeweils mit dem Zeigefinger
auffing. »Ein Geschenk, nehme ich an? Oder nur eine
Leihgabe?«
»Ein Geschenk. Hör auf, Sassenach«, sagte er und
verzog das Gesicht. »Du weckst Erinnerungen.«
»Ach, wirklich?« Ich ließ ihn nicht aus den Augen.
»Dann laß uns über die Erinnerungen reden.«
»Ich nicht!« protestierte er. »Du kannst
doch nicht von mir glauben, daß ich so etwas tue. Ich bin ein
verheirateter Mann!«
»Und Monsieur Millefleurs, ist der nicht
verheiratet?«
»Er ist nicht nur verheiratet, sondern hat auch
zwei Mätressen«, erklärte Jamie. »Aber er ist Franzose - das ist
ein Unterschied.«
»Aber der Duca di Castellotti ist kein Franzose -
er ist Italiener.«
»Aber er ist ein Herzog. Das ist auch etwas
anderes.«
»Tatsächlich? Ob die Herzogin das auch
findet?«
»Wenn ich bedenke, was der Herzog von der Herzogin
gelernt haben will, nehme ich das an. Ist das Bad noch nicht
fertig?«
Nachdem er sich die Decke um die Lenden geschlungen
hatte, erhob er sich und ging schwerfällig zur dampfenden
Badewanne. Er ließ die schützende Hülle fallen und glitt rasch ins
Wasser - allerdings nicht schnell genug!
»Enorme!« bemerkte das Mädchen und
bekreuzigte sich. »C’est tout«, stieß ich zwischen den
Zähnen hervor. »Merci bien.« Errötend schlug sie die Augen
nieder und trippelte hinaus.
Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte,
streckte Jamie sich wohlig im Wasser aus. Er war offenbar der
Meinung, man solle ein Bad, das zu bereiten so viel Mühe kostete,
auch genießen.
Während er immer tiefer in das heiße Wasser
eintauchte, breitete sich über sein stoppelbärtiges Gesicht ein
glückseliger Ausdruck. Seine helle Haut färbte sich leicht rot. Er
hatte die Augen geschlossen, und zarte Schweißperlen schimmerten
auf den Ringen unter seinen Augen.
»Seife?« Fragend schlug er die Augen auf.
»Ja, hier.« Ich reichte ihm die Seife und setzte
mich auf einen Schemel neben der Wanne. Ich beobachtete, wie er
sich eifrig schrubbte und versorgte ihn mit einem Lappen und einem
Bimsstein,
mit dem er sorgfältig seine Fußsohlen und Ellbogen
bearbeitete.
»Jamie«, sagte ich schließlich.
»Aye?«
»Ich möchte mit dir nicht über deine Vorgehensweise
streiten«, meinte ich, »und wir waren uns auch im klaren darüber,
daß wir uns auf einiges einlassen müssen, aber... mußtest du
wirklich...«
»Mußte ich was, Sassenach?« Er hielt mit dem
Schrubben inne, neigte den Kopf und sah mich durchdringend
an.
»Nun... ich meine...« Zu meiner Verärgerung stieg
mir das Blut in den Kopf.
Eine große Hand tauchte tropfend aus dem Wasser auf
und legte sich auf meinen Arm. Die feuchte Hitze drang durch den
dünnen Stoff des Ärmels.
»Sassenach«, sagte er, »was glaubst du, was ich
getan habe?«
»t1h«, stotterte ich und versuchte vergebens, nicht
auf die Bißwunde an seinem Oberschenkel zu blicken. Er lachte, wenn
auch nicht sonderlich amüsiert.
»Oh ihr Kleingläubigen!« meinte er spöttisch.
Ich wich zurück.
»Also, wenn ein Ehemann mit Bißwunden übersät,
zerkratzt und nach Parfüm stinkend, nach Hause kommt und zugibt, er
hätte die Nacht in einem Bordell verbracht, und...«
»Und dir geradeheraus erklärt, er hätte nur
zugesehen und nicht mitgemacht?«
»Solche Male entstehen nicht vom Zusehen!« rief ich
aufgebracht. Aber sofort biß ich mir auf die Lippen. Ich kam mir
vor wie ein keifendes eifersüchtiges Weib, und das wollte ich
nicht. Ich hatte gelobt, alles gelassen hinzunehmen. Und ich wollte
mir einreden, daß ich Jamie voll vertraute, und überhaupt, wo
gehobelt wird, da fallen Späne. Selbst wenn wirklich etwas
geschehen wäre...
Durch den nassen Fleck auf meinem Ärmel spürte ich
die kühle Luft. Ich bemühte mich, wieder einen unbeschwerten Ton
anzuschlagen.
»Oder sind es die Narben des ehrenhaften Kampfes,
den du zur Verteidigung deiner Tugend geführt hast?« Irgendwie
gelang mir der unbekümmerte Tonfall nicht so recht. Die Frage klang
sogar ziemlich häßlich, das mußte ich vor mir selbst zugeben. Es
machte mir jedoch immer weniger aus.
Jamie verstand sich auf Untertöne. Er verengte die
Augen zu einem Schlitz und schien etwas sagen zu wollen. Dann
überlegte er es sich offenbar anders und schluckte die Bemerkung
hinunter.
»Ja«, entgegnete er ruhig. Er fischte die Seife aus
dem Wasser und streckte mir das weiße, glitschige Gebilde
entgegen.
»Wäschst du mir die Haare? Während der Heimfahrt
hat Seine Hoheit auf mich gekotzt, daher stinke ich ein
bißchen.«
Nach kurzem Zögern nahm ich das Friedensangebot
zumindest vorübergehend an.
Unter dem dicken, seifigen Haar tastete ich die
feste Rundung seines Schädels und die Narben am Hinterkopf. Ich
drückte beide Daumen in Jamies Nackenmuskeln, woraufhin er sich
etwas entspannte.
Der Seifenschaum rann ihm über die nassen,
glänzenden Schultern. Ich fing ihn auf und verteilte ihn.
Jamie war in der Tat groß. Unmittelbar neben ihm
vergaß ich leicht, wie hochgewachsen er wirklich war, bis ich ihn
aus der Entfernung zwischen kleineren Männern aufragen sah. Immer
wieder war ich von seiner schönen, anmutigen Gestalt beeindruckt.
Jetzt saß ich mit angezogenen Knien da, und seine Schultern nahmen
die gesamte Breite der Wanne ein. Er beugte sich ein wenig nach
vorne, um mir meine Arbeit zu erleichtern, so daß man die
schrecklichen Narben auf seinem Rücken sah. Über die weißen Linien,
die von früheren Auspeitschungen herrührten, zogen sich die
wulstigen roten Narben, die Jack Randall ihm zu Weihnachten
beschert hatte.
Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich die
verheilten Wunden sanft berührte. Ich hatte sie gesehen, als sie
noch frisch waren, als Folter und Demütigung Jamie fast in den
Wahnsinn getrieben hatten. Aber ich hatte ihn geheilt, und er hatte
mit tapferem Herzen darum gekämpft, wieder gesund und eins mit mir
zu werden. Zärtlich schob ich sein Haar zur Seite und neigte mich
vor, um seinen Nacken zu küssen.
Doch abrupt wich ich zurück. Er spürte die Bewegung
und drehte den Kopf leicht nach hinten.
»Was hast du, Sassenach?« fragte er langsam und
schläfrig.
»Nichts, gar nichts«, entgegnete ich und starrte
auf die dunkelroten Flecken am Nacken. Im Pembroke hatten die
Schwestern sich am Morgen nach einem Rendezvous mit einem Soldaten
des nahegelegenen
Stützpunktes ein Tuch um den Hals geschlungen. Ich war immer der
Meinung gewesen, die Schals waren eher Angabe als Tarnung.
»Wirklich nichts«, wiederholte ich und griff nach
dem Wasserkrug auf dem Ständer. Er stand neben dem Fenster und
fühlte sich eiskalt an. Ich trat hinter Jamie und goß ihm das
Wasser über den Kopf.
Ich hob mein Nachthemd, um es vor der plötzlichen
Welle, die über den Rand der Wanne spritzte, in Sicherheit zu
bringen. Jamie prustete vor Kälte, und vor Schreck verschlug es ihm
die Sprache. Ich kam ihm zuvor.
»Nur zugeschaut, was?« fragte ich kalt. »Gewiß hast
du es nicht eine Sekunde lang genossen, du armer Kerl.«
Er warf sich nach hinten, so daß das Wasser
abermals auf den Steinboden schwappte, drehte sich um und blickte
zu mir auf.
»Was willst du von mir hören?« fuhr er mich an. »Ob
ich sie besteigen wollte? Natürlich wollte ich. So sehr, daß meine
Eier wehtaten, weil ich es nicht getan habe.«
Er wischte sich die triefendnassen Haare aus den
Augen und starrte mich an.
»Wolltest du das hören? Bist du jetzt
zufrieden?«
»Eigentlich nicht«, entgegnete ich. Mein Gesicht
fühlte sich heiß an. Ich preßte meine Wange an die eiskalte
Fensterscheibe und klammerte mich mit den Händen am Fensterbrett
fest.
»Jemand, der eine Frau begehrlich ansieht, hat
bereits Ehebruch begangen. Wolltest du das sagen?«
»Willst du das sagen?«
»Nein«, antwortete er knapp. »Und was würdest du
tun, wenn ich tatsächlich bei einer Hure gelegen hätte, Sassenach?
Mich ins Gesicht schlagen? Mich aus deinem Schlafzimmer werfen?
Meinem Bett fernbleiben?«
Ich wandte mich um und sah ihn an.
»Ich würde dich umbringen!« preßte ich zwischen den
Zähnen hervor.
Seine Augenbrauen schossen in die Höhe, während
seine Kinnlade vor Erstaunen nach unten sank.
»Mich umbringen? Mein Gott, wenn ich dich
mit einem anderen Mann erwischte, würde ich ihn töten.« Er
hielt inne und zog einen Mundwinkel ironisch hoch.
»Zwar wäre ich auch auf dich nicht gut zu
sprechen«, sagte er, »trotzdem würde ich ihn töten.«
»Typisch Mann«, erwiderte ich. »Kapiert nicht, um
was es geht.«
Er schnaubte spöttisch.
»So, findest du? Mit anderen Worten, du glaubst mir
nicht. Soll ich dir beweisen, Sassenach, daß ich in den letzten
Stunden bei niemandem gelegen habe?« Als er sich erhob, rann das
Wasser in kleinen Bächen seine langen Beine hinab. Seine Haut
dampfte, und das hereinfallende Licht ließ die rotgoldenen Härchen
auf seinem Körper aufblinken. Er ähnelte einer Statue aus frisch
geschmolzenem Gold. Mein Blick glitt an ihm hinunter.
»Ha!« rief ich mit höchstmöglicher Verachtung in
der Stimme.
»Das liegt am heißen Wasser«, erklärte er kurz und
stieg aus der Wanne. »Keine Sorge, es dauert nicht lange.«
»Das glaubst du!« entgegnete ich und betonte dabei
jedes Wort.
Er errötete noch mehr und ballte unwillkürlich die
Fäuste.
»Mit dir ist wohl kein vernünftiges Gespräch
möglich, was?« sagte er scharf. »Himmel, ich habe die Nacht
angeekelt und unter Qualen verbracht, bin von den anderen als
unmännlich verspottet worden, komme nach Hause und muß mir
Unkeuschheit vorwerfen lassen! Mallaichte bàs!«
Mit grimmigem Blick sammelte er seine auf dem Boden
verteilten Kleider auf.
»Hier«, er tastete nach dem Schwertgehenk. »Wenn
Begierde mit Ehebruch gleichzusetzen ist und du mich dafür
umbringen möchtest, dann tu es!« Er trat mit seinem annähernd
dreißig Zentimeter langen Dolch an mich heran und warf ihn mir zu.
Wild um sich blickend, straffte er die Schultern und bot mir seine
breite Brust.
»Mach schon«, forderte er mich nachdrücklich auf.
»Du gibst doch nicht etwa klein bei? Wo du doch so empfindsam bist,
was deine Ehre als Ehefrau betrifft.«
Es war eine echte Versuchung. Meine Hände bebten
vor Verlangen, ihm den Dolch zwischen die Rippen zu stoßen. Allein
die Gewißheit, daß er trotz seines dramatischen Auftritts nicht
zulassen würde, daß ich ihn erdolchte, hielt mich davon ab. Ich kam
mir sowieso schon ziemlich lächerlich vor und wollte mich nicht
noch weiter demütigen. Schwungvoll wandte ich mich von ihm
ab.
Nach einer Weile vernahm ich das Scheppern des
Dolches auf
den Dielen. Regungslos starrte ich aus dem Fenster. Als ich hinter
mir ein leises Rascheln hörte, blickte ich auf die Spiegelung in
der Scheibe. Mein Gesicht erschien darin als ein von
schlafzerzaustem Haar umrahmtes Oval, und Jamies nackte Gestalt
bewegte sich auf der Suche nach einem Handtuch, als befände er sich
unter Wasser.
»Das Handtuch liegt auf dem Gestell«, sagte ich und
drehte mich um.
»Danke.« Er ließ das schmutzige Hemd fallen, mit
dem er sich trockentupfen wollte, und griff, ohne mich anzusehen,
nach dem Handtuch.
Er wischte sich das Gesicht ab, ließ das Tuch
sinken und schaute mich an. Ich sah, wie es in seinem Gesicht
arbeitete, und mir war, als blickte ich immer noch in die
reflektierende Scheibe. Schließlich siegte jedoch bei uns beiden
die Vernunft.
»Es tut mir leid«, sagten wir wie aus einem Munde
und lachten.
Seine feuchte Haut durchweichte den dünnen
Seidenstoff, aber es kümmerte mich nicht.
Minuten später murmelte er mir etwas ins
Haar.
»Was?«
»Verdammt knapp«, wiederholte er und wich etwas
zurück, »es war verdammt knapp, Sassenach, und das hat mir angst
gemacht.«
Ich warf einen Blick auf den Dolch, der vergessen
auf dem Boden lag.
»Angst? Nie zuvor habe ich jemanden gesehen, der
furchtloser ist als du. Du wußtest nur zu gut, daß ich es mein
Lebtag nicht wagen würde.«
»Ach das«, er grinste. »Nein, ich hätte keine
Sekunde geglaubt, daß du mich umbringen würdest, auch wenn du es
gerne getan hättest.« Er schlug einen sachlichen Ton an. »Nein...
ich meine, alle diese Frauen. Wie ich mich bei ihnen gefühlt habe.
Ich wollte sie nicht, wirklich nicht...«
»Ja, ich weiß«, antwortete ich und streckte ihm die
Hand entgegen. Aber er sprach weiter. Bekümmert sah er mich
an.
»Aber die Begierde... so nennt man das wohl... sie
war dem zu ähnlich, was ich manchmal für dich empfinde, und das...
nun, das scheint mir nicht recht.«
Er wandte sich ab, um sein Haar mit dem Leinentuch
zu trocknen, und seine Stimme klang gedämpft.
»Ich habe immer gedacht, es wäre einfach, bei einer
Frau zu
liegen«, erklärte er leise. »Aber... ich möchte dir zu Füßen
liegen und dich anbeten und außerdem will ich dich auf die Knie
zwingen, meine Hände in dein Haar wühlen, und ich will, daß mich
dein Mund befriedigt... Und ich will beides gleichzeitig,
Sassenach.« Er schob seine Hände unter mein Haar und umschloß mein
Gesicht.
»Ich verstehe mich selbst nicht, Sassenach! Oder
vielleicht doch.« Er löste seine Hände und wandte sich ab. Obwohl
sein Gesicht längst trocken war, wischte er sich immer wieder mit
dem Handtuch über das stoppelige Kinn. Seine Stimme war kaum
vernehmbar.
»So ein Gefühl - ich meine, das Wissen darum - kam
zum erstenmal kurz nach... Wentworth.« Wentworth. Der Ort, an dem
er seine Seele geopfert hatte, um mein Leben zu retten, und
Höllenqualen erleiden mußte, um sie wiederzuerlangen.
»Zuerst dachte ich, daß Jack Randall einen Teil
meiner Seele geraubt hätte, aber auf einmal wurde mir bewußt, daß
es viel schlimmer war. Das alles kam aus mir, war schon immer ein
Teil von mir gewesen. Er hat mir das nur deutlich gemacht, bis ich
es schließlich begriffen habe. Gerade das kann ich ihm nicht
verzeihen, und ich wünsche ihm, daß seine Seele dafür
verfault.«
Er sah mich an. Sein übernächtigtes Gesicht wirkte
ausgemergelt, aber seine Augen leuchteten eindringlich.
»Claire, deinen Nacken unter meinen Händen zu
fühlen und die zarte Haut deiner Brüste und Arme... Guter Gott, du
bist meine Frau, und ich liebe dich und würde für dich mein Leben
geben. Und trotzdem möchte ich dich so hart küssen, daß deine
Lippen bluten und meine Finger Male auf deiner Haut
hinterlassen.«
Er ließ das Handtuch fallen und legte mir die Hände
auf den Kopf, als wollte er mich segnen.
»Ich möchte dich wie ein Kätzchen unter meinem Hemd
tragen, mo duinne, und gleichzeitig will ich deine Schenkel
öffnen und dich reiten wie ein Stier.« Seine Finger krallten sich
in meine Haare. »Ich verstehe mich selbst nicht.«
Ich zog meinen Kopf weg und trat einen halben
Schritt zurück. Das Blut pulsierte unter meiner Haut, und ein
Schauder erfaßte meinen Körper.
»Glaubst du, ich empfinde anders?« entgegnete ich.
»Glaubst du nicht, daß ich dich nicht auch manchmal beißen möchte,
bis ich Blut schmecke, und daß ich dich kratzen will, bis du
schreist?«
Behutsam streckte ich meine Hand nach ihm aus.
Seine Brust fühlte sich feucht und warm an. Ich berührte ihn mit
dem Nagel meines Zeigefingers unterhalb der Brustwarze. Sachte
bewegte ich ihn um die Warze herum und sah, wie sie sich in dem
buschigen Haar aufstellte.
Mein Fingernagel drückte sich fester in die helle
Haut, glitt abwärts und hinterließ einen schwachen roten Streifen.
Ich zitterte, wandte mich aber nicht ab.
»Manchmal möchte ich dich wie ein wildes Pferd
reiten und dich zähmen - hast du das gewußt? Ich weiß, ich kann es.
Ich will dich so scharf machen, bis du nur noch röchelst, dich an
den Rand des Zusammenbruchs bringen und es genießen, Jamie,
wirklich! Und doch will ich sooft...«, ich mußte schlucken, »will
ich einfach... deinen Kopf an meine Brust drücken, dich liebkosen
wie ein Kind und in den Schlaf wiegen.«
Meine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, so daß
ich sein Gesicht nur verschwommen wahrnahm und nicht sah, ob er
auch weinte. Seine Arme schlossen sich um meinen Körper und die
feuchte Wärme, die von ihm ausging, umfing mich wie der Atem eines
heißen Sommerwindes.
»Claire, du bringst mich um, mit oder ohne Messer«,
flüsterte er, das Gesicht in meinem Haar vergraben. Er hob mich
hoch und trug mich zum Bett. Dann kniete er nieder und legte mich
auf die zerwühlten Decken.
»Du liegst jetzt bei mir«, sagte er ruhig, »und ich
werde dich so nehmen, wie ich muß. Und wenn du es mir gleichtun
willst, dann tu es und sei willkommen, denn jeder Winkel meiner
Seele ist dein.«
Obgleich seine Schultern von dem Bad noch warm
waren, zitterte er, als meine Hände an seinen Hals wanderten. Ich
zog ihn zu mir herunter.
Als alles vorbei war, streichelte ich ihn und
strich ihm die Locken zurück.
»Manchmal wünschte ich, du wärst es, der in mir
ist«, flüsterte ich. »Ich möchte dich in mir aufnehmen, damit dir
nichts zustoßen kann.«
Er legte seine große warme Hand schützend und
liebkosend über die leichte Wölbung meines Bauches.
»Du tust es, mo duinne«, sagte er. »Du tust
es.«
Ich spürte es zum erstenmal am darauffolgenden
Morgen, als ich noch im Bett lag und Jamie beim Anziehen zusah. Ein
kaum merkliches Flattern, wohlvertraut und doch völlig unbekannt.
Jamie stand mit dem Rücken zu mir, wand sich in sein knielanges
Hemd und streckte die Arme, um die Falten des gebleichten Stoffes
über seinem breiten Rücken auszurichten.
Ruhig lag ich da und hoffte, das leise Flattern
würde sich wiederholen. Und da war es: winzige, schnelle
Bewegungen, wie die Bläschen, die in einer kohlensäurehaltigen
Flüssigkeit aufsteigen und zerplatzen. Behutsam legte ich eine Hand
auf meinen Unterleib, knapp über dem Schoß.
Da war es. Kein er und keine sie - aber ein Wesen.
Vielleicht besaßen Babys ja bis zur Geburt gar kein Geschlecht -
abgesehen von den körperlichen Merkmalen.
»Jamie«, sagte ich. Er band gerade sein Haar mit
einem Lederband im Nacken zusammen. Mit geneigtem Kopf schaute er
mich lächelnd an.
»Na, aufgewacht? Es ist noch früh, mo
duinne. Schlaf noch ein Weilchen.«
Ich war drauf und dran gewesen, es ihm zu erzählen,
doch irgend etwas hielt mich zurück. Er konnte es nicht spüren,
noch nicht. Es war nicht, daß ich annahm, es sei ihm egal, aber
diese Empfindungen schienen plötzlich nur mich etwas anzugehen.
Nach dem ersten Wissen um die bloße Existenz des Babys -
meinerseits ein Bewußtsein und seinerseits einfach ein Dasein -
teilte ich nun noch ein zweites Geheimnis mit dem Kind, etwas, was
uns aufs engste miteinander verband, wie das Blut, das durch uns
beide strömte.
»Möchtest du, daß ich dir die Haare flechte?«
fragte ich Jamie. Wenn er zum Hafen ging, bat er mich oft, ihm
seine Mähne zu einem festen Zopf zu binden, da an Bord und auf dem
Kai ein starker Wind blies. Er scherzte häufig, daß er es wie die
Matrosen in Teer tauchen würde, um dem Problem endgültig
beizukommen.
Er schüttelte den Kopf und griff nach dem
Kilt.
»Nein. Ich werde Prinz Charles einen Besuch
abstatten. Und in seinem Haus ist es zwar zugig, aber es wird mir
gewiß nicht die Locken in die Augen blasen.« Er grinste mich an und
stellte sich neben mein Bett. Als er meine Hand auf meinem Bauch
sah, legte er seine sachte darüber.
»Alles in Ordnung, Sassenach? Ist es besser mit der
Übelkeit?«
»O ja.« Die morgendliche Ubelkeit hatte tatsächlich
nachgelassen. Nur hin und wieder wurde ich von einem Brechreiz
erfaßt. Ich hatte festgestellt, daß ich den Geruch von gebratenen
Kutteln mit Zwiebeln nicht ertragen konnte. Ich mußte dieses
geschätzte Mahl vom Speiseplan der Dienstboten streichen, da sein
Duft von der Küche im Untergeschoß über die Hintertreppe hochkroch
und mich jäh überfiel, sobald ich die Tür des Salons öffnete.
»Gut.« Er hob meine Hand und küßte sie zum
Abschied. »Schlaf noch ein wenig, mo duinne«, wiederholte
er.
Behutsam schloß er die Türe hinter sich, als wäre
ich bereits eingeschlafen, und überließ mich der morgendlichen
Stille der Kammer. Das fahle Sonnenlicht drang durch das
Flügelfenster und malte quadratische Muster auf die Wand. Es würde
ein herrlicher Tag werden. Ich war mit Freude erfüllt, allein mit
mir und doch nicht allein in meinem friedlichen, warmen
Kokon.
»Hallo«, sagte ich leise, eine Hand über die
Schmetterlingsflügel gelegt, die sich in meinem Innern kaum
wahrnehmbar bewegten.