Kapitel 15
Es geht um mich (Alex)
Als der Wecker in meinem Telefon um 5:45 Uhr klingelte, drehte ich mich schnell im Bett um und stellte ihn ab. Ich wollte den Rest der Familie nicht stören. Wenn ich etwas Glück hatte, würde ich zurück sein, bevor einer der Anderen aufwachte.
Ich zog eine Jogginghose und, perverserweise, das graue Army-T-Shirt von Dylan an, das an mir wie ein Zelt aussah. Ich hatte es mir vor einigen Wochen angeeignet. Es war irgendwie beruhigend es hier zu haben.
Dann schnürte ich meine Laufschuhe zu, band meine Haare zu einem wirren Zopf zusammen und ging langsam die fünf Treppen bis zur Eingangstür hinunter, dabei versuchte ich verzweifelt, niemand aufzuwecken.
Draußen war es ruhig und dunkel, aber nicht so kalt, wie ich es inzwischen beim Laufen gewohnt war. Wie ich so auf die dunkle Straße starrte, spürte ich für eine Sekunde etwas Angst. Ich war es gewohnt mit Dylan in der Dunkelheit zu laufen. Ich hatte bis jetzt nicht realisiert, wie viel Sicherheit mir das gab. Die Sicherheit, vor dem Sonnenaufgang durch den Stadtpark zu rennen. Sicherheit, sich frei zu fühlen, keine Angst vor einem zufälligen Straßenräuber oder Vergewaltiger oder anderen Gefahren in der Dunkelheit haben zu müssen.
Ich wärmte mich auf dem Bürgersteig vor unserem Haus auf und grübelte darüber nach, dass ich diese Art der Angst niemals vorher gespürt hatte. Und die Ironie war, es war kein Fremder, der mich angegriffen hatte. Es war jemand, den ich seit der Mittelstufe kannte. Das ist natürlich auch das, was die Statistiken sagen. Die Vergewaltiger sind fast immer Personen, die die Frau kennt.
Aber die Realität war trotzdem ganz anders als die Statistiken. Die Realität war verwirrend und beängstigend. Betrunken zu sein, sich fast krank zu fühlen, und dann drückt jemand deinen Kopf herunter und schiebt seine Hand unter deine Bluse. Der Gestank von Alkohol in seinem Atem, als er sagte: „Ich weiß, dass du es willst, warum wehrst du dich?“
Ich wollte es nicht. Nicht mit ihm. Damals nicht und auch zukünftig niemals.
Ich lief los, zunächst die 23. Avenue hoch bis zur Fulton Street, dann am Golden Gate Park entlang. Um diese Uhrzeit gab es kaum Verkehr, schon gar nicht in den Ferien.
Ich steigerte das Tempo bis ich recht schnell war, und behielt dabei die dunklen Ecken im Auge, in denen sich jemand verstecken könnte. Denn, ob ich es mochte oder nicht, Randy Brewer hatte meine Sicht auf die Dinge geändert. Ich machte eine Menge Fortschritte, lernte Selbstverteidigungstechniken von Dylan, aber ich war noch lange nicht am Ziel. Aber ich würde das Ziel irgendwann erreichen. Mit oder ohne ihn.
Eines wusste ich sicher. Ich würde kein Opfer mehr sein. Niemals wieder würde mich jemand gegen meinen Willen festhalten, nicht wenn ich es irgendwie verhindern konnte.
Als ich das Ende der Fulton Street erreichte, rannte ich in Richtung Strand weiter und dann durch den Sand auf das Wasser zu. Die Wellen brachen laut herein und ich drehte mich um und lief am Strand entlang. Ich war zu Hause noch niemals gelaufen. Es hatte etwas befreiendes, etwas, wodurch ich mich größer fühlte als je zuvor.
Es lag nun in Dylans Hand. Ich liebte ihn. Ich wusste, was ich wollte: Mein Leben mit ihm verbringen. Ich wollte, dass wir zusammen den nächsten Schritt in eine gemeinsame Zukunft machten. Aber ich musste wissen, dass er auch soweit war. Etwas in ihm hatte ihn immer zurück gehalten. Und alles, was ich tun konnte, war hoffen und beten, dass er darüber hinweg kam.
Wenn er es allerdings nicht konnte, würde ich bereit sein das zu akzeptieren. Ich würde ihn immer lieben. Aber wenn ich ihm Auf Wiedersehen sagen müsste, war ich jetzt stark genug dazu.
An diesem Morgen rannte ich eineinhalb Stunden lang und verlangsamte mein Tempo erst ein paar Dutzend Blocks von meinem Elternhaus entfernt. Erst zwei Blocks entfernt, fiel ich in einen Spazierschritt zurück. Ich war völlig verschwitzt, mein Haar lag nass auf meinem Rücken und ich fühlte mich fantastisch.
Leise öffnete ich die Tür und ging die Treppen hinauf.
Als ich den ersten Absatz erreichte, hörte ich die Stimme meiner Mutter. Soviel zum unbemerkten Betreten des Hauses.
Ich seufzte, trat dann die Küche und sagte: „Guten Morgen.“ Ich ging zu ihr und küsste sie auf die Wange.
Carrie saß am Küchentisch, eine Tasse Kaffee stand vor ihr. Ich musste lächeln, denn der zerzauste Anblick, in einem Bademantel mit wirrem Haar, war so selten. Ich ging zu ihr, küsste auch sie auf die Wange, goss mir ein großes Glas Wasser ein und begann zu trinken.
„Guter Gott, du warst doch nicht etwa Laufen, oder?“, fragte Carrie.
Meine Mutter sah völlig verblüfft aus.
„Alexandra Charlotte Thompson, die Sonne ist kaum aufgegangen und du warst im Dunkeln laufen? Was ist nur in dich gefahren? Weißt du nicht, dass es gefährlich ist, allein im Dunkeln durch die Stadt zu laufen? Merkwürdige Typen und Vergewaltiger und Gott weiß wer noch, sind da draußen.“
Ich trank mein Wasser zu Ende und antwortete dann schnell: „Es sind nicht die Fremden, über die man sich Sorgen machen muss, Mom, es sind die Leute, die man kennt.“
Carrie keuchte kurz leise auf und trank dann schnell einen Schluck von ihrem Kaffee, um es zu verbergen.
Meine Mutter, das Gesicht vor Fassungslosigkeit verzogen, wechselte das Thema. „Wo hast du das T-Shirt her. Es ist… hässlich.“
Ich lächelte. „Ich fühle mich heute Morgen viel besser. Danke der Nachfrage, Mom. Ich war draußen um mein Lauftraining zu absolvieren und ich denke es wird ein fantastischer Tag werden, meinst du nicht auch?“
„Au weia“, sagte sie. „Von keinem der Kinder, die ich großgezogen habe, hätte ich je erwartet, dass es sich in eine Sportlerin verwandelt und schon gar nicht in eine Frühaufsteherin.“
Carrie lachte laut los. „Du kannst nicht alles kontrollieren, Mom. Und ich persönlich finde es ist schön zu sehen, dass Alex glücklich ist.“
Ich holte mir gerade meinen Kaffee, als meine Mutter zustimmte. „Ich vermute du hast Recht. Es war nicht leicht, Alex, dich letzten Sommer um einen zu haben. Ich denke du bist endlich über diese Dylan-Person hinweg.“
Ich sah meine Mutter an und sagte: „Es geht nicht um ihn, Mutter. Es geht um mich.“
Verwirrt sagte sie: „Na ja, dann trink deinen Kaffee. Und… es ist schön dich lachen zu sehen.“
Ich setzte mich, nippte an meinem Kaffee und meine Mutter verließ die Küche.
Carrie sah mich von der Seite an und sagte: „Schönes T-Shirt. Weißt du wo ich auch eins herbekommen kann?“
Ich boxte sie in die Schulter und sagte: „Hol dir dein Eigenes. Ich bin sicher, du findest einen Soldaten, der eines für dich rumliegen lässt.“
Sie lächelte und sagte dann: „Ray kommt nächste Woche nach Houston.“
Ich grinste. „Ich weiß.“
Sie lächelte zurück. „Ich weiß nicht wie ernst es zwischen uns ist. Aber… er ist eine nette Abwechslung zu den Typen, die Mom und Dad mir immer vorstellen. Und die Typen in meinem Doktorandenprogramm?“ Sie tat so als würde sie Schaudern. „Hoffnungslos.“
Ich flüsterte: „Kannst du dir Moms und Dads Reaktion vorstellen, wenn wir beide mit Exsoldaten enden? Dad würde endgültig mit einem Herzinfarkt zusammenbrechen.“
„Vielleicht wäre es sogar gut für ihn. Weißt du, dass er sich langsam mit Crank anfreundet?“
Ich schüttelte meinen Kopf. „Unmöglich.“
„Alles ist möglich, Alex.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Lass es uns hoffen. Ich… ich wünschte ich wüsste was Dylan denkt.“
Sie sagte: „Ich denke er muss das für sich allein klären.“
„Ich weiß. Ich habe nur Angst… Angst, dass er sich zurückzieht. Dass das wirklich das Ende ist.“
Sie legte ihre Hand auf meine und drückte leicht zu. „Was wirst du tun, wenn es das ist?“
Eine Welle der Traurigkeit schwappte über mich.
„Ich werde trauern“, sagte ich. „Und dann werde ich mein Leben weiterleben. Ich werde nicht zulassen, dass er mich noch mal so vernichtet. Wenn er mich möchte… muss er diesmal den ersten Schritt machen.“
Geh und hol sie dir (Dylan)
„Los Sherman, geh an das verdammte Telefon“, grummelte ich. Beim fünften Klingeln ging er ran.
„Zur Hölle?“, sagte er, seine Stimme war völlig verschlafen. „Es ist noch nicht mal Mittag. Ich hoffe du hast eine gute Erklärung, Paris.“
„Sherman, ich brauche deine Hilfe.“
Er seufzte. Ich konnte es am anderen Ende der Leitung hören. Paris braucht Hilfe, schon wieder.
„Was ist los, Mann?“
„Ist Carrie in San Francisco? Weißt du, wie du sie erreichen kannst?“
„Ja, sie ist dort, bei Ihrer Familie. Warum?“
„Okay“, sagte ich, und seufzte vor Erleichterung. „Kannst du mir bitte einen Gefallen tun? Rede mit ihr. Bitte sie dafür zu Sorgen, dass Alex heute Abend zu Hause ist.“
Während er das verarbeitete war am anderen Ende der Leitung für einen Moment Ruhe, dann sagte er: „Kumpel, wo bist du?“
„Ich bin am JFK-Flughafen.“
„Verstanden. Du willst versuchen sie zu überzeugen?“
„Ja.“
„Viel Glück.“
„Das werde ich brauchen.“
„Ja, du machst echt keine Witze. Geh und hol sie dir. Ich werde Carrie anrufen und wir werden uns darum kümmern, dass Alex zu Hause ist. Wann landet dein Flieger?“
„Um 19:00 Uhr. Ich werde ein Taxi quer durch die Stadt nehmen… es wird 20:00 Uhr oder 21:00 Uhr werden, bis ich bei ihr zu Hause bin.“
„Weißt du, wo du hin musst?“, fragte er.
„Ja, ich war schon mal dort.“
„Dylan, das war vor zwei Jahren.“
Ich zuckte mit den Schultern, obwohl er das natürlich nicht sehen konnte. „Manche Dinge vergisst man nicht, Sherman.“
„Gott, manchmal bist du wie ein Mädchen, Paris. Völlig aufgedreht.“
„Das bin ich“, sagte ich.
„Mal ernsthaft, Mann. Viel Glück. Vielleicht kann Carrie schon mal eine gute Grundlage schaffen. Ich weiß, dass sie auch für dich hofft.“
„Danke, Mann.“
„Dafür sind Freunde da. Verpass deinen Flug nicht.“
Wir legten auf und ich schaute ungeduldig auf die Infotafel. Noch zwanzig Minuten bis zum Einsteigen.
Ich war natürlich schon einmal im Haus ihrer Eltern gewesen. Im Sommer nach meinem Abschlussjahr an der High School. Damals war ich mit einem Greyhoundbus dreieinhalb Tage quer durch den Kontinent gefahren. Es war eine sehr, sehr merkwürdige Reise gewesen. Sieben Tage im Bus, um vier Tage mit ihr zu verbringen.
Die Sache war die, selbst nach dieser Reise quer durch das Land um sie zu sehen, selbst danach war es mir nicht möglich gewesen, mich ihr komplett zu öffnen. Ich hatte nicht gesagt, was ich wirklich hatte sagen wollen, nämlich: „Warum versuchen wir nicht, zur gleichen Uni zu gehen? Warum denken wir nicht darüber nach, irgendwann zu heiraten?“
Natürlich waren wir zu jung. Und natürlich war ich völlig verängstigt. Und ich hätte mir niemals vorstellen können, wie mein Leben sich weiter entwickeln würde.
Als das Flugzeug zum Einsteigen bereit war, war ich einer der Ersten in der Schlange.
Ein netter junger Mann (Alex)
Das würde ein absolut schreckliches Abendessen werden, dachte ich.
Ich saß auf der Couch und las die New York Times über mein Telefon. Ich hätte es besser wissen müssen. Die Schlagzeile im Lokalteil sagte schon alles: Columbia Student wegen Vergewaltigung verhaftet. Das Foto darunter zeigte Randy Brewer auf einem Fahndungsfoto. Auf dem Foto waren seine Augen geweitet, sahen fast erschrocken aus. Irgendwie sah er, unrasiert wie er war, mit zerzaustem Haar und den geweiteten Augen, aus, als wäre er verrückt.
Julia und ihr Ehemann Crank (ja, er heißt wirklich so) waren spät dran, was meine Eltern, während des Wartens, dazu veranlasste eine Menge kritischer Kommentare von sich zu geben.
Carrie und ich saßen zusammen im Wohnzimmer, sie war damit beschäftigt eine Menge SMS mit Ray hin und her zu schicken. Carrie trug eine schlichte aber attraktive schwarze Hose und eine rosenrote Bluse mit Rüschen. Ich trug ein ärmelloses, weißes Kleid mit einem leichten Pulli, der mit Rosen bestickt war. Jessica saß bei uns, sie trug ein schön bedrucktes Kleid und las ebenfalls Nachrichten auf ihrem Telefon. Wir sahen aus wie eine glückliche Familie, alle in unsere elektronischen Geräte vertieft.
Im Gegensatz dazu trug Sarah zerrissene schwarze Jeans, ein löchriges T-Shirt auf dem das Cover des Albums „Beyond Redemption“, der Death Metal Band The Forsaken gedruckt war, zumindest glaube ich, dass das die Band war. Oder war es vielleicht umgekehrt? Das war nicht unbedingt mein Musikgeschmack, deshalb war ich mir nicht sicher. Das Foto auf dem Shirt würde meine Eltern auf jeden Fall verärgern: Es sah aus wie ein schreiender, blutiger Schädel. Sie starrte jeden an, der ihr zu Nahe kam.
Mein Vater war noch nicht aus seinem Büro gekommen, aber meine Mutter war schon ein paar Mal zwischen der Küche und dem Büro hin und her gelaufen, und jedes Mal hatte sie angehalten und Sarah gesagt sie solle sich für das Abendessen umziehen. Die einzige Antwort war mürrische Stille.
Ich wäre gerne in die Küche gegangen und hätte meiner Mutter geholfen, sie sah gestresst aus und ich wusste sie war ziemlich beschäftigt damit ein Abendessen für acht Personen zuzubereiten. Aber, wenn einer von uns in ihr privates Refugium eindringen würde, würde sie stinksauer werden. So war meine Mutter: eine absolute Märtyrerin, sauer, wenn man ihr nicht half, aber wenn man Hilfe anbot, lehnte sie sie ab.
Es klingelte und die Spannung löste sich. Ich packte mein Telefon weg und fühlte mich erlöst.
„Ich gehe schon!“, riefen Jessica und Sarah gleichzeitig.
Sie starrten sich für eine Sekunde an, dann setzte sich Jessica wieder hin und verschränkte ihre Arme vor der Brust, damit sah sie genauso aus wie Sarah vor einer Minute. Sarah trampelte in ihren Kampfstiefeln die Treppe hinunter.
Zwei Minuten später ging sie hinter meiner Schwester Julia und ihrem Mann Crank die Stufen wieder hoch.
Bevor Sie denken, dass Julia adoptiert ist, oder als Kind von Aliens entführt wurde, sollte ich Ihnen sagen, dass sie ihr Studium in Harvard als Jahrgangsbeste abgeschlossen hat. Bis sie zweiundzwanzig war, folgte auch sie dem gleichen Plan, wie der Rest von uns: Dem Plan, den mein Vater erstellt hatte und auf dessen Einhaltung meine Mutter achtete, dem Plan, von dem kaum eine von uns abwich. Carrie folgte ihm, in dem sie ihren Doktor machte. Ich folgte ihm, indem ich als Hauptfach an der Columbia Uni Jura gewählt hatte. Zweifellos würden die Zwillinge folgen, und nur die Zeit würde zeigen, ob Sarahs Rebellion dauerhaft war. Falls ja, würde der Thompsonhaushalt in den nächsten Jahren kein glücklicher Ort sein.
Am Tag nachdem Julia ihren Abschluss in Harvard gemacht hatte, hatte sie verkündet, dass sie nicht weiterstudieren würde, sondern beschlossen hatte als Managerin für die Band ihres Freundes, Morbid Obesity, zu arbeiten. Und erwartungsgemäß war sie ziemlich gut in ihrem Beruf. Mit Cranks Gitarrenspiel, den Songtexten und dem Geschäftsinn meiner Schwester war die Band ein ziemliches Phänomen in der Alternativen Rock Szene. Es ging ihnen finanziell nicht schlecht, aber ich wusste, dass meine Eltern den Weg, den Julia in ihrem Leben eingeschlagen hatte, absolut hassten. Und ich bewunderte sie sehr für ihren unabhängigen Geist.
Julia kam herein und trug, was für sie Gesellschaftskleidung war: Schwarze Jeans, hochhackige Schuhe und einen Pullover. Crank war… na ja, Crank. Seine Jeans waren verwaschen und teilweise zerrissen, sein T-Shirt sah aus, als ob es schon alt war, als ich geboren wurde, er hatte eine Igelfrisur und sein Haar hatte verschiedene Farben. Crank war das perfekte Beispiel dafür, dass Bewunderung und Verlangen zwei sehr unterschiedliche Gefühle waren. Wie meine Schwester es schaffte, Sex mit ihrem Ehemann zu haben ohne sich selbst dabei zu verletzen, war mir ein absolutes Rätsel.
Gleichwohl liebte ich sie beide und freute mich sie zu sehen.
Als sie die Treppe hinauf kamen umringten meine Schwestern und ich sie, und wir umarmten uns gegenseitig.
Julia, die zehn Jahre älter war als ich, lächelte als sie mich sah und umarmte mich lange. „Oh Alex, es ist so schön dich zu sehen.“
„Dich auch, Julia. Ich hab dich so vermisst.“
Crank kam zu mir rüber und umarmte mich, ich war vorsichtig, mich dabei nicht aufzuspießen. Er drehte sich zu Sarah um und sagte: „The Forsaken? Geil. Wie ist es dir ergangen, Punk?“
Ich war fasziniert zu sehen, dass Sarah rot wurde. „Oh, mir geht’s super, Crank, und dir?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ach du weißt schon, ich spiel auf meiner Gitarre und hänge so rum. Deine Schwester hält mich auf der Spur.“
Sarah begann bei ihrer Antwort zu stottern als Julia amüsiert zu ihr rüber schaute. Sie war vierzehn als die Zwillinge geboren wurden, deshalb hatte sie nicht viel von ihrer Kindheit mitbekommen. Es war geradezu offensichtlich, dass Sarah ziemlich in ihren Ehemann verknallt war.
In diesem Moment kam mein Vater aus seinem Büro.
„Julia, wie schön dich zu sehen“, sagte er und umarmte sie. Dann drehte er sich, wie immer ein bisschen verwirrt um und streckte seine Hand aus.
„Crank“, sagte er mit reservierter Stimme.
„Hey, Dad“, sagte Crank grinsend und umarmte meinen Vater stürmisch. Carrie und ich schauten uns mit weiten Augen an und Julia kicherte ein wenig.
Als sie sich trennten, landeten die Augen meines Vaters auf Sarah. Ich wartete auf die Explosion.
„Sarah“, sagte er, „Bitte geh nach oben und zieh dich vor dem Abendessen um.“
Sofort war Trotz in ihren Augen zu sehen. „Aber Crank trägt auch keine formelle Kleidung! Ich will kein Kleid anziehen“, sagte sie.
„Wenn Crank ein Kleid tragen würde, würde ich ihn vermutlich auch darum bitten, sich umzuziehen. Aber was Crank macht, tut nichts zur Sache junge Lady. Crank hat einen Beruf, er kann für sich selbst sorgen und kann sich deshalb so unpassend anziehen, wie er möchte. Im Gegensatz dazu bist immer noch eine Schülerin, die auf die High School geht. Ich bezahle mindestens noch ein paar Jahre für dein Essen und deine Unterkunft. Deshalb wirst du, wenn ich dir sage, dass du dich umziehen sollst, das gefälligst tun. Ende der Diskussion.“
Sie starrte meinen Vater an, murmelte: „Gott“, rannte nach oben, und erschütterte mit ihren Kampfstiefeln das ganze Haus.
„Also dann“, sagte mein Vater im selben eigentümlich formalen Ton, wie er immer sprach. „Lasst uns ins Esszimmer gehen und vielleicht kann Sarah dann später dazu stoßen.“
Er führte uns ins Esszimmer, Julia und Crank waren direkt hinter ihm und Carrie und ich folgten. Im Esszimmer war der Tisch mit dem besten Porzellan meiner Mutter gedeckt, das mein Vater ihr während der zwei Jahre, die sie in Peking gelebt hatten, direkt bevor ich an die High School kam, gekauft hatte.
Meine Mutter betrat das Esszimmer durch eine andere Tür. Sie hatte den Tisch gedeckt, brachte nun das Essen herein und ging dann kurz wieder raus um, wie sie es ausdrückte, „sich frisch zu machen“. Danach umschwirrte sie uns und erteilte bezüglich der Sitzordnung Anweisungen.
Normalerweise würde mein Vater am Kopfende des Tisches sitzen und meine Mutter am Fußende. Crank und Julia würden sich bei Dad am Kopfende gegenüber sitzen. Carrie und ich würden die beiden mittleren Plätze einnehmen und die Zwillinge würden zu meiner Mutter ans Fußende verbannt werden.
Unglücklicherweise sah es so aus, als ob der Streit der Zwillinge auch die Tischordnung durcheinander gebracht hatte. Um so wenig Ärger wie möglich zu haben, saß Sarah links von mir neben Dad und Carrie rechts von mir. Jessica saß uns gegenüber, direkt neben meiner Mutter am anderen Ende des Tisches, weit weg von ihrer Zwillingsschwester, und Crank und Julia saßen nebeneinander.
Als wir uns setzten, sah Julia mir in die Augen und lächelte mich warm an. Crank, der gegenüber des leeren Stuhls saß, den Sarah belegen würde, grinste und verwickelte meinen Vater in eine Unterhaltung über Außenpolitik, ausgerechnet. Wenn er sich mit einem Hirnchirurgen über die komplexe Anatomie des Gehirns unterhalten hätte, wäre ich nicht minder erstaunt gewesen.
Was danach passierte erstaunte mich noch mehr. Mein Vater antwortete nicht nur in einem ruhigen, vernünftigen Ton, sondern schien sich über diese Geste zu freuen. Innerhalb von Minuten waren sie in eine Unterhaltung über die chinesische Wirtschaftspolitik vertieft und das war das Spezialgebiet meines Vaters.
„Ach“, sagte meine Mutter zu Carrie. „Ist das nicht schön? Wir geben Sarah noch eine Minute oder so und dann werde ich das Essen servieren.“
Anstatt noch eine dritte Unterhaltung am Tisch anzufangen, blieben Jessica und ich ziemlich ruhig.
Dann kam Sarah hinein.
Sie hatte ein Kleid angezogen, so wie mein Vater es gewollt hatte. Aber ich denke nicht, dass er es so gemeint hatte. Sie hatte sich nämlich auch geschminkt, schwarzer Eyeliner, schwarzer Lidschatten und schwarzer Lippenstift. Sie trug das schwarze Spitzenkleid, das sie zu Onkel Rafaels Beerdigung vor zwei Jahren getragen hatte und das ihr inzwischen eindeutig nicht mehr passte. Ihre Brüste fielen fast heraus und es war offensichtlich, dass sie einen schwarzen Spitzen-BH darunter trug. Und sie hatte immer noch ihre Kampfstiefel an.
Ich hielt den Atem an, wartete auf die unvermeidliche Explosion. Mein Vater sah sie vernichtend an, sagte aber nichts, stattdessen entschied er sich die Unterhaltung mit Crank weiterzuführen, der gerade ein Problem, dass seine Band hatte, aufs Tapet gebracht hatte: Die große Menge an gefälschten Fanartikeln, die in China produziert und auf der ganzen Welt verkauft wurden. Das Problem war vermehrt aufgetaucht, nachdem das zweite Album der Band Goldstatus erreicht hatte.
„Weißt du, ich verstehe ja ein bisschen Piraterie“, sagte Crank. „Ich bin so arm wie eine Kirchenmaus gewesen. Aber das sind nicht nur ein paar Raubkopien – es gibt ganze Fabriken, die Sachen produzieren, die aussehen wie unsere. Und der Verkauf dieser Artikel macht einen großen Teil unseres Einkommen aus.“
Mein Vater nickte. „Das war eines der größten Probleme an denen ich während meiner Jahre im Auslandsdienst gearbeitet habe. Es war einer der Gründe, warum ich als Botschafter ausgewählt wurde. Aber ich muss dir sagen, dass die chinesische Regierung nicht wirklich daran interessiert ist zu kooperieren.“
Sarah war enttäuscht. Es war klar, was sie erwartet hatte – gewollt hatte -, die Explosion. Stattdessen ignorierten mein Vater und meine Mutter sie. Während sie durch den Raum zu ihrem Stuhl ging, grinste Jessica sie spöttisch an.
Sarah warf Jessica einen bösen Blick zu und setzte sich dann zu meiner Linken. Aber Crank richtete das Alles mit einer einfachen Geste. Er zwinkerte sie ganz offen an und lächelte. Sie wurde sofort rot, sehr zum Leidwesen meiner Eltern.
„Also dann“, sagte mein Vater. „Lasst uns essen. Adelina, sprichst du das Tischgebet?“
Wir hielten uns an den Händen und meine Mutter sprach ein kurzes Gebet. Wir alle sagten oder formten ein lautloses „Amen“ am Ende.
Mein Vater begann das Essen auszuteilen. Ich lehnte mich zu Carrie rüber und flüsterte: „Dad und Crank scheinen ja fast… kumpelhaft miteinander umzugehen.“
Sie flüsterte zurück: „Ich glaube Julia hat Vater Cranks Kontostand nach dem letzten Album gezeigt.“
Ich kicherte und meine Mutter sagte: „Mädchen, ich verstehe ja, dass ihr lange nicht hier, sondern am College gewesen seid, aber Ihr dürft Eure Manieren nicht vergessen.“
Ich nickte entschuldigend. Carrie war 26 Jahre alt und machte gerade ihren Doktor an einer der führenden Unis des Landes, sie hatte bereits eine große Menge an Forschungsergebnissen unter ihrem Namen veröffentlicht. Ich war mir sicher, dass sie, außer an diesem Tisch, nirgendwo „Mädchen“ genannt wurde.
Irgendwie war es nicht schlimm, mit Carrie unter einen Hut gesteckt zu werden.
„Adelina, ich habe heute morgen sehr beunruhigende Nachrichten gehört. Randall, der Sohn der Brewers ist verhaftet worden.“
Ich erstarrte und Carrie griff unter dem Tisch nach meinem Bein. Gegenüber von Carrie wurden Jessicas Augen größer.
„Guter Gott!“, sagte meine Mutter. „Was ist passiert?“
„Es sieht so aus, als wird ihm vorgeworfen jemand vergewaltigt zu haben. Ich bin mir sicher, dass das nicht wahr ist… Es war vermutlich eine dieser Situationen, in denen sie zu viel getrunken haben und sie es hinterher bereut hat.“
Ich erstarrte noch mehr, war unfähig zu denken, unfähig auch nur zu atmen.
„Das ist schrecklich“, sagte mein Vater. „Ich denke es wäre angebracht, wenn wir alle nach dem Essen auf einen kurzen Besuch zu den Brewers gehen. Es ist schon lange her, dass wir sie gesehen haben und es wäre gut, wenn wir ihnen die Ehre erweisen und unsere Hilfe anbieten.“
„Nein.“ Das Wort war raus bevor ich es überhaupt merkte.
Carries Griff auf meinem Bein verstärkte sich und Jessica saß mit offenem Mund da. Julia und Crank starrten mich an und mein Vater musste zweimal hinschauen. Aber es war meine Mutter, die antwortete.
„Alexandra, ich weiß, dass du trotz unserer Bemühungen Randy nie gemocht hast. Aber du wirst dich an diesem Tisch höflich benehmen. Und du wirst mit uns gehen, so wie es dein Vater vorgeschlagen hat. Er ist ein netter, junger Mann. Ich bin mir sicher, diese Anschuldigung ist einfach nur verunglimpfend.“
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl vor, mein Magen krampfte sich zusammen und ich stellte fest, dass ich mit den Zähnen knirschte um den größten Zorn, den ich jemals in meinem Leben verspürt hatte, zurückzuhalten. Ich konnte spüren, wie der Zorn mich komplett ausfüllte und für eine Sekunde hätte ich gerne etwas kaputt gemacht, egal was.
„Deine Mutter hat Recht“, sagte mein Vater. „Wenn es nach mir gegangen wäre, hättest du die Schwärmerei für deinen Soldaten schon vor Jahren beendet und Randy geheiratet.“
Ich war wie betäubt. Ich konnte einfach nichts sagen, denn wenn ich angefangen hätte, wäre ich nicht der Lage gewesen wieder aufzuhören. Ich streckte meine Hand aus um nach meinem Weinglas zu greifen und verschüttete es stattdessen. Jetzt starrte meine ganze Familie mich wegen meines merkwürdigen Verhaltens geschockt an, oder, im Falle von Carrie und Jessica, mit blankem Entsetzen.
Meine Mutter sprang auf, um Servietten zu holen, um den verschütteten Wein aufzusaugen. Als wir fertig waren, sagte mein Vater: „Ich denke diese Unterhaltung ist beendet.“
Ich schüttelte meinen Kopf.
„Wie bitte?“
Ich sah ihn an, nicht länger in der Lage mich zurückzuhalten. Eine Träne lief über mein Gesicht.
„Ich werde noch nicht mal in die Nähe seiner Eltern gehen. Oder seines Hauses. Erwähne seinen Namen nie wieder in meiner Gegenwart. Hast du mich verstanden?“ Die Bitterkeit und der Zorn in meiner Stimme überraschten sogar mich selbst.
„Ich verstehe das nicht“, fiel meine Mutter ein. „Was ist nur in dich gefahren, Alexandra? Randy Brewer ist ein absolut netter junger Mann „
„Oh, um Himmels Willen!“ rief Carrie. „Könnt Ihr nicht sehen, was Ihr ihr antut? Seit wann seid Ihr Beide so ahnungslos?“
„Tja, ich weiß nicht…“ begann meine Mutter und brach dann ab.
Der Ton meines Vaters war so kalt wie Eis. „Wie kannst du es wagen, so mit uns zu sprechen, junge Lady?“
Carrie drehte sich zu ihm um, ihre Augen waren zornig. „Wie kannst du es wagen deiner Tochter weiter so weh zu tun?“, schrie sie. „Könnt Ihr es nicht sehen? Obwohl Ihr die Details nicht kennt, könnt Ihr den Schmerz nicht sehen, den ihr verursacht? Um Gottes Willen, dieser nette arme junge Mann, über den ihr da redet, hat Eure Tochter zweimal sexuell bedrängt.“
Oh Gott, warum musstest du damit am Esstisch herausplatzen? Ich war entsetzt, sah erst kurz zu Julia und dann für eine Sekunde zu meinem Vater. Dann legte ich meine Hände vor mein Gesicht.
„Es tut mir Leid Alex, ich weiß, ich habe dir gesagt, ich würde ihnen nichts sagen. Aber, wenn du es nicht machst, mache ich es. Ich werde nicht zulassen, dass sie dich weiter quälen.“
Meine Mutter sagte, geschockt: „Carrie, wir würden ihr niemals weh tun…“
„Du hast keine Ahnung wovon du redest, Mutter! Bis du Bescheid weißt, solltest du besser einfach die Klappe halten.“
Völlige Stille breitete sich am Tisch aus.
Carrie drehte sich zu mir und sagte mit leiser, sanfter Stimme: „Alex, ich weiß, dass du Angst hast. Aber wir sind deine Familie. Lass es mich ihnen sagen.“
Ich vergrub mein Gesicht noch mehr in meinen Händen und begann zu schluchzen. Sarah kam zu mir rüber, legte ihre Arme um mich und vergrub ihr Gesicht und Haar in meiner Schulter. Carrie legte ihre Hand auf meine andere Schulter und sagte mit sehr leiser Stimme: „Randy hat letztes Frühjahr versucht sie zu vergewaltigen. Seine Zimmergenossen kamen dazu und verhinderten es. Sie hat ihn nicht angezeigt und auch niemand davon erzählt. Aber vor ein paar Wochen passierte es erneut. Er hat sie auf einer Party bedrängt. Dylan Paris zog ihn von ihr weg, sie kämpften und… Dylan hat Randy verprügelt. Er wurde dafür wegen Körperverletzung angeklagt. Aber du musst mir zuhören, Vater. Ich weiß, du magst Dylan nicht. Ich weiß, das hast du noch nie. Aber er hat deine Tochter gerettet. Also solltest du deine Abneigung besser herunterschlucken. Am besten behältst du sie für dich. Denn, während die Polizei Dylan wegen Körperverletzung anzeigte, ließen sie Randy Brewer einfach gehen. Und so konnte er einer anderen Frau nach Hause folgen und sie vergewaltigen.“
Ich begann noch heftiger zu weinen.
„Ich wusste das nicht“, sagte mein Vater.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und sah zu ihm auf, ich bebte vor Zorn. „Du wusstest es nicht? Du wusstest, dass Dylan letztes Frühjahr verwundet wurde! Du wusstest, warum er mir nicht geschrieben hat, er konnte es nicht, weil er zu schwer verletzt war! Du wusstest es! Und du hast mir nichts gesagt!“
Meine Mutter keuchte. „Alexandra, das weißt du nicht.“
„Doch, das weiß ich! Dad hat ihm geschrieben. Er hat Dylan gesagt, er solle sich von mir fernhalten, dass er nicht gut genug für mich ist.“ Ich drehte mich wieder zu meinem Vater. „Als der Mann, den ich liebe, im Krankenhaus lag, dem Tode nahe und kurz davor sein Bein zu verlieren, hast du ihm noch Eins drauf gegeben und das, obwohl er sowieso schon am Boden lag! Rede mit mir nie wieder darüber, was du wusstest oder nicht wusstest, Dad. Rede nie wieder darüber, was du wusstest.“
Das Gesicht meines Vaters wurde total blass. Julia sah ihn angewidert an und sagte: „Ist das wahr?“
Dad schloss seine Augen und nickte dann einmal. Nach einer langen Pause murmelte er: „Vielleicht lag ich falsch.“
Carrie nahm meine Hand und sagte: „Es kann dir noch so Leid tun, Dad. Aber im Moment hat diese Familie ein Problem. Denn Dylan und Alex lieben sich. Und du hast die Wahl, Dad. Du kannst diese Heuchelei weitertreiben und versuchen unser aller Leben, bis hin zu dem Punkt, welchen Menschen wir lieben dürfen, zu planen. Oder du kannst dich hinter deine Familie stellen und sie unterstützen. Alex, lass uns nach oben gehen. Das hier ist das letzte, was du gerade brauchst.“
Sie zog mich hoch und ich folgte ihr, immer noch geschockt.
„Stopp“, sagte mein Vater. Carrie richtete sich gerade auf und ich drehte mich um und sah ihn an.
Er sah anders aus. Irgendwie kleiner. Weniger selbstsicher. Ich holte tief Luft, bereit ihm eine Verweigerung ins Gesicht zu schreien, als er sagte: „Ist das wahr? Dylan… er… ist dazwischen gegangen und hat Randy davon abgehalten, dich anzugreifen?“
Ich nickte langsam.
Er nickte zurück und sagte: „Na ja. Es sieht so aus, als ob ich deinen jungen Mann falsch eingeschätzt habe. Und… Alexandra… es tut mir leid. Ich werde dich nicht um Vergebung bitten. Nicht jetzt. Aber… Ich bitte dich mir eine Chance zu geben. Um es wieder gut zu machen.“
Meine Unterlippe begann unkontrollierbar zu zittern und sein Anblick verschwamm vor meinen Augen. Ich sah zu meinem Dad und nickte. Das war alles was er brauchte. Er kam um den Tisch herum und nahm mich in seine Arme. Dann spürte ich meine Schwestern um mich, sogar Jessica und Sarah, und sie legten ihre Arme in einer Riesenumarmung um mich. Ich fühlte wie die Muskeln in meinem Körper schwach wurden, als meine Familie mich festhielt, mich umschlang, den Schmerz irgendwie verkleinerte, besser erträglich machte.
Nach einer langen Zeit trennten wir uns und gingen zu unseren Stühlen am Tisch zurück. Als auch ich an den Tisch zurückkehrte, hatte meine Mutter Tränen in den Augen.
Crank lächelte mich an und sagte dann scherzhaft: „Deshalb liebe ich Familienessen. Es wird nie langweilig.“
In diesem Moment klingelte es an der Tür.
Meine Mutter murmelte: „Mein Gott, wer kann das sein? Das Abendessen wird eiskalt sein, bevor auch nur einer einen Bissen getan hat.“
„Ich gehe“, sagte Sarah in dem Moment, in dem Jessica aufstand. Sie sahen einander an, es war der erste Blick, den ich zwischen den Beiden sah, der kein Starren war. Dann verließen sie beide, ohne ein Wort zu sagen, das Wohnzimmer.
Zwei Minuten später hörte ich wie Sarah von der Eingangstür nach oben rief. „Alex! Du musst an die Tür kommen!“