Kapitel 2
Ich kam mir völlig deplaziert vor (Dylan)
Das letzte Mal als ich Alex sah… oder zumindest ihr Bild auf Skype… schmiss ich mein Laptop vom Tisch. Als das nicht genug Zerstörung anrichtete, nahm ich es aus dem Zelt mit nach draußen an den Rand des Camps und feuerte mit meiner Waffe ein ganzes Magazin auf den Laptop ab. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass das ziemliche Aufmerksamkeit erregte.
Sergeant Colton überzeugte den alten Herrn mich nicht vor ein Kriegsgericht zu stellen. Bestraft wurde ich natürlich trotzdem. Ich durfte die Baracken für dreißig Tage nicht verlassen, eine ziemlich überflüssige Sache wenn man in der Provinz am Ende der Welt in Afghanistan ist, und wurde zu extra Diensten eingeteilt, definitiv nicht überflüssig, denn das bedeutete hauptsächlich das Befüllen von Sandsäcken.
Letztendlich war es aber egal, denn am nächsten Tag saß ich auf dem Beifahrersitz unseres Jeeps als wir über eine Straßenbombe fuhren, und danach brauchte ich für lange Zeit keinen Computer. Ich wurde ziemlich übel zugerichtet und mein bester Freund starb.
Die Sache ist die, Alex hat schon immer, ähm, starke Gefühle in mir geweckt, schon als ich sie zum ersten Mal sah.
Wir haben uns vor fast drei Jahren kennen gelernt: Mein letztes Jahr an der High School und ihr Erstes. Und um ganz ehrlich zu sein: Mein Leben änderte sich dadurch in einem Ausmaß, das ich nicht wirklich beziffern kann.
Aber um das zu verstehen, müssen Sie verstehen wie es überhaupt dazu kam, dass wir uns kennen lernten. Es ist schwierig für mich den genauen Zusammenhang dazulegen. Denn man muss immer weiter in die Vergangenheit gehen, um die Geschichte zu verstehen. Ich war an der Columbia Universität, weil die Straßenbombe hochgegangen war. Ich war über diese Bombe gefahren, weil ich mich freiwillig für die Infanterie gemeldet hatte, als ich der Army beigetreten war. Und der Army war ich beigetreten, als sich Alex zum ersten Mal von mir getrennt hatte, und das passierte weil… Sie verstehen was ich meine. Damit das alles also überhaupt einen Sinn ergibt, muss ich bei der High School anfangen.
Ich war ein lausiger Schüler, aber ich bin nicht dumm. Ich kann rechnen und als meine Mutter mich rausschmiss, musste ich mir mehrere Minilöhne zusammen verdienen und es reichte trotzdem nicht um die Miete für ein Zimmer zu bezahlen, geschweige denn für ein Zimmer und so etwas Verrücktes wie Essen. Und die Typen, mit denen ich meine Zeit verbrachte... sagen wir einfach, sie waren nicht gerade die Aushängeschilder an Menschlichkeit.
Also machte ich Ordnung in meinem Leben. Ich hörte auf zu Trinken und Drogen zu rauchen. Ich rauche immer noch Zigaretten, aber jeder muss ein Laster haben. Und ich schrieb mich wieder an der High School ein. Das Problem war, dass ich große Wissenslücken hatte. Also ging ich zum Schulleiter und erklärte ihm meine Situation.
Seine erste Frage war: „Wo sind deine Eltern?“
Ich seufzte. „Derzeit habe ich kein Zuhause“, antwortete ich, „aber diese Situation ist nicht von Dauer. Schauen Sie… Ich möchte meine Eltern nicht an meiner Rückkehr an die Schule beteiligen. Ich glaube, ich muss meine Mutter davon überzeugen, dass ich es alleine schaffen kann. Vielleicht muss ich es mir selbst auch beweisen.“
Er verstand. Und er unterstützte mich wo er nur konnte. Und zu meiner (und meiner Mutter ihrer) Überraschung, hatte ich fast überall gute Noten.
Am Ende des Schuljahres, bestellte mich der Direktor in sein Büro.
„Hör mal zu“, sagte er. „Ich möchte dir von einem Programm erzählen, dass es hier an der Schule gibt. Jedes Jahr sendet die Stadt ein halbes Dutzend Schüler im Rahmen eines landesweiten Schüleraustauschprogramms ins Ausland. Du wurdest in den Kreis der potenziellen Bewerber aufgenommen.“
Ich war geschockt. Ich?
„Ist das nicht eher etwas für die klugen Kinder, die keinen Ärger machen?“
„Du bist eines der klugen Kinder, Dylan.“
Ich registrierte sehr wohl, dass er den Teil mit dem Ärger machen nicht ansprach.
„Schau mal Dylan, ich meine nur… das ist eine super Chance. Ich denke du solltest dich bewerben.“
„Okay“, sagte ich und konnte es immer noch nicht wirklich glauben. „Was muss ich tun?“
„Einen Aufsatz schreiben. Hier ist das Informationspaket. Erkläre in deinem Aufsatz warum gerade du diese Chance erhalten solltest.“
Ich nahm das Infopaket mit nach Hause und las mir alles durch. Um Ehrlich zu sein, ich war total verängstigt. Wirklich. Ich kam aus einer Arbeiterfamilie, mit einem Trunkenbold als Vater, einer auf Entzug befindlichen Mutter und na ja… ich war verkorkst. Ich würde mit Schülern konkurrieren, die Einser-Durchschnitte hatten, die planten an Unis wie Harvard und Yale zu gehen oder an andere Orte, von denen ich nur träumen konnte. Aber ich schrieb den Aufsatz. Ich schrieb darüber, wie es war mit Alkoholikern aufzuwachsen und selbst einer zu werden. Ich schrieb darüber, wie ich mich entschlossen hatte zurück an die Schule zu gehen und wie ich den Stoff nachgearbeitet hatte. Ich schrieb darüber, wie wichtig eine gute Ausbildung ist, und zwar aus Sicht von jemand, der erlebt hatte, wie es war für einen Minilohn zu arbeiten, nur um wenigstens genug zu Essen zu haben, während er von einem Übernachtungsplatz zum nächsten zog.
Und wissen Sie was? Irgendwie hatte ich es geschafft und wurde ausgewählt. Das Nächste, an das ich mich erinnere ist, dass ich zu dem halbem Dutzend Jugendlichen aus Atlanta gehörte, die für zwei Monate nach Israel reisen würden.
Und dabei lernte ich Alex kennen.
Ich sah sie zum ersten Mal am Abend bevor wir nach Israel abflogen. Ich vermute es waren um die vierzig Personen, die in der Aula des Hunter College in Staten Island saßen. Sie saß genau gegenüber von mir, auf der anderen Seite des Raums und diesen Anblick werde ich nie vergessen. Langes braunes Haar, das ihr, in der Mitte gescheitelt über den Rücken fiel. Grüne Augen, die mich von der anderen Seite des Raumes anschauten. Leicht olivfarbene Haut, volle Lippen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sie die schönste Frau war, die ich je gesehen hatte. Sie war mir so weit überlegen, dass ich nicht mal darüber nachdachte, auf sie zu zugehen. Die Sache war die, all diese Jugendlichen waren mir weit überlegen. Einige waren einfach nur brillant, alle waren fleißige Schüler, die sich den Arsch aufgerissen hatten um an diesem Austauschprogramm teilnehmen zu können. Wirklich, ich kam mir völlig deplaziert vor.
Nicht das mich das davon abgehalten hätte teilzunehmen. Als wir am nächsten Morgen in das Flugzeug stiegen, fand ich mich durch einen glücklichen Zufall, der mein Leben verändern sollte, auf dem Nachbarsitz des Mädchens mit den grünen Augen wieder, das ich letzten Abend bewundert hatte.
„Hi“, sagte ich, „ich bin Dylan.“
„Alex“, antwortete sie.
Alex. Ich dachte über den Namen nach. Ich mochte ihn.
„Von wo kommt du, Alex?“
„San Francisco“, sagte sie.
„Wirklich? Wow. Ich bin aus Atlanta, Georgia. Ich war noch niemals im Westen.“
Sie lächelte, und ich versuchte mein Bestes um ungezwungen zu bleiben. Aber das war schwer. Wirklich schwer, denn ihre Augen waren einfach… bezaubernd. Es war als würde ich betrunken werden, aber auf eine gute Weise, ohne Kater.
„Das war meine erste Reise an die Ostküste“, sagte sie.
„Erzähl mir von dir, Alex.“
Sie lehnte sich zurück. „Das ist eine ziemlich weit reichende Frage.“
„Na ja. Lass mich anfangen. Ich bin Dylan, und meine sozialen Fähigkeiten sind mies. Ich würde dich gerne näher kennen lernen, in dem ich dir dumme Fragen stelle. Wie war das?“
Sie kicherte, und ich starb fast.
„Ich sag dir was“, meinte sie. „Ich stelle dir eine Frage. Danach stellst du die Nächste. Danach bin ich wieder dran. Sie müssen eindeutig sein. Und du darfst nicht lügen.“
Ich versuchte mein Bestes um verletzt auszusehen. „Sehe ich aus wie jemand der lügen würde?“
„Blödmann. Deine Fragen sollen mich betreffen.“
Jetzt lachte ich. „Alles klar. Hmm… Du kommst aus San Francisco… Fährst du jemals mit dieser verrückten Straßenbahn?“
„Niemals“, sagte sie. „Die sind für die Touristen.“
„Ah“, sagte ich, „Verstehe. Du bist dran.“
„Okay… Ähm… Was ist dein Lieblingsfach in der Schule?“
Darüber musste ich kurz nachdenken.
„Also… früher war es Schauspiel, aber ich habe keine Wahlfächer mehr. Also muss ich „Englisch“ antworten, ich liebe es zu schreiben.“
„Echt? Was schreibst du so?“
„Das sind zwei Fragen. Ich bin dran.“
„Oh“, sagte sie. Sie grinste „Also gut. Du bist dran.“
Ich versuchte mir eine gute Frage auszudenken aber das war ganz schön schwer. Immerhin schaute sie mich weiterhin an, und dann diese Augen! Außerdem roch ich einen Hauch von Erdbeeren. Warum in aller Welt roch sie nach Erdbeeren? Kam es von ihrem Haar? Wo auch immer der Geruch herkam, er war verlockend. Dieses Mädchen jagte mir eine Heidenangst ein.
„Was ist deine liebste Erinnerung?“
Sie lehnte sich zurück und dachte nach, dann breitete sich ein wunderschönes Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
„Das ist einfach“, sagte sie, „als ich zehn Jahre alt war lebten wir in Moskau. Mein Vater ließ mich zum ersten Mal an einer offiziellen Feierlichkeit teilnehmen. Es war… glamourös. Alle Männer und Frauen trugen Ballkleider und Smokings, und meine Mutter ließ mir extra ein eigenes Ballkleid schneidern. Als der Tanz begann, hat mein Vater mich aufgefordert und mit mir getanzt.“
„Moskau? Ach du Scheiße! Was habt Ihr da gemacht?“
„Mein Vater gehörte zum diplomatischen Corps. Und das war unfair, das war eine extra Frage.“
Ihr Vater arbeitete für das diplomatische Corps, sagte sie beiläufig. Ach du Scheiße. Absolut eine Nummer zu groß für mich.
„Oh. Mist, tut mir leid. Okay… Du hast zwei Fragen.“
„Na schön… Vor was hast du am meisten Angst?“
Vor dir, hätte ich fast geantwortet.
Ich holte tief Luft, und sagte dann ehrlich: „So zu enden wie mein Vater. Er war Alkoholiker.“
Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck von… Traurigkeit? Mitleid? Ich wollte kein Mitleid. Sie wechselte das Thema.
„Was war das Beste, das du jemals gemacht hast?“, fragte sie.
„Das Beste? Hmm…“, darüber musste ich kurz nachdenken. Ich grübelte kurz, dann sagte ich: „Ich war eine Weile obdachlos. Bin von der Schule abgegangen. Egal, manchmal wusste ich nicht wo ich schlafen würde, oder ob ich etwas zu essen haben würde. Eines Nachts fuhr ich in der MARTA… das ist unsere U-Bahn… einfach hin und her und versuchte ein wenig zu schlafen, bevor der Verkehr für die Nacht eingestellt werden würde. Sie schließen um 2:00 Uhr und ich saß in der Innenstadt fest, dann traf ich auf eine Familie. Sie waren alle obdachlos, genau wie ich. Eltern und zwei Kinder. Der Vater hatte seinen Job verloren. Aber ich arbeitete und hatte etwas Geld. Also lud ich sie zum Abendessen in ein Waffle-House Restaurant ein. Es war nicht viel… vielleicht zwanzig Dollar. Aber man konnte sehen, dass die Kinder nicht viel zu essen gehabt hatten. Sie waren so… dankbar.“
Ich schloss meine Augen. Diese Kinder waren… überwältigend. Überwältigend in ihrer Not, und ihrer Liebe zu ihren Eltern und… einfach überwältigend.
Alex schaute mich an, als käme ich vom Mars. „Du warst obdachlos?“, fragte sie sehr leise.
„Das waren schon zwei Fragen. Ich bin dran.“ Ich dachte nach und platze dann heraus: „Warum riechst du nach Erdbeeren?“
Sie wurde rot, ein tiefes Rot. Oh. Mein. Gott. Warum hatte ich das nur gefragt? Idiot!
Schlussendlich sprach sie, ein schüchternes Lächeln auf ihrem Gesicht: „Das ist, ähm, mein Shampoo. Ich mag Erdbeeren. Ich trage auch Erdbeerlipgloss.“
Jetzt war ich kurz davor auszurasten. Denn allein der Gedanke an sie, und an Erdbeerlipgloss, war zu viel für mich. Ihre Lippen waren perfekt geformt. Und, um ehrlich zu sein, jedes Mal, wenn ich sie anschaute, hatte ich das Bedürfnis sie zu berühren. Einfach überall.
„Ich bin dran“, sagte sie und drehte sich zu mir um. Sie hatte diesen schadenfrohen Gesichtsausdruck. „Hast du eine Freundin?“
In meinem Kopf begannen die Alarmglocken zu läuten. Ich sagte: „Ähm… nicht direkt. Ich bin mit einem Mädchen zusammen aber nicht sicher, was daraus wird, wenn es überhaupt irgendetwas wird.“
Sie lächelte.
Ich lächelte.
„Und was ist mir dir?“, fragte ich. „Hast du einen Freund?“
„So etwas Ähnliches“, sagte sie „ Ich bin mit einem Typen namens Mike zusammen, aber ich bin mir auch nicht sicher, ob es etwas Ernstes ist.“
Ich schluckte. Sie hatte einen Mike zu Hause. Ich hatte eine Hailey zu Hause. Und diese Reise sollte nur zwei Monate dauern. Mein Gehirn sagte mir. Halt dich verdammt noch mal zurück, Dylan. Aber sind wir doch mal ehrlich. Ich war noch niemals wirklich schlau.
Weinen: Das. Wird. Nicht. Passieren. (Alex)
Okay, schauen Sie. Ich bin nicht unbedingt ein sehr emotionaler Mensch. Keine Dramaqueen. Aber Dylan war für lange Zeit ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Und in Doktor Forresters Büro neben ihm zu sitzen war im wahrsten Sinne des Wortes Folter für mich.
Der ganze Termin war ziemlich unangenehm. Nachdem wir fertig waren gab Forrester uns jeweils die Hand. Während Dylan noch versuchte aufzustehen, drehte ich mich um und ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Ich ging direkt zum Studierendensekretariat.
Dort ging es natürlich zu wie in einem Taubenschlag. Am Anfang des Semesters versuchten sehr viele Leute ihre Finanzen für das Studium zu regeln. Jeder hatte ein Problem und alle hatten sie diesen Moment gewählt um es zu lösen. Als ich also nach Sandra Barnhart fragte, wurde ich gebeten Platz zu nehmen und zu warten. Und ich wartete. Und wartete. Und wartete.
Schließlich wurde ich endlich vorgelassen. Sie war erschöpft. Ihr Haar war zerzaust, ihr Schreibtisch lag voll mit Papier. Als ich eintrat nahm sie gerade eine Schmerztablette ein.
Kein gutes Zeichen.
„Hi, was kann ich für sie tun?“
„Hi… Ich bin Alex Thomson. Wir haben neulich miteinander telefoniert… mein Posten als studentische Hilfskraft wurde kurzfristig geändert?“
„Alex, Alex... ach ja, ich erinnere mich.“
Ich rutschte auf meinem Stuhl herum. „Ähm… Ich wollte fragen, ob es zu spät ist noch einen anderen Posten zu erhalten. Egal was.“
Sie runzelte die Stirn. „Das dürfte schwierig werden. Üblicherweise werden die Posten zu Beginn der Sommerferien vergeben. Um ehrlich zu sein, hatten sie Glück, diesen Posten zu erhalten. Doktor Forresters Vertrag war bis letzte Woche nicht unterschrieben, deshalb konnten wir Ihnen auf den letzten Drücker noch diesen Job geben. Wo liegt das Problem?“
Oh Gott. Ich hatte nicht wirklich einen guten Grund. Zumindest keinen, den ich erklären konnte. Sie haben außer mir noch meinen Exfreund engagiert. Ja, das würde gut ankommen. Ich versuchte mir eine Antwort auszudenken und sagte dann dummerweise: „Ich denke nicht, dass ich für die Stelle die beste Wahl bin.“
Sie seufzte „Ich kann Ihnen sicher sagen, dass wir im Moment keine andere Stelle für Sie haben. Sie sind schon die fünfte Studentin, die eine Änderung wollte. Eventuell könnten Sie mit jemandem tauschen. Sie können jederzeit eine entsprechende Notiz am schwarzen Brett draußen anbringen. Und natürlich können Sie in ein paar Wochen noch mal nachfragen. In den ersten zwei Wochen brechen viele Studenten das Studium ab. Dann wird vielleicht etwas frei.“
Ich nickte enttäuscht. Das würde ein schwieriges Jahr werden. Ich wollte auf keinen Fall ein ganzes Jahr mit Dylan zusammen arbeiten müssen. Es würde die Studienzeit, die eigentlich eine tolle Erfahrung sein soll, in eine Qual verwandeln.
„Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen konnte.“ sagte sie.
Okay, ich verstand. Das war ein Rausschmiss. Ich bedankte mich und verließ das Büro. Ich würde ein paar Wochen durchhalten und dann einen Job als Tellerwäscherin oder etwas genauso Langweiliges annehmen.
Zurück auf der Straße, schlug ich den Weg zum Wohnheim ein.
Ich würde nicht weinen. Ich weigerte mich einfach.
Weinen: Das. Wird. Nicht. Passieren.
Ich erinnere mich, wie ich von Dylan fasziniert war. Ich hatte niemals zuvor jemanden wie ihn getroffen. Mein ganzes Leben hatte nur aus Wissenschaft bestanden. Ich lernte, ich lernte viel. Aber ich hatte auch jede Art von Unterstützung von meinen Eltern, die Nachhilfe- und Klavierlehrer engagierten. Außerdem hatte ich meine Schwestern, wir halfen uns gegenseitig, wenn wir Probleme hatten. Seitdem mein Vater pensioniert war, lebten wir einen Block vom Golden Gate Park entfernt, in einem wunderschönen alten Reihenhaus.
Dylan war… so anders. Er war obdachlos gewesen, Himmelherrgott. Er sprach nicht viel über die schwierigen Zeiten in seinem Leben… zumindest nicht gleich nachdem wir uns kennen gelernt hatten. Aber es war klar, dass wir aus völlig verschiedenen Welten stammten. Aber er war stark. Das musste er sein, wenn er es geschafft hatte ein Alkohol- und Drogenproblem zu besiegen und alleine den Entschluss zu fassen, zurück an die Schule zu gehen und dann auch noch gute Noten zu schreiben.
Es war schnell um mich geschehen.
Wir redeten die ganzen zwölf Stunden unseres Fluges nach Tel Aviv, während die meisten Anderen schliefen. Ich erinnere mich, dass wir dieses blöde Spiel spielten und uns Fragen stellten bis sie unangenehm wurden. (Hast du eine Freundin?) Dann wechselten wir das Thema. Lieblingsbücher. Harry Potter. Die Tribute von Panem. Wir hassten beide Twilight und liebten Katniss Everdeen.
„Ich mag starke Hauptpersonen“, sagte er mir mit einem Grinsen. Oh mein Gott. Wie konnte jemand, der so süß ist, so perfekt sein?
Aber er war auch widersprüchlich. Er war leidenschaftlicher Hemingwayliebhaber und konnte sich darin verlieren über sein Lieblingsbuch Fiesta zu sprechen. Er war verwirrt darüber, dass ich Milan Kundera mochte.
Die Austauschschüler verbrachten die ersten zwei Nächte in einer Jugendherberge in Tel Aviv. Wir nahmen an einer ganzen Reihe von Infoveranstaltungen teil und danach gab es ein großes formelles Abendessen. Dylan machte während des Essens einen sehr unbehaglichen Eindruck. Ich denke nicht, dass er solche formellen Veranstaltungen gewöhnt war. Danach gingen ein paar von uns in die Altstadt von Jaffa, die wir während der offiziellen Rundfahrt früher am Tage gesehen hatten.
Wir saßen am Pier und sahen auf das Mittelmeer hinaus. Er rauchte und wir unterhielten uns. Ich erzählte ihm von meinen Schwestern (von allen fünf) und er sprach von seinen Freunden.
„Irgendwie hat sich die Clique so ergeben“, sagte er. „Hauptsächlich eine Gruppe von Freaks. Alle waren Außenseiter in der Mittelstufe gewesen. Aber… Du weißt, wie es läuft. Eine falsche Person schläft mit der nächsten falschen Person und das große Drama beginnt.“
Ich lachte. Ich hatte noch nie mit jemandem geschlafen, aber ich wusste alles über Dramen in der High School.
Ich schaute immer wieder verstohlen zu ihm rüber und ich wusste, dass er das Gleiche tat. Seine blauen Augen waren einfach unglaublich und er hatte beneidenswert langes Haar, das in lose Locken überging. Irgendwann ertappte ich mich dabei, das Bedürfnis meine Finger durch sein Haar zu fahren zu unterdrücken. Denn das wäre nicht gerade cool und vernünftig gewesen. Ich stellte sicher, dass wir genug Abstand hielten, denn wenn wir uns berührt hätten, hätte ich mich vermutlich in seine Arme geworfen. Oh Gott, das Gefühl war so intensiv.
Ich frage mich, ob es deshalb so schmerzvoll war, als wir uns trennten. Weil wir uns so schnell so sehr ineinander verliebt hatten? Ich hatte mich völlig in ihm verloren.
Eines wusste ich sicher. Ich würde nicht zulassen, dass das noch einmal passierte.
Als ich zurück in mein Zimmer kam war Kelly da. Sie lag auf ihrem Bett und starrte die Decke an. Sie lag ganz still, die Augen weit geöffnet.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Kelly, außer wenn sie schlief, jemals völlig still erlebt hatte.
„Kelly!“, frage ich. „Geht es dir gut?“
Sie begann zu weinen.
„Was ist los?“, Ich stellte meine Tasche ab und eilte zu ihr.
„Joel“, sagte sie, und dann folgte ein neuer Schwall Tränen.
„Oh, Liebes“, sagte ich und kletterte zu ihr aufs Bett.
„Er braucht Abstand. Er möchte „das Spielfeld checken“, was auch immer das bedeutet.“
„Mistkerl“, sagte ich „so ein Arschloch.“
Sie heulte erneut los. War ich letztes Frühjahr auch so gewesen? Kein Wunder, dass sie ungeduldig geworden ist. Ich umarmte sie, sagte aber nichts.
Nach ein paar Minuten hörte sie auf zu schluchzen und meinte: „Also, ähm, wie war dein Tag?“ Sie kicherte, aber es war kein gutes Kichern… eher so als würde sie hysterisch werden.
„Tja“, sagte ich „Anscheinend hat Dylan Paris die Army verlassen und ist jetzt Student an der Columbia Universität. Wir haben den gleichen Job als studentische Hilfskraft.“
Sie setzte sich abrupt auf. „Was? Oh mein Gott! Du willst mich wohl verarschen.“ Vermutlich konnten sogar die Nachbarn drei Blocks weiter sie noch kreischen hören.
Ich nickte kläglich.
„Es war megaunangenehm. Und… feindselig.“
„Was hat er gesagt?“
Ich schloss meine Augen und versuchte nicht zu weinen. „Er sagte, er hatte gehofft, dass wir uns nicht treffen würden.“
Sie nahm meine Hand in ihre. „Oh mein Gott. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn mehr hassen könnte, als ich es sowieso schon tue, aber es geht. Komm lass uns gehen. Jetzt gleich. Wir gehen uns betrinken.“
Ich nickte, denn in diesem Moment erschien es mir als die bestmögliche Idee.
Grundregeln (Dylan)
„Ich denke wir brauchen ein paar Grundregeln“, sagte sie.
Es war der dritte Vorlesungstag und der erste Tag, an dem wir richtig für Doktor Forrester arbeiteten. Forrester hatte eine Unmenge an Informationen, Büchern, Akten und Dokumenten. Es war ein einziges Durcheinander. Unsere erste Aufgabe bestand darin, das Ganze zu sortieren und Querverweise zu erstellen. Wir hatten die Arbeit schnell zwischen uns aufgeteilt: Ich legte eine Datenbank an, sie sortierte das Material und fütterte mich mit den Infos.
Unglücklicherweise war es schwierig zusammen zu arbeiten, wenn man sich entweder anstarrte oder versuchte sich zu ignorieren.
„Wovon redest du?“, fragte ich.
„Sieh mal… ob es dir nun gefällt oder nicht, wir müssen zusammen arbeiten.“
Ich nickte. Ich hatte versucht einen anderen Job zu bekommen, aber es gab einfach nichts.
„Also dann lass uns einen Kaffee trinken gehen und reden. Und herausfinden, wie wir das machen können ohne uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen.“
Ich spürte einen Kloß im Hals. Mit ihr hier in Forresters Büro zu sitzen war das Eine. Aber mit ihr woanders zu sitzen und wie normale Menschen miteinander zu reden war etwas ganz Anderes. Aber sie hatte Recht. Wenn wir dass auch nur einen weiteren Tag durchziehen wollten, brauchten wir Regeln oder wir würden beide sehr unglücklich werden.
„Also gut“, sagte ich. „Wann?“
„Meine Vorlesungen sind für heute beendet. Warum nicht jetzt gleich?“
Ich nickte. „Okay.“
Ich stand langsam auf. Ich hatte große Schmerzen. Gestern hatte ich meinen ersten Krankengymnastiktermin im Brooklyn VA-Krankenhaus gehabt. Mein Therapeut war ein fünfundvierzig jähriger ehemaliger Marinesoldat und er war der Meinung, dass Schmerz gut für einen war. Das Problem war, es war schwer mit jemandem darüber zu streiten, wenn er nur ein Bein hat. Mal ernsthaft, wie viel Mitgefühl würde er mir wohl zeigen?
Marinesoldaten hatte ich sowieso nie gemocht.
Also folgte ich ihr in den Coffeeshop, der bei Forresters Büro um die Ecke lag. Er war schön, ein kleiner Laden mit ein paar Außentischen. Während wir liefen war ich unglaublich unsicher. Sie hatte sich den New Yorker Stechschritt angewöhnt. Und ich hatte, wegen meines Beines und des Gehstocks, ungefähr die Geschwindigkeit einer Schildkröte.
Sie verlangsamte ihren Schritt um sich mir anzupassen. Auf halbem Wege sagte sie endlich etwas.
„Also… was ist mit deinem Bein passiert?“
Ich zuckte mit den Schultern und gab eine knappe Antwort: „Ich vermute ein paar Hadschis dachten ich würde ohne besser aussehen. Straßenbombe.“
Sie seufzte. „Das tut mir leid.“
„Es ist nicht so schlimm. Ich kam ins Krankenhaus, und ich lebte weiter. Das macht mich zu einem der Glücklichen.“ Was ich nicht sagte war: Nicht so wie Roberts, der die Straße in einem Leichensack verließ.
Beim Coffeeshop angekommen sagte sie: „Du suchst uns einen Sitzplatz und ich hole uns den Kaffee. Trinkst du deinen immer noch mit Allem?“
Ich nickte und murmelte „Danke“, dann setzte ich mich auf einen Stuhl direkt am Bürgersteig.
Als ich auf sie wartete holte ich mein Handy heraus und ging meine Mails durch. Spam. Nochmehr Spam. Eine Mail von meiner Mutter. Die würde ich später beantworten. Sie war natürlich besorgt um mich. Manche Dinge änderten sich nie. Früher war ich sauer auf sie gewesen, weil sie mich, nachdem ich die Schule geschmissen hatte, rausgeworfen hatte. Heutzutage war ich ihr dankbar dafür. Dadurch hatte ich Gelegenheit gehabt einige Dinge frühzeitig zu lernen. Es gab mir die Gelegenheit klar im Kopf zu werden und meine Prioritäten zu setzen solange ich noch jung war und kein permanenter Schaden angerichtet wurde. Sie glaubte an etwas. Ich hätte niemals gedacht, dass sie fünf Jahre clean und nüchtern sein würde, also funktionierte es.
Als Alex zu mir an den Tisch kam, zwei große Kaffeebecher in der Hand haltend, legte ich das Handy beiseite.
„Danke“, sagte ich. Ich nippte an dem Kaffee. Oh, das war gut.
Sie lächelte und schaute mir in die Augen, dann schaute sie schnell wieder weg. Diesen kurzen Augenkontakt, der bemerkenswerterweise kein Starren war, spürte ich im Magen und schaute schnell zu Boden.
„Okay“, sagte ich. „Grundregeln.“
„Ja“, sagte sie.
Stille breitete sich aus. Was, dachte sie etwa ich hätte irgendwelche Ideen für Grundregeln?
Ich schüttelte den Kopf und sagte dann: „Okay, du fängst an. Es war deine Idee.“
„Schon gut.“ Sie schaute mich gedankenverloren an und meinte dann: „In Ordnung. Die erste Regel: Wir werden niemals über Israel reden.“
Ich schloss meine Augen und nickte. Darüber zu reden würde viel zu sehr wehtun. „Einverstanden“, murmelte ich.
Sie sah erleichtert aus, was mir irgendwie erneut das Herz brach.
Ich sprach: „Wir werden auch nicht darüber reden, was danach passiert ist. Auch nicht darüber, dass ich dich in San Francisco besuchte. Oder über das Jahr dazwischen. Oder das Jahr danach.“
„Ganz besonders nicht über das Jahr danach“, sagte sie. Ihre Augen glitzerten als sie auf den Tisch herunterschaute.
Dann waren wir wieder still. Das war echt eine Lachnummer. Ich fühlte mich wie auf einer Beerdigung.
„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, sagte ich.
„Warum nicht?“, erwiderte sie.
„Weil… weil, na ja, manchmal tut es weh, Alex. Ein wenig. Sehr. Meine Güte.“
Sie schaute weg, und verdammt ihre Augen waren so wunderschön. Und ihre Wimpern waren kilometerlang.
„Wenn wir dieses Jahr rumkriegen wollen, dann müssen wir die Vergangenheit hinter uns lassen“, sagte sie.
„Ja.“
„So als wären wir Fremde.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Okay.“ Als ob dass jemals passieren könnte.
„Wir fangen neu an. Wir haben uns gerade erst kennen gelernt. Du bist der Typ, der gerade aus der Army entlassen wurde und ich bin eine Frau aus San Francisco, die hier auf die Uni geht. Wir haben nichts gemeinsam. Da gibt es keine Verbindung. Wir sind keine Freunde. Und ganz sicher nicht… was wir waren.“
Keine Freunde. Natürlich nicht. Wie in aller Welt könnten wir Freunde sein, nach allem was wir durchgemacht hatten.
Ich nickte und fühlte mich schrecklich. Scheiße, es war ja nicht so als hätte ich irgendwelche Freunde, zumindest nicht mehr. Ich hatte den Kontakt zu meinen Freunden aus Atlanta verloren, nachdem sie nicht damit klarkamen, wer ich geworden war. Und die Freunde in Afghanistan… außer mit Sherman und Roberts war ich mit niemandem richtig warm geworden. Roberts war tot und Sherman war immer noch dort in der Provinz.
„Ich weiß nicht mal genau was wir waren. Nichts hat jemals einen Sinn ergeben.“
Sie zuckte mit den Achseln und verschränkte dann die Arme vor der Brust. Ich fühlte mich scheiße für das was ich gesagt hatte.
„Es tut mir leid“, sagte ich.
„Warum?“, fragte sie und schaute dabei von mir weg auf die Straße.
Ihre Unterlippe zitterte und ich hätte mir am liebsten selbst mit einem scharfen Objekt auf den Kopf geschlagen.
„Es stimmt doch, oder nicht? Wir haben niemals einen Sinn ergeben?“
„Oh Gott. Lass uns das nicht tun. Bitte.“
„Okay.“
Ihr Gesicht zuckte und es war klar, dass sie Tränen zurückhielt.
„Sieh mal“, sagte ich. „Das ist echt übel. Aber wir kommen da durch, okay? Es sind sowieso nur ein paar Stunden in der Woche. Was wir hatten… war aus einer anderen Welt. Wir waren in einem fremden Land und erlebten lauter tolle Dinge. Wir waren nicht wir selbst, nicht echt. Es war… es war eine Art Fantasie. Eine wunderschöne Fantasie, aber dennoch Fiktion, okay?“
Sie nickte, rieb mit einer Hand in ihrem Auge und verschmierte ihren Mascara dabei.
„Wozu das auch immer gut sein mag, es tut mir leid.“
„Wir sind schon dabei die Regeln zu brechen“, sagte sie.
„Nein, das sind wir nicht. Kein Gerede mehr über die Vergangenheit. Ab jetzt reden wir nur noch über das Hier und Jetzt. Du hast absolut Recht. Gibt es noch weitere Regeln?“
„Ich weiß nicht.“
Ich runzelte die Stirn und sagte dann: „Gut. Was hältst du von Dr. Forrester?“
Sie schüttelte ihren Kopf. „Er ist eine große Fälschung.“
Jetzt war ich an der Reihe meine Stirn zu runzeln. „Echt?“
„Ja, schau ihn dir doch nur an. Tweedjacke! Er hat vor fünfzehn Jahren einen Roman geschrieben, der einen Nationalen Buchpreis gewonnen hat, und ruht sich seitdem auf seinen Lorbeeren aus.“
Ich grinste: „Das ist ein ziemlich langer Anfall von … ähm…“
Oh scheiße, nicht jetzt. Ich konnte nicht denken. Das passierte mir jetzt manchmal. Ich vergaß Worte, ganze Phrasen. Ich schloss meine Augen, versuchte mich zu konzentrieren und den Gedanken von einer anderen Seite anzugehen. Ich stellte mir eine Schreibmaschine vor, so eine alte mechanische und dann fiel mir das Wort ein. „Schreibblockade.“
Sie kicherte. Sie war immer noch sauer aber der Themenwechsel half. Es war schön ein bisschen Farbe auf ihren Wangen zu sehen. „Schreibst du auch immer noch?“
Ich nickte: „Natürlich.“
„Worüber?“
Ich zuckte mit den Schultern „Im Moment über den Krieg. Es ist alles… vermutlich eine Art von Bewusstmachen. In keinster Weise logisch aufgebaut. Ich versuche einfach meine Gedanken aufzuschreiben. Mein Therapeut in Atlanta meinte, das könnte mir helfen.“
Sie drehte sich um und schaute mich an. Es war das erste Mal, dass sie mich wirklich anschaute seit wir uns vor drei Tagen das erste Mal getroffen hatten.
„Dein Therapeut?“
Ich zuckte erneut mit den Schultern. „Neben dem verkrüppelten Bein lautete die Diagnose außerdem posttraumatische Belastungsstörung. Und Schädel-Hirn-Trauma. Mein Hirn wurde kräftig durchgeschüttelt als die Bombe hochging, verstehst du? Aber das sind alles sowieso nur leere Bezeichnungen.“
„Wie meinst du das?“
Ich runzelte die Stirn. „Ich bin einfach… Ich bin nicht mehr der gleiche Mensch, den du kanntest, Alex. Manchmal erscheinen die Dinge hier… sie kommen mir nicht so vor als… als wären sie real. Vielleicht bin ich zu einem Adrenalinjunkie geworden. Die Realität ist einfach nicht mehr bunt genug für mich.“
Sie seufzte. „So habe ich mich nach unserer Rückkehr aus Israel lange Zeit gefühlt.“
„Du verletzt schon wieder die Regeln.“
„Oh, richtig.“
Sie war kurz ruhig und sprach dann weiter: „ Aber es war wirklich so. Es war alles so intensiv und interessant und bunt. Und dann wurde alles ganz plötzlich banal und grau und ich musste wieder früh aufstehen und in die Schule gehen und alles erschien mir so nutzlos.“
„Ja“, sagte ich. „Jedenfalls denke ich, dass es interessant werden wird für Dr. Forrester zu arbeiten. Ich hatte echt gedacht das eine Stelle als studentische Hilfskraft eher Tellerwaschen oder Flure wischen bedeuten würde.“
„Stimmt, dieser Job ist eindeutig besser“, antwortete sie. „Und überleg mal, wir werden einen echten Autor in Aktion erleben.“ Als sie das Wort „echt“ sagte zeichnete sie mit ihren Händen Anführungszeichen in die Luft. Ich lachte.
„Okay, wahrscheinlich hast du Recht. Mal sehen wie viel er dieses Jahr schreibt. Wir können zumindest sicherstellen, dass seine Infomaterialien geordnet und verfügbar sind.“
Sie grinste. „Wir sollten eine kleine Wette abschließen.“
Ich runzelte die Stirn. „Du hast Lust auf einen Wettstreit?“
„Also gut. Wo liegt die Grenze? Fünfzig Seiten? Einhundert? Zwei?“
„Er muss zumindest einen ersten Entwurf fertig bekommen.“
„Abgemacht.“ Ich hielt ihr meine Hand hin um sie zu schütteln. Sie nahm sie, und obwohl das eine ganz normale Geste war, war sie zu normal. Ihre Hand zu halten. Ich ließ sie schnell wieder los, es fühlte sich an als hätte ich mich verbrannt. Sie zu berühren… das war einfach zu intensiv.
Wir waren beide wieder still. Megapeinlich.
„Ich sollte gehen“, sagte ich zur gleichen Zeit als sie “Tja, ich hab noch was zu besorgen…“, sagte.
Wir schauten uns an und dann lachten wir beide los.
„Okay“, sagte ich „das ist unangenehm. Sind wir wirklich in der Lage, das durchzuziehen?“
Sie zuckte mit den Achseln und sah mich mit einem Lächeln an, von dem ich wusste, es war so falsch wie eine drei Dollarnote. „Natürlich Dylan. Das kann doch nicht so schwer sein.“
Ich begann meine Taschen aufzunehmen und holte dann drei Dollar aus meinem Geldbeutel. „Für den Kaffee“, sagte ich.
„Lass stecken. Du bist das nächste Mal dran mit zahlen.“
Ich stockte und packte dann das Geld zurück in mein Portemonnaie. Nächstes Mal? Sollte das jetzt zur Gewohnheit werden? Vermutlich keine gute Idee. Gar keine gute Idee.